Protocol of the Session on September 27, 2007

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Meyer! – Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Hauptausschuss. – Dazu höre ich keinen Widerspruch, dann verfahren wir so.

Ich rufe die Priorität der Fraktion der FDP auf unter

lfd. Nr. 4 e:

I. Lesung

Gesetz für mehr Verständlichkeit von Volks- und Bürgerentscheiden (Änderung des Bezirksverwaltungsgesetzes) (Änderung des Gesetzes über Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid)

Antrag der FDP Drs 16/0831

Das ist der ehemalige Tagesordnungspunkt 10. Hierzu gehört auch der

Entschließungsantrag

Bewährungstest für neue rechtliche Grundlagen der direkten Demokratie beim Bürgerentscheid in Charlottenburg-Wilmersdorf erfolgreich bestanden!

Antrag der FDP Drs 16/0859

Hierzu gehört auch der Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 16/0859-1.

Ich eröffne die I. Lesung. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der FDP, Herr Jotzo hat das Wort – bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Der Bürgerentscheid von Sonntag war ein großer, ein phänomenaler Erfolg.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Dies insbesondere deshalb, weil an dem vielleicht letzten schönen, sonnigen Sonntag dieses Jahres 62 874 Bürgerinnen und Bürger von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht haben. Mit einer Wahlbeteiligung von 26,8 Prozent wurde eine Beteiligung erzielt, mit der wir vor anderthalb Jahren, als diese Elemente in unserer Verfassung und ins Bezirksverwaltungsgesetz Eingang gefunden haben, in keiner Weise gerechnet haben. Das ist ein phänomenaler Erfolg!

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Ich freue mich ganz besonders deshalb über diesen Erfolg, weil es die FDP war, die mit ihren Stimmen in der letzten Legislaturperiode die entscheidenden Stimmen dafür geliefert hat, dass wir diese Elemente in die Verfassung aufnehmen konnten. Deshalb ist es aus meiner Sicht nur folgerichtig, dass wir Ihnen nach dem erfolgreichen Bewährungstest diesen Entschließungsantrag anbieten und Sie bitten, ihm Ihre Zustimmung zu geben, da er die Bürgerinnen und Bürger auch weiterhin zu einer hohen Wahlbeteiligung und zu einer Nutzung der Elemente direkter Demokratie aufruft.

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

Die spannende Frage ist aber, welche Folgerungen wir aus den bisherigen Erfahrungen ziehen. Es müssen meiner Meinung nach drei Folgerungen sein: Die erste ist, dass Politik- und Demokratieverdrossenheit nicht gottgegeben sind, sondern dass man sie mit geeigneten Mitteln bekämpfen kann. Diese geeigneten Mittel sind die, die wir in die Verfassung und ins Bezirksverwaltungsgesetz geschrieben haben. Die Quoten sind in Ordnung, und man muss feststellen, dass die Instrumente, die das Parlament ausgewählt hat, die richtigen waren, dass sie zu guten und sinnvollen Ergebnissen geführt haben.

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen – Beifall von Dr. Fritz Felgentreu (SPD)]

Das führt zur zweiten Folgerung: Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir nicht Halt machen dürfen. So wie die Art, wie wir direkte Demokratie zulassen, die Möglichkeiten ändern, wie das Volk von den Instrumenten Gebrauch macht, so ändert auch die Art, wie das Volk von den Elementen direkter Demokratie Gebrauch macht, die Art, wie wir Politik machen. Dieser Entscheid hat aufgezeigt: Wenn die Politik es nicht schafft, den Bürgerinnen und Bürgern die Ideen der Politik zu vermitteln, wenn wir es nicht vermögen, den Bürgerinnen und Bürgern die Vorteile und den Sinn unserer Politik aufzuzeigen, dann wird das Volk uns die Grenzen aufzeigen im Rahmen der Elemente direkter Demokratie. Das ist sinnvoll und ein richtiger Effekt, es ist ein Effekt, der in beide Richtungen spielt, und das ist gut so.

[Beifall bei der FDP]

Wenn wir diese neuen Anforderungen beachten, nämlich Transparenz in unsere Politik zu bringen und unsere Politik mit Argumenten zu führen, dann werden wir Politik mit den Bürgern und für die Bürger machen und nicht gegen sie. Dann haben wir auch bei direkter Demokratie überhaupt nichts zu befürchten.

Das führt mich zur dritten und letzten Schlussfolgerung, die aus diesem Bürgerentscheid zu ziehen ist: Wir müssen ständig prüfen, ob die Instrumente, die wir der direkten Demokratie zur Verfügung stellen, ausreichend und sinnvoll sind. Deswegen ist es sinnvoll, dass Sie dem Antrag der FDP-Fraktion zustimmen, denn die Fragestellungen, die wir bei den bisherigen Bürgerentscheiden gesehen haben, waren so gestaltet, dass kein normaler Sterblicher – nicht einmal, im Fall des Charlottenburg-Wilmersdorfer Bürgerentscheids, ein Rechtsanwalt – in der Lage ist, die Fragestellung ohne Weiteres zu verstehen.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Aber richtig angekreuzt haben Sie doch, oder?]

Ich verzichte darauf, Ihnen die Fragestellung vorzulesen, denn ich habe nur noch wenige Sekunden Redezeit. Wenn Sie sich die Fragestellung ansehen, die wir in der Begründung aufgeführt haben, dann wird schnell klar, dass da etwas falsch läuft und wir etwas korrigieren müssen. Das hat das Bezirksamt – wahrscheinlich in weiser Voraussicht unseres Antrages, den wir zu dem Zeitpunkt bereits eingebracht hatten – wohl auch erkannt und hat an jeder Wahlurne vor den Wählerinnen und Wählern angebracht: Ja bedeutet gegen die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung, Nein bedeutet für die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Dann brauchen wir aber kein Gesetz!]

Das Bezirksamt hat sinnvoll gehandelt, aber nicht jedes Bezirksamt wäre so umsichtig wie das in CharlottenburgWilmersdorf, und es ist sinnvoll, den Bürgerinnen und Bürgern konkret zu vermitteln, worüber es abzustimmen gilt und was die Abstimmung erbringt. Eine vernünftige Fragestellung gehört zur Transparenz, daher diese kleine Änderung, die wir beschließen sollten. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Vielen Dank, Herr Jotzo! – Für die SPD-Fraktion hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Felgentreu – bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Entschließungsantrag der FDP ist nicht nur schlampig in der Verarbeitung, er hat auch keinen Sinn.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Oh! von der FDP]

Lesen Sie mal den dritten Absatz! – Wir betreiben keine Wählerschelte, und wir sollten auch darauf verzichten, die Wählerinnen und Wähler zu loben, weil wir finden, dass sie etwas richtig gemacht haben. Sie sind nicht unsere Schüler in Sachen Demokratie.

[Zuruf von Dr. Martin Lindner (FDP)]

Nein, Herr Dr. Lindner, wir machen Gesetze, um direkte Demokratie möglich zu machen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Das tun wir aus voller Überzeugung, und wir freuen uns, wenn die Gesetze wirken und zur Beteiligung anregen, übrigens nicht nur in Charlottenburg-Wilmersdorf, sondern – da haben die Grünen recht – auch in Lichtenberg und in Kreuzberg. Aber zu beschließen, dass wir uns freuen, wenn unsere Gesetze den Bürgerinnen und Bürgern nützen, ist bestenfalls peinlich.

[Heiterkeit bei der SPD und der Linkspartei]

Im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf ist am vergangenen Sonntag ein Bürgerentscheid ergangen. Die Frage, die die Bürgerinnen und Bürger zu beantworten hatten, war – das ist der FDP zu Recht aufgefallen – relativ verworren. Die Menschen sollten sagen, ob sie dafür sind, dagegen zu sein, nämlich gegen neue Parkuhren. Das scheint kompliziert. Damit man in Zukunft nicht mehr um die Ecke denken muss, schlägt die FDP vor, auf dem Stimmzettel zu erklären, worum es geht. Im Fall von CharlottenburgWilmersdorf gäbe es demnach zwei Möglichkeiten. Möglichkeit eins: Die Frage wird vereinfacht zu „Sind Sie gegen neue Parkuhren, ja oder nein?“ Möglichkeit zwei: Die Frage wird erläutert. Dann läse man auf dem Stimmzettel etwa Folgendes: „Sind Sie dafür, gegen neue Parkuhren zu sein?“ Antwort: ja – gegen Parkuhren –, Antwort: nein – für Parkuhren –. Der Plan scheint tadellos, ein solches Gesetz müsste eigentlich alle Unklarheiten beseitigen.

Verehrter Kollege Jotzo! Ich gestehe, dass bei meiner Fraktion trotzdem eine Menge Fragezeichen stehen geblieben sind, auch nach Ihrem Wortbeitrag.

[Zuruf von Dr. Martin Lindner (FDP)]

Warum wollen wir den Initiatoren eines Bürger- oder Volksentscheids vorschreiben, wie sie ihre Frage zu stellen haben? – Wir wollten doch alle mehr direkte Demo

kratie wagen. Dazu gehört auch, dass die, die einen Vorschlag machen, frei darin sind, wie sie ihn formulieren. Es gibt ein Recht auf Dunkelheit.

Wer davon Gebrauch macht, tut das zwar auf eigene Gefahr, –

Entschuldigung, Herr Dr. Felgentreu, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jotzo?

Im Moment nicht, ich bin gerade so schön in Fahrt. – aber wir sollten uns trotzdem nicht vornehmen, ihn mit mütterlicher Fürsorge auf den Weg der Klarheit zurückzuführen.

[Heiterkeit bei den Grünen]

Denn Fürsorge, wer wüsste das besser als die FDP, hat immer auch autoritäre Züge.

[Andreas Gram (CDU): Ha, ha, die Liberalen!]