Martina Michels
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Danke schön! – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 1. Mai 2011 fallen die bisherigen Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit weg. Ab dann steht auch der deutsche Arbeitsmarkt nach einer siebenjährigen Übergangsfrist Jobsuchenden aus den mittelosteuropäischen EU-Ländern offen. Und um es deutlich zu sagen: Die Gewährung der Arbeitnehmerfreizügigkeit für Bürgerinnen und Bürger der EU-Mitgliedsstaaten gehört als grundrechtsgleiches Recht zu den elementaren Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts. Das heißt, die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit ist für uns ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem gemeinsamen Europa.
Wir haben bereits in den Diskussionen um die Verlängerungen der Übergangsregelungen 2006 und 2009, wenn Sie sich erinnern, festgestellt, dass eine längere Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit für Berlin keine Vorteile bietet, und haben die schnellstmögliche Einführung der Arbeitnehmerfreizügigkeit gefordert.
Allerdings – Herr Dragowski, Sie sind gleich dran – haben wir auch damals schon in erheblicher Differenz zur FDP betont, dass nach unserer Auffassung die Freizügigkeit mit einem geregelten Rahmen versehen werden sollte. Die Übergangsfristen sollten seinerzeit genutzt werden, um Mindeststandards für Beschäftigungsverhältnisse zu sichern, denn um Lohndumping zu verhindern und eine wirtschaftlich faire wie sozial gerechte Wettbewerbssituation zu schaffen, sind für uns die Ausweitung des Arbeitnehmerentsendegesetzes sowie die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns unverzichtbar.
Genau in dieser Hinsicht ist der Senat auch tätig geworden. Nun sind aber die Übergangsfristen verstrichen, ohne dass auf Bundesebene die Chance genutzt wurde, ausreichende arbeitsmarkt- und sozialpolitische Rahmenbedin
gungen zu schaffen, die das Risiko von Sozialdumping hinreichend ausschließen. Und deshalb, lieber Herr Dragowski, reicht der Änderungsantrag der FDP bei weitem nicht aus. Uns geht es eben nicht um eine bloße Erklärung nach dem Motto: Herzlich willkommen in der EU!, wie Sie sagen: ein bloßes „positives Signal an die neuen Mitgliedsländer“, wie Sie es nennen – nein, das greift zu kurz! Wir knüpfen an diesen Schritt auch weiterhin klare politische Forderungen. Uns geht es um ein positives Signal an alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wir wissen uns im Übrigen damit eins mit den Gewerkschaften und anderen Verbänden.
Die Freizügigkeit darf nicht zu einer weiteren Deregulierung des Arbeitsmarktes durch die Hintertür führen. Die Politik muss hier entsprechende Rahmenbedingungen schaffen. Zwar ist es erfreulich, dass nach langem Kampf selbst die schwarz-gelbe Koalition Mindestlohntarifverträge in Branchen wie beispielsweise im Wachschutz und in der Pflege für allgemeinverbindlich erklärt und inzwischen auch für die Leiharbeit darüber diskutiert. Doch dieses reicht uns nicht. Wir bleiben dabei, dass unter anderem die Schaffung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns, eine wirklich wirkungsvolle Kontrolle der Arbeitsbedingungen, flankiert von einer Ausweitung des Arbeitnehmerentsendegesetzes notwendig wäre.
Dies sind geeignete Instrumente, um Ängste und Befürchtungen abzubauen. Auf diese Weise kann sowohl ein Lohndumping durch absolute Niedriglöhne als auch ein Unterlaufen von tariflichen Gehaltsstrukturen unterbunden werden.
Von besonders aktueller Bedeutung ist es, auch hier das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit für den Bereich der Leih- und Zeitarbeit durchzusetzen. Das bedeutet, dass der verliehene Arbeitnehmer nicht mehr geringer entlohnt werden darf als ein vergleichbarer Arbeitnehmer im entleihenden Unternehmen. Deshalb fordern wir den Senat mit unserem Antrag auf, sich auch weiterhin in dieser Hinsicht zu engagieren.
Nur wenn ausreichende Maßnahmen zum Schutz bestehender sozialer Standards ergriffen werden, wird Europa von den Menschen als Freiheitsgewinn und nicht als Bedrohung wahrgenommen. Ein letzter Satz zum Änderungsantrag der Grünen: Darauf wird mein Kollege Zimmermann noch genauer eingehen. Wir bewegen uns dort auf einer Wellenlänge. Darüber können wir im Ausschuss reden.
Dazu der letzte Satz. – Diese Beratungsstellen gibt es bereits. Wir haben bereits auf Einladung meiner Fraktion alle Beratungsstellen eingeladen. Unser Ziel ist der Aufbau eines Netzwerks. Das geht in die richtige Richtung. Deshalb bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag.
Herzlichen Dank, Herr Präsident! – Ich habe eine Frage an die Senatorin Lompscher. – Ich komme gerade gemeinsam mit Frau Staatssekretärin Helbig von der Plenartagung des Ausschusses der Regionen aus Brüssel zurück. Wir haben dort erfreut zur Kenntnis nehmen können, dass gestern Berlin als fünfundzwanzigste europäische Hauptstadt dem EU-Bürgermeister-Konvent zum Klimaschutz beigetreten ist. – Darüber könnten die Grünen sich eigentlich freuen. – Ich frage Frau Senatorin Lompscher: Welche Ziele verfolgt Berlin mit dieser erfreulichen Initiative?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Scholz! Ich weiß nicht, wann Sie Ihre Rede geschrieben haben. Es muss schon sehr lange her sein. Nicht nur, dass Sie immer wieder denselben Unsinn erzählen. Auf die Internetseiten können Sie nun wirklich nicht geguckt haben, denn da ist groß und breit ein ganzer Block dazu da. Man kann sogar sehr viel Informatives erfahren. Sehen Sie, wenn es konkret wird, hört er nicht mal zu. – Wenn Sie so Ihre Reden geschrieben haben, ohne vorher zugehört oder sich vorbereitet zu haben, dann kann da nicht viel anderes herauskommen.
Die heutige Europadebatte gibt uns in der Tat die Möglichkeit, dieses Thema noch einmal grundsätzlicher zu behandeln. Für uns, lieber Herr Dragowski, liebe Frau Schillhaneck, ist das Thema Europa ein ständiger Tagesordnungspunkt, nicht nur zu Wahltagen.
Dabei will ich mich in diesen Ausführungen gar nicht so sehr mit der FDP und deren Anträgen auseinandersetzen.
Das haben wir schon zur Genüge getan, Herr Dragowski. Immer wieder die gleiche Leier und auch noch viele weitere derartige Anträge werden uns jedenfalls nicht davon abbringen, dass wir eine andere Ausrichtung der EU als Zielvorstellung haben als die FDP.
Vielleicht hören Sie einfach einmal zu, aber das liegt Ihnen nicht ganz so. – Es stimmt, noch zehn Tage sind es bis zur Europawahl. Seit Wochen und Monaten rückt der Blickpunkt Europa verstärkt in den Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit. Dabei ist zu beobachten, dass für viele Menschen hierzulande – auch in den anderen europäischen Mitgliedsländern ist das ähnlich – Europa sehr weit weg scheint – zu undurchsichtig, zu bürokratisch. Eine sinkende Wahlbeteiligung ist leider zu befürchten, glaubt man den aktuellen Umfragen. Ob das allerdings mit Appellen, dem Ruf nach noch mehr Institutionalisierung oder Grundsatzerklärungen, wie sie uns heute in den Oppositionsanträgen auf dem Tisch liegen, zu verändern wäre, bezweifle ich.
Dabei wirkt Europa heute schon sehr konkret vor Ort. Davon konnten wir uns gestern unter anderem auf einer Ausschusstour zu EU-geförderten hochinteressanten Projekten in Berlin von Moabit bis Marzahn-Hellersdorf überzeugen. – Frau Schillhaneck! Für Sie war das Thema so wichtig, dass es heute eine Aktuelle Stunde werden sollte. Wir haben Sie gestern schwer vermisst.
Warum also hat die EU an Ansehen verloren und sinkt das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in ihre Institutionen? Ich glaube, dass man sich der Lösung dieses Problems nur wirksam nähern kann, wenn man sich der Rea
Oliver Scholz
litätswahrnehmung annimmt, der Frage also: Wie erleben die Bürgerinnen und Bürger die gegenwärtige EU? Dabei haben wir in der Tat unterschiedliche Sichten in diesem Hause.
Bis dato wirkt nach unserem Empfinden die EU-Politik für viele Menschen nämlich eher als Motor für den Abbau des Sozialstaats. Die vorrangige Orientierung auf Binnenmarkt und Wettbewerb durch Deregulierung, die Sie als FDP uns immer wieder als Allheilmittel erklären wollen, hat flächendeckend zu Lohn- und Sozialdumping europaweit geführt. Immer mehr Menschen werden in den Niedriglohnsektor gezwungen. Armut nimmt trotz Arbeit zu. Das ist die Realität, die wir in den Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern erleben, und die – nebenbei bemerkt – über 100 000 Bürger vor Tagen unter dem Dach des DGB für ein sozialeres Europa auf die Straße brachte.
Eine brandaktuelle Emnid-Umfrage hat ergeben, dass 74 Prozent der Deutschen – Herr Dragowski, hören Sie gut zu! – auf eine entsprechende Frage angaben, dass die Arbeitnehmerrechte und das Sozialstaatsprinzip in der EU Vorrang haben sollten gegenüber Wettbewerbs- und Handelsfreiheiten.
Deshalb setzen wir uns weiter wie bisher für eine deutlich sozialere Ausrichtung der EU ein.
Wir fordern daher klare europaweite Zielvorgaben in Richtung sozialer Regulierung, zum Beispiel europaweite Mindestlöhne, die entsprechend der EU-Armutsdefinition nicht unter 60 Prozent des nationalen Durchschnittseinkommens liegen dürfen. Wir fordern eine garantierte gute Gesundheitsversorgung für alle und die Halbierung der Kinderarmut in den Mitgliedsländern bis 2012. Unser Ziel bleiben Tariftreueklauseln bei der öffentlichen Auftragsvergabe. Das Prinzip „gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit am gleichen Ort“ darf nicht durch EU-Richtlinien oder EuGH-Urteile verboten werden.
Wir bleiben auch dabei, dass Sozialleistungen von allgemeinem Interesse keine unternehmerischern Tätigkeiten im Sinne des EU-Wettbewerbsrechts, sondern Ausdruck der Gemeinwohlverpflichtung des Staates sind. All dies haben wir in diesem Hause – Herr Zimmermann hat es bereits gesagt – in Koalitionsanträgen untermauert, teilweise sogar mit Unterstützung der Grünen. Und auch das konkrete Senatshandeln ist darauf ausgerichtet. Und ich sage: Und das ist gut so!
Das sind unsere vorrangigen europäischen Zielvorstellungen, die wir als Linke auch am 7. Juni zur Abstimmung stellen wollen. Die EU braucht endlich demokratischere
Strukturen, die den Bürgerinnen die Möglichkeit einräumen, bei Entscheidungsfindungen mitzuwirken statt zuzusehen. Am 7. Juni entscheiden die Bürgerinnen und Bürger über diese Zukunftsfähigkeit der EU. Wer sich einmischen will, der sollte sich auch an der Wahl beteiligen. Das ist eine wirklich wichtige demokratische Form der Teilhabe. Denn nur wer sich einmischt, der kann auch verändern.
Das erkläre ich Ihnen gern, Herr Scholz! Mit Propaganda, die Sie hier machen, und zwar einer, die völlig rückwärtsgewandt ist, ist dieses Europa nicht zu machen.
Sie können uns absprechen, was Sie wollen. Sie können Ihre Meinung über uns haben. Das bleibt Ihnen unbenommen. Entscheiden werden am 7. Juni einzig und allein die Wählerinnen und Wähler. Ich bin mir ziemlich sicher: Unser Maßstab ist das, was die Realität in Europa ist, und zwar die Realität, so wie sie die Bürgerinnen und Bürger wahrnehmen. Ich empfehle Ihnen: Gehen Sie zum Deutschen Gewerkschaftsbund! Reden Sie mit Bürgerinnen und Bürgern auf der Straße! Die können Ihnen sagen, wie sozial sie das Europa empfinden. Mir ist es sehr wichtig, dass Bürgerinnen und Bürger erkennen, dass wir ihre Interessen wahrnehmen und dass wir etwas verändern wollen. Das hat nichts mit Europafeindlichkeit zu tun. Europakritisch und europafeindlich sind zwei völlig verschiedene Schuhe. Ich bin – das lasse ich mir auch von Ihnen nicht absprechen – durch und durch Europäerin. Deswegen kandidiere ich auch dafür, und ich glaube, das ist richtig.
Herr Dr. Lindner! Gott sei Dank bestimmen Sie weder in diesem Haus noch hierzulande über das Rederecht. Darüber bin ich ganz froh, denn es ist ein völlig undemokratisches Verhalten, das Sie hier an den Tag legen, dass Sie bestimmen, wer sich hier wozu zu Wort melden kann.
Das zum einen.
Zum anderen: Ich wäre mit den Beispielen, die Sie hier nennen, sehr vorsichtig. Sie nennen auf der einen Seite Le Pen. Ich sage Ihnen: In Italien ruft der Vorsitzende der faschistischen Partei, Fini, offen auf, dass es die oberste Pflicht ist, dem Lissabon-Vertrag zuzustimmen. Also wen Sie hier in welche Gegend stecken, ist eine ganz andere Frage.
Im Lissabon-Vertrag steht viel Gutes. Das sagen wir auch! Lesen Sie unsere Standpunkte! Wir sagen: Jawohl! Der Lissabon-Vertrag hat viele gute Ansätze und ist in manchen Dingen ein Fortschritt, zum Beispiel, was die Rolle und Kontrollrechte des Parlamentes betrifft.
Aber ich kann keinem Vertrag zustimmen, der in Artikel 42 sagt: Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union verpflichten sich, schrittweise ihre militärischen Potenziale zu verbessern. – Da sage ich Ihnen: Hören Sie auf den amerikanischen Präsidenten Obama,
der überall offen dafür gefeiert wird, dass er den demokratischen Traum hat, die Welt atomwaffenfrei zu machen, und da, wo wir in Europa zum völlig richtigen Zeitpunkt die Grundlagen dafür legen können, nämlich mit Konsequenzen, schreiben wir eben nicht: Die europäischen Staaten werden verpflichtet, schrittweise abzurüsten –, sondern es steht genau das Gegenteil darin, und damit kann ich mich als Mitglied einer Friedenspartei leider nicht anfreunden.
Herzlichen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:
1. In welcher Form trägt der Senat der zunehmenden Bedeutung europäischer Institutionen im Verbraucherschutz im Rahmen des Berliner Vorsitzes in der Verbraucherschutzministerkonferenz Rechnung?
2. Welche Position bezieht der Senat zur Absicht der EU-Kommission, in ihrem Richtlinienentwurf über die Rechte der Verbraucher – KOM (2008) 614 – das Ziel eines einheitlichen europäischen Verbraucherschutzniveaus über eine sogenannte Vollharmonisierung zu erreichen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dragowski! Ich dachte bis zum Schluss, heute käme vielleicht noch etwas Neues, Innovatives, aber leider wurde ich – wie so oft – von Ihnen enttäuscht.
Wir behandeln hier zweifelsfrei ein sehr ernstes und wichtiges Thema, welches den Verlauf des europäischen Einigungsprozesses und seine Schwierigkeiten berührt. Das Thema der vollständigen Herstellung der Arbeitnehmerfreizügigkeit in Deutschland beschäftigt uns schon seit einigen Jahren – auch hier im Abgeordnetenhaus. Bereits im Jahr 2007 konnten wir im Europaausschuss mehrheitlich – mit Ausnahme der CDU – feststellen, dass eine Aufhebung der Beschränkungen vor 2011 sinnvoll und – Herr Dragowski, hören Sie gut zu! – auch erklärtes Ziel der Senatspolitik ist, wofür er sich auch aktiv eingesetzt hat, sowohl im Bundesrat als auch auf den Fachministerkonferenzen.
Herr Dragowski! Sie suggerieren hier zum wiederholten Mal, man müsse die Koalition in dieser Frage zum Jagen tragen.
Ihr Antrag ist nicht neu. Den haben Sie schon vor zwei Jahren gestellt. Spätestens seit damals hätten Sie wissen müssen, dass es dieser FDP-Initiative nicht bedarf.
Der Senat hat nämlich bereits 2006 festgestellt, dass eine längere Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit für Berlin keine Vorteile bietet. Er ist diesbezüglich auch tätig geworden. Sowohl in der ASMK als auch in der Wirtschaftsministerkonferenz hat sich der Senat, und zwar bereits im Herbst 2007 entsprechend dem Senatsbeschluss vom März 2006 positioniert. Allerdings fand sich auf der ASMK dafür keine Mehrheit, Herr Dragowski. Und so wurde dort mehrheitlich festgestellt, „dass eine Festlegung über das weitere Verfahren derzeit nicht angezeigt sei“. Wenn man also einen solchen Antrag einbringt, liebe FDP, dann muss man auch die politischen Mehrheiten beim Namen nennen und deutlich sagen, wo die Hindernisse liegen, anstatt einfach seitenlange europapolitische Grundsatzerklärungen in die Begründung zu schreiben. Aber weil die FDP jetzt den Europawahlkampf entdeckt hat, glaubt sie nun, sie könne dieses Thema mal schnell vor Fristablauf noch einmal für sich nutzen.
Die Bundesregierung hat seinerzeit – unterstützt durch die Mehrheit der Bundesländer – die Anwendung der Übergangsregelung auf den deutschen Arbeitsmarkt bis zum 30. April 2009 verlängert. Nun haben wir gestern zur Kenntnis nehmen müssen – Herr Scholz hat eben darüber informiert –, dass die Bundesregierung bei der Europäischen Union am Montag in Brüssel beantragt hat, die Arbeitnehmerfreizügigkeit auch in den kommenden zwei Jahren für Arbeiter aus Osteuropa einschränken zu dürfen. Insofern ist Ihr Antrag, Herr Dragowski, leider durch Regierungshandeln à la Merkel seit Montag dieser Woche zeitlich überholt.
Nun aber zu einem für meine Fraktion gravierenden inhaltlichen Unterschied – bis jetzt haben wir über die Gemeinsamkeiten mit Ihnen geredet –: Wir haben immer betont – das werden wir auch weiter tun –, dass die Aufhebung der Arbeitnehmerfreizügigkeit mit der Schaffung von gesetzlichen Rahmenbedingungen für soziale Mindeststandards verbunden sein muss. Dazu zählt vor allem der gesetzliche Mindestlohn. Herr Dragowski! Nehmen Sie endlich einmal zur Kenntnis: In 20 von 27 EU-Mitgliedsstaaten gibt es derzeit einen allgemeinen, branchenübergreifenden gesetzlichen Mindestlohn. Das zeigt doch, dass Deregulierung und Herstellung der vollen Freizügigkeit mit der Existenz sozialer Mindeststandards verknüpft sind.
Nur in dieser Gesamtheit wird es funktionieren.
Aber gerade in dieser Frage – das haben Sie auch heute wieder getan – verweigern Sie sich beharrlich. Die Bundesratsinitiative zur Einführung eines Mindestlohns, die Berlin und Bremen eingebracht haben, ist an politischen Mehrheiten gescheitert. Das ist die Wahrheit. Die Ängste vieler Menschen vor Lohn- und Sozialdumping sind aber gerade in der jetzigen Zeit nur durch konsequenteres soziales Handeln zu nehmen, weil dieses Misstrauen auf europäischer Ebene genau davon kommt, dass es immer mehr prekäre Beschäftigungsverhältnisse und immer weniger arbeitsrechtliche Absicherung gibt.
Wenn Sie sich also für die Zukunftsfähigkeit der Europäischen Union aktiv einsetzen wollen, dann fordern Sie – wie wir – die Einführung sozialer Mindeststandards in Europa und zum Beispiel eine Sozialstaatsklausel im Reformvertrag. Das braucht Europa jetzt als Signal. Das wäre eine Europapolitik, die an den Interessen der Unionsbürgerinnen und -bürger anknüpft, gerade jetzt und in Krisenzeiten. Dann hätte die Bundesregierung auch keinen Grund mehr, sich gegen die Aufhebung der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu sperren. – Ich danke Ihnen!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Henkel hat heute Mittag in diesem Haus konstatieren wollen, dass sich Rot-Rot angeblich in der europapolitischen Isolation befinde.
Mit diesem Antrag beteiligen wir uns aktiv an der öffentlichen Debatte um die Zukunft der Europäischen Union, wie wir das im Übrigen auch bisher getan haben.
Unter der französischen Ratspräsidentschaft wurde vor einigen Monaten der Anspruch formuliert, das Jahr 2008 zum „Jahr der Reaktivierung des sozialen Europas“ werden zu lassen. Das war ein längst überfälliger und wichtiger Anspruch.
Nunmehr hat die Europäische Kommission ein Sozialpaket vorgelegt, das dieses Ziel konkretisieren soll. Allerdings bleiben die Vorschläge weit hinter diesem Anspruch zurück. Das Paket besteht aus 18 Dossiers mit unkonkreten Zielstellungen und lediglich drei Gesetzesvorschlägen.
Mit unserem Antrag wollen wir uns in die öffentliche Debatte einbringen und verdeutlichen, welchen Handlungsbedarf wir zur Veränderung innerhalb der Europäischen Union sehen. Wir wollen ein Europa, dessen Ziel es ist, soziale Sicherheit für die Unionsbürgerinnen und -bürger zu garantieren, ein Europa, das klar und unmissverständlich soziale Mindeststandards vorgibt und sich dabei nicht nach unten orientiert. Die Linke im Europäischen Parlament und im Bundestag fordert deshalb die Einführung
einer sozialen Fortschrittsklausel in die EU-Verträge. Mit unserem Antrag schlagen wir konkrete Veränderungen bei der weiteren Bearbeitung des Sozialpaketes der EUKommission vor:
Zum Ersten: Der europäische Binnenmarkt muss ein Mindestmaß an sozialem Schutz für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bieten.
Nach den umstrittenen EuGH-Urteilen zu Viking, Laval und Rüffert ist dringender Handlungsbedarf gegeben, um den Sozialschutz von Beschäftigten als Primärrecht zu stärken. Deshalb ist nach unserer Auffassung eine klarstellende Revision der Entsenderichtlinie unverzichtbar.
Zweitens: Bei den Sozialleistungen von allgemeinem Interesse muss das Arbeitspapier der EU-Kommission um die Feststellung ergänzt werden, dass Sozialdienste keine unternehmerischen Tätigkeiten im Sinne des EUWettbewerbsrechts, sondern Ausdruck der Gemeinwohlverpflichtung des Staates sind.
Drittens: Wir kritisieren im vorgelegten Sozialpaket die Einschränkung der Tariftreue, die Beschränkung des Streikrechts und den Versuch des Abbaus von Mitbestimmung. Es ist für uns nicht hinnehmbar, dass die EU permanent Druck auf die sozialen Standards in den Mitgliedsländern ausübt.
Die europäische Betriebsräterichtlinie ist so zu verändern, dass die Gründung europäischer Betriebsräte nicht erschwert, sondern gefördert wird. Das wäre ein wichtiger Schritt zur Verbesserung europäischer Mitbestimmungsrechte.
Ich könnte die Reihe von Vorschlägen fortsetzen. Als Fazit bleibt: Mit diesem Sozialpaket wird der Prozess des Sozialabbaus in Europa nicht gestoppt. Wir fordern deshalb eine dringende grundlegende Überarbeitung.
Dass die FDP kein soziales Europa anstrebt und die CDU das gar nicht erst verstehen will, das hat die Ausschussdiskussion gezeigt. Es ist nachlesbar, und – ehrlich gesagt – es verwundert auch nicht. Ich freue mich, dass sich die Grünen unserem Antrag anschließen und im Ausschuss sogar noch Ergänzungen eingebracht haben. Wir jedenfalls werden nicht müde, uns in die europäische Debatte einzumischen, vor allem, wenn es um mehr soziale Gerechtigkeit in der EU geht. Das ist der Weg, auf dem Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den europäischen Integrationsprozess wiedergewonnen erden kann. w Dieser Antrag wiederlegt zugleich die Mär von der angeblich antieuropäischen Haltung von Rot-Rot.
Ja, wir wollen Europa verändern! Europa ist veränderbar. In welche Richtung es gehen sollte und welche ersten Schritte dazu notwendig sind, das beschreibt unser Antrag.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Scholz! Eine kleine Vorbemerkung: Wir haben gestern im Europa-Ausschuss nicht über die erneuerte Sozialpolitik der EU gesprochen, denn die gibt es gar nicht, sondern über das EU-Sozialpaket, weil wir der Meinung sind, dass die EU erst noch sozialer werden muss. Da liegt schon der erste Hase im Pfeffer.
Man hat den Eindruck: Alle Jahre wieder! In der letzten Legislaturperiode die CDU, diesmal die FDP! – Wir haben zu den Fragen einer verbesserten Information gegenüber dem Abgeordnetenhaus schon unzählige Male eine ausführliche und ausgiebige Diskussion gehabt – auch in unserem Ausschuss, dem Europa-Ausschuss. Deshalb noch einmal kurz zusammengefasst unsere Position: Wir haben fraktionsübergreifend festgestellt – und, lieber Herr Dragowski, Sie mogeln sich darum immer wieder ein wenig herum –, dass das Petitum Ihres Antrags, nämlich dass mehr Informationen vom Senat an das Abgeordnetenhaus gegeben werden sollen, positiv zu bewerten ist. Sie brauchen also in dieser Frage keine Pappkameraden oder irgendwelche Differenzen zwischen den Fraktionen oder den Parteien aufzubauen, die gar nicht vorhanden sind.
Nein, Herr Dragowski! – Wir stimmen überein: Informationsrechte und -pflichten sind ein hohes Gut in der parlamentarischen Arbeit. Jawohl! Das Parlament muss frühzeitig und rechtzeitig unterricht werden, um auf die Vorgänge Einfluss zu nehmen. Soweit unsere Übereinstimmung!
Aber genau dies war auch der Hintergrund, weshalb wir in Berlin im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern diesen Grundsatz in Bezug auf EU- und Bundesangelegenheiten ausdrücklich und, wie Herr Zimmermann gerade noch einmal durch ein Zitat bestätigt hat, ausführlich und eindeutig in der Verfassung verankert haben. In unserer Verfassung gibt es dazu klare Regelungen. Danach werden alle Vorhaben – der Begriff „Vorhaben“ ist dabei sehr weit gefasst –, die in die Zuständigkeit des Abgeordnetenhauses fallen, von dieser Regelung erfasst. Bei Staatsverträgen besteht sogar eine besondere, ausdrückliche Informationspflicht. Insofern ist die Forderung nach
umfassender Information durch geltendes Recht gewährleistet. Wir sehen daher keine Notwendigkeit einer zusätzlichen einfachen gesetzlichen Regelung.
Zu dem Einwand, den der Herr Abgeordnete von den Grünen brachte: Es ist selbstverständlich richtig, dass man sie auch einhalten muss. Aber die Durchsetzung von Regelungen regelt man nicht über ein neues Gesetz, sondern das können wir immer nur selber tun. Das liegt an uns.
Auch wenn Regierung und Opposition sicherlich in der Bewertung unterschiedlicher Auffassung sind, gibt es bereits heute viele Formen der Informationsweitergabe. Herr Dragowski! Der Senat informiert unseren Ausschuss, der sogar mit einem eigenständigen Initiativrecht ausgestattet ist, um schneller auf aktuelle Vorgänge reagieren zu können.
Der Senat informiert uns in unserem Ausschuss regelmäßig und – wie ich meine – auch verantwortungsvoll und frühzeitig. Wir müssen die Informationen, die der Senat bei uns frühzeitig einbringt, selbstverständlich auch nutzen und in parlamentarische Initiativen ummünzen. Auch wenn es dabei Defizite gibt und manches verbessert werden muss – darüber brauchen wir nicht zu streiten, da haben wir keine unterschiedlichen Auffassungen –, so werden diese Mängel nicht über ein neues Gesetz, sondern im Prozess der Arbeit und der Kritik am Senat ausgeräumt werden können. Insofern ist ein solches, von der FDP vorgelegtes Gesetz nach unserer Auffassung nicht gerechtfertigt. Es ist das falsche Instrument zur Verbesserung und zur Lösung der Aufgaben.
Die Qualität wird nicht automatisch durch ein Mehr an Informationsmaterialien verbessert, denn jedem von uns stehen schon heute ein Fülle von Dokumenten und Informationskanälen zur Verfügung. Vielmehr besteht das Problem eher darin, dass sie aufgrund der Fülle unmöglich – Herr Dragowski, Sie müssten mir schon zuhören! – alle entsprechend behandelt und ausgewertet werden können. Nötig sind gezieltere und nach Schwerpunkten aufbereitete Informationen, und darüber – das wissen Sie – sind wir als Ausschuss bereits mit dem Senat im Dialog.
Nun zu Ihrem neuen Antrag:
Ja! – Auch mit diesem Antrag preschen Sie in einer Debatte vor, die wir längst begonnen haben. Wir haben uns im Ausschuss mit der Erklärung der Landtagspräsidenten zur Verbesserung der Europafähigkeit bereits verständigt und vereinbart, diese Debatte fortzusetzen, um konkrete Schlussfolgerungen auszuarbeiten. Insofern verstehe ich
Ihren Antrag als einen Diskussionsbeitrag zu dieser Debatte, auf die ich mich freue und in die wir uns alle in den kommenden Wochen einbringen sollten.
Lieber Herr Dragowski! Bisher war ich nett zu Ihnen. Das müssen Sie zugeben. Wenn Sie jetzt aber anfangen, weiter Pappkameraden aufzubauen, werde ich langsam doch böse. Ihre Behauptungen treffen nicht zu. Es waren die Koalitionsfraktionen, die zwei Wochen, bevor Ihr Antrag eine Rolle spielte, auf die Liste der zu erledigenden Vorgänge im Ausschuss die Erklärung der Landtagspräsidenten gesetzt haben und gesagt haben, dass im Ausschuss gemeinsam mit dem Präsidenten Momper und dem Direktor Blum über die Fragen der Verbesserung der Europafähigkeit des Parlaments gesprochen werden soll, und das hat stattgefunden. Dann kam Ihr Antrag hinzu. Es haben alle im Ausschuss festgestellt, dass es mit Ihrem Antrag noch Gelegenheit zur weiteren Diskussion gibt. Das kann man im Protokoll nachlesen. Das ist das Eine.
Mir geht es darum, dass Sie hier laufend dokumentieren wollen, wir würden uns verweigern, die Rolle des Parlaments innerhalb der EU nach Inkrafttreten des EUReformvertrages zu stärken. Das ist nicht der Fall. Wir haben uns im Ausschuss ausführlich dazu bekannt und konstatiert, dass dies die nächsten Schritte sind. Wir sind mit dem Senat im Gespräch. Es geht um ganz konkrete Themen, beispielsweise um die Frage, ob Verwaltungsmitarbeiter des Abgeordnetenhauses in Brüssel die Möglichkeit bekommen, Praktika etc. abzuleisten. Das ist das Problem. Sie suggerieren, wir würden uns verweigern. Das ist nicht der Fall.
Ferner sagen Sie, Sie könnten nicht einschätzen, wo Informationen vorenthalten würden. So dämlich sind Sie doch gar nicht. Sie sind ein kluger Abgeordneter, der weiß, welche Informationskanäle heutzutage nebeneinander existieren. Sie können ganz genau verfolgen, wenn der Senat gefragt wird, was im Bundesrat momentan ansteht. Sie erhalten die Tagesordnung des Bundesrats, sie erhalten Unterlagen der europäischen Ebene. Sie können selbst nachschauen und den Finger in die Wunde legen und zusätzliche Informationen anfordern. Nicht ein einziges Mal sind irgendwelche Informationen vom Senat irgendwann verweigert worden. Falls Sie doch den Eindruck haben, müssten Sie es jetzt hier sagen. Aus unserer Ausschusspraxis kenne ich das nicht. Es war auch noch nie so üblich. Ich glaube auch, dass Frau Staatssekretärin Helbig das ganz genauso sieht. Es gibt die Debatte. Lassen Sie sie uns führen, damit Sie sie mit konkreten Schlussfolgerungen untermauern können. Sie meinen, es sei durch ein Gesetz zu regeln. Ich widerspreche dem. Ein Gesetz regelt das nicht.
Damit haben Sie völlig Recht. Also lassen Sie uns die Debatte doch erst einmal gemeinsam führen und nicht vorher schon aufzeigen, wie sie beendet werden kann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst gestatte ich mir eine Vorbemerkung. Es ist schon sehr erstaunlich, dass die Opposition bei einem so wichtigen Thema wie der Durchsetzung der Menschenrechte nicht einmal den Versuch unternommen hat, alle Fraktionen bei der Formulierung des Antrags einzubeziehen.
Den Anschein zu erwecken, als gebe es in diesem Haus in der Menschenrechtsfrage nur drei Fraktionen der Opposition, die sich für dieses Ziel einsetzen und initiativ werden, das ist nicht nur grotesk, sondern das ist geradezu unverantwortlich.
Setzen wir uns nun mit dem Inhalt des Oppositionsantrages auseinander.
Hören Sie doch erst einmal zu! Wenn Sie das schon vorher nicht machen konnten, dann können Sie es wenigstens jetzt! – Man muss leider feststellen, dass er nach unserer Auffassung viel zu kurz greift, weshalb wir auch einen Antrag der Koalitionsfraktionen entgegensetzen.
Sie, meine Damen und Herren, reduzieren die Auseinandersetzung mit Menschenrechtsverletzungen einzig und allein auf die Reisetätigkeit des Senats und des Abgeordnetenhauses sowie auf den Tibetkonflikt. Das wird dem Anspruch, den wir an diese Problematik haben, aber nicht gerecht. Zweifellos sind die aktuellen Ereignisse in und um Tibet dramatisch zugespitzt und erfordern auch die internationale Aufmerksamkeit. Wir sagen aber auch, Menschenrechte sind unteilbar. Wir verurteilen Menschenrechtsverletzungen jedweder Art und im Übrigen überall auf der Welt.
Das schließt in China neben dem Tibetkonflikt die Inhaftierung von Bürgerrechtlern ebenso wie z. B. die schweren Auseinandersetzungen in der von Muslimen bewohnten Region in China vor einigen Wochen ein. Und da gab es leider keine solchen lautstarken Reaktionen aus der westlichen Welt wie zum Tibetkonflikt. Damit stellt sich für uns die Frage: Welches ist nun der beste Weg, um zur Verbesserung der Lage der Menschen vor Ort in China beizutragen?
Hysterie, Gewalt und Boykott sind für uns der falsche Ansatz. Schon bei der Vergabe der Olympischen Spiele an China im Jahre 2001 war bekannt, dass es dort Probleme bei der Wahrung von Menschenrechten und beim Umgang mit nationalen Minderheiten gibt. Auch der Tibetkonflikt ist nicht neu.
Es lag also seit dieser Zeit gleichfalls in der Verantwortung der internationalen Staatengemeinschaft und im Besonderen des IOC, rechtzeitig Aktivitäten einzuleiten, die auf diese Situation aufmerksam machen und Lösungswege ermöglichen, um so die Vorbereitung der Olympiade zu begleiten.
Auch das Nichthandeln hat letztlich zur Eskalation des Konflikts beigetragen. Insofern stehen auch wir nicht au
ßerhalb des Problems, sondern sind aufgefordert, alle Möglichkeiten zu nutzen, um zur Lösung beizutragen.
Deshalb fordern wir alle gesellschaftlichen Bereiche auf, ob Wirtschaft, Kultur, Sport oder Politik, die vorhandenen Kontaktmöglichkeiten zu nutzen, um sich aktiv für Demokratie und Menschenrechte einzusetzen.
Es gilt bei der Wahrnehmung der Aufgaben im Interesse des Landes Berlin im kritischen Dialog zu verdeutlichen, was wir von China erwarten. Wir fordern, dass China seine eigenen Zusagen in Bezug auf die Menschen- und Minderheitenrechte, die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit, die China öffentlich bei der Vergabe der Olympischen Spiele durch das IOC verkündet hat, auch einlöst. Der einzige Weg zu einer politischen Lösung des Konflikts besteht aber darin, die gegenwärtige internationale Aufmerksamkeit für einen breiten Dialog zu nutzen. Es macht sehr wohl Sinn, liebe Frau Eichstädt-Bohlig, wenn Vertreter des Senats, und zwar sowohl bei Wirtschaftskontakten als auch bei der Präsentation Berlins als „Stadt des Sports“ – und das sind die Aufgaben, die der Senat zu leisten hat –, diese Position und Erwartungen offiziell und unmissverständlich deutlich machen und so zur Eskalation beitragen können.
Nur der Dialog zwischen den Beteiligten kann die Lage entschärfen und den politischen Prozess neu beleben, der den Erwartungen der Tibeter auf Dauer gerecht werden kann. Vorschnelle Boykottforderungen und Gewaltaufrufe sind der falsche Ansatz.
So verstehen wir zugleich den Geist des olympischen Gedankens. Das genau ist die Unterstützung des Sports durch die Politik und deren Wechselverhältnis.
Mein letzter Satz! – Abschließend sei bemerkt: Zur Präsidiumsreise haben wir uns im Antrag ebenso deutlich positioniert. Dem ist nichts hinzuzufügen. – Meine Damen und Herren von der Opposition! Ich fordere Sie auf, lesen Sie unseren Antrag, aber lesen Sie ihn richtig, und dann stimmen Sie ihm zu!
Ich kann nur schwer erkennen, wieso das eine Kurzintervention auf meine Rede gewesen sein soll,
weil wir in vielem übereinstimmen. Aber gut! Wenn Sie uns vorwerfen, wir seien hier zu aufgeregt, sage ich auch: Die Aufregung ist durch Sie produziert worden und nicht durch uns.
Zu Ihrem Beispiel Südafrika, das Sie ansprachen: Der Unterschied besteht, dass damals Wirtschaft, Sport und Handel gemeinsam diesen Boykott getragen haben. Da sind wir auf einer Wellenlänge. Das kann ich aber zurzeit nicht erkennen, schon gar nicht in Ihrem Antrag.
Sie richten Ihre Stoßrichtung einzig und allein auf die Politik. Dass wir uns da unterscheiden, habe ich deutlich gemacht.
Zweitens: Ich weiß nicht, ob es Ihnen entgangen ist, aber auch das Europaparlament und die europäische Ebene setzen zurzeit auf Dialog als einzigen Weg. Ich finde es sehr richtig, dass der Entschließungsantrag im Europäischen Parlament davon ausgeht zu fordern, einen Dialog in Gang zu setzen, weil nur der Dialog auch wirklich den Menschen vor Ort hilft. Sie setzen auf reine Symbolik. Ich glaube, den Dalai-Lama richtig verstanden zu haben, als er sagte – und das gestern –, dass ein Boykott für ihn der falsche Weg sei. Der richtige Weg ist, die internationale Aufmerksamkeit dahin zu richten, dass endlich miteinander geredet wird.
Diesen Auftrag möchte ich unseren Senatsvertreterinnen und -vertretern gerne mit auf den Weg geben. Im Gegensatz zu Ihnen vertraue ich darauf, dass – wer auch immer von Senatsseite nach China fahren sollte – dieser Auftrag richtig erfüllt wird.
Lieber Herr Pflüger! Manches ist kurios. Wie genau Sie sich über die Vorgänge, die Sie aus dem Präsidium ge
schildert haben, informieren, zeigt sich darin, dass es kein Vertreter, sondern eine Vertreterin war – nämlich meine Person. Außerdem ist es nicht einfach damit getan zu sagen, wir hätten uns enthalten. Ich habe für meine Fraktion unmissverständlich, und zwar schon vor der Präsidiumssitzung, gesagt, dass wir nicht daran teilnehmen werden. Das ist eine eindeutige Haltung.
Ich will aber gar nicht darüber reden, und ich glaube auch nicht – da unterscheiden wir uns –, dass es hier einzig und allein darum geht, sich mit dem Präsidium auseinanderzusetzen. Das ist überhaupt nicht mein Problem. Lesen Sie unseren Antrag! Dazu finden Sie einen ganz konkreten Satz, und damit ist die Sache erledigt. Ich messe wen auch immer – ob es der Präsident, ein Präsidiumsmitglied oder ein „normaler“ Abgeordneter ist – stets daran, was am Ende herauskommt. Da gibt es mitunter sehr wohl unterschiedliche Auffassungen, aber interessant ist, was am Ende dabei herauskommt. Und dies ist unser Antrag, den Sie, lieber Herr Pflüger, offensichtlich noch nicht gelesen haben.
In diesem Antrag steht dazu etwas – unmissverständlich und in aller Deutlichkeit.
Das Zweite: Ich kann verstehen, dass Sie einen Fehler im Nachhinein eingesehen haben, aber dann müssen Sie ihn auch deutlich zugeben und nicht noch verschlimmbessern. Sie haben keinen Antrag eingebracht, bei dem man sagen kann, dass das Ziel von Anfang an darin bestand, in der Frage der Wahrung der Menschenrechte einen gemeinsamen Antrag zu stellen. Dann wäre nämlich parlamentarischer Brauch, dass man vor der Formulierung alle Fraktionen anspricht.
Sie haben einen Antrag auf den Tisch gelegt. Sie hat gar nicht interessiert, wie wir die Formulierung gern hätten, welche Meinung wir dort noch hineinschreiben wollten. Sie haben Ihren Antrag auf den Tisch gelegt und waren der Meinung – haben dies auch zeitgleich den Medien gesagt –, Sie seien damit die Einzigen, die initiativ werden. Das ist weit gefehlt.
Letzte Bemerkung, Ihre Intervention: Flagge hissen, ja oder nein. Auch hier sage ich: Lesen Sie sich unseren Antrag durch! Er hat einen letzten Satz, der besagt, dass wir am Beispiel von Paris – Paris ist bekanntlich die Stadt gewesen, die vor dem Rathaus ein Transparent „Menschenrechte sind unteilbar“ hängen hatte – nach geeigneten Maßnahmen suchen wollen, um diesen Protest in der Stadt deutlich zu machen. Sie haben selbst gesagt, dass es mehrere Möglichkeiten gebe, und zwar nicht nur die Flagge, sondern vielleicht auch andere Möglichkeiten.
Herr Pflüger hat zum Beispiel eine genannt. Ich habe das Beispiel Paris genannt, mit dem Transparent am Rathaus.
Dies könnte ich mir vorstellen, aber ich glaube, da gibt es viele weitere Möglichkeiten. Sogar Herr Lindner hat Vorschläge gemacht. Darüber lassen Sie uns einen Diskurs machen, woran Sie sich aber auch beteiligen müssen.
Schöne Worte, Herr Pflüger! Ich hoffe, dass Sie diese hehren Ziele bei Ihrem Besuch in Peking auch deutlich den Partnerinnen und Partnern, die Ihnen gegenüber saßen, gesagt haben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Scholz! Man sollte aber auch wissen, wozu man zustimmt. Vielleicht kann ich da einiges zur Aufklärung beitragen.
Auf dem Tisch liegt ein Antrag der Grünen zur schnellen Ratifizierung des Lissabonner Reformvertrags als Zielvorgabe, der aber auf den zweiten Blick ein ganz anderes Ziel verfolgt. Darauf komme ich noch zurück. Bemerkenswert dabei ist, dass nicht etwa beantragt wurde, über die konkreten Ergebnisse des Vertrags – auch wenn Frau Eichstädt-Bohlig darüber gerade geredet hat –, über Chancen und Risiken, die sich damit verbinden, öffentlich zu debattieren, um die Bürgerinnen und Bürger im Sinne von mehr Transparenz und Bürgernähe aufzuklären. Im Grünen-Antrag wird einzig gefordert: Jetzt schnell Ja sagen! – Und das stimmt uns sehr nachdenklich. Wir als proeuropäische Linke sind an einer sachlichen inhaltlichen Debatte über die konkreten Inhalte des Reformvertrags von Lissabon sehr wohl interessiert und scheuen auch die Auseinandersetzung nicht.
Erinnern wir uns: Vor drei Jahren haben die Regierungschefs nach ersten gescheiterten Volksentscheiden in mehreren Mitgliedsländern und dem Eingeständnis einer tiefen Krise innerhalb der EU eine intensive Denkpause verordnet, um nach Lösungen für eine zukunftsfähige Verfasstheit der EU zu suchen. In dieser Denkpause stand die Aufgabe, sich den Herausforderungen der Gegenwart zu stellen und sich für die Zukunft zu rüsten, die Union der Regierungen durch eine Union der Bürgerinnen und Bürger zu erweitern, die Wirtschafts- und Währungsunion durch eine Sozialunion sowie eine demokratische und politische Union zu ergänzen. Das ist unser Anspruch an die Betrachtung des Ergebnisses, was dabei herausgekommen
ist. Und Ergebnis ist eben dieser Vertrag, der bis zur letzten Minute hinter verschlossenen Türen ausgehandelt wurde, durch weitgehende Kompromisse und Zugeständnisse an einzelne Mitgliedsstaaten. Ein Vertrag, über den die Bürgerinnen und Bürger nicht selbst entscheiden dürfen. Ich erlaube mir an dieser Stelle ein Zitat der Grünen, Frau Eichstädt-Bohlig, im Bundestag. In Ihrer „Berliner Erklärung“ vom Januar vergangenen Jahres heißt es:
Eine zentrale Lehre aus den gescheiterten Verfassungsreferenden ist aber, dass ein Scheitern vorprogrammiert ist, wenn solche zentralen Beschlüsse nur zwischen Regierungschefs ausgehandelt und die Menschen vor vollendete Tatsachen gestellt werden.
Ja, liebe Grünen, genau das kritisieren wir!
Und wir kritisieren das nicht nur einfach so, für uns ist es sogar sehr schwerwiegend. – Meine Partei fordert deshalb auch ein europaweites Referendum zum Vertrag. Auch wir erkennen sehr wohl Fortschritte und Chancen des Reformvertrags an. Dazu zählen für uns u. a. die erweiterten Rechte des Europäischen Parlaments, die Einführung eines europäischen Bürgerbegehrens und die stärkere Einbeziehung nationaler und regionaler Parlamente. Wir würdigen ebenso die Rechtsverbindlichkeit der Grundrechtecharta und stellen zugleich aber kritisch fest, dass davon einzelne Länder ausgenommen werden dürfen. Positiv bewerten wir, dass es gelang, die soziale Marktwirtschaft in den neuen Vertragstext aufzunehmen. Das ist ein Erfolg des Widerstands gegen die neoliberale Ausrichtung des Verfassungsentwurfs.
Allerdings sehen wir zugleich auch die Entwertung dieser Einsicht, indem im neuen Vertrag über die Arbeitsweise der Union der alte Artikel 98 mit seiner Forderung einer offenen Marktwirtschaft erhalten bleibt. Damit bleibt der Grundsatz der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb das vertraglich festgeschriebene Grundprinzip der EU. Vor allem aber bleibt das von uns immer wieder kritisierte Rüstungsgebot im neuen Vertrag enthalten. Die Europäische Verteidigungsagentur kann vom Europaparlament nicht kontrolliert werden.
Dies ist nur ein Ausschnitt unserer differenzierten Betrachtung.
In der politischen Bewertung kommt die Linke daher bekanntermaßen in Abwägung zwischen Pro und Contra zu einer Ablehnung des Reformvertrags. In dieser Frage allerdings den Keil in der Hand zu sehen, der die rot-rote Koalition auseinandertreibt – und das ist das eigentliche Ziel dieses Antrags –, ist aus Oppositionssicht zwar legitim, aber eben auch nur ein frommer Wunsch.
Koalitionen bringen unterschiedliche Standpunkte der Partner mit sich. Wer weiß das besser als Sie, meine Da
men und Herren von CDU, FDP und Grünen, aus den Erfahrungen auf der Bundesebene. Diese Unterschiede offen darzulegen und nicht zu verwischen, beweist Politikfähigkeit. Glauben Sie mir, wir – SPD und Linke – halten das aus, und wir werden damit umzugehen wissen! In diesem Sinne freue ich mich zunächst auf eine inhaltliche Debatte über Pro und Contra bei uns im Ausschuss. – Danke schön!
Man mag es nicht glauben, dass Sie jetzt gerade als Vertreterin der Partei der Grünen gesprochen haben. Wenn für Sie Krieg und Frieden, Militarisierung und militärische Ausrichtung der EU Klischees sind, na dann schönen Dank! Dann sagen Sie, wie weit Sie weg sind von – –
Nein, Sie haben gerade davon gesprochen, dass das für Sie Klischees sind. Sie drücken sich hier um die Antwort auf die Frage: Sind Sie noch dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger durch Volksentscheide entscheiden, oder nicht?
Diese Antwort bleiben Sie uns schuldig. Der Maßstab ist ein ganz anderer: Der letzte Verfassungsvertrag ist auf der Grundlage eines Konvents entschieden worden. Ihnen wird bekannt sein, dass wir beim letzten Mal auch in Berlin eine andere Haltung dazu hatten und gerade das gewürdigt haben. Aber ein Verfassungsvertrag, der hier einen Sitz mehr im Ministerrat für ein Mitgliedsland, dort eine europäische Abgeordnete mehr im Parlament anbietet, um die Regierungschefs dazu zu bewegen, ja dazu zu sagen, ist zusammengeschustert. Wenn Sie so viel Angst davor haben und so viel Gutes darin steht, warum fragen Sie dann nicht die Bürgerinnen und Bürger?
Dann sammeln Sie mit uns zusammen Unterschriften, dass dies möglich wird! Wir werden uns immer dafür einsetzen, dass diejenigen, die von Europa betroffen sind, auch über Europa entscheiden können. Da waren wir uns im Übrigen vor drei Jahren in diesem Haus einig.
Danke schön, Herr Senator, dass Sie noch einmal diese Richtigstellung, die längst bekannt ist, hier in der Öffentlichkeit bekannt gemacht haben! Ich frage Sie: Stimmen Sie mit mir darin überein, dass es nahezu unerträglich ist, dass einige Parteienvertreter, insbesondere der Partei, der Herr Wansner angehört, das SEZ jahrelang immer nur dazu benutzen, Negativschlagzeilen zu produzieren,
ohne ein einziges Mal vor Ort gewesen zu sein, geschweige denn sich mit Alternativvorschlägen in den Prozess der Modernisierung einzubringen?
Zunächst möchte ich feststellen, dass es einen erfreulichen Grundkonsens zwischen allen Fraktionen dieses Hauses gibt, der die Notwendigkeit einer verstärkten außenpolitischen Orientierung der Berliner Landespolitik auf die mittel- und osteuropäischen Länder festschreibt. Dieser Grundsatz geht von der grundsätzlichen politischen Einschätzung aus, den Fokus Berlins vor dem Hintergrund der Erweiterung der Europäischen Union zu verändern. Wir haben in diesem Haus mehrfach über die neue Rolle Berlins in der Mitte Europas nach dessen Erweiterung debattiert.
Selbstverständlich nehmen die Beziehungen zu unseren unmittelbaren polnischen Nachbarn in enger Kooperation mit dem Land Brandenburg einen zentralen Platz ein. Demzufolge ist das Nachbarland Polen auch unsere erste außenwirtschaftliche Zielregion.
Unbestritten ist also der Ansatz der FDP, die deutschpolnischen Beziehungen voranzubringen, eingeschlossen der Ausbau der Zusammenarbeit mit unserer Partnerstadt Warschau. Die Orientierung des Senats auf die projektbezogene Zusammenarbeit in der deutsch-polnischen Oderregion ist und bleibt ein wesentlicher Baustein der Europaarbeit.
In dem vorliegenden Antrag der FDP geht es allerdings um die konkrete Frage, welche Instrumente auf diesem gemeinsamen Weg die richtigen und effektivsten sind. Wir sind nicht der Auffassung, dass die konkreten Probleme der deutsch-polnischen Kooperation durch die Einrichtung eines Verbindungsbüros in Warschau gelöst werden können.
Berlin und Warschau verbindet eine Städtepartnerschaft, die zweifelsfrei ausbaufähig ist und verbessert werden muss. Warum aber ein solches Büro – dessen Aufgabenbeschreibung und Arbeitsweise in Ihrem Antrag im Übrigen gänzlich fehlt – das Instrument zur Lösung der anstehenden Aufgaben sein soll, gerade in Relation zu den dafür notwendigen Mitteln und Kosten, erschließt sich uns nicht.
Nicht mehr neue Strukturen und Institutionen sind nötig, sondern viel mehr konkrete inhaltliche Projekte und die Schaffung von effektiven Bedingungen für die Kooperationen vor Ort. Die Oder-Partnerschaft zeigt sehr gut, wie das am besten funktionieren kann und andere Aufgaben der Zusammenarbeit als Beispiel dienen kann. Hier hat Berlin in enger Abstimmung mit Brandenburg bereits eine Art Geschäftsstellenfunktion übernommen und ist im deutschen Maßstab Koordinator. Kontaktpflege und -anbahnung geschehen in der Regel durch konkrete Projekte
und nicht über ein Büro. Das kann am einen oder anderen Ort durchaus sinnvoll sein – keine Frage. Unsere Berliner Repräsentanz in Brüssel ist wichtig und notwendig. In den konkreten bilateralen Beziehungen arbeitet Berlin jedoch, unter Bündelung seiner Möglichkeiten, projektbezogen mit Außenwirtschaftspartnern vor Ort zusammen. Und das ist unserer Auffassung nach auch der richtige und effektive Weg.
Zusammenfassend bleibt festzustellen: Eines Antrags in Form einer Absichtserklärung zur Vertiefung der deutschpolnischen Zusammenarbeit bedarf es in diesem Hause nicht. Über konkrete Formen der Ausgestaltung können und müssen wir diskutieren. Aber das hier vorgeschlagene Mittel ist nach unserer Auffassung nicht ausreichend geeignet, um es heute hier zu beschließen.
Die Diskussion um die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist, wie Ihnen bekannt sein dürfte, keine neue. Schon frühzeitig haben wir als Koalition und meine Fraktion im Besonderen unsere Haltung dazu öffentlich deutlich gemacht.
Wirtschaftssenator Wolf hat seine Position zur Frage der Arbeitnehmerfreizügigkeit – wie die FDP im Antrag richtig erwähnt – hier im Plenum, aber auch im Europa- und im Wirtschaftssausschuss bereits mehrfach dargestellt. Die Linke-Fraktion Berlins plädiert von Anfang an dafür,
den Integrationsprozess der Europäischen Union zu vertiefen und die daraus erwachsenden wirtschaftlichen Möglichkeiten für Unternehmen und für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu nutzen. Das gilt sowohl für die mittel- und osteuropäischen Partner, insbesondere Polen, als auch für die deutsche Seite. Polen hat seine Arbeitsmarktbeschränkungen zwischenzeitlich aufgehoben, ein Grund mehr für Deutschland, seine Position zu überdenken, die von unseren Nachbarn als diskriminierend verstanden wird. Wenn Win-Win-Situationen entstehen, wird auch die Akzeptanz des Integrationsprozesses steigen.
Der Senat hat auf Vorschlag von Wirtschaftssenator Wolf im Februar 2006 die Berliner Haltung zur Arbeitnehmerfreizügigkeit mit Blick auf die seinerzeit anstehende Beschlussfassung der Bundesregierung zur deutschen Positionierung gegenüber der Europäischen Kommission festgehalten. Das Land plädierte schon damals für die schnellstmögliche Einführung der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Allerdings – und hier scheint mir eine relevante Differenz zur FDP zu bestehen – sollte die Freizügigkeit mit einem geregelten Rahmen versehen werden. Mindeststandards müssen für Beschäftigungsverhältnisse gesichert bleiben.
Deshalb wurden als Kondition für die volle Mobilität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch Mindestlohnregelungen verlangt, um Lohndumping und insgesamt einen Standortwettbewerb nach unten zu verhindern. Ziel war und ist, dass eine als diskriminierend empfundene Ungleichbehandlung polnischer und anderer Arbeitskräfte aus neuen EU-Mitgliedstaaten beseitigt und zugleich ein Rahmen für fairen und sozial gerechten Wettbewerb geschaffen wird. Gerade für die Akzeptanz des Integrationsprozesses ist die verantwortliche Gestaltung dieser Übergangsprozesse von großer Bedeutung. Der DGB hat in seinen positiven Stellungnahmen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit ähnliche Konditionierungen vorgenommen. Überdies sehen wir in einem solchen Herangehen auch einen Beitrag zur Bekämpfung von Schwarzarbeit.
Die Berliner Sichtweise hat sich leider bei der Mehrheit der Bundesländer und bei der Bundesregierung im letzten Jahr nicht durchsetzen können. Gleichwohl bewegt sich die Debatte. Mindestlohnregelungen wie auch die Ausweitung der Entsenderegelungen stehen aktuell in der Diskussion. Auch ist klarer geworden, dass die Angst vor massiven Arbeitnehmerbewegungen auf den regionalen Arbeitsmarkt nicht begründet ist. Vielmehr zeigen die Wanderungsströme, dass in Einzelbereichen schon Fachkräftemangel in Polen herrscht, dass die Lohnangleichung beschleunigter in diesen Segmenten vorankommt und sogar mehr, als zunächst in der Öffentlichkeit erwartet, auch KMU aus Deutschland bei zahlreichen wichtigen Projekten in Polen tätig sind. Diese Bewegung in der Diskussion, in der Wahrnehmung und der Analyse erster Erfahrungen gilt es zu nutzen. Die Chancen sind gegeben, dass am Ende dieses Prozesses sich die Position des Senats durchsetzt und eine weitere Ausdehnung der Übergangs
fristen nicht mehr Mehrheitsposition im Bundesrahmen ist.
Fraglich scheint mir aber in diesem Zusammenhang die Vorstellung der FDP, eine Bundesratsinitiative zu diesem Thema anzustreben. Abgesehen von der genannten inhaltlichen Differenz in der Frage der sozialen Konditionierung der neuen Mobilitätschancen ist es jetzt wichtig, Partner zu finden, die Diskussionen zu Entsendegesetz und Mindestlohn in den entsprechenden Gremien, in den vorhandenen Bund-Länder-Arbeitsgruppen zu führen und auf diesem Wege zu einem sinnvollen Ergebnis zu kommen. Eine eigenständige Bundesratsinitiative scheint da nicht der geeignete Weg zu sein. Im Herbst wird sich zudem die Wirtschaftsministerkonferenz mit der Frage der weiteren Nutzung der Übergangsfristen auseinandersetzen.
Schließlich ist zum Masterplan der FDP zu sagen, dass die dort empfohlenen Elemente in weiten Teilen bereits Arbeitspraxis des Senats sind. So hat Wirtschaftssenator Wolf im vergangenen Jahr maßgeblich die gemeinsame Konferenz zur Begründung der Oder-Partnerschaft mit initiiert und geprägt. Die Geschäftsstellenfunktion für dieses wichtige Netzwerk auf deutscher Seite wurde übernommen. Morgen wird ein Folgetreffen in Stettin stattfinden, zu dem der neu gewählte Marschall Westpommerns eingeladen hat. Berlin ist bemüht, die Kooperation innerhalb der Oder-Partnerschaft sowohl mit Städten als auch mit den Regionen im Rahmen konkreter Projekte zu entwickeln Gemeinsam mit dem Land Brandenburg hat die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen einen Diskussionsprozess unter Einbeziehung insbesondere der Kammern, der Gewerkschaften und des UVB in Gang gesetzt, um Unternehmen und Arbeitskräfte vorzubereiten auf die Chancen, die offene Arbeitsmärkte in der erweiterten Europäischen Union bieten.
Übrigens sei am Rande angemerkt, dass ich mir als Berliner Abgeordnete wünschen würde, dass auch in öffentlichen Brandenburger Statements das Senatsengagement deutlicher wahrgenommen und anerkannt würde, als dies bisweilen der Fall ist.
Schließlich ist anzumerken, dass erst vor wenigen Wochen Senator Wolf bei der Antwort auf eine Große Anfrage der Koalitionsfraktionen ausführlichst dargestellt hat, welche Aktivitäten der Senat in dem Bereich der Messebeteiligung im Ausland, der Unterstützung von Unternehmensansiedlungen aus Polen, der Förderung von Sprachkompetenzen und vieles mehr entwickelt hat.
Zum Schluss sei noch einmal betont: Ihr Grundanliegen, liebe FDP, kommt zwar spät aber deckt sich mit unseren Zielen. Vielleicht ist es aber auch nicht zu spät, wenn es gilt, den Senat in seinem weiteren Vorgehen zu unterstützen. Und dies tun wir mit dem Ziel der Schaffung eines geeinten sozialen Europas der Zukunft!