vielleicht etwas ungünstig für Ihre Fraktion und Ihre Partei. Die Berlinerinnen und Berliner so vor den Kopf zu stoßen und all das, was an Aufbauleistungen in den vergangenen Jahrzehnten in Ost wie West geleistet wurde, einfach vom Tisch zu wischen, das ist nicht nur ignorant, sondern geradezu unsäglich blöd. Entschuldigung! Das ist ein unparlamentarischer Ausdruck, der auch gerügt werden mag. Ein Finanzsenator, der auch Verantwortung dafür trägt, wie der Standort Berlin in der Öffentlichkeit dasteht, erzählt, es handle sich hier um eine Art Trümmerwiese.
Herr Sarrazin! Wieso wundern Sie sich noch darüber, dass die Steuereinnahmen in dieser Stadt nicht sprudeln, wenn Sie nichts Besseres zu tun haben, als Berlin schlecht zu reden? Damit haben Sie dem Land Berlin einen Bärendienst erwiesen.
Herr Sarrazin! Das ist nicht das Einzige. Nun könnte man sagen: Der Mann hat sich nicht immer im Griff. – Das passiert ja ab und zu. Der eine ist temperamentvoller, der andere weniger. Aber ich mache Ihnen wirklich zum Vorwurf, dass in Ihrer Amtszeit, nicht nur unter Umgehung von Haushaltsrecht Gutachtenaufträge verteilt worden sind – ich nenne noch das Beispiel Hay-Group –, sondern dass Sie auch der Finanzsenator waren, der offenen Auges einen verfassungswidrigen Haushalt in diesem Hause beschließen ließ, was Ihnen vom Verfassungsgericht auch attestiert wurde.
Sehenden Auges hat Herr Sarrazin dies getan. Ein Finanzsenator, der nicht einmal die Grundsätze des Haushaltsrechts einhält, obwohl er sie kennt,
und der es noch dazu schafft, in seiner fünfjährigen Amtszeit Schulden in Höhe von 20 Milliarden € aufzuhäufen! 20 Milliarden € Schulden – das ist Ihre Bilanz, Herr Sarrazin!
Herr Sarrazin hat sein Amt als Finanzsenator nicht ordentlich ausgefüllt. Er hat es nicht unordentlich ausgefüllt, sondern einfach nur schlecht ausgefüllt.
Immer dann, wenn es passt und es z. B. Terrorismusgefahr gibt, sind Sie plötzlich auch für die Videoüberwachung, nachdem die Union das bereits jahrelang gefordert hat. Sie haben ein gewisses Maß an Flexibilität. Das muss ich Ihnen attestieren, Herr Körting!
Herr Flierl! Sie haben nun zwei Bereiche der Berliner Senats unter Ihren Fittichen, nämlich Kultur und Wissenschaft. Im Bereich der Kultur kann man selbstverständlich zum Thema Opernstiftung einiges sagen, was die schlechte Leistung Ihrer Konzepte angeht. Aber Herr Wowereit ist mir da schon zuvorgekommen. Dass Sie im Bereich der Abgrenzung zwischen Stasi-Schergen und Opfern immer große Schwierigkeiten gehabt haben, haben wir gewusst. Sie haben es uns vor nicht allzu langer Zeit bestätigt, als Sie in Hohenschönhausen nicht in der Lage waren, die Stimme zu erheben, wenn es darauf ankommt. Aber Sie erinnern sich auch, dass Sie bei der Besetzung der Opernstiftung mit dem Vorwurf konfrontiert worden sind, auch mit Spitzelmethoden Konkurrenten aus dem Feld schlagen zu wollen. Insgesamt gibt einem das doch sehr zu denken.
Wenn man dann noch die jetzige Diskussion hinzunimmt, ergibt sich das folgende Bild – ich habe Ihnen das schon vor ein paar Wochen gesagt: Da, wo Sie Ihre Wähler vermuten, sind Sie ziemlich geschmeidig und fügsam, aber wenn es darum geht, Berliner Kulturgüter zu verteidigen – wie jüngst bei dem Kirchner-Gemälde –, sind Sie auch schnell dabei, sich in die Büsche zu schlagen. Ich muss Ihnen eines sagen, auch wenn wir die Diskussion beim Antrag selbst führen: Sie haben ein Problem. Sie sind offensichtlich nicht in der Lage, wenn es auf Konfrontation ankommt – da, wo es richtig ist –, sie auch zu führen. Eine solche Eigenschaft ist in einem politischen Spitzenamt nicht hinnehmbar.
Ich sehe Sie nur da, wo es Ihnen Spaß macht. Wenn ich jetzt von Ihnen höre, dass Sie sich in Berlin so dermaßen langweilen, dass Sie sich schon in Richtung Bundespolitik orientieren, dann schlage ich Ihnen vor: Schauen Sie doch einfach einmal, was in den vergangenen fünf Jahren liegen geblieben ist. Da haben Sie einen riesigen Berg Arbeit. Den können Sie zwar nicht mehr bis zum 17. September 2006 abarbeiten, aber eine nüchterne Bilanz zeigt, Herr Wowereit, dass Sie als Regierender Bürgermeister versucht haben, sich als eine Art Stadtregent darzustellen, der mit der Berliner Politik nichts zu tun hat. Für die Politik in diesem Land haben Sie wahrlich keinen großen Beitrag geleistet. Sie haben keine Verantwortung übernommen, sondern haben sich in Leichtfertigkeiten geübt.
Okay! – Eine letzte Bemerkung: Herr Wowereit, genau an diesen Ergebnissen sind Sie und Ihre Regierungskoalition zu messen. Am 17. September 2006 haben die Berlinerinnen und Berliner die Wahl. Berlin kann es definitiv besser als mit dem wowereitschen Senat. – Herzlichen Dank!
Im Bereich der Wissenschaft und Forschung – da, wo man Ihre Staatssekretäre schon gar nicht mehr beim Namen kennt, weil Sie sie so häufig gewechselt haben –, haben Sie gegenüber den Hochschulen die Hochschulverträge gebrochen. Sie haben die Mittel vertragswidrig gekürzt, sie schneiden Geld heraus, sie reduzieren Studienplätze und vernichten damit Zukunftschancen im Land Berlin.
Ein Wissenschaftssenator, der sich weder an dem Rat von Fachleuten – ich denke beispielsweise an die Schließung des Vorklinikums an der Charité – noch an dem fachlichen Rat des Wissenschaftsrates oder dem Rat aller anderen Fachleute orientiert, weil er aus welchen ideologischen Gründen auch immer lieber eine Gruppenuniversität aus den Alt-68er-Jahren wiederbeleben möchte, anstatt konkurrenzfähige und moderne Universitäten in Berlin zuzulassen und zu schaffen, der ist in seinem Amt deplaziert.
Frau Junge-Reyer! Sie haben den Verfall der öffentlichen Infrastruktur mit geduldet, weil in den vergangenen Jahren öffentliche Investitionen auf ein Niedrigstmaß reduziert wurden. Die Schließung des Flughafens Tempelhof, die auch von Ihrer Verwaltung betrieben wurde, war ein großer Fehler für den Standort Berlin. Das ließe sich alles aneinander reihen.
Kommen wir zu dem Mann, der die Verantwortung dafür trägt, auch wenn er es nicht wahrhaben will, nämlich Klaus Wowereit. Das ist Ihr Senat, Herr Wowereit, den Sie links und rechts neben sich versammelt haben, auch wenn Sie sich immer wieder hinstellen bzw. -setzen und darüber thronen wollen, wie eine Art Sonnenkönig, der sich nie zu Wort meldet, wenn es einmal eng wird. Ich habe von Ihnen nichts gehört, als es beispielsweise um die Rütli-Schule ging. Ich habe Sie dort nicht gesehen. Ich habe Sie auch nicht in Hohenschönhausen gesehen. Ich sehe Sie immer da nicht, wo es eng wird.
Danke schön! – Das Wort für die Fraktion der Linkspartei.PDS hat jetzt der Abgeordnete Liebich. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich halte es für eine prima Idee, heute über die Bilanz zu reden. Herr Lindner sagte, das solle eine neue Tradition werden. Ich habe mir sagen lassen, früher sei das in Berlin nicht üblich gewesen, aber in den letzten Jahren war vieles anders als in den Jahren davor. Insofern: Auch wenn nicht jeder gleichermaßen von diesem Vorschlag begeistert war, freuen wir uns, dass wir hier heute Bilanz ziehen können, denn unsere Bilanz ist positiv.
Es ist ein gutes Gefühl, zu spüren, dass sich die Arbeit der letzten Jahre gelohnt hat. Rot-Rot war gut für die Stadt. Berlin ist sozialer und liberaler regiert worden, als dies mit jeder anderen Konstellation denkbar gewesen wäre
Zu Herrn Lindner, der nach dem Maßstab fragte: Ich habe mir auch einen Maßstab gesucht und in den Protokollen geblättert. Dabei habe ich das Protokoll der Plenardebatte vom 17. Januar 2002 zur Hand genommen. An diesem Tag wehte – ich glaube fast, es war das letzte Mal – der Mantel der Geschichte durch diesen Raum. Es wurden Flugblätter geworfen. Es gab Sitzungsunterbrechungen. Wir haben bis weit nach Mitternacht getagt. – Dieser Tradition weint wohl kaum
Wir können regieren. Wir können auch noch einmal erfolgreich regieren, aber wir müssen nicht – vor allem nicht um jeden Preis.