Protocol of the Session on May 18, 2006

[Lange anhaltender, allgemeiner Beifall]

Wir fahren nun fort in der Redeliste. Als nächstes erhält Frau Borsky-Tausch für die Fraktion der SPD das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Berlin ist das erste Bundesland, das die Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte der Seniorinnen und Senioren auf eine gesetzliche Grundlage stellt. Wir setzen damit die Empfehlung des Bundesministeriums, die Förderung der institutionalisierten Seniorenarbeit gesetzlich in den Ländern zu regeln, als erstes Bundesland um. Eine Stadt wie Berlin, die verständlicherweise eine hohe Anziehungskraft auf junge Menschen ausübt, wo aber nach der Bevölkerungsprognose bis zum Jahr 2020 auch 20 % der Bevölkerung im gesetzlichen Rentenalter sein werden, ist nur gut aufgestellt, wenn sie die Potentiale des Alters umfassend nutzt und die Beziehungen zwischen den Generationen sowie die Solidargemeinschaft weiterentwickelt.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Mit dem Berliner Seniorengesetz werden wir die aktive Rolle der älteren Menschen im gesellschaftlichen Leben stärker fördern, und wir geben der Arbeit in den bezirklichen Seniorenvertretungen und in der Landesseniorenvertretung die Bedeutung, die notwendig ist, um die Zukunft des Landes erfolgreich zu gestalten.

Wir haben es uns bei der Formulierung des Gesetzes nicht leicht gemacht. Grundlage aller Überlegungen zu diesem Gesetz war für uns eine Vorlage der Landesseniorenvertretung. In der Zeit der umfassenden Beratung des ersten Entwurfs sind uns zusätzlich viele Forderungen, Anregungen und Wünsche zugeleitet worden, und nicht alles konnte von uns in den Gesetzestext mit aufgenommen werden.

Im Ergebnis jedoch legen wir dem Abgeordnetenhaus heute ein Gesetz zur Beschlussfassung vor, das an den bestehenden bewährten Strukturen der Beteiligungsgremien festhält, eine klare Aufgabenzuweisung für die Bezirks- bzw. Landesgremien vornimmt und damit auch das Zusammenwirken der Gremien stärkt. Wir legen ein Gesetz vor, das ein demokratisch legitimiertes Verfahren zur Berufung der bezirklichen Seniorenvertreterinnen und -vertreter festlegt und das sicherstellt, dass die Arbeit der Gremien in den Bezirken und auf Landesebene personell unterstützt wird, und das auch die Bereitstellung von geeigneten Räumlichkeiten verbindlich regelt.

[Beifall bei der SPD]

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Kein Gesetz, das wissen wir alle, geht so heraus, wie es eingebracht wurde. Für das Berliner Seniorenmitwirkungsgesetz trifft das in besonderer Weise zu. Es gab viele Anregungen. Wir konnten nicht alles verwirklichen. Ich will mich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich für die kollegiale Zusammenarbeit der Experten aus den Seniorengremien bedanken.

[Beifall bei der SPD]

Ich denke, dass wir in der Summe dessen, was wir Ihnen heute vorlegen, gut beraten sind, diesem Entwurf zuzustimmen.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Vielen Dank, Frau Kollegin Borsky-Tausch! – Es folgt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das Wort hat Frau Kollegin Villbrandt. – Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nun liegt nach langem Hin und Her ein Seniorenmitwirkungsgesetz zur Abstim

usw. Das liest sich wie eine Stellenausschreibung. Wir haben im Fachausschuss bereits darauf hingewiesen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesseniorenvertretungen bestätigte unsere Kritik in diesem Punkt. Das kann so nicht akzeptiert werden.

Seniorenvertretungen dürfen nicht zu Lückenbüßern für Mängel in der Versorgung werden. Sie müssen bei den Entscheidungen frei bleiben und ihre Aktivitäten auch selbst bestimmen. Seniorenvertretungen sind als politische Interessenvertretungen selbstorganisierte, freiwillige Einrichtungen. Die Attraktivität, sich zu beteiligen, wird durch diese kleinteilige Aufgabenbeschreibung nicht erhöht, sondern eher verschlechtert.

mung vor. Die Entwicklung dieses Gesetzes zeigt aber, wie wenig der Senat und die beiden Koalitionsfraktionen von Mitwirkung und Beteiligung wirklich halten.

Frau Simon, Sie erklären in Ihrer Presseerklärung, dass das Gesetz ein Beitrag zur Stärkung der Mitwirkungsrechte von Seniorinnen und Senioren sein sollte, beachten jedoch Mitbeteiligung und Meinungen dieser Bevölkerungsgruppe bei der Entstehung nur pro forma. – Ich möchte aus dem Brief der Landesseniorenvertretung vom 16. Mai 2006 etwas vorlesen:

Das von uns geforderte Gesetz zur Verbesserung der Arbeitsgrundlagen berücksichtigt in der jetzigen Fassung keineswegs unsere dem Ausschuss mit Stellungnahme vom 14. März 2006 mitgeteilte Position.

Was ist das? – Dabei waren die Angebote und Signale für eine konstruktive Mitarbeit von allen Seiten deutlich, von der aktiven Seniorenvertretung und Organisationen bis zur Opposition.

Tatsache ist, dieses Gesetz wäre besser geworden, hätte man sich der Kompetenz und der Erfahrung der Fachleute bedient. Mitwirkungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten für alle Bürger und auch für Seniorinnen und Senioren gibt es bereits, und diese sollten nur durch das Landesseniorenmitwirkungsgesetz rechtlich abgesichert werden.

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Liebich?

Nein! – Diese Mitwirkungsmöglichkeiten sind jedoch unzureichend und entsprechen nicht dem wachsenden Interesse dieser Bevölkerungsgruppe. Von den bestehenden Möglichkeiten zur Partizipation macht der größte Teil der Berlinerinnen und Berliner jedoch keinen Gebrauch. Warum ist das so? Welche Gruppen sind das? Warum sind sie nicht vertreten? Warum beteiligen sie sich nicht? Muss ein neues Seniorenmitwirkungsgesetz nicht gerade die Stärkung der Teilhabe aller zum Ziel haben? Diese Fragen wurden im Zusammenhang mit dem vorliegendem Gesetzentwurf nicht diskutiert. Die Konsequenz ist: In diesem Gesetz wird sich nur ein kleiner Teil der Berlinerinnen und Berliner wiederfinden.

Wir haben im Fachausschuss der Gesetzesvorlage nur mit Bedenken zugestimmt. Das Ergebnis ist in seiner Gesamtheit glatt und harmlos. Es gibt nichts Zukunftsweisendes. Der Status quo wird nur beschrieben, die Seniorenvertretungen und der Landesseniorenbeirat gesetzlich geregelt.

Eine Sache ist falsch. Die in § 4 Abs. 4 aufgeführten Aufgaben – ich lese es einmal vor –:

Beratung und Unterstützung älterer Bürgerinnen und Bürger bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche; Informationen über seniorenrelevante Gesetze und

deren Umsetzung; Kontaktpflege zu Pflegediensten, Heimbeiräten, Freizeitstätten (...)

[Beifall bei den Grünen]

[Beifall bei den Grünen]

Zu einem Landesseniorenbeauftragten – wie von der CDU in ihrem Antrag gefordert – hatten auch wir noch unbeantwortete Fragen und Skepsis. Es wäre jedoch der Sache angemessen gewesen, wenn sich die Koalitionsfraktionen und der Senat mit dieser Forderung ernsthaft auseinander gesetzt hätten. Das haben sie aber nicht.

Der Gesetzesentwurf bleibt insgesamt hinter den Erwartungen der Betroffenen und auch unserer Fraktion zurück. Es ist für diese Regierung und für diese Koalitionsfraktion ganz typisch, die Aufgaben auf andere zu verteilen, sich selbst jedoch jeder konkreten Verantwortung zu entziehen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Frau Kollegin Villbrandt! – Es folgt Frau Kollegin Simon von der Linkspartei.PDS. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begrüße ausdrücklich auch die vertretenen Seniorinnen und Senioren auf der Zuschauertribüne. Ich sage das deswegen, weil ich glaube – und da werde ich einhellige Zustimmung bei dem gesamten Hause finden –, dass ohne die Seniorenorganisationen und Seniorenvertretungen und ihr beharrliches Eintreten für eine Seniorengesetzgebung heute kein Seniorenmitwirkungsgesetz für unser Land verabschiedet werden würde.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS und den Grünen]

Da bin ich mir relativ sicher, und insofern sitzen dort oben Akteurinnen und Akteure, die uns immer wieder getrieben haben.

Warum ein Seniorenmitwirkungsgesetz für das Land Berlin? – Es gibt zwei ganz wesentliche Gründe. Der eine Grund ist, dass uns daran gelegen war, eine rechtliche Basis für die bestehende Arbeit der bezirklichen Seniorenvertretungen, der Landesseniorenvertretung und des Landesseniorenbeirates zu schaffen. Mit diesem Gesetz wollten wir also nicht – wie es die CDU gemacht hat – zu

Ich gehe noch kurz auf den Streitpunkt ein, der offensichtlich in größerem Umfang eine Rolle spielt. Es geht um die Art und Weise, wie demokratisch oder nicht demokratisch die Wahlen zu den bezirklichen Seniorenvertretungen nach unserem Vorschlag sind. Ich zitiere den Vorschlag einer Wahlordnung, die die Seniorenvertretungen des Landes gemacht haben. Sie möchten in öffentlichen Seniorenversammlungen nach öffentlicher Bekanntmachung wählen. Die amtierende Seniorenvertretung wendet sich an Organisationen, Verbände und Ver

eine und fordert sie auf, schriftlich einen dort ehrenamtlich tätigen Kandidaten vorzuschlagen. Darüber hinaus können weitere freie Bewerber kandidieren. In unserem Vorschlag haben wir dieses Prozedere übernommen. Auch wir wollen die Einbeziehung der Seniorenvertretungen, die mit allen Organisationen Berufungsvorschläge in eine öffentliche Versammlung einbringen können. Auf dieser öffentlichen Versammlung findet eine Wahl zur Erstellung einer Vorschlagsliste statt.

Frau Kollegin! Beachten Sie bitte Ihre Redezeit!

Ja, ich komme zum Ende! – Es wird also eine Vorschlagsliste im Rahmen einer Wahl auf bezirklicher Ebene erstellt. Die Berufung erfolgt allerdings durch das zuständige Bezirksamtsmitglied.

Wenn die bezirklichen Seniorenvertretungen die Zahl der zu wählenden Mitglieder, die sie haben möchten, auch wählen und damit die Vorschlagliste füllen, dann möchte ich denjenigen im Bezirksamt sehen, der sich einem solchen Vorschlag versagt.

gleich neue Gremien schaffen. Der erste Schritt muss sein, dass wir durch Herstellung einer gesetzlichen Grundlage die bestehenden Gremien verbindlich festschreiben.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS]

Es ist der Seniorenarbeit in dieser Stadt selbstverständlich unbenommen, z. B. die Überlegung eines Landesseniorenbeauftragten à la CDU in zukünftige Diskussionen mit einzubeziehen. Würden wir hier der CDU folgen –, hätten wir zukünftig auf Landesebene praktisch drei verschiedene Institutionen: einen Beirat, eine Landesseniorenvertretung und den Landesseniorenbeauftragten. Das erschien uns nicht nachvollziehbar.

Mit diesem Gesetz möchten wir auch ein politisches Signal für die Anerkennung der Seniorinnen und Senioren und für ihre Arbeit in dieser Stadt aussenden, denn ihr bürgerschaftliches und ehrenamtliches Engagement können wir gar nicht hoch genug schätzen. Sie engagieren sich nicht nur für die eigene Generation, die sich ja immer stärker über mehrere Lebensjahrzehnte verteilt, sondern auch für die Verständigung zwischen den Generationen. Wir sind gut beraten, wenn wir dieses Gesetz – wie meine Kollegin Borsky-Tausch schon sagte – als erstes Land der Bundesrepublik Deutschland heute verabschieden.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS]

Wir hätten die Bemühungen der Seniorinnen und Senioren sehr gerne auch auf Bundesebene umgesetzt gesehen. Leider sind die Versuche der Gewerkschaft als auch großer Wohlfahrtsverbände, ein Bundesseniorenvertretungsgesetz umzusetzen, am Widerstand der Bundesregierung gescheitert. Dazu ein kleiner Hinweis: Vor kurzem hatten wir noch eine rot-grüne Regierung, und ich kann mich nicht erinnern, dass es von Seiten der Grünen Aktivitäten in diese Richtung gegeben hätte.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS]

Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass unser Landesseniorenmitwirkungsgesetz – für das es im Übrigen in anderen Bundesländern bereits ein deutliches Interesse gibt – nicht nur Anregung für andere Bundesländer werden kann, etwas Vergleichbares auf den Weg zu bringen, sondern auch vielleicht einen neuen Impuls auslöst für eine Bundesseniorengesetzinitiative. Dies ist dringend erforderlich, wenn wir den Seniorinnen und Senioren Mitspracherechte in ganz wesentlichen Fragen ermöglichen wollen, die auf Bundesebene entschieden werden – z. B. bei der Renten- , Kranken- und Pflegeversicherung.