Damit ist klargestellt, dass das nicht an die wirtschaftliche Potenz der heutigen Zeit angeknüpft werden kann, denn dann hätte es tatsächlich den Effekt, dass die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden. Die Anknüpfung an die wirtschaftliche Entwicklung bedeutet, dass jeder eine Chance hat.
Dass gerade ein Schwacher eine Chance hat, sich zu entwickeln, sehen Sie, wenn Sie über den Tellerrand nach Irland schauen, wie die sich in der letzten Zeit entwickelt haben. Wenn man an die Entwicklung der Wirtschaftskraft die steuerlichen Ausgleichsmechanismen knüpft, dann ist dies für Berlin eine wunderbare Sache.
[Stefan Liebich (Linksfraktion): Sie müssen schauen, was Ihre Bundestagsfraktion macht, nicht Irland!]
Zweitens, die steuerliche Autonomie: Was ist denn daran schlecht? Sie bzw. Finanzsenator Sarrazin haben sich in Karlsruhe zu Recht darüber beklagt, dass ein Land kaum oder nur im begrenzten Umfang seine Ausgaben steuern kann und überhaupt nicht seine Einnahmen, weil die wesentlichen Steuern beim Bund angesiedelt sind. Da sagt die FDP, dafür müssen wir eigene Hebesätze bei den großen Steuern, Körperschaftssteuer, Einkommensteuer, bekommen. Das lehnen Sie auch wieder ab.
Dritter Vorschlag: Natürlich brauchen wir strenge Sanktionen für den Fall, dass nach einem Entschuldungspakt ein neuer Verstoß gegen klar festgelegte Neuverschuldungskriterien vorliegt. Auch die FDP in Baden-Württemberg hat auf ihrem Landesparteitag beschlossen, dass, wenn Voraussetzungen, wie die gerade genannten vorliegen, eine Entschuldung ärmerer Länder möglich sein muss. Das ist nicht das Freund-Feind-Denken, das Sie hier zum Besten gegeben haben. Sie sind bereit für einen Neuanfang, und diese Bereitschaft nicht nur der FDP in BadenWürttemberg, auch der dortigen Landesregierung und auch anderer Regierungen – Bayern und NordrheinWestfalen – muss Berlin ergreifen und zusammen mit anderen ärmeren Ländern einen Neuanfang erreichen und sich nicht in das Schneckenhaus verziehen und die Welt in Freunde und Feinde aufteilen, beleidigt sein, herumjammern und herumpöbeln und andere Kollegen beleidigen. So hat das keinen Sinn!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir begrüßen es ausdrücklich, Herr Regierender Bürgermeister, dass Sie sich nach langer Zeit des Wegtauchens und Schweigens wieder an Debatten beteiligen. Wir als CDU-Fraktion freuen uns darüber,
Aber uns verwundert die Art und Weise, wie Sie das tun. Warum so aufgeregt? Warum müssen Sie alle Leute beleidigen?
Der eine ist „Bananenrepublik“, der andere ist Klippschüler, bei Volker Ratzmann ist der Schatten zu kurz. Das ist doch keine Art und Weise, im Parlament, im Abgeordnetenhaus von Berlin, über die wichtigen Fragen der Zukunft von Berlin zu debattieren.
[Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP – Stefan Liebich (Linksfraktion): Jetzt geht es schon wieder um die B-Note!]
Wenn hier geredet wird, blättern Sie gelangweilt in den Akten und gucken in der Gegend herum, als ob Sie das alles nichts anginge. Sie sind ein auf Zeit gewählter Regierender Bürgermeister und nicht der Sonnenkönig in dieser Stadt. Hören Sie auf, hier so bräsig herumzusitzen und so zu tun, als ob alle anderen – außer Ihnen – Idioten seien!
[Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP – Beifall von Burgunde Grosse (SPD) – Zurufe von der Linksfraktion]
Wir hatte einmal einen Sonnenkönig. Der hat gesagt: L'État, c’est moi! – Das war Absolutismus, und diesen Absolutismus haben wir überwunden. Wir haben einen Parlamentarismus, und da redet man miteinander. Und wenn sich einer aufgrund einer Attacke oder einer Intervention des Regierenden Bürgermeisters zu Wort meldet, wie das der Kollege Lindner eben gemacht, hat man darauf nicht unwillig zu reagieren. Das ist ein ganz normaler Brauch in einem Parlament, und wir als Parlamentarier sollten dieses Recht verteidigen. Diese Art der Debatte führt Berlin nicht weiter.
[Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP – Zuruf von Christian Gaebler (SPD) – Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]
Nein! – Ich will nur Folgendes sagen: Dieses Thema, das wir jetzt besprechen, ist ernst genug, und Berlin ist in einer sehr schlechten Situation. Es findet nämlich im Moment eine große Entsolidarisierung mit unserer Stadt statt. Da bräuchte er jeden Bündnispartner, übrigens auch in diesem Haus, denn mit der Wackelmehrheit, die Linkspartei und die SPD haben, ist es alles andere als leicht, diese schwierigen Verhandlungen mit den anderen Ländern und dem Bund durchzuführen. Anstatt sich zu bemühen, mit den Fraktionen der Opposition zu reden, eine gemeinsame Linie zu finden, vielleicht auch Kontakte, die einzelne von uns haben, für die gemeinsame Position des Senats zu nutzen, wird hier polarisiert und beschimpft.
[Michael Müller (SPD): Wann ist denn mal Schluss mit den Haltungsnoten? Oberlehrer! – Stefan Liebich (Linksfraktion): Sie sagen nichts Inhaltliches!]
Herr Wowereit, erlauben Sie es mir, das zu sagen: Das ist nicht ein Zeichen von Souveränität, sondern ein Zeichen von Schwäche, und die haben wir heute in diesem Haus wiederholt erlebt.
Das Wort zur Fortsetzung der Debatte hat Kollege Ratzmann! – Ich möchte bereits an dieser Stelle bekannt geben, dass sich auch die Kollege Zackenfels und Liebich zu Wort gemeldet haben.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In einer hitzigen Debatte kann es durchaus einmal Haltungsnoten geben, Herr Müller, und man kann sich dann auch persönlich mit den einzelnen Statements auseinandersetzen.
[Uwe Doering (Linksfraktion): Aber nicht nur! Bitte auch mal etwas Inhaltliches! Herr Regierender Bürgermeister! Ihre an Schizophrenie grenzende Bewertung, die Sie zu unserem Engagement bezüglich der Hauptstadtklausel abgegeben haben, das geht nicht! Ich erinnere mich noch sehr gut an die Debat- ten zum Ende der letzten Legislaturperiode. Da waren Sie noch voll des Lobes über Frau Künast und über meinen Beitrag, den wir geleistet haben, um diese Hauptstadt- klausel mit in das Grundgesetz zu bekommen. Wenn Sie heute allen Ernstes behaupten, wir hätten dieses Vorhaben hintertrieben, [Stefan Liebich (Linksfraktion): Sie haben dagegen gestimmt!]
dann sage ich Ihnen jetzt hier, dass das eine infame Lüge ist, dass Sie die bewusst verbreiten und dass Sie scheinbar nichts anderes mehr in petto haben, als sich auf fremden Lorbeeren auszuruhen.
Wir können uns ja einmal die Formulierung, die jetzt im Grundgesetz steht, ansehen, mein lieber Herr Regierender Bürgermeister, und den verquasten Vorschlag, der als Erstes von Ihnen in die Föderalismuskommission I eingebracht wurde. Nicht ein Satz davon ist in dieses Grundgesetz gekommen – im Gegensatz zu dem, was andere Leute eingebracht haben.
sowohl über den Bund wie über Landesgrenzen hinweg die Kräfte zu bündeln, um diese Hauptstadtklausel mit in das Grundgesetz aufzunehmen. Und das ist nicht der Verdienst eines Einzelnen, sondern das war eine Gemeinschaftsarbeit im Interesse Berlins, und das muss man auch entsprechend würdigen.
Auch Ihre Bewertung dessen, was Herr Oettinger gesagt hat und was wir angeblich an solch eine Aussage knüpfen, drückt nur aus, dass Sie überhaupt kein Verständnis davon haben, dass diese Stadt langsam einmal anfangen muss, aus ihrer Splendid Isolation herauszukommen und auf die anderen Länder zuzugehen. Kein Mensch denkt daran, dass sich Herr Oettinger im baden-württembergischen Landtag hinstellt und sagt, dass er eine Debatte darüber beginnen will, dass das Land Baden-Württemberg unsere Schulden übernimmt. Aber wie wollen Sie denn eine Stimmung in diesem Land herstellen, die nicht nur die Hauptstadtklausel mit Leben füllt, sondern die uns auch in der Föderalismuskommission die Bündnispartner sichert, mit denen wir im Rahmen einer Entschuldungsdebatte die einzigartigen Bedingungen dieser Stadt auch durchbekommen?
Sie haben kein Verständnis dafür, wie Sie sich Bündnispartner schaffen, und das ist ein riesengroßes Problem, und das wird immer mehr zum Problem dieser Stadt, weil wir nicht mehr isoliert auf einer Insel leben. Das scheint
Sie diskreditieren die Debatte, die derzeit in der Föderalismuskommission geführt wird. Die wirkliche Debatte wird nicht darüber geführt, dass der Solidarpakt II abgeschafft wird. Kein Mensch sagt das.
Im Gegenteil, Herr Liebich: Es gibt eine einmütige und mehrheitliche Debatte darüber und eine Erklärung, dass der Solidarpakt II nicht angetastet werden soll und die Verteilungsmechanismen bestehen bleiben sollen. Wir wissen alle, dass diese Debatte von Nordrhein-Westfalen aus geführt wird, aber dafür werden sie keine Mehrheit bekommen. Jeder, der etwas Zusätzliches will, muss ein zusätzliches Instrument auf den Tisch legen.
Es geht auch nicht darum, lieber Herr Wowereit, den Länderfinanzausgleich abzuschaffen, auch nicht im Rahmen von mehr Steuerautonomie. Es geht darum, auf der Grundlage eines Länderfinanzausgleiches Anreizsysteme für eine Einkommensverbesserung strukturschwacher Länder zu schaffen, sie dazu zu ermutigen, mehr Wirtschaftskraft zu generieren und dadurch eigene Einnahmen zu erzielen – darum geht es – und diese Einnahmen nicht in den Länderfinanzausgleich zu geben.
Das, was Sie machen, spricht der Solidarität, die wir im Moment erfahren, Hohn. Nehmen Sie doch endlich einmal zur Kenntnis, dass wir bereits ca. fünf Milliarden € aus dem Länderfinanzausgleich, aus Sonderzuweisungen und aus dem Solidarpakt bekommen! Was glauben Sie eigentlich, woher das Geld kommt? Das fällt doch nicht vom Himmel. Das kommt bereits aus den reichen Ländern, und wenn Sie das diskreditieren, dann entsolidarisieren Sie die anderen Länder mit uns und schmieden keine Bündnisse für die Interessen des Landes Berlin.
Nehmen Sie zur Kenntnis, dass sich diese Republik verändern wird! Das ist so. Und die Föderalismuskommission II ist ein Ausdruck davon. Sie wird sich verändern unter Beibehaltung des Grundsatzes der Gleichwertigkeit – nicht der Gleichheit – der Lebensverhältnisse in dieser Republik. Wir werden ein anderes Steuersystem bekommen. Wir werden Verschuldungsbremsen bekommen – Herr Liebich, ob Sie wollen oder nicht –, weil alle wissen, dass die Verschuldungssituation dramatisch ist und wir ihrer nicht mehr Herr werden. Wir werden eine veränderte Republik haben.
Lassen Sie uns gemeinsam die Interessen des Landes in diesem Veränderungsprozess vertreten! Nur dann haben wir eine Chance, die Sondersituation Berlins zum Durchbruch zu bringen. Wir sind die einzige wirkliche Wissensstadt in der Republik. Das muss Berücksichtigung finden. Wir sind das Haushaushaltsnotlageland. Auch das muss Berücksichtigung finden, und das werden wir nur mit