Wir stehen heute unverändert dazu. Sie sagen uns, man muss etwas Neues entwickeln. Ich habe da eine andere Auffassung. Wir müssen das Vorhandene einfach wieder in Betrieb setzen und von den Blockaden dieses SPDFinanzsenators befreien.
Dieses neue Budgetierungssystem war Teil einer von der großen Koalition damals ebenfalls begonnenen Verwaltungsreform, und genauso wie dieses neue Budgetierungssystem heute blockiert ist, wurde auch die Verwaltungsreform blockiert.
Auf der Landesebene hat sie praktisch nicht stattgefunden. Der Finanzsenator bemüht sich um ihre Abschaffung. Bei den Senatsverwaltungen konnte sie keinerlei Erfolge zeigen. Im Grunde genommen wurde sie schon außer Kraft gesetzt, bevor sie auf Landesebene überhaupt beginnen konnte. Das ist Ihre Verantwortung auf SPDSeite, dieses richtungsweisende System einer Verwaltungsreform komplett blockiert zu haben.
Die Ausführungen von Frau Flesch haben auch deutlich gemacht, wie gedacht wird: Es wird vom Input her gedacht, von den Haushaltstiteln her, von dem, was man hineinsteckt, von dem, was man an Personal zur Verfügung stellen muss. Es wird eben nicht darüber nachgedacht, wie man mehr und bessere Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger erwirken kann und dass man die Bezirke dafür auch auskömmlich finanzieren muss. Wir müssen output-orientiert denken. Sie müssen sagen, welche Leistungen Sie in den Bezirken haben wollen, dann können wir uns über die Technik unterhalten. Sie denken immer noch in den Kategorien von vor zehn Jahren. Das ist das Grundübel Ihres Umgangs mit den Bezirken.
Bezogen auf die Budgetierung der Bezirke mache ich den Vorwurf, dass ein für viel Geld entwickeltes funktionales System durch unsachgemäße Anwendung und willkürliche, systemfremde Eingriffe der Finanzverwaltung inzwischen völlig unbrauchbar gemacht worden ist. Herr Sarrazin geht mit den betriebswirtschaftlichen Steuerungsinstrumenten um wie ein Neandertaler, der versucht, einen Computer unter Einsatz seiner Keule zum Laufen zu bringen.
Sie haben nicht dafür gesorgt, dass das berlinweite Querschnittscontrolling – dafür hat Ihre Vorgängerin, Frau Fugmann-Heesing, ein sündhaft teures Gutachten erstellen lassen – eingeführt wird. Sie haben nicht dafür gesorgt, dass die bestehenden Konzepte systemkonform
eingeführt und umgesetzt werden. Sie zerstören ohne Sinn und Verstand ein System, das von namhaften Unternehmensberatungen in jahrelanger Arbeit entwickelt wurde und das mehr Gerechtigkeit und mehr Chancengleichheit bringen sollte – und auch kann, das ist nachgewiesen. Stattdessen verweigern die Bezirksverordnetenversammlungen notgedrungen den Beschluss über Bezirkshaushalte und kündigen Bezirksbürgermeister parteiübergreifend an, dass sie ihre Pflichtaufgaben nicht mehr wahrnehmen können.
Die Mängel sind offenkundig. Ein klassisches Beispiel hatten wir gestern im Hauptausschuss. Da überträgt man zum Beispiel einem Bezirk berlinweit die Verantwortung für die Beleuchtung. Auf zähes Nachfragen unserer Fraktion hat sich ergeben: Die Mittel, die dafür zur Verfügung gestellt wurden, haben leider nicht gereicht. Das Personal, das man dafür zur Verfügung gestellt hat, hat auch nicht gereicht. Trotzdem läuft der Finanzsenator herum und führt in seinen Folienvorträgen bei solchen Themen immer den Beweis, dass die Bezirke das Anschließen nicht können. Was ist die Realität? – Das ganze System der Straßenbeleuchtung kommt zurück auf die Landesebene. Und was passiert? – Der Senat bedient sich im Nachtragshaushalt 2007 eines um 40 Prozent höheren Mittelansatzes, um diese Straßenbeleuchtung selbst zu realisieren.
Man hat also dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg mehr als 40 Prozent zu wenig Geld zur Verfügung gestellt und erzählt anschließend, die Bezirke können es nicht. Das ist ein so mieser Umgang mit den Bezirken, wie man es sich nur vorstellen kann.
Und ich glaube, mit dem Thema Bezirke werden wir diesen Senat noch treiben, darauf können Sie sich gefasst machen. Wir werden alles dafür tun, dass die Bezirke eine auskömmliche Ausstattung bekommen und ihre Aufgaben wieder wahrnehmen können, ohne die Sonderprogramme der Landesverwaltung und ohne diese bürokratischen Monster, wie sie heute existieren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen! Herzlich willkommen in der Debatte über die Bezirke! Die führen wir schon ein bisschen länger, und es ist schön, dass auch Sie es bemerkt haben, dass das ein interessantes Thema ist. Rot-Rot hat es bereits zu den Koalitionsverhandlungen begonnen, hat es über die verschiedenen Klausuren des Senats fortgesetzt, befindet sich jetzt über den Sommer hinaus in einer sehr intensiven Diskussion über die Bezirke und führt das auf der parlamentarischen Ebene fort. Herzlichen willkommen, dass auch Sie sich daran beteiligen wollen!
Die Frage ist: Warum führen wir diese Diskussion? Warum haben wir sie aus freien Stücken begonnen, Herr Kollege Goetze? Es war nicht Ihre Idee, über die Bezirke zu reden in den letzten Wochen, sondern beispielsweise meine.
Die Frage ist: Warum machen wir das? – Das hat einen einfachen Grund. Der Grund ist, dass wir in den vergangenen Jahren in erheblichem Maß Personalabbau in den Bezirken betrieben haben. Wir haben auch auf anderen Wegen den Bezirken Finanzmittel entzogen, im Übrigen in einem weitgehenden Konsens auch in diesem Haus, weil wir gemeinschaftlich der Auffassung waren, dass Personalabbau im Land Berlin unbedingt notwendig ist. Auch gerade Sie von der CDU-Fraktion haben weitergehende Beschlüsse gefasst, die deutlich über das hinausgehen, was wir für angemessen halten. Das ist ein ganz wesentlicher Hebel in den vergangenen Jahren gewesen, wo wir Finanzzumessungen an die Bezirke abgesenkt haben.
Wenn man das in Zahlen haben will – und das tut der Versachlichung der Debatte auch ganz gut, einmal über Zahlen zu sprechen, worin die Kürzungen für die Bezirke bestehen –, dann kann man feststellen, dass wir in der letzten Legislaturperiode allein 4 200 vollzeitäquivalente Stellen in den Bezirken abgebaut haben. Das ist ein Volumen von über 170 Millionen €. Nun stehen wir vor den entsprechenden Auswirkungen, die das auf die Leistungsebenen der Bezirke hatte.
Wir stehen vor einer inhaltlichen Zäsur, die darin besteht, dass wir diesen Personalabbau in erheblichem Umfang fortsetzen wollen. Die Koalition hat sich für die kommenden Jahre vorgenommen, nochmals 3 300 vollzeitäquivalente Stellen aus den Bezirken herauszunehmen und die entsprechenden Finanzmittel abzusetzen. Das ist wiederum ein Volumen von über 135 Millionen €. Da ist es doch wohl mehr als angemessen, wenn man sich in einem solchen Etappenumbruch, wo man noch einmal einen deutlichen Schritt weitergehen will, darüber vergewissert, welche Wirkungen damit ausgelöst werden und was das für die bürgernahen Leistungsstrukturen im Land Berlin bedeutet. Da reden wir nicht über Kleinigkeiten, sondern wir
reden über den Teil der Berliner Verwaltung, der den Bürgerinnen und Bürgern am nächsten ist. Wir reden über Bibliotheken, Bürgerämter, den öffentlichen Gesundheitsdienst, die Eingangsuntersuchungen für unsere Schulanfängerinnen und Schulanfänger und die Lebensmittelkontrollen, um nur die wichtigsten Bereiche zu nennen. Da ist es nicht zu viel verlangt, sich in einer politischen Debatte darüber zu vergewissern, dass die Einsparungen, die man in diesen Bereichen macht, nicht dazu führen, dass solche Strukturen substanziell verkrüppelt werden. Das ist ein Selbstanspruch an rot-rote Politik, den zumindest meine Fraktion uneingeschränkt hat.
Es gibt Anzeichen dafür, dass wir an bestimmten Punkten in Probleme hineinlaufen. Ich will den geschätzten Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion noch einmal in Erinnerung rufen, worüber wir reden, wenn es beispielsweise um die Lebensmittelkontrollen geht. Da führen wir alle das beredte Wort „Gammelfleisch“ im Mund, und da will ich sicher sein, dass wir das Richtige tun, wenn wir auch in diesem Bereich den Personalabbau fortsetzen. Da sind wir außerordentlich skeptisch, dass man das so weiter machen kann. Es genügt mir nicht, dass am Großmarkt an der Beusselstraße, wo Tag für Tag 1 000 Tonnen Fleisch durchlaufen, zwei Kontrolleure stehen. Das ist nicht genug.
Ja, das sind die vor Ort, Frau Kollegin, und wenn der Kollege A krank ist, dann hat Kollege B ein Problem. – Das ist die Debatte, die wir hier führen.
Dann kommt noch eines dazu: Man mag darüber streiten, wie die Ausstattung der Bezirke im Durchschnitt ist und ob es diesen Durchschnitt überhaupt gibt. Man kann lange über Zumessungssysteme und Budgetierungsfragen reden, das Hohelied auf die Verwaltungsreform ist hier schon gesungen worden. Ich sehe das alles viel kritischer als Sie. Am Ende gelangen wir immer zu einer Frage: Welche Leistungen erwarten wir von den Bezirken? In welchem Umfang sind wir bereit, sie zu finanzieren? Ist deshalb ein zusätzlicher Mittelentzug, wie wir ihn mit diesem Doppelhaushalt machen wollen, so zulässig oder nicht?
Da gibt es ein zweites Problem. Wenn man anfängt, den Bezirken in einer solchen Bewegung, wo man ihnen Mittel nimmt, auch noch zusätzliche Aufgaben zu geben – und das sind keine Kleinigkeiten, über die wir reden – –
Herzlich gerne! – Wir werden also darüber sprechen – Herr Kollege Czaja, danke, dass Sie sich auf das Ende meiner Rede freuen –, wie wir die Leistungen im Bereich
Kinderschutz und in anderen Bereichen vernünftig finanzieren, und ich freue mich auf die weitere Diskussion in diesem Zusammenhang. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Wechselberg! Wir hörten gestern im Hauptausschuss, dass Sie offensichtlich, was die bisherigen Zahlen angeht, kritisch sind, kritischer auch als die SPD, und das ist durchaus begrüßenswert, dass Sie diese Ehrlichkeit an den Tag legen. Ich bitte Sie aber doch zu bedenken, dass die Debatte nicht von Ihnen oder von Rot-Rot angestoßen wurde, sondern durch Hilferufe aus diversen Bezirken. Sie sind teilweise schon genannt worden. Wir hatten die Debatte relativ ausführlich gestern im Hauptausschuss. Die Debatte heute hat auch wieder gezeigt – das hat Frau Flesch ganz gut auf den Punkt gebracht –, dass hier offensichtlich immer noch mit verschiedenen Sprachen gesprochen wird. Eines der Hauptprobleme ist, dass auf der einen Seite Herr Dr. Sarrazin eine Sprache spricht, sehr zahlen- und detailverliebt, und auf der anderen Seite die Bezirke zumindest meiner Meinung nach noch nicht entsprechend Gegenzahlen aufliefert. Das ist die erste Forderung, die wir haben müssen, dass wir endlich auf einer klaren Sachlage miteinander debattieren.
Die Grundlagen der bezirklichen Finanzzuweisungen sind relativ klar. Wir bekommen darüber auch relativ schnell Klarheit im Abgeordnetenhaus. Wir haben auf der einen Seite die Verfassung von Berlin, die eine produktorientierte Globalzuweisung normiert, und ich denke, und das ist die Position der FDP-Fraktion, dass alles Weitere möglichst in einem Entscheidungsspielraum in den Bezirken belassen werden muss.
Es gibt ein paar Grenzen und Regeln, die man aufzeigen muss. Ein Grundsatz, der einziehen muss, ist: Wer bestellt, bezahlt. – Ich denke, das ist selbstverständlich, aber alles Weitere muss man kritisch überprüfen, und zwar auf einem gemeinsamen Zahlenkonstrukt. Da sehe ich es anders, als der Kollege von der CDU. Das System, so wie es damals eingeführt wurde, ist in der Form, wie es gelebt wird, nicht frei von Macken. Wir haben das Problem, dass wir ein problematisches Finanzzuweisungssystem haben, das offensichtlich zurzeit von der Finanzverwaltung noch dazu ausgebremst wird.
Der Antrag der Grünen, das hier zu thematisieren, geht deswegen unserer Auffassung nach in die richtige Richtung. Inhaltlich sind wir nicht bei allen Punkten einer Meinung, Stichwort: Teilpersonalglobalsumme. Das ist
ein Bereich, wo wir uns durchaus mehr Mut von den Grünen gewünscht hätten. Wir brauchen unserer Auffassung nach keine Teilglobalsummen, sondern wir können den Bezirken mit einer Globalsumme helfen.
Die Mindestveranschlagungsvorgaben sind zu unterlassen. Das ist eine Selbstverständlichkeit, weil es in die Autonomie der Bezirke eingreift. Ob diese 50 Produkte, die entwickelt werden, unbedingt vom Abgeordnetenhaus entwickelt werden sollen, wage ich zu bezweifeln. Allerdings ist es so, dass Sie im Bereich Sonderprogramme recht haben. Alles in allem geht Ihr Antrag durchaus in die richtige Richtung. Wir müssen meiner Meinung nach jetzt beginnen, die Debatte zu führen.
Es ist auch nicht richtig, wenn Herr Wechselberg sagt, dass Sie die Gelegenheit aktiv als rot-rote Koalition wahrgenommen haben. Dann hätten Sie die Debatte schon mit den Einbringungen des Zahlenteils vom Doppelhaushalt offensiv angehen müssen. Das haben Sie nicht getan. Wir werden bei den Doppelhaushaltsberatungen nur noch darüber debattieren können, ob die Mittelzuweisung an die Bezirke im Sinne der Finanzverfassung auskömmlich ist.
Wenn wir feststellen, dass sie es nicht ist, dann müssen wir die Zuweisungen entsprechend erhöhen. Ansonsten müssen wir uns in der Tat in den nächsten anderthalb Jahren darüber verständigen, wie man das bezirkliche Finanzzuweisungssystem reformiert und zwar in dem Sinne, dass mehr Verantwortung bei den Bezirken liegt, dass sie auskömmlich finanziert sind und die Aufgaben vor Ort für die Bürgerinnen und Bürger erfüllen. – Danke!