Protocol of the Session on August 31, 2006

[Gaebler (SPD): Welche Gremien denn?]

Sie wissen nicht Bescheid! Es gibt die LimbachKommission, es gibt in Berlin ein Gremium zur Rückführung von Kulturgut. Machen Sie sich schlau!

[Gaebler (SPD): Frau Ströver hätte gefragt werden müssen!]

Wir stellen uns hier nicht hin und haben eine abschließende Einschätzung zur Rückgabe des Gemäldes, aber die Recherche ist nicht beendet.

Ich weiß nicht, ob man das hier sagen darf, aber ich finde schon: Ich bin der festen Überzeugung, dass dieses moralische Gutmenschentum des Kultursenators einen latenten Antisemitismus in unserer Gesellschaft eher Vorschub leisten kann, als dagegen zu wirken.

[Brauer (Linkspartei.PDS): Das ist unerhört! – Weitere Zurufe von der Linkspartei.PDS]

Frau Abgeordnete! Ihre Redezeit ist zu Ende, und ich bitte Sie um eine andere Wortwahl. Ich bitte um den Schlusssatz.

Eines bleibt: Keiner von uns, keine Gesellschaft, kein Senat, kein Senator kann sich von den Verbrechen des Nationalsozialismus freikaufen. Die Verantwortung dafür haben wir immer zu tragen. Deswegen kann diese Geschichte der Rückgabe meines Erachtens nicht das letzte Wort gewesen sein.

Es bleibt dabei: Mit Geld können wir dieses vergangene schreckliche Geschehen nicht wieder gut machen, und deswegen ist das eine schwierige Frage, die uns noch eine Weile beschäftigen wird.

[Beifall bei den Grünen]

Das Wort für die Linkspartei.PDS hat nunmehr Herr Abgeordneter Liebich! – Bitte schön!

Wir wollen das nicht. Und wenn Sie ihn nicht verlassen wollen, Frau Ströver, Herr Lehmann-Brauns, dann müssen Sie hier nicht nur behaupten, sondern auch beweisen, dass das Bild auch verkauft worden wäre, wenn es die NS-Herrschaft nicht gegeben hätte. Wer das beweisen kann, soll sich melden. Nach den geltenden Vereinbarungen und Regeln kann und konnte es nur eine Schlussfolgerung geben: Dies ist ein Restitutionsfall ohne Wenn und Aber. Stellen wir uns nur einmal einen Moment vor, Thomas Flierl hätte bei dieser Sachlage anders entschieden, dann, meine Damen und Herren von der CDU und Bündnis 90/ Die Grünen, wäre wirklich ein politischer, moralischer und ideeller Schaden für das Land entstanden. Das internationale und überregionale Presseecho können Sie sich einmal vorstellen.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die CDU beantragt heute zum vierten Mal die Missbilligung eines Senators, den sie nicht gewählt und den sie vom ersten Tag an bekämpft hat, ausgerechnet die Partei, deren Spitzenkandidat ernsthaft eine Schlagersängerin zu Verhandlungen mit Claus Peymann schicken wollte.

[Vereinzelter Beifall bei der Linkspartei.PDS]

Stellen Sie sich einmal vor, dass die hier diskutierte Entscheidung von Vicky Leandros getroffen worden wäre. – Gute Nacht, Berlin!

Die Rückgabe der „Berliner Straßenszene“ ist zweifellos ein wichtiges Ereignis in der Berliner Museumsgeschichte, aber für mich und meine Fraktion ist es völlig unstrittig, dass die Rückgabe des Bildes an die Erben gerechtfertigt war.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Wenn Sie, Herr Lehmann-Brauns, die Fachöffentlichkeit zitieren, so wissen Sie doch, dass die Fachöffentlichkeit in dieser Frage zumindest gespalten ist. Sie haben bewusst so getan, als gäbe es eine klare Meinungsfindung. Ich zitiere „Die Zeit“ von heute Ulli Seegers, die Geschäftsführerin des Art-Loss-Registers in Köln: Die Kritik komme ihr vor wie ein Vorwand, um die rechtmäßige Rückgabe zu sabotieren. – Die Frau weiß in dieser Frage, wovon sie spricht.

Das sage ich auch Ihnen, Frau Staatssekretärin a. D.: Zivilrechtliche Ansprüche sind das eine. Zivilrechtliche Ansprüche mag es vielleicht nicht geben, aber es gibt nun einmal die Washingtoner Erklärung, Frau Ströver, und dazu hat sich Berlin mehrfach öffentlich bekannt. Es ist eine politisch-moralische Absichtserklärung, die auch nur dann einen Sinn hat, wenn man sich daran hält, auch wenn es weh tut. Ich will deshalb auf den Kern der Frage kommen, Frau Ströver. Liegt hier ein Restitutionsfall vor? Musste der Kirchner zurückgegeben werden? Nach den Prüfkriterien, auf die wir uns in diesem Land vereinbart haben, ist meine und unsere klare Antwort ein Ja.

[Frau Ströver (Grüne): Weil er nicht zu Ende geprüft hat!]

Weil Sie noch nicht fertig geprüft haben, heißt das nicht, dass das andere nicht gemacht haben. Ich will Ihnen noch einmal kurz den Sachverhalt erläutern. –

[Beifall bei der Linkspartei.PDS]

Die geltende Rechtsprechung geht völlig zu Recht – das haben Sie gerade andersherum dargestellt – von einer kollektiven Verfolgung jüdischer Mitbürger in Deutschland 1933 bis 1945 aus und leitet daraus ab, dass es hier eine Umkehrung der Beweislast gibt. Damit wird unterstellt, dass jedes Rechtsgeschäft, das Juden in diesem Zeitraum getätigt haben, unter verfolgungsbedingtem Zwang stand, erst recht nach Erlass der Nürnberger Rassengesetze 1935. Es sind nicht die Erben und die betroffenen Famili

en, Frau Ströver, sondern es sind wir als Land Berlin, das in diesem Fall das Gegenteil beweisen muss. Ich finde, dass diese Beweislastumkehr historisch, politisch moralisch gerechtfertigt ist.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD]

Und wer sich davon verabschieden will, wer den internationalen und nationalen Konsens verlassen will, soll das deutlich so sagen.

Die CDU formuliert in ihrer Begründung zu dem Antrag, dass juristisch alle Fristen abgelaufen sind und man bereit sei – quasi gönnerhaft –, moralische Gesichtspunkte zur Geltung kommen zu lassen. Die gemeinsame Erklärung ist aber kein moralischer Gesichtspunkt, sondern eine politische Vereinbarung, unter konkret genannten Bedingungen restituieren zu wollen. Man hat seine Bereitschaft erklärt, dass man restituieren will, wenn diese Bedingungen erfüllt sind. Das will die CDU offensichtlich nicht, bei den Grünen bleibt es im Dunkeln, weil sie es noch prüfen. Sie will im Einzelfall entscheiden, ob sie sich auf den Boden der Washingtoner Erklärung stellt oder nicht. Darin unterscheiden wir uns.

Natürlich – um auch diesen Vorwurf aufzugreifen – ist die Fachöffentlichkeit in diesem Prozess konsultiert worden. Um nur einige zu nennen: Herr Zimmermann, Vizepräsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, selbstverständlich die Senatsverwaltung für Finanzen und die Senatskanzlei, die Kulturstiftung der Länder. Der Freundeskreis Brücke-Museum wusste seit 2005 von dem Restitutionsfall und wurde durch die Direktorin fortlaufend informiert. Das Kirchner-Museum in Davos und das Kirchner-Archiv wussten seit 2005 von dem Fall, und Herr Pufendorf persönlich wurde vor der Rückgabe informiert und hatte, außer dass er das bedauert hat, auch keine bessere Idee. Mein Fazit: Wir hören hier laute Wahlkampfmusik, und, das muss ich auch sagen, Frau Ströver, das Orchester spielt auf dünnem politischen und moralischen Eis.

Es ging um eine Abwägung der Verantwortung für die Kunst und der historischen Verantwortung gegenüber der Geschichte, und es ging um die Glaubwürdigkeit der Berliner Politik, sich an diese Vereinbarung zu halten. Für

Frau Ströver! Es mag einen schmerzen, wenn man sieht, welchen Wert dieses Bild heutzutage hat. Hier möchte ich noch einmal auf die Anhörung im Kulturausschuss Bezug nehmen, in der Herr Zimmermann sehr deutlich gemacht hat, dass für das Recht am Eigentum völlig unerheblich ist, ob ich an der Kunst, an dem Ver

mögen oder an irgendetwas anderem interessiert bin. Ich habe ein Recht auf das Eigentum, und das hat die Erbin der Familie Hess auch. Die Limbach-Kommission anzurufen wäre sicher schön gewesen, aber das ist leider nur dann möglich, wenn es wirklich darum gegangen wäre, einen Kompromiss zu finden. Ganz offensichtlich aber wollte die Erbin keinen Kompromiss finden, natürlich nicht, denn das Gemälde stieg ständig im Preis – von 10 Millionen €, 15 Millionen € auf 25 Miillionen €. Insofern bin ich mir nicht sicher, ob eine verfrühte Öffentlichkeit dazu beigetragen hätte, dass der Preis sich noch weiter nach oben entwickelt hätte.

Ich erinnere noch einmal daran, dass auch Herr Zimmermann, der – Herr Lehmann-Brauns, das sei mir gestattet zu sagen – ein Teil der Fachwelt in diesem Bereich ist, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist ja keine ganz so kleine Institution, sehr deutlich ausgeführt hat, dass auch wir mit genau den gleichen Ansprüchen antreten, wenn es um die so genannten Beutekunst geht. Wir stehen in der Verantwortung, dass Regeln für uns alle gelten. Das sehen wir Liberale auch im Wahlkampf so, wir stellen uns der Verantwortung, auch der Verantwortung gegenüber der Geschichte. – Vielen herzlichen Dank!

mich und meine Fraktion ist völlig unstrittig, dass die Rückgabe gerechtfertigt war und dass sich Thomas Flierl in jeder Phase richtig verhalten hat. Ich danke der FDP, dass sie mit ihrem gerade verteilten Antrag noch einmal eindeutig aus dieser Schwampelkoalition ausgeschert ist und offenbar mehr Fingerspitzengefühl beweist. Ihrem durchsichtigen Versuch, einen Politiker, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, der Ihnen von Anfang an ein Dorn im Auge war, nun mit einem neuen Anlass zu missbilligen, werden wir daher selbstverständlich eine Absage erteilen.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD – Beifall des Abg. Thiel (FDP)]

Vielen Dank, Herr Kollege Liebich! – Das Wort hat nun Frau Meister von der FDP. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Manchmal muss man etwas bei der Sache bleiben, wenn man zu einer nachvollziehbaren Entscheidung kommen will, und kann sich nicht wahllos eine Seite aussuchen, auf der man stehen möchte, nur weil gerade Wahlkampf ist.

[Beifall der Abgn. Brauer (Linkspartei.PDS) und Lederer (Linkspartei.PDS)]

Dass das Brücke-Museum nicht mehr über das Kirchner-Bild verfügt, ist für uns alle ausgesprochen schmerzhaft. Es hinterlässt eine große Lücke im Brücke-Museum, und es ist für alle Berlinerinnen und Berliner sehr schade, dieses Bild nicht mehr sehen zu können. Aber natürlich war der Restitutionsanspruch der Familie Hess bzw. der Erben berechtigt.

[Beifall bei der FDP und der Linkspartei.PDS]

Es gibt hierfür ganz klare Kriterien: Der Kaufpreis muss angemessen sein – das ist sicher auch so gewesen, das hat man nachweisen können. Frau Hess muss den Kaufpreis auch erhalten haben und die Chance gehabt haben, darüber zu verfügen. – Das kann man annehmen, aber leider nicht nachweisen. So ist das eben, und die Beweislast liegt nicht mehr bei der jüdischen Familie, sondern beim Land Berlin. Es ist davon auszugehen, dass dieser Verkauf auch verfolgungsbedingt stattgefunden hat, weil es für alle Verkäufe ab dem 30. Januar 1933 gilt, dass man von einem verfolgungsbedingten Verkauf ausgeht, wenn er von deutschem Boden aus erfolgt ist, was hier der Fall gewesen ist. Ab 1935 gelten alle Verkäufe aus jüdischem Eigentum, egal von welchem Ort aus, auch von der Schweiz, als verfolgungsbedingt, weil man von einer kollektiven Verfolgung ausgeht. Das in Frage zu stellen, halte ich für ausgesprochen grenzwertig.

[Beifall bei der FDP und der Linkspartei.PDS]

[Beifall bei der FDP, der SPD und der Linkspartei.PDS]

Vielen Dank, Frau Kollegin Meister!

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer dem Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/5512 seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke! Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt.

Wer dem FDP-Antrag auf Annahme einer Entschließung auf Drucksache 15/5523 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dann ist das abgelehnt.

Ich rufe als Priorität der Fraktion Linkspartei.PDS auf

lfd. Nr. 4 b:

a) Beschlussempfehlung

„Berlin qualmfrei“ 2006 (I): Nichtrauchen unterstützen –Nichtraucher/-innen durch rauchfreie öffentliche Einrichtungen schützen!

Beschlussempfehlung GesSozMiVer Drs 15/5378 Antrag der Grünen Drs 15/5042

b) Beschlussempfehlung