Protocol of the Session on April 26, 2007

Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/0443

Dieser Antrag soll auf Wunsch der Antragsteller nach der Debatte sofort abgestimmt werden. Jeder Fraktion steht eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redner aufgeteilt werden kann. Es beginnt für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Müller. – Bitte, Herr Müller!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist heute nicht das erste Mal, dass wir über den Flughafen Tempelhof hier im Parlament debattieren. Ich freue mich über diese Rederunde heute. Es ist ein richtiger und wichtiger Zeitpunkt, dass sich alle Fraktionen zu dem Thema Flughafen Tempelhof und insbesondere zum Thema Flughafenplanung eindeutig positionieren, dass wir Klarheit schaffen, welche Fraktion wo steht und dass wir die Diskussion über ständig zu verändernde Flughafenplanung heute ein für allemal beenden. Ich glaube, es ist ein guter Zeitpunkt, weil alle Grundlagen für eine Positionierung der Fraktionen vorliegen. Wir haben höchstrichterliche Entscheidungen zu den Planungen BBI, wir haben Entscheidungen zum Schließungsverfahren Tempelhof, und alle diese höchstrichterlichen Entscheidungen bestätigen die Linie des Senats, wie wir damit zeitlich und in der Sache umgehen wollen. Wir haben 15 Jahre gemeinsame Flughafenplanung hinter uns, ständige Gespräche mit Brandenburg und auch dem Bund. Wir haben mit dem Bund über Konzepte gesprochen, wir haben diverse Gutachten miteinander diskutiert, insbesondere zum Thema für oder gegen Tempelhof. Wir haben Investorengespräche geführt und deren Gutachten und Konzepte diskutiert. Wir haben heute folglich eine Grundlage, um eindeutig Stellung zu beziehen.

Worum geht es, wenn wir heute diskutieren? – Es geht um das größte und wichtigste Infrastrukturprojekt der Region, ja ich sage: ganz Ostdeutschlands.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Es geht um Zigtausende Arbeitsplätze für diese Region. Heute hat sich noch einmal der DGB zu Wort gemeldet und gesagt, es könne in Fragen BBI, Flughafen Schönefeld, überhaupt kein Wackeln geben, weil es arbeitsmarktpolitisch ein wichtiges Projekt für diese Region ist.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Es geht um Milliarden Euro Investitionen, es geht um die Anbindung unseres Technologieparks Adlershof an Schönefeld, wo bereits Tausende Arbeitsplätze in den letzten Jahren entstanden sind. Wir wollen an diesen Erfolg anknüpfen, wir wollen, dass es eine Verbindung gibt zwischen Adlershof und unserem Großflughafen. Wir wollen den Tourismus weiter stärken, ein wichtiger Bereich für unsere Stadt, ein wichtiger wirtschaftpolitischer Bereich. Die Fluggastzahlen explodieren geradezu. Im letzten Jahr sind von Berliner Flughäfen knapp 20 Millionen Fluggäste abgeflogen. Wir wollen diese positive Entwicklung verstärken. Deshalb ist BBI so wichtig. Wir wollen Planungssicherheit für die Menschen und die Unternehmen dieser Stadt, darum geht es, wenn wir über Tempelhof diskutieren. Es geht um Planungssicherheit und dieses wichtige Infrastrukturprojekt.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ich zitiere an dieser Stelle den Konzernbevollmächtigten der Lufthansa – das ist keine Vorfeldorganisation der

SPD, Herr Pflüger –, Herrn Kropp, der Ende letzten Jahres gesagt hat:

Das Hickhack um einen möglichen Weiterbetrieb in Tempelhof, der den Ausbau Schönefelds gefährden könnte, beunruhigt das Unternehmen. Es besteht die Gefahr, dass das BBI-Projekt europaweit ins Gerede kommt. Berlin könne damit in der Luftfahrtpolitik erneut das Nachsehen haben, Warschau, Wien, Kopenhagen könnten die Rolle übernehmen, die Berlin und Brandenburg mit dem BBI schaffen wollen, unter anderem 40 000 Arbeitsplätze. Diese Diskussion ist Gift für den Standort und muss beendet werden.

Das sagt der Konzernbevollmächtigte der Lufthansa.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Deswegen will ich hier ganz klar sagen: Die SPD – diese Koalition – wird nichts tun, was dieses Infrastrukturprojekt, was diese Entwicklung in der Region gefährdet.

[Zuruf von Dr. Martin Lindner (FDP)]

Alle Gutachten, die uns vorliegen, bestätigen uns in dieser Position, auch unter juristischen Gesichtspunkten, weil es nämlich immer – das wird in jedem Gutachten dargelegt – ein juristisches Restrisiko gibt, wenn man diese Planung erneut aufmacht.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Risiken können zunehmen!]

Neue, schwierige planerische Schritte würden bevorstehen, und besonders dieses letzte Gutachten aus dem Bundesfinanzministerium, auf das Sie sich beziehen, Herr Pflüger, bestätigt diese Risiken.

An der Stelle ein zweites Zitat von Herrn Appenzeller gestern:

Man muss schon Opfer eigenen Wunschdenkens sein, um aus dem neuen Gutachten zur möglichen Offenhaltung des Cityflughafens zu folgern, Tempelhof kann bleiben.

Tempelhof kann nicht bleiben. Das sagt dieses Gutachten.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Weitere Probleme werden dort deutlich. Sie haben vorhin auch wieder gesagt: Verkehrsflughafen ist doch eine Selbstverständlichkeit. Das darf Tempelhof nicht sein. Das würde BBI gefährden. Es soll ein kleiner feiner Geschäftsflughafen sein. – In dem Gutachten des Bundesfinanzministeriums steht etwas anderes. Darin steht: Auch das geht nicht. Es könnte allenfalls ein Sonderflughafen für ein ganz konkretes Unternehmen sein, nämlich für diesen möglichen Klinikbetrieb. Was heißt denn das? – Was Sie und die IHK scheinbar wollen, nämlich, dass die Geschäftsflieger, die Manager von Siemens, Schering, Bertelsmann hier ein- und ausfliegen, wäre gar nicht möglich. Dieser Manager könnten hier zwar landen, müssten sich aber danach in das Krankenbett legen, weil sie nur landen können, wenn sie an diesen Betrieb gebunden sind.

[Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Es geht aus diesem Gutachten klar hervor, dass der Landesentwicklungsplan geändert werden müsste, es gäbe neue Klagerisiken, wieder ein jahrelanges Verfahren und das Allerschlimmste: Es würde Stillstand für BBI bedeuten. Wir würden mit diesem wichtigen Projekt nicht vorankommen. Feststellungsklagen werden in Aussicht gestellt, wo andere Gutachten – neutrale, ein Professor der TU – sagen: Diese juristischen Mittel stehen im Moment überhaupt nicht zur Verfügung.

Aber, Herr Pflüger, das Allerwichtigste ist: Nach diesen Monaten oder Jahren der Diskussion um Tempelhof oder um dieses Flughafenkonzept ist eines deutlich geworden: Niemand übernimmt die Verantwortung für die juristischen Risiken und Konsequenzen, die aus dieser Debatte entstehen. Sie nicht, und auch Frau Merkel nicht. Ich will daran erinnern, wie es bei dem letzten Wahlkampf war, wie Sie beide gemeinsam gesagt haben: Wir wollen noch einmal für Tempelhof streiten. – Am nächsten Tag hat der stellvertretende Regierungssprecher der Bundesregierung gesagt: Das hat Frau Merkel nicht als Bundeskanzlerin gesagt, sondern als Wahlkämpferin. – Dabei ist es geblieben. Das ist die Substanz Ihrer Flughafenpolitik, Herr Pflüger.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Nein! Wir werden das nicht mitmachen! Wir wollen Planungssicherheit, und die werden wir auch erhalten. Das CDU-Verhalten an dieser Stelle ist katastrophal für die Entwicklung der Region, es ist katastrophal unter wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten, auch unter umwelt- und sicherheitspolitischen Aspekten.

[Margit Görsch (CDU): Welche denn?]

Aber genau darum – auch das gehört hier einmal auf den Tisch – geht es Ihnen gar nicht. Ihnen geht es gar nicht um die Umweltfragen, obwohl Sie in den letzten Monaten der selbsternannte Chefökologe dieser Stadt sind. Es geht Ihnen nicht um die Sicherheitsaspekte. Es geht Ihnen nicht einmal um die Investitionen. Es geht Ihnen ausschließlich um eine parteipolitische Profilierung in der Frage.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Sie sind der Meinung, Sie könnten sich mit diesem wichtigen Thema für die Region parteipolitisch profilieren, und – das wird auch ersichtlich – es geht Ihnen darum, Ihre konservative Verkehrspolitik durchzusetzen. Das wird bei dem Thema Tegel ganz deutlich. Man könnte ja noch sagen: Da will wirklich jemand ganz engagiert für Tempelhof und ein Konzept streiten –, und dann machen Sie auf einmal die Debatte beliebig auf, untergehakt mit Frau Wanjura und Ihrem wirtschaftspolitischen Sprecher, Herrn Dietmann, führt die Berliner CDU eine Diskussion um Tegel. Da wird deutlich, was Sie wollen. Sie wollen innerstädtische Flughäfen. Das ist das Konzept der CDU, mit allen Risiken und Nebenwirkungen, die daraus entstehen. Darum geht es Ihnen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Sie wollen ein Privileg für wenige Privat- und Geschäftsflieger, ganz unabhängig davon, dass das weder von Gutachten von der Mehrheit dieses Hauses gedeckt ist.

[Carl Wechselberg (Linksfraktion): Völlig richtig!]

Nein, meine Damen und Herren! Der Flughafen Tempelhof ist Vergangenheit. Er ist Vergangenheit als Flughafen. Ich habe das hier auch schon mehrfach deutlich gemacht. Es ist mein Wahlkreis, in dem dieser Flughafen liegt. Ich finde das Gebäude, die Fläche, die Konzeption des Flughafens, wie er angelegt ist, beeindruckend. All das bleibt erhalten. Die Fläche, das Gebäude bleiben erhalten und können weiterentwickelt werden, können nachgenutzt und für die Berlinerinnen und Berliner zugänglich werden.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Wozu denn?]

Wir wollen Gebäude und Fläche weiterentwickeln. Die Stadtentwicklungssenatorin hat dazu internationale Experten eingeladen, um aus deren Erfahrungen zu lernen, was man mit solch einem Bereich – praktisch ein eigener Stadtteil, der für die Berlinerinnen und Berliner nutzbar gemacht wird – alles machen kann. Das ist eine Herausforderung, vor der keine andere Metropole steht, eine riesige Herausforderung, aber auch eine Chance. Wir wollen diese Chance nutzen, und wir wollen sie aus umweltpolitischen Gesichtspunkten heraus nutzen – ich glaube, wir müssen dort eine Klimazone erhalten –, aber wir laden auch alle Investoren ein, die jenseits eines Flugbetriebes dieses Gebäude und diese Fläche für Berlin weiterentwickeln wollen.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Habt ihr doch schon gemacht! Hat sich doch keiner gemeldet!]

Und es ist ganz klar, dass das Wunschdenken – ich will noch einmal deutlich sagen –, heute beendet werden muss. Wir brauchen die Sicherheit für die Stadt und für die Unternehmen. Das Wunschdenken und die parteipolitischen Spielchen müssen ein Ende haben.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Ja eben!]

Wir halten Kurs und werden die Flughafenplanung konsequent umsetzen, für Wirtschaft und Arbeitsplätze, für die Umwelt und für die Sorgen und Interessen von Hunderttausenden betroffenen Anwohnern. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Müller! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Herr Abgeordneter Dr. Pflüger das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! – Ich zitiere Eric Schweitzer, den Präsidenten der Industrie- und Handelskammer in Berlin.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Auch so ein Sonderling!]

„Herr Wowereit, Sie haben geschworen, Ihre ganze Kraft dem Wohle des deutschen Volkes zu widmen.

[Zuruf von den Grünen]