Protocol of the Session on January 12, 2006

d) Antrag

Strukturentscheidungen zur Haushaltssanierung (4): Überkapazitäten beim Studentenwerk abbauen!

Antrag der FDP Drs 15/4532

e) Antrag

Strukturentscheidungen zur Haushaltssanierung (5): keine Verselbständigung der Kita-Eigenbetriebe!

Antrag der FDP Drs 15/4533

f) Antrag

Strukturentscheidungen zur Haushaltssanierung (6): polizeilichen Objektschutz privatisieren

Antrag der FDP Drs 15/4534

g) Antrag

Strukturentscheidungen zur Haushaltssanierung (7): Privatisierung von Aufgaben im Abschiebegewahrsam

Antrag der FDP Drs 15/4535

h) Antrag

Strukturentscheidungen zur Haushaltssanierung (8): Vivantes privatisieren, Charité nachhaltig finanzieren

Antrag der FDP Drs 15/4536

lfd. Nr. 55:

Antrag

Strukturentscheidungen zur Haushaltssanierung (9): leistungsgerechter Ausgleich für hauptstadtbedingte Sicherheitsaufgaben

Antrag der FDP Drs 15/4619

Für die Beratung haben wir 5 Minuten pro Fraktion zur Verfügung. – Für die FDP-Fraktion hat Dr. Lindner das Wort!

Das hat dann ganz unmittelbare Auswirkungen gerade auf die Dinge, die uns allen gemeinsam so wichtig sind, z. B. die Kultur in Berlin. Es ist so, dass wir uns das auch deswegen nicht ersparen können, weil der Finanzsenator meint, der Jahresabschluss 2005 beinhalte so schöne Zahlen, dass strukturelles Sparen entbehrlich sei. Der Finanzsenator – ich weiß nicht, wo er gerade ist – kommt zu dem Ergebnis, dass er eine Verbesserung des Primärdefizits von 523 Millionen € hat, also niedriger als im Haushaltsplan, und die Netto-Neuverschuldung um 780 Millionen € niedriger sei. Guckt man sich die Zahlen dann genauer an, wie sich das zusammensetzt, entdeckt man, das sind mehr Steuereinnahmen, überplanmäßige Rückflüsse aus Wohnungsbau, geringere Inanspruchnahme Risikoabschirmung, weniger Zinsausgaben, 791 Millionen € – das hat nichts mit Struktursparmaßnahmen zu tun.

Wir fordern, hier heranzugehen, und zwar in einer Weise, die systematisch ist und die die Vitalität der Stadt gleichzeitig aufrechterhält. Vorschriften abbauen, Verfahren vereinfachen, Abbau von Subventionen – das ist aus unserer Sicht notwendig, nicht ein Personalabbau in der Verwaltung à la Sarrazin – einfach das Personal reduzieren, und dann müssen die Bezirksämter und Senatsverwaltungen sehen, wie sie weiterkommen.

[Beifall bei der FDP]

Das ist nicht sinnvoll, sondern da muss man strukturell herangehen. Wir haben deswegen heute eine Reihe von Maßnahmen eingebracht, die das beinhaltet. Ich greife nur ein paar heraus: Neukonzeption der Wirtschaftsförderung, Privatisierung von Aufgaben im Abschiebungsgewahrsam, Neuverhandlung der hauptstadtbedingten Sicherheitsausgaben, Strukturentscheidungen wie z. B. die Zusammenführung aller Berliner Landesbühnenwerkstätten. Das ist eine Maßnahme, die dazu führt, gerade bei der Kultur sinnvoll einzusparen, um dann wieder Geld für die

Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Strukturentscheidungen zur Haushaltssanierung 1 bis 9 – viele Anträge! Angekündigt haben Sie das, Herr Dr. Lindner, mit einer Presseerklärung. In dieser Presseerklärung steht, dass Sie in den kommenden Monaten den Senat drängen werden, endlich strukturelle Maßnahmen durchzuführen. Wenn wir als Koalitionsfraktionen neun Monate vor Ende der Wahlperiode angefangen hätten, Strukturentscheidungen aufs Tapet zu bringen, dann nicht nur „Gute Nacht, Marie!“, sondern „Gute Nacht, Haushalt!“, erst recht „Gute Nacht, Klage in Karlsruhe!“. – Sicherlich, Sie sprechen von einer Systematik. Sie sind sich auch treu geblieben. Systematisch nach den Haushaltsberatungen bringen Sie solche Entscheidungen in die Ausschüsse. Das finde ich ein bisschen schade, aber gut! Ich erinnere daran – das haben wir gestern auch im Hauptausschuss diskutiert –, der vorläufige Jahresabschluss umfasst einen Überschuss von 1 Milliarde €. Noch vor Jahren war es ein Defizit in Milliardenhöhe. Wir wissen alle, dass wir auch positive Effekte hatten wie z. B. die Zinsentlastung. Aber dass wir überhaupt in der Lage sind, bei sinkenden Gesamtausgaben und bei einem kontinuierlichen Abbau der NettoNeuverschuldung positive Jahresabschlüsse zu haben, ist deshalb der Fall, weil wir hier im Hause seit 2002 echte strukturelle Entscheidungen getroffen haben. Wir haben uns schon hundertmal darüber unterhalten. Deswegen werde ich jetzt nicht darauf eingehen, sondern auf Ihre Anträge.

Förderung und auskömmliche Unterstützung der Einrichtungen des Landes zu haben. Das ist mehr Kulturpolitik als die Deutsche Bank zu kritisieren, große Sprüche zu machen, wo nichts dahinter ist.

[Beifall bei der FDP]

Zur Wirtschaftsförderung: Da haben wir eine Enquetekommission gehabt. Immer noch wird im Land mit der Gießkanne subventioniert. Auch hier müssen wir herangehen, in Zukunft gezielt in Branchen investieren, die die Enquetekommission identifiziert hat, aber nicht nur die Branchen, sondern auch die Technologien, die Zukunft haben, gezielt fördern, Existenzgründungen fördern und nicht wie à la Samsung in der Breite Mittel zur Verfügung stellen.

Abschiebungsgewahrsam – auch so eine Sache! Das wurde in einigen Ländern – Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein – erfolgreich teilprivatisiert. Das betrifft insbesondere technische Überwachung, Betreuung und Essensausgabe. Das hat, Kollege Ratzmann, nicht nur zu einer Entlastung des Haushalts geführt, sondern auch zu einer Verbesserung der Verhältnisse. Ich erinnere daran, dass wir es im Abschiebungsgewahrsam nicht mit Verbrechern zu tun haben, sondern mit Leuten, die mit nichts anderem hierher gekommen sind als dem Wunsch zu bleiben. Die haben wir bis zu ihrer Ausreise respektvoll und anständig zu behandeln. Allein deswegen müssen wir Maßnahmen ergreifen, die die Situation verbessern. Auch hier ist Privatisierung das richtige Mittel.

[Beifall bei der FDP]

Hauptstadtbedingte Sicherheitsaufgaben – auch ein großes Feld! Auch hier muss es so sein, dass entweder das Land Berlin eine vollständige Entschädigung für seine Aufwendungen erhält oder als Alternative – wenn sich der Bund dazu nicht bereiterklärt – der Bund gezwungen wird, seine Objekte, die Botschaften beispielsweise, durch eigene Dienstkräfte der Bundespolizei zu überwachen. Dann hat das Land Berlin entsprechende Leistungen zu beenden.

Es geht also um Reformen und Konzentration auf die wesentlichen Aufgaben des Staates. Dann haben wir auch wieder mehr Geld für die wirklich wichtigen Dinge – dazu gehören Kultur, Wissenschaft und Bildung – und können gleichzeitig den Haushalt sanieren, was wiederum zwingende Voraussetzung ist, um in Karlsruhe bestehen zu können. Ich freue mich auf die Diskussion über diese Anträge in den Ausschüssen. Ich hoffe, gerade die Koalitionsfraktionen werden bereit sein, nicht alles, nur weil es von uns kommt, in Bausch und Bogen abzulehnen, sondern über das eine oder andere gefällig nachzudenken und mit uns zu gemeinsamen Lösungen zu kommen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Danke schön, Herr Dr. Lindner! – Jetzt hat Frau Abgeordnete Spranger für die SPD-Fraktion das Wort. – Bitte schön!

Zu Ihrem Antrag Nr. 1, die Wirtschaftsförderung neu zu strukturieren: Auch hier war der Senat etwas schneller als die FDP, die das nun einbringt, denn wir haben bereits eine Konzentration auf Kompetenzfelder, die genau definiert wurden. Wir hatten eine Enquetekommission, die dazu etwas aufgeschrieben hat. Wir haben die Konzentration auf Biotechnologie, Medizintechnik u. a. Vielleicht haben Sie in den letzten Jahren etwas verschlafen. Es kann auch sein, dass Sie eine andere Vorstellung von Wirtschaftspolitik haben. Das ist richtig. Aber Sie können nicht behaupten, dass der Senat keine Konzeption dafür hat. Insofern ist das natürlich falsch.

Ihre weiteren Anträge – IT-Dienstleistungen privatisieren, polizeilichen Objektschutz privatisieren, Aufgaben im Abschiebungsgewahrsam privatisieren, Krankenhausunternehmen Vivantes privatisieren – – Privatisieren ist das erste Wort, das ich von Ihnen gelernt habe, das Sie – genau wie die CDU – hier immer preisgeben. Ich denke, das wird wahrscheinlich auch das letzte Wort sein, das ich von Ihnen im Parlament hören werde. Aber gut! Die Wahrheit ist: Wir haben privatisiert. Wir werden aber nicht alles privatisieren, was nicht niet- und nagelfest ist. Privatisierung ist kein Allheilmittel, sondern wir müssen mit Vernunft herangehen. Wir werden uns einzelne Sachen anschauen – das ist richtig –, vielleicht kann man Teilprivatisierungen oder Outsourcing vornehmen. Aber so, wie Sie das vorschlagen – Krankenhausunternehmen Vivantes privatisieren –, werden wir das mit Sicherheit nicht machen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist bedauerlich, dass der Finanzsenator einer ansatzweise haushaltspolitischen Debatte nicht beiwohnt. Wahrscheinlich ist er bei der „Grünen Woche“ und füllt sich die Tupperdosen mit Essen, damit er ein Abendessen spart. Wir wünschen ihm viel Vergnügen dabei. Gleichwohl hätte es ihm gut angestanden, an der Diskussion teilzunehmen.

Liebe Kollegin Spranger! Ich habe Ihrer Rede aufmerksam gelauscht. Besonders unterhaltsam fand ich den Part, dass wir in diesem Jahresabschluss 1 Milliarde € Überschuss erzielt hätten. Ich habe in meinem Fach – Sie wahrscheinlich auch – einen netten Flyer entdeckt, auf dem „Märchenpost“ steht. Ich glaube, Sie haben einen Teil Ihres Beitrags aus diesem Flyer abgeschrieben. Das ist natürlich ein Märchen. Von einem Überschuss, den wir jetzt gemeinsam fröhlich verteilen können, kann überhaupt nicht die Rede sein. Das Land Berlin hat den höchsten Schuldenstand seit jeher mit 58 Milliarden € erreicht. Da kann man wohl nicht davon reden, dass wir goldenen Zeiten entgegen gehen. Das sollte man der Redlichkeit halber auch einmal sagen.

[Dr. Lindner (FDP): Warum denn nicht?]

Ihr Vorschlag Zusammenlegen von Bühnenwerkstätten ist sehr diskutabel. Aber auch hier haben Sie – da müssten Sie sich vielleicht einmal erkundigen – nicht mitbekommen, dass wir bereits einen entsprechenden Antrag eingebracht haben und bis Mitte dieses Jahres einen Bericht des Senats zur strukturellen Veränderung der Bühnen erhalten werden. Wir werden sehen, wie wir uns dann darüber verständigen werden. Aber auch da muss ich sagen – wir haben vorhin gerade eine sehr emotionale Diskussion dazu geführt –: Wir haben im Kulturbereich sehr starke, schmerzliche, auch strukturelle Entscheidungen treffen müssen. Wenn es aber um echte Haushaltssanierung und um echte Strukturentscheidungen geht, dann bekämpfen Sie das. Ab und zu hat die FDP auch mitgemacht. Das gebe ich gerne zu. Aber letztendlich kneifen Sie, wenn es darauf ankommt, und stimmen dagegen.

Einsparungen beim Studentenwerk: Das Studentenwerk ist längst in die Haushaltssanierung mit einbezogen. Das müssten Sie eigentlich wissen. Natürlich stehen auch Wohnheimplätze auf dem Prüfstand – das ist keine Frage –, aber auch hier sind wir schon einen Schritt weiter.

Nächstes Thema: Kitaeigenbetriebe. Wir haben gerade erst die Arbeit aufgenommen und diese gesamte Sache neu strukturiert. Was Sie jetzt vorschlagen, hat insgesamt mit Strukturen gar nichts mehr zu tun. Sie wollen Ihr liberales Chaos durchsetzen, dem ich nichts abgewinnen kann.

Letzter Antrag: dem Bund nur bei ausreichender Finanzierung Polizisten zur Verfügung stellen. – Das hat ja irgendetwas. Aber ich möchte Sie sehen, wenn wir einen Staatsbesuch bekommen und sich der Innensenator dann hinstellt und sagt: Wir stellen keine Polizei mehr zur Verfügung. – Was machen Sie dann, Herr Dr. Lindner?

[Dr. Lindner (FDP): Ich habe ja gerade Beispiele genannt!]

Wir haben immer – auch auf Bundesebene – angesprochen, dass wir eine auskömmliche Finanzierung haben wollen. Wir haben das gefordert, und das werden wir auch weiterhin tun.

Mit Verlaub, Herr Dr. Lindner: Wir werden das eine oder andere in den Ausschüssen diskutieren. Ich will Ihnen nicht ganz die Hoffnung nehmen, aber Sie mögen mir verzeihen: Sicherlich mögen einige Anträge ihren theoretischen Reiz haben, mit ernsthafter Politik haben sie nicht alle etwas zu tun. Seriöse Politik sieht anders aus. Bringen Sie die Anträge ein, wenn wir Haushaltsberatungen haben, und nicht kurz nach den Haushaltsberatungen. Dann kann man über so etwas anders diskutieren. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Danke schön, Frau Spranger! – Für die CDU hat Herr Abgeordneter Kaczmarek das Wort. – Bitte sehr!

[Beifall bei der CDU]

Sie haben eben in Frage gestellt, dass man sich nach Haushaltsberatungen noch über Strukturfragen Gedanken macht. Das ist aber das gute Recht der FDP-Fraktion, und es ist das gute Recht und die gute Pflicht des Parlaments, dies zu tun. Dass die Koalition für sich in Anspruch nimmt, in diesem Wahljahr möglichst keine Strukturentscheidungen mehr zu treffen, ist zwar kein gutes Recht, aber Wahlkampf, und das haben Sie auch relativ deutlich gesagt, nicht nur in dieser Rede, sondern auch schon mehrfach vorher. Insofern wird das Werben von Herrn Dr. Lindner um die Zustimmung zu strukturellen Entscheidungen wohl vergeblich sein. Aber richtig ist es trotzdem.

Zu dem Thema Jahresabschluss, weil Sie es angesprochen haben: Ich hatte gehofft, dass diese Sache an mir vorbeigeht, denn das ist wie die tibetanische Gebetsmühle. Jedes Mal kommt: Alles wird gut! – Der Finanzsenator stellt einen Plan auf. Dann erfüllt er ihn etwas über, und erfreut die ganze Stadt mit der Nachricht, dass er den selbst aufgestellten Plan ein wenig übererfüllt hat. Das erinnert ein bisschen an DDR-Zeiten, in denen man mit den Plänen so ähnlich gearbeitet hat. Komischerweise fehlte es am Ende trotzdem in der Realität, und so ist es hier auch. Wir haben es der Presse entnehmen können, wir haben es im Hauptausschuss debattiert, und der Finanzsenator ist zwar heute nicht da, aber Frau Spranger hat die Rolle übernommen, es darzubieten. Ich will Ihnen zu dem Thema nur zwei Zahlen nennen, die deutlich machen, dass Erfolgsmeldungen vollkommen fehl am Platz sind.