Aber, Herr Regierender Bürgermeister, dennoch hilft die Urteilsschelte wenig. Lesen Sie das Gerichtsurteil nach. Auf Seite 101 steht folgender Satz:
Dass die besondere Lage Berlins als weder reines altes Land noch reines neues Land eine andere Betrachtung gebietet, hat der Antragsteller, der Senat von Berlin, nicht nachvollziehbar dargelegt.
Es ist Ihnen einfach nicht gelungen, diesen wesentlichen Punkt, über den wir gerade Einverständnis erzielt haben, dem Gericht deutlich zu machen. Das ist nicht das Versäumnis des Gerichts, sondern des Senats und seiner Antragsbegründung.
Schlimm ist, dass es Ihnen auch nicht gelungen ist, die deutsche Öffentlichkeit, die Kommentatoren, die Ministerpräsidenten, die Bundesregierung, nicht einmal den von Ihrer eigenen Partei gestellten Bundesfinanzminister davon zu überzeugen. Ich glaube, wir hätten parallel zu der Klage, die von Anfang an von meiner Fraktion unterstützt wurde, in ganz Deutschland eine Aufklärungskampagne starten müssen, warum wir diese Klage einreichen. Nicht, weil wir so sind wie das Saarland und Hamburg, sondern weil wir die lange geteilte Hauptstadt Deutschlands sind, die Anspruch auf die Hilfe der anderen hat. Das haben Sie
Anstatt zu werben, haben Sie es vorgezogen zu provozieren. Sie haben eben selbst Ihren Vorschlag, den Sie kurz vor der Wahl gemacht haben, angesprochen, nämlich drei gebührenfreie Kitajahre einzuführen.
Natürlich ist die Forderung an sich richtig. Sie haben Ursula von der Leyen zitiert. Meine Fraktion hat auch immer gesagt, dass das als Ziel wünschenswert ist. – Wenn ich mich in die Lage der Richter, der anderen Bundesländer, der Ministerpräsidenten versetze, die im Sommer zusammenkommen und die Linie dieser Urteilsbegründung besprechen und plötzlich mit einer Agenturmeldung konfrontiert werden, die besagt, dass Wowereit genug Geld hat, um mal eben so drei gebührenfreie Kitajahre anzukündigen, dann kann ich verstehen, dass sich die Leute auf den Arm genommen fühlen. Sie, Herr Bürgermeister, haben in Ihren Wahlversammlungen immer gesagt: Ich will euch nicht verscheißern. – So haben Sie sich laut „Berliner Zeitung“ ausgedrückt: Wenn ich in fünf Jahren nicht wiederkomme und dieses Wahlversprechen erfüllt habe, dann könnt ihr sagen „Wowi, du hast uns verscheißert.“ Wissen Sie, wer sich – um in Ihrer Sprache zu bleiben – „verscheißert“ gefühlt hat? – Das Gericht. Sie klagen auf Haushaltsnotlage und ziehen neue Spendierhosen an und machen Versprechungen. Das ist ein falscher Weg, und das hat das Gericht als Provokation aufgefasst.
Ich finde, dass spätestens nach diesem Vorstoß der Berliner Antrag viel von seiner Glaubwürdigkeit verloren hat. Die anderen Ministerpräsidenten haben danach gefragt: Weshalb klagen die auf Hilfen von uns, wenn sie Dinge einführen wollen und versprechen, die wir selbst unseren Bürgern und Bürgerinnen vorenthalten? – Das können Sie niemandem erklären. Deshalb war es strategisch und taktisch unklug, das vor der Wahl zu machen. Sie wollten Stimmen sammeln, haben damit aber der Stadt geschadet, Herr Regierender Bürgermeister!
Dann haben Sie erklärt, Sie könnten sich mehr der Bundespolitik zuwenden, denn in Berlin seien die Trümmer weggeräumt. Was soll denn da weggeräumt sein? – Sie stehen vor den Trümmern Ihrer Politik. Größer war der Trümmerberg lange nicht, wie jetzt in dieser Situation.
Ich glaube, das alles hatte viel mit Wahlkampf zu tun. Sie wollten in Berlin das Gefühl verbreiten, es sei alles in Ordnung. Es ist aber eben nicht alles in Ordnung. Ich will Ihnen in Erinnerung rufen, was Sie gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ am 12. Febru
Sie befinden sich durch die Hilfe des Bundes und der anderen Länder auf einem Niveau, das Berlin aus eigener Kraft gestalten kann.
Dieses Klima, Herr Regierender Bürgermeister, haben Sie verbreitet: Wir bekommen 34 Milliarden €. War das Naivität oder Täuschung im Wahljahr, Herr Regierender Bürgermeister?
Das Urteil ist für uns in Berlin nicht schön. Keiner kann das mit Schadenfreude sehen. Aber es gehört zur ganzen Wahrheit dazu, dass es auch eine dramatische Niederlage des rot-roten Senats ist. Es ist eine dramatische Niederlage, die stärkstmögliche Klatsche, die je ein Regierungschef vom höchsten deutschen Gericht empfangen hat.
Noch schlimmer fast als das Urteil ist das, was wir auch sehen und beobachten: die schleichende Entsolidarisierung mit der Hauptstadt. Sie haben recht, wenn jemand aus Benin kommt oder aus irgendeinem Teil Deutschlands – aus Warendorf oder sonst woher –: Natürlich ist Berlin eine tolle Stadt. Jeder findet Berlin toll. Aber trotzdem, lesen Sie die Kommentare. Die Leute finden Berlin schön als Tourismusstadt, als Kulturstadt, als Wissenschaftsstadt, aber gleichwohl sagen sie landauf landab, es handele sich um ein Fass ohne Boden. Es mag richtig sein, dass Herr Wolf es als Person geschafft hat, bei den Wirtschaftsverbänden einiges von dem Misstrauen gegenüber der PDS abzubauen, aber zur Wahrheit gehört eben auch, dass im Bund, bei den Bundesbürgern dieses Misstrauen nach wie vor besteht. Gucken Sie auf die Häme in den Kommentaren bis hin zum „Spiegel“ in dieser Woche. Die Kommentatoren glauben nicht, dass Rot-Rot es schaffen kann, dass Sie in der Lage sind, das Ruder herumzureißen. Deswegen sind sie so zugeknöpft gegenüber den Forderungen aus Berlin. Mit Rot-Rot werden Sie es nicht schaffen, Herr Regierender Bürgermeister, das sage ich Ihnen voraus.
Sie haben eben über Herrn Platzeck gesprochen. Das muss doch nun wirklich ein Alarmsignal sein, dass nicht nur Herr Stoiber und die anderen CDU-Ministerpräsidenten mit viel zu viel Häme Kritik geübt haben – und von denen wir mehr Solidarität erwarten –, sondern es ist
Ihr – unser – direkter Nachbar. Mit Herrn Platzeck haben Sie gerade beim Großflughafen BBI gemeinsam die Schaufeln angehoben, ein tolles Ereignis noch kurz vor den Wahlen. Herr Platzeck sagt Ihnen – wo wir Tegel aufgeben wollen, wo Sie Tempelhof schließen wollen, wo wir nach Brandenburg gehen, dort Arbeitsplätze und Steueraufkommen schaffen – hämisch: Länderfusion, das könnt ihr vergessen! – Das ist doch ein Schlag in das Kontor.
Einer muss sich fragen, ob er eigentlich so weitermachen kann, das ist der Finanzsenator Dr. Sarrazin. Sie haben sich einen Ruf erworben, Herr Sarrazin. Sie sind der Sanierer, Sie sind hart vorangegangen. Wir finden zwar, dass dies einige Male zu oft mit dem Rasenmäher geschehen ist, aber Sie haben einen klaren Kurs gehabt. Dass Sie diesen Versuch unternommen haben, ehrt Sie persönlich. Aber jetzt müssen Sie uns verraten, wie Sie in einer Koalition weiterarbeiten wollen, in der der Partner PDS sagt, das Ziel, im Jahr 2011 einen verfassungsmäßigen Haushalt zu erreichen, sei für ihn kein Ziel, das er unterschreibe. Nicht nur, dass der jetzige Haushalt nach dem Karlsruher Spruch nicht verfassungsgemäß ist, nein, die PDS sagt, das Ziel an sich, einem Parlament einen verfassungsmäßigen Haushalt vorzulegen, trägt nicht. Ich kann nur sagen: Herr Sarrazin, Sie haben auch einen Ruf zu verlieren. Mit solchen Leuten kann man nicht in einer Demokratie koalieren, das geht nicht. Zumindest das Ziel muss aufrechterhalten werden.
Wie lauten die bisherigen Vorschläge zum Sparen? – In der Presse ist zu lesen, Herr Sarrazin geht in die Koalitionsverhandlungen und legt Vorschläge zur Konsolidierung in Höhe von 1 Milliarde € auf den Tisch. Heraus kommt er aus den Verhandlungen mit 50 Millionen € Mehrausgaben. Angesichts dessen müssen Sie sich fragen, Herr Sarrazin, ob Sie schizophren werden wollen, wenn Sie weiterhin in dieser Regierung mitarbeiten. Was wir bisher von den Koalitionsverhandlungen hören, ist alles andere als eine in sich stimmige Antwort.
Wir sehen die Entsolidarisierung auch in anderen Bereichen – Exzellenzuniversitäten. Berlin ist nicht dabei. „bread and butter“ geht. Das, Herr Wowereit, ist nun wirklich etwas, wo Sie überlegen müssen, ob es nicht langsam gefährlich wird. Als die großen Industrieunternehmen gegangen sind, haben Sie gesagt, wir befänden uns in postindustriellen Zeiten, das hänge mit der Globalisierung zusammen, und Sie haben das postindustrielle Zeitalter in Berlin ausgerufen. Jetzt jedoch gehen Ihre ureigensten Bereiche wie Mode weg. Passen Sie auf, eines Tages stehen Sie hier allein mit der Love Parade und dem Christopher Street Day. Das wollen wir nicht, das müssen wir verhindern.
An diesem Satz ist so ziemlich alles falsch. Zunächst einmal: Wieso bekommen wir keine Hilfen? – Das Land Berlin erhält nach wie vor 5 Milliarden € aus dem Länderfinanzausgleich und Bundesergänzungszuweisungen. 5 Milliarden € sind bei einem Haushalt mit einem Volumen von 20 Milliarden € kein Pappenstiel.
Herr Müller war dabei, wir haben sogar nebeneinander gesessen, wir haben die Eröffnung des Bode-Museums gefeiert – ein fantastisches Museum. Was tut der Bund nicht alles für die Museumsinsel. – Staatsoper. Sie haben gefordert, der Bund müsse jetzt etwas für die Staatsoper tun. Der Bund tut etwas dafür. Ich habe mich mit Frau Grütters zusammen dafür eingesetzt. 50 Millionen € haben wir sogar noch im Wahlkampf zugesagt. Daran sehen Sie, dass uns die Stadt Berlin wichtiger ist als der Wahlkampf. Der Unternehmer Dussmann hat eine Initiative gestartet, die bringt 30 Millionen € ein. Jetzt brauchen wir noch zusätzlich 30 Millionen €. Anstatt dass Sie sich mit uns gemeinsam Gedanken darüber machen, wie wir diese Summe aufbringen können, werfen Sie dem Bund alles vor die Füße und fordern: Übernehmt das Ganze. – So kann man die anderen nicht von der Seriosität des Antrags auf Entschuldungshilfe überzeugen. Das ist der falsche Weg. Wir werden die Oper erhalten, aber nicht auf diese Art und Weise des Trotzens. Das führt in die Sackgasse, Herr Regierender Bürgermeister!