Ich bin der festen Überzeugung, dass der Stadt mit der Art, wie hier Verwaltung betrieben wird, Milliarden an Investitionen vorenthalten werden.
Machen Sie die Verwaltung doch endlich schlanker! Ich bin, genau wie meine Fraktion, wie die meisten hier im Haus, für die Zweistufigkeit unserer Verwaltung. Aber dass man sie betriebswirtschaftlich besser ausrichten kann,
dass man Aufgabenkritik betreiben muss und dass man sie verschlanken kann, das ist in der Tat notwendig. Der Staat, so wie wir ihn bisher haben, ist einfach zu teuer. An diese Aufgabe gehen wir gemeinsam. Wir warten auf Ihre Vorschläge, Herr Sarrazin. Wir machen mit, wenn sie konkret und gut sind.
Sechstens: Ich komme nun zum Thema Studiengebühren. Sie haben das einfach vom Tisch gewischt. Studiengebühren wünscht sich niemand. Die Forderung fällt niemandem leicht. Wenn Sie sich aber in der jetzigen Situation, in der die meisten Bundesländer Studiengebühren erheben, immer noch dagegen wehren, obwohl das genau die Qualität von Forschung und Lehre in Berlin wieder anheben würde, obwohl das die Möglichkeit böte, in diesem zukunftsträchtigen Bereich erfolgreicher zu arbeiten, dann haben Sie nicht erkannt, was die Stunde geschlagen hat. Wir sind bereit, gemeinsam mit Ihnen Studiengebühren in Berlin einzuführen. Das ist sozialverträglich gestaltbar. Das sollten wir tun.
Siebentens: Wir kommen zum Thema Wohnungsbau. Sie haben klar gesagt, dass es nicht Ihr Ansinnen sei und dass Sie sich massiv dagegen wehren würden, weitere Wohnungen zu privatisieren.
[Stefan Liebich (Linksfraktion): Sie doch auch! Da gab es wohl eine Meinungsänderung bei der CDU – Mario Czaja (CDU): Einfach mal zuhören!]
Ich will Ihnen dazu nur Folgendes nach dem Urteil sagen: Wir sollten nicht so ideologisch an diese Fragestellung herangehen. Ich finde es völlig falsch zu sagen, dass Privatisierung an sich etwas Positives ist. Ich finde es genauso falsch zu sagen, dass Privatisierung auf keinen Fall in Frage kommt. Man muss sich vielmehr den einzelnen Fall ansehen. Wollen Sie wirklich so weitermachen wie bisher? Sie haben heute in der „Berliner Morgenpost“ lesen können, wie die städtische Wohnungsgesellschaft GESOBAU 60 € mehr im Monat für die Mieten verlangt. Das sind Mietsteigerungen bis zu 20 %. Da ist dann plötzlich der Senat, die öffentliche Hand, die eigentliche Heuschrecke, wenn Sie zusätzlich zur Erhöhung der Grundsteuer jetzt auch noch die Mieten anheben. Es ist nicht sozial, einerseits den Bürgern in die Tasche zu greifen, andererseits aber zu sagen, der Verkauf von Wohnungen sei tabu, weil die Mieten stabil gehalten werden wollen. Damit lügen Sie den Leuten etwas vor. Lassen Sie uns unvoreingenommen über all diese Themen reden. Herr Sarrazin hat dazu seine Meinung geäußert. Wir sind bereit, uns das anzuhören und im Einzelfall zu prüfen.
Sie sehen an all dem, dass wir bereit sind, den Weg mit Ihnen zu gehen. Ich rate Ihnen und im Interesse Berlins dazu. Sie haben eine denkbar knappe Mehrheit. Kommen Sie von dem selbstgerechten Ross herunter.
Sie werden es nicht schaffen, mit einer so kleinen Mehrheit über die fünf Jahre zu kommen. Gehen Sie mit der Opposition anders um! Sie haben immer wieder die Frage der Regierungsfähigkeit der Opposition aufgeworfen. Nach diesem Urteil sollten Sie etwas demütiger sein. RotRot ist in dieser Stadt nicht regierungsfähig.
Schlagen Sie unser Angebot nicht leichtfertig aus! Wir sind bereit, mit Ihnen Verantwortung für die Stadt zu tragen, wenn Sie auf uns zukommen. Das allerdings kann Ihnen niemand abnehmen. Der Regierungsauftrag ist an Herrn Wowereit gegangen. Er will es mit Rot-Rot machen. Er muss nun kommen und Vorschläge auf den Tisch legen. Dann werden wir sie bewerten. Wir sind bereit, mit Ihnen einen Weg zu gehen im Interesse und zum Wohl unserer Stadt. Wir können diese Krise überwinden wie so viele andere Krisen auch. Dazu bedarf es aber politischer Führung und politischen Mutes. Wir sind dazu bereit. Sie sollten jedoch zum Wohl aller Berliner aus der selbstgerechten Position herunterkommen. – Vielen Dank, meine Damen und Herren!
Danke schön, Herr Kollege Pflüger! – Für die Fraktion der SPD hat nunmehr der Kollege Müller das Wort. – Bitte schön, Herr Müller!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist eine bittere Niederlage für Berlin. Es ist ein zudem ein ärgerliches Urteil. Es ist bitter, weil es klarstellt, dass wir für Jahrzehnte keine Hilfen zur Schuldentilgung in Berlin bekommen werden. Es ist auch bitter, weil die Reaktionen der anderen Bundesländer eine erschreckende Entsolidarisierung mit der deutschen Hauptstadt verdeutlichen.
Nein, es ist keine Jammerei und Heulerei. – Herr Pflüger, hier hilft auch keine Aufklärungskampagne. Wir müssen offensichtlich schlichtweg zur Kenntnis nehmen, dass die Taschen in anderen Bundesländern geschlossen sind, wenn es um das Geld geht. Das ist die Situation, auf die wir gestoßen sind.
Eine selbstverständliche Solidarität mit der Hauptstadt und mit den Aufgaben der Hauptstadt gibt es offensichtlich nicht. Das ist das Ärgerliche.
Ärgerlich ist auch, dass viele Faktoren, die bei der Einschätzung der Situation der Stadt zu berücksichtigen waren, offenbar keine Rolle gespielt haben. Das betrifft auch unsere Hauptstadtfunktion. Wir übernehmen Aufgaben und Last für den Bund und die anderen Bundesländer. Wir haben hier eine entsprechende repräsentative Funktion. Man kann erwarten, dass die Lasten entsprechend mitgetragen werden. Unsere soziale Situation hat scheinbar keine Rolle gespielt, obwohl wir das alles beim Einreichen der Klage deutlich gemacht haben, wie sich die Situation in der Stadt darstellt.
Sie sagen, es würden Geschenke verteilt und das Gericht werde mit der Ankündigung der Kitajahre vor den Kopf gestoßen. Man muss immer wieder deutlich sagen, dass wir hier keine Geschenke und Wohltaten verteilen wollen, sondern mit der Ankündigung und der Umsetzung der gebührenfreien Kitajahre auf eine konkrete soziale Situation in der Stadt reagieren wollen, wo wir uns dieses Betreuungsangebot leisten wollen und müssen.
Unsere Konsolidierungsbemühungen haben offensichtlich keine Rolle gespielt. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass wir viele Spar- und Konsolidierungsschritte in Berlin gegangen sind, die andere Bundesländer noch vor sich haben. Wir waren Vorreiter bei Einsparungen im öffentlichen Dienst und anderen Strukturentscheidungen. Das hat auch leider keine Rolle gespielt. Nicht zuletzt haben – darin besteht Einvernehmen – die Lasten der Teilung bei
der Urteilsfindung keine Rolle gespielt. Wir haben in Berlin die Lasten der Teilung getragen, wie keine andere deutsche Stadt. Ganz im Gegenteil gibt es Länder und Städte, die von dieser Teilung profitiert habe, wie Frankfurt und München mit dem Umzug von Banken und Siemens und all denen, die nach dem Mauerbau weggegangen sind. Wir haben bis heute darunter zu leiden, dass wir diese Unternehmenszentralen nicht in Berlin haben.
Offensichtlich gibt es auf der Bundesebene diese Erkenntnisse, Herr Pflüger. Dafür muss man nicht erst werden. Ich möchte an unseren Bundespräsidenten Johannes Rau erinnern, langjähriger Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Bonn-Befürworter, der es sehr gut auf den Punkt gebracht hat:
Wir alle wissen auch, dass sich kein Land und keine Stadt in Deutschland in vergleichbarer Lage befindet, in einer Lage, die auf besondere Art das Ergebnis der deutschen Geschichte ist.
Berlin weiß, dass es seine Hausaufgaben erledigen muss. Aber Stadt und Land Berlin erwarten zu Recht, dass sie nicht allein gelassen werden. Selbst in der Zeit, als die Wirtschaft Preußens und des Reichs florierte, hat Berlin die Kosten seiner vielfältigen Aufgaben nie vollständig aus eigener Kraft bestreiten können.
All das ist auf Bundesebene und in den Ländern bekannt, Herr Pflüger. Es gibt nicht die automatische und selbstverständliche Solidarität. Wir müssen alle gemeinsam immer an diesen Punkten die Situation in der Stadt deutlich machen. Das ist kein Jammern. Wir werden es auch in den nächsten Jahren tun.
Mit diesem Urteil stehen wir in Berlin vor der größten Herausforderung der letzten Jahrzehnte. Wir werden in absehbarer Zeit keine Hilfen zur Schuldentilgung erhalten. Es gibt auch nicht den einen erfolgversprechenden Weg, um in den nächsten Jahren aus eigener Kraft den vorhandenen Schuldenberg zu bewältigen. Auch alle Experten, die uns in letzter Zeit beraten haben und Ratschläge gaben, sagen, dass es zwar Handlungsspielräume gibt, diese aber in Bezug auf den Schuldenberg nur dann erfolgversprechend sein werden, wenn es zusätzlich Hilfe von außen gibt. Dass diese Hilfe nun nicht kommt, heißt nicht, dass man sich der Situation ergibt. Es kann nicht Stillstand der Politik heißen. Wir müssen und werden daher alles tun, um unseren Primärüberschuss, den wir spätestens im nächsten Jahr haben werden, zu stabilisieren, um das Defizit Schritt für Schritt abzubauen und uns aus unserer Schuldenfalle zu befreien. Ich weiß gar nicht, welcher Popanz an dieser Stelle aufgebaut wird. Natürlich bleibt es immer Ziel, einen verfassungskonformen Haushalt vorzulegen. Es ist doch eine Selbstverständlichkeit, dass dies ein Ziel ist, Herr Pflüger. Nur: Wir müssen doch hier nicht so tun, als ob wir nicht wüssten, in welcher Lage wir sind. Wir haben doch alle die Klage unterstützt. Wir haben doch geklagt, weil es eben nicht so einfach ist
und nicht von heute auf morgen geht, sondern weil es ein schwieriger Weg ist. Dieses Ziel anzustreben, ist völlig richtig, aber es ist unredlich zu sagen, es muss morgen oder übermorgen erreicht sein. Es ist ein langer und steiniger Weg, für den Sie keine konkreten Vorschläge gemacht haben, Herr Pflüger!
Die Konsolidierungspolitik wird fortgesetzt. Das ist völlig unstrittig. Auch bei einem positiven Signal aus Karlsruhe wäre der Konsolidierungskurs, unser vereinbarter Sparkurs, fortgesetzt worden. Weil er in der Stadt schon viel bewegt und erreicht hat, hat es darauf in der Vergangenheit heftige Reaktionen gegeben. Viele haben gespürt, dass es nicht so weitergeht wie in früheren Jahrzehnten, dass man nicht einfach alles finanzieren kann. Und nach diesem Urteil ist ganz klar, dass zusätzliche Anstrengungen notwendig sind, dass die Spielräume noch einmal enger werden. Es wird weitergehen. Es wird weitergehen mit dem Personalabbau. Es wird weitergehen damit, dass der öffentliche Dienst auch in den Jahren nach 2009 einen Sparbeitrag leisten muss. Wie kommen Sie dazu zu sagen, wir haben uns von der Verwaltungsreform verabschiedet? Die Verwaltungsreform ist ein wichtiges Projekt, auch in dieser Legislaturperiode, mit einer klaren und harten Aufgabenkritik, die ansteht.
In den letzten Jahren hat es bereits viele wichtige Einsparungen und Strukturentscheidungen gegeben. Der Regierende Bürgermeister hat vieles aufgezählt. Während in anderen Bundesländern in den letzten Jahren die Ausgaben erhöht wurden, hat Berlin seine Ausgaben seit 1996 deutlich gesenkt. Der rot-rote Senat hat sich des Verschuldungsproblems noch einmal angenommen und Konsequenzen gezogen wie keine Landesregierung zuvor. Wir haben beim Personal im öffentlichen Dienst erhebliche Einschnitte vorgenommen. Zum Ausstieg aus der Anschlussförderung fehlte vorher immer die Kraft, auch in Zeiten der großen Koalition. Wir haben privatisiert, wir haben wichtige Strukturentscheidungen getroffen hinsichtlich der Hochschulen, hinsichtlich der Kultur. Das waren wichtige und richtige Schritte. Nach Karlsruhe lautet die Botschaft ganz klar: Berlin wird diesen Weg weitergehen und seine Zukunft jetzt aus eigener Kraft gestalten.
Viele Menschen machen sich seit diesem Urteil Gedanken und entwickeln Ideen, wie Berlin mit dieser Situation umgehen kann. Wir nehmen diese Ideen sehr gerne auf, denn Politik, wir alle brauchen Unterstützung und Beratung, brauchen Bündnispartner für diesen schweren Weg, der vor uns liegt, Bündnispartner bei Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften, Kulturschaffenden und Wissenschaftlern. Wir müssen gemeinsam die Kraft dieser Stadt aktivieren und gemeinsam nach intelligenten Sparwegen
suchen. Ähnlich, wie wir es schon bei der Enquetekommission gemacht haben, wo unser Verständigen auf bestimmte wirtschaftspolitische Schwerpunkte und Cluster ein konkretes Ergebnis war, kann es weitere Runden auch in dieser Richtung geben.
Auch die Opposition – Herr Pflüger, Sie haben dieses Angebot gemacht – ist herzlich eingeladen, mit Ideen zu glänzen. Das ist eine hervorragende Situation für Sie. Für die Regierung ist es nun einmal so: Wir müssen immer den Ausgleich suchen. Wir müssen werben für unseren Weg. Alles, was wir ankündigen, müssen wir umsetzen. Die Opposition ist völlig frei nach dem Urteil und ohne Verantwortung. Sie können nur so sprühen vor Ideen und Ihre Konzepte vorlegen
und sagen, wohin es nach Ihrer Meinung gehen soll. Aber was kommt da? – Es kommt die alte Nummer: Alles, was Rot-Rot macht, ist entweder zu viel oder zu wenig oder die falsche Stelle. Die FDP kommt wieder mit den Privatisierungen. Die Grünen schlagen vor, die Parkgebühren zu erhöhen.
Und Sie, Herr Pflüger – es tut mir leid, aber Sie haben gar keine Idee gehabt. Das wird nicht reichen.