Das ist der Gegenstand des Konsensbeschlusses, so wie ihn heute die damals Beteiligten, Herr Diepgen, Herr Wissmann, Herr Stolpe interpretieren. Keiner will, dass dort Linienmaschinen mehr landen, sondern worum es geht, und da sind wir uns nicht einig, ist eine einzige Frage: Soll der Flughafen für Geschäftsflieger offen bleiben? – Das Neue an der heutigen Debatte ist ein Gutachten der Bundesregierung, nicht von irgendeiner interessierten Seite. Ein Gutachten, das der SPD-Bundesfinanzminister Steinbrück in Auftrag gegeben hat, Herr Müller. Das zeigt Ihnen einen Weg, wie man beides miteinander vereinbaren kann, dass BBI nicht gefährdet werden muss und Tempelhof trotzdem für Geschäftsflieger beschränkt offen gehalten werden kann.
Nun wäre es die Aufgabe des Regierenden Bürgermeisters und von Ihnen, Herr Müller, klar zu sagen: Dieses Gutachten von Herrn Steinbrück, den Wunsch der Bundesregierung auf Offenhaltung von Tempelhof, nehmen wir zur Kenntnis. Wir prüfen jetzt das Angebot der Deutschen Bahn AG, die den Flughafen betreiben will, das Angebot von Lauder, der dort 350 Millionen € investieren will.
Das, was wir von Ihnen heute wollen ist nicht, dass Sie Ja und Amen zu all den Plänen sagen. Das kann kein Regierender Bürgermeister tun. Wir wollen aber, dass Sie sich endlich auf Gespräche einlassen, dass Sie vorbehaltlos prüfen, dass Sie 1 000 Arbeitsplätzen in dieser Stadt und 350 Millionen € für diese Stadt eine Chance geben und nicht einfach in Ihrer Trotzecke bleiben und sagen: Wir haben bereits entschieden, und bei dieser Entscheidung bleibt es.
Das ist angesichts dieses geschichtlichen Flughafens nicht zu viel verlangt. Es gibt keine Not, ihn 2008 zu schließen.
Jeder Jurist, jeder Beobachter sagt Ihnen: Bis 2011 kann er in jedem Fall offen bleiben. Nutzen Sie doch diese Chance für Gespräche, nutzen Sie den Zeitraum zur Prüfung, zum Wohle unserer Stadt, und kommen Sie endlich aus Ihrer Blockadeecke heraus! Sie ist unverantwortlich, und wir werden das niemals akzeptieren.
Danke schön, Herr Kollege Pflüger! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Schäfer. – Bitte schön, Herr Schäfer, Sie haben das Wort!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute vor 21 Jahren ist der vierte Block des Reaktors von Tschernobyl explodiert. Gewaltige Mengen Radioaktivität gelangten in die Umwelt. Diese freigesetzte Radioaktivität überstieg die der Atombombenabwürfe auf Hiroschima und Nagasaki um ein Vielfaches. Die Wissenschaftler und Ärzte der IPPNW und der Gesellschaft für Strahlenforschung schätzen – basierend auf mehreren Studien – die Zahl der Tschernobyl-Erkrankten auf mehrere 100 000 Menschen, die der Todesopfer infolge dieser Erkrankungen auf mehrere 10 000 Menschen.
21 Jahre sind eine lange Zeit für die Politik, sie sind aber eine kurze Zeit für radioaktive Strahlung. Beim Tschernobyl-Unglück wurde vor allem der Stoff Caesium 137 freigesetzt. Er hat eine Halbwertszeit von 30 Jahren. Das heißt, wir haben infolge des Tschernobyl-Unglücks heute noch eine Strahlenbelastung, die weit über der Hälfte der Strahlenbelastung direkt nach dem Unglück von 1986 liegt. Die Katastrophe dauert an, während einige Politiker und Unternehmen nichts mehr davon hören wollen. Eon plant Medienberichten zufolge neue Atomkraftwerke in der Slowakei und in Finnland. Siemens möchte in Litauen ein neues Atomkraftwerk bauen. Nach Angaben der IPPNW hat der EU-Gipfel neue Stromtrassen beschlossen, die diesen Strom auch nach Berlin transportieren sollen. Wir sagen hier in Berlin, diesen Strom wollen wir nicht, und wir sagen für das Land Berlin als Stromkunde: Wir werden diesen Strom nicht kaufen.
21 Jahre nach Tschernobyl sind die Risiken nicht gesunken, sondern gestiegen, denn zu den bekannten Risiken der ungeklärten Lagerung des jahrhundertelang strahlenden Atommülls und der nicht vorhandenen Sicherheit der Atomkraftwerke im Alltagsbetrieb – keiner kann die hundertprozentige Sicherheit garantieren – kommt noch das Risiko von terroristischen Anschlägen, das in den letzten Jahren gestiegen ist. Keines der Atomkraftwerke hier in Deutschland kann einem massiven terroristischen Anschlag standhalten.
Immer öfter hört man die Behauptung, wir brauchten die Atomkraft für den Klimaschutz. Der derzeitige Anteil der Atomkraft an der Deckung des weltweiten Energieverbrauchs liegt unter drei Prozent. Wie viele Atomkraftwerke bräuchten wir, um einen messbaren Beitrag zur CO2-Reduzierung zu leisten? – 3 000 neue Atomkraftwerke, hat Klaus Töpfer vorgerechnet, wären dafür nötig. Das ist schon praktisch unmöglich, weil der Brennstoff Uran knapp wird, so knapp, dass sich der Preis in den letzten Jahren verfünffacht hat.
Eine gerade veröffentlichte Studie des Ökoinstituts zeigt, dass Atomkraft keinesfalls CO2-frei ist, denn bei der Urangewinnung werden zum Teil erhebliche Treibhausgasmengen freigesetzt, die bei weitem über den der erneuerbaren Energien Windkraft, Wasserkraft oder Biogas liegen. Betrachtet man zudem, dass jeder Haushalt nicht
nur Strom, sondern auch Wärme braucht und es effizienter ist, die Abwärme bei der Stromproduktion zu nutzen, relativiert sich der vermeintliche Klimaschutzvorteil der Atomkraft noch weiter.
Typischerweise wird bei diesen Haushalten die Wärme durch eine Öl- oder Gasheizung gewonnen, und wenn man das zusammennimmt, ergibt das eine höhere CO2Emission als bei einem modernen Gasblockheizkraftwerk, das gleichzeitig Strom und Wärme erzeugt.
Die mit Abstand beste Klimabilanz hat in dem Zusammenhang ein Biomasseblockheizkraftwerk. Noch günstiger ist nur das Energiesparen.
Wer den Klimaschutz nicht nur als Vorwand benutzt, muss deshalb auf das Energiesparen setzen, auf KraftWärme-Kopplung mit erneuerbaren Energien als Energieträger. Aber der Umstieg auf diese Technologien würde auf Jahrzehnte blockiert werden, wenn wir neue AKWs bauten. Dasselbe gilt im Übrigen auch für neue Kohlekraftwerke. Klimaschutz heißt deshalb, jetzt den Neubau von Atom- und Kohlekraftwerken zu verhindern.
Bei den Kohlekraftwerken sind wir uns leider uneinig. Wir haben zum einen Grüne, FDP und CDU, die das für Berlin neu geplante Kohlekraftwerk verhindern wollen, auf der anderen Seite die Regierungsfraktionen, bei denen sich jeder anders äußert. Der Fraktionsvorsitzende, Herr Müller, begrüßt es: Immer her mit der Kohle! Wir wollen dieses Kraftwerk hier haben!
Herr Buchholz ist dagegen. Senator Sarrazin findet die Investition so gut, dass er sie sogar dadurch unterstützt, dass er den Konzessionsvertrag mit Vattenfall nicht vorzeitig gekündigt hat, wie er es hätte tun können und wie es für die Stadt wirtschaftlich vernünftig gewesen wäre. Frau Lompscher war erst gegen das Kraftwerk.
Inzwischen ist sie nur noch gegen ein Kohlekraftwerk dieser Größenordnung. Gott sei Dank haben wir zumindest einen Konsens bis weit in die Reihen der CDU hinein, dass wir neue Atomkraftwerke der dritten und vierten Generation ablehnen. Wieso man dann aber für Laufzeitverlängerungen für die ältesten und brüchigsten Atomkraftwerke eintreten kann, Herr Pflüger, erschließt sich uns überhaupt nicht.
Vattenfall hat im März eine solche Ausnahmegenehmigung für das Uralt-AKW in Brunsbüttel bei dem Bundesumweltminister beantragt. Der Vattenfallchef Rauscher hat in dankenswerter Offenheit gesagt: Das Ziel sei es, den Atomausstiegskonsens zu kippen, den die Energie
versorger einst selbst unterschrieben haben. Wir in Berlin werden uns dieser Politik entgegenstellen. Das Land Berlin wird für die vom Land genutzten Gebäude nur mit Unternehmen Stromlieferungsverträge abschließen, die keinen Atomstrom produzieren.
Es wundert mich, dass die Regierungsfraktionen nicht klatschen, denn das steht wortwörtlich in ihrem Koalitionsvertrag.
Allerdings hat Frau Lompscher das schon eingeschränkt und gesagt, diese Forderung des Koalitionsvertrags sei unrealistisch, sie werde sie nicht umsetzen. Da der Senat nicht handelt, bitten wir die Fraktionen der Regierungsparteien um Zustimmung zu unserem Antrag, der den Senat dazu auffordert, mal eine vernünftige Forderung aus Ihrem Koalitionsvertrag umzusetzen und uns darzulegen, wie dies auch vergaberechtlich möglich ist. – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Kollege! – Für die Fraktion der FDP spricht nunmehr der Fraktionsvorsitzende, Herr Dr. Lindner. – Bitte schön, Herr Dr. Lindner!
Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! – Am 30. März 2007 überraschte uns der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, Günther Oettinger, mit einer bemerkenswerten Rede zur Frage der möglichen Entschuldung Berlins.
Er hat in einer umfangreichen Rede zu Berlin, die auf insgesamt 16 Seiten dargelegt war, dieses Thema aufgegriffen und erstmals als Vertreter eines reichen, sogenannten Geberlandes dargestellt, dass eine Entschuldung Berlins auf ein durchschnittliches Niveau unter bestimmten Umständen möglich wäre. Das ist eine bemerkenswerte Initiative, die wir ausdrücklich begrüßen.
In einem solchen Fall wartet man auf die Reaktion des Regierenden Bürgermeisters und denkt sich: Der wird doch wohl diese Initiative aufgreifen und Herrn Oettinger auffordern, sich mit ihm zu treffen, vielleicht in einem etwas erweiterten Kreis mit Herrn Wulff und anderen, die
in ähnlicher Richtung vorstellig geworden sind, einmal zu erörtern, was denn mögliche Voraussetzungen für solche für Berlin extrem wichtigen Teilentschuldungsmaßnahmen sein könnten. – Nichts! Man hört zwei Wochen lang gar nichts. Möglicherweise haben Sie sich in den Osterferien von Ihrer Los-Angeles-Reise erholt oder an Ihren Memoiren gearbeitet,
aber in dieser wichtigen Frage in die Offensive zu gehen, den Stier bei den Hörnern zu packen – Fehlanzeige, wie so oft in den wichtigen Fragen und Herausforderungen dieser Stadt, Herr Wowereit!
Ich habe Sie deswegen mit Schreiben vom 18. April aufgefordert, nun auf Herrn Oettinger zuzugehen, ihn einzuladen, aktiv zu werden. Daraufhin haben Sie nicht etwa die Initiative ergriffen, sondern durch Ihren Regierungssprecher verbreiten lassen – ich zitiere wörtlich –:
Dort habe der Regierende Bürgermeister einen ausführlichen Redebeitrag gehalten. Oettinger wie den anderen Ministerpräsidenten seien die Position Wowereits zur Entschuldungsfrage bekannt. – Da habe ich mich gefragt, ob mir etwas entgangen ist, und mir dieses Protokoll vorgenommen. Ausführlich – da hat Herr Donnermeyer recht, aber das ist das Einzige, was in dieser Stellungnahme zutreffend ist – war Ihr Redebeitrag. Nachdem Sie sich zunächst in Allgemeinplätzen aufhalten, kommen Sie am Ende zu drei, vier Thesen. Erstens: Wettbewerb wollen Sie nicht. Das kommt dann unter viertens.