Sind wir wirklich frei? – Wir sind in der Schuldenfalle gefangen, das ist doch die Wahrheit! Diese Wahrheit ist überaus traurig. Der Finanzsenator weiß das. Ganz egal, was wir machen, es wird Jahrzehnte dauern. Wenn wir jetzt nicht die richtigen Entscheidungen treffen, werden das unsere Kinder und spätestens unsere Enkel massiv zu spüren bekommen.
Im Jahr 2001, als Sie angefangen haben, Herr Wowereit, hatte Berlin 40 Milliarden € Schulden. Heute sind es über 60 Milliarden € Schulden. Das ist eine Steigerung um 50 %, also um die Hälfte in nur fünf Jahren. Im Jahr 2001
hat Berlin 2,1 Milliarden € Zinsen gezahlt. Heute bezahlen wir bereits 2,5 Milliarden € Zinsen. Das sind 400 Millionen €, die inzwischen für Bildung, Sicherheit und Soziales fehlen, ohne dass ein Euro des Schuldenberges getilgt worden wäre. Sie haben quasi das Geld von den Schulen zu den Banken umgebucht. Und dafür, dass es nur 400 Millionen € sind, müssen Sie noch dankbar sein, denn das Zinsniveau ist so niedrig, dass man fast sagen könnte, es ist das denkbar günstigste Zinsniveau.
Es wird sehr schwer werden. Wenn es so weitergeht, wie wir es jetzt hören, dann werden wir am Ende dieser Wahlperiode 75 Milliarden € Schulden haben. Sie können natürlich sagen, dass Sie jetzt ein Steueraufkommen haben, das ein wenig höher liegt. Dieser Auffassung können Sie selbstverständlich sein, sodass Sie noch ein bisschen länger weiterwursteln können. Aber ich sage Ihnen: Mit jedem Tag wird es weniger Spielräume für uns als Politiker geben, diese Stadt zu führen. Aber unsere Kinder und Enkel werden irgendwann vor einem gigantischen Schuldenberg stehen. Nein, Sie verschieben die Probleme unverantwortlicherweise weiter in die Zukunft. Sie handeln jetzt nicht, das nehmen wir Ihnen übel, das wird Ihnen auch die Geschichte nicht verzeihen!
Sie haben ja völlig recht – wer wollte das bestreiten –, wenn Sie sagen: Die Hauptstadt ist auf Hilfe angewiesen. Selbstverständlich muss der Bund mehr als bisher tun. Ich bin sofort dafür, dass weitere Bundesministerien nach Berlin kommen. Das finde ich absolut richtig und notwendig. Im Übrigen weiß ich noch aus meiner Zeit aus dem Bundesministerium für Verteidigung, dass alle darüber fluchen, dass sie ständig pendeln müssen. Es ist nicht gut für eine Hauptstadt, wenn der eine Teil der Regierung da und der andere dort ist. Da müssen wir gemeinsam daran arbeiten. Das ist eine wesentliche Aufgabe!
Ich finde es richtig, dass Sie sich jetzt mit dem Bund über die Kanzlerlinie unterhalten. Aber bitte nicht in der Haltung: Das müssen die jetzt machen! – Sondern: Wie finden wir Wege? – Warum denken Sie nicht intensiver über Private-Public-Partnership nach, darüber, wie wir vielleicht generell mehr privates Kapital für die großen Probleme generieren können?
Was ist mit der inneren Sicherheit? – Da haben wir heute eine klare Ansage bekommen. Eine klare Ansage vonseiten der Bundesregierung, die ich bedauere, denn Berlin gibt sehr viel mehr aus für die innere Sicherheit in dieser Stadt, auch für die innere Sicherheit für die bundesbedingten Aufgaben, als es vom Bund zurückerhält. Eine völlig legitime Forderung! Aber bitte glauben Sie nicht, dass Sie mit dieser Grundhaltung: Nun macht mal! –, mit diesem Trotz, irgendetwas erreichen. Kommen Sie doch einfach auf uns alle zu, auch auf die Opposition, und sagen: Wie können wir das gemeinsam hinbekommen mit der Bundesregierung, dass wir mehr Mittel vom Bund be
kommen, um Berlins Aufgaben vor dem Hintergrund der notwendigen Hauptstadtaufgaben wirklich zu erfüllen?
Da sollten Sie jetzt nicht so hämisch sein! Wir wissen auch, Herr Gaebler, dass Opposition nicht nur Kritik heißt – das ist auch die Aufgabe der Opposition –, sondern dass es auch bedeutet, für die Stadt Verantwortung zu übernehmen, wenn es erforderlich wird. –
Wir sind bereit, mit dem Regierenden Bürgermeister konstruktive Gespräche zu führen, wenn er es denn will, und wenn er es emtgegen der bisherigen Selbstgerechtigkeit für richtig hält, von seinem hohen Ross herunterzusteigen und zu sagen: Jetzt ist das ganze Berlin und sind alle Parteien gefordert!
Dieses Ziel muss festgeschrieben werden. Dazu, Herr Sarrazin, darf es nicht nur ein rhetorisches Bekunden geben, sondern es muss in dem, was die Koalition beschließt, klar-werden, dass das eine Zielmarke ist, die Sie ernstnehmen. Der jetzige Haushalt ist zwar bereits heute nicht verfassungsmäßig, aber es ist absolut notwendig, dass dieses Ziel zukünftig eingehalten wird.
Ich sage Ihnen noch einmal, Herr Sarrazin: Kommen Sie mit Ihren Vorschlägen – das ist die Aufgabe der Regierung –, wir sind bereit – auch wenn es unpopulär werden sollte –, in dieser Stadt Verantwortung zu übernehmen!
Nachhaltigkeit ist nicht nur ein gutes Prinzip für den Umweltschutz, sondern auch für die öffentlichen Finanzen. Der Regierende Bürgermeister
Wowereit sollte sich davor hüten, wichtige Verfassungsnormen aus Gründen der Koalitionsräson zu beschädigen. Die Vorschrift im Grundgesetz und in der Länderverfassung, dass die Neuverschuldung die staatlichen Investitionen nur in begründeten Ausnahmefällen überschreiten darf, ist keine lebensferne Norm, sondern schützt die nächste Generation vor der finanziellen Ausplünderung.
Wenn wir den Eindruck haben, dass Sie im Jahr 2011 keinen verfassungemäßen Haushalt vorlegen wollen, dann werden wir gegen diesen Haushalt klagen.
Dann werden Sie die bittere Zeche für das, was Sie hier in diesen Tagen und Stunden nicht leisten, bezahlen müssen.
Zweitens: Nachdem die Klage abgewiesen worden ist, brauchen wir einen Hauptstadtpakt der Solidarität von Bund, Ländern und der Stadt Berlin.
Ich finde es gut, dass der Kollege Ratzmann eine Berlinkonferenz vorgeschlagen hat. Ich finde es gut, dass die Hertie-Stiftung „Hertie School of Governance“ mit renommierten Experten ein wichtiges Vorhaben gestartet und eine Vorlage gemacht hat, die wir übrigens in unserer Fraktion noch im November während einer Klausurtagung diskutieren werden.
Ich finde es gut, dass es eine Menge konstruktiver Vorschläge in der Stadt gibt, wie wir weiterkommen können. Wir müssen bei allem, was wir tun, Solidarität von Bund und Ländern erhalten. Und das nicht, weil wir es trotzig einfordern, sondern indem wir auf sie zugehen. Dass es eine Chance dafür gibt, hat der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff gezeigt. Er hat in der letzten Woche erklärt: Ja, Berlin hat Anspruch auf Hilfen des Bundes, denn es ist die Hauptstadt aller Deutschen! – Nehmen wir Herrn Wulff beim Wort und versuchen wir, daraus etwas für die ganze Stadt zu machen, gemeinsam und ohne Häme! Das sage ich in Richtung der Kollegin von der Linksfraktion.
Drittens: Wir teilen die Auffassung, dass bei Schule, bei Kultur, bei Wissenschaft und Tourismus nicht gespart werden darf,
denn das sind die Lebensadern der Stadt. Sie sind tatsächlich von großer Bedeutung. Das gilt ebenso für die innere Sicherheit. Wer jetzt bei der inneren Sicherheit, bei der Polizei, weiter sparen will und den Rotstift anlegt, der
Viertens: Wir werden niemals die Probleme dieser Stadt in den Griff bekommen, wenn es uns nicht gelingt, wieder Wirtschafts- und Arbeitsplätze nach Berlin zu holen, neue Unternehmen anzusiedeln. Solange Rot-Rot in dieser Stadt regiert, wird das nicht möglich sein! Wenn Sie Tempelhof schließen, machen Sie das Schlimmste dafür! Sie geben an die Welt das Signal, dass diese Stadt nicht mehr an ihre eigene wirtschaftliche Entwicklung glaubt.
Fünftens: Wir brauchen eine umfassende Verwaltungsreform. Warum haben Sie die eigentlich in der letzten Legislaturperiode zu Grabe getragen?