Man muss demnach die Einnahmen verbessern. Heute hat die Bundesregierung das Ende der Steuersparmodelle beschlossen. Das bringt immerhin 2 Milliarden € pro Jahr, mit denen sich Gutverdienende seit Jahrzehnten vor ihren Steuerpflichten drücken konnten. Das ist tatsächlich eine Form von steuerlicher Veränderung, von der Sie sagen können, das sei eine Steuererhöhung. Ich sage aber: Das ist eine Veränderung, die dazu führt, dass die Steuersätze, die auf dem Papier existieren, wenigstens auch gezahlt werden und dass man sich davor nicht in Sicherheit bringen kann, indem man in irgendwelche komischen Steuersparmodelle investiert.
Ich will Sie gar nicht damit traktieren, dass es auch einmal eine Zeit gab, in der die Liberalen noch nicht die Neoliberalen waren. Sie haben das Wort eben selbst in den Mund genommen. In den Zeiten, in denen die sozialliberalen Freiburger Thesen formuliert wurden, gab es auch noch welche, die für die Erhöhung der Erbschaftsteuer eintraten und die sich dabei durchaus als Liberale fühlten.
Ich will Ihnen nur die Frage stellen: Sind die Steuersätze in Deutschland auch dann maßlos, wenn das Vorgesehene jetzt auf der Bundesebene beschlossen wird? Verlieren wir damit den Wettbewerb gegen unsere unmittelbaren Nachbarn? – In dem Wettbewerb tun wir uns zwar schwer, aber an den Steuersätzen kann es nicht liegen. So sieht das Verhältnis zu einigen Mitbewerbern um Ar
beitsplätze aus, wenn Deutschland 19 % Mehrwertsteuer hätte: Estland hat 18%, Tschechien 19 %, die Niederlande 19 %, Österreich 20 %, Irland 21 %, Polen 22 % und Schweden 25 %. Erzählen Sie uns nicht, die Arbeitsplatzbedingungen würden sich in Deutschland durch die Mehrwertsteuererhöhung so stark verschlechtern, dass wir im internationalen Wettbewerb verlieren würden. Das ist einfach nicht wahr.
Das gilt auch für die Einkommensteuerspitzensätze. In Deutschland lagen sie bisher bei 44,3 %. Da käme noch die so genannte Reichensteuer drauf. Dann ist es aber auch nicht viel mehr. Konkurrenten, mit denen wir uns im Wettbewerb befinden, sind Österreich mit 50 %, die Niederlande mit 52 %, Schweden mit 56,5 %, und sogar in den USA, die Herr Dr. Lindner so gerne lobt, gibt es in der Stadt New York einen Einkommensteuersatz von 42,9 %, inklusive state- und city-income-taxe. Erzählen Sie uns also auch nicht, dass es in erster Linie noch eine Frage der Steuerpolitik wäre, nachdem es in den letzten sieben Jahren einige Steuerreformen gegeben hat, wenn wir Arbeitsplätze in Berlin verlieren und es der Wirtschaft teilweise nicht so gut geht.
Das Thema ist an sich viel zu ernst für solche Ausweichdebatten à la FDP. Samsung ist ein Symptom für den Kampf um die industrielle Basis der Berliner Wirtschaft. Diesen Kampf gibt es leider wirklich. Es zeigt sich auch immer wieder, dass Samsung mit Sicherheit nicht geht, weil die Wasserpreise erhöht werden. Samsung möchte auch nicht gehen, weil die Mehrwertsteuer erhöht wird. Das Problem ist ein anderes: Es gibt einen Konzern, der ganz woanders in der Welt die Entscheidungen trifft. Es gibt keine Verknüpfung mit Strukturen in Berlin. Es gibt keine Verknüpfung mit Forschung und Entwicklung in Berlin. Es ist eine reine Produktionsstätte, die zu dem Zeitpunkt geschlossen werden soll, wo die öffentliche Förderung ausläuft. Dieses Problem haben wir in Berlin derzeit leider an mehreren Stellen. Das gilt für die CNH, die ehemalige Orenstein & Koppel AG, die heute durch die Presse ging. Ein ähnliches Problem haben wir bei der Visteon in Lichterfelde, die Zulieferer für die Ford-Werke ist. Auch dort geht es immer wieder um das Problem, dass es keine Verankerung dieser Betriebe vor Ort gibt. Deswegen versuchen sie, bei reinen Kostendiskussionen zu verhandeln. Wenn ihnen das nicht gelingt, drohen sie mit der Aufgabe des Standorts. Wir brauchen eine Verknüpfung mit den Kompetenzfeldern und der Forschungslandschaft Berlins. Es gibt auch Erfolgsgeschichten von neuen und jungen Produktionsunternehmen, die engen Kontakt zu diesen Feldern in Berlin haben und die einen Zuwachs an industriellen Arbeitsplätzen verzeichnen.
Weil es ein schwieriges Thema ist und weil man es erst nach und nach befördern kann, muss man sich intensiv damit auseinander setzen. Die SPD wird am Wochenende allein zu diesem Thema einen Landesparteitag durchführen und sich Gedanken machen, wie man das voranbringen kann. Das Thema ist schwierig und wichtig gleichermaßen. Wir beschäftigen uns damit, weil man
sich auf Landesparteitagen nicht nur über Satzungsfragen streiten, sondern sich mit zentralen politischen Fragen beschäftigen sollte, die über die Zukunft Berlins entscheiden.
Wir haben heute auch noch einen Antrag der Grünen vorliegen. Er geht inhaltlich in die richtige Richtung. Er greift die letzte Chance auf, die es noch gibt. Es geht um ein Alternativmodell zur Sicherung der Arbeitsplätze von Samsung in Berlin, das mit Hilfe von Gewerkschaften und Betriebsrat entwickelt wurde. Die Erfolgsaussichten sind schwierig zu beurteilen, aber es lohnt, sich dafür einzusetzen. Ich weiß, dass sich der Senat – er muss nicht dazu aufgefordert werden – schon dafür eingesetzt hat, dass das realisiert werden kann. Die Koalitionsfraktionen haben das auch getan, beispielsweise gestern bei einer Diskussionsveranstaltung, die bei Samsung stattgefunden hat. Es wird versucht, das zu machen. Deshalb kann der Antrag in der Form, wie ihn die Grünen gestellt haben, nicht stehen bleiben, in dem der Senat aufgefordert wird, etwas zu tun. Der Senat hat das schon getan. Das muss zum Ausdruck gebracht werden. Deswegen gibt es einen entsprechenden Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen.
Zum Antrag der FDP zum Thema Samsung möchte ich nichts weiter sagen. Er wurde im Ausschuss für Wirtschaft, Betriebe und Technologie nicht nur mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, sondern auch mit denen der Grünen und der CDU abgelehnt. Das sagt alles.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst muss man in der Tat den Eindruck gewinnen, die FDP und Herr Dr. Lindner hätten die Gebäude verwechselt, denn wir führen im Berliner Abgeordnetenhaus auf Wunsch der FDP zum wiederholten Mal eine Debatte, die eigentlich in den Deutschen Bundestag gehört. Aber da wir den spleenigen Fraktionsvorsitzenden der FDP über die Jahre ganz lieb gewonnen haben, wollen wir ihm zuliebe diese Diskussion heute führen. Eine gute Botschaft gibt es nach dem FDP-internen Bruderduell: Eine Steuer fällt nicht an, nämlich eine Vergnügungssteuer für die Rede von Herrn Dr. Lindner.
Wir dürfen uns auf die kommenden Tage, Wochen, Monate und Jahre freuen, denn mit Angela Merkel an der Spitze einer unionsgeführten Bundesregierung hat unser Land nach sieben Jahren Rot-Grün wieder eine Perspektive.
Ich lasse es mir deshalb auch nicht nehmen, an dieser Stelle Frau Merkel noch einmal im Namen meiner Fraktion ganz herzlich zur Wahl zur ersten Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland zu gratulieren.
Die große Koalition besitzt eine stabile Mehrheit, und Frau Merkel genießt das Vertrauen der großen Mehrheit des Deutschen Bundestags. Das Wahlergebnis ist ein großer Vertrauensvorschuss und ein positives Zeichen für die Stabilität der neuen Bundesregierung.
Nach sieben Jahren Rot-Grün steckt das Land allerdings in einer tiefen Krise. Die Staatsverschuldung und die Arbeitslosigkeit sind riesig. Das Wirtschaftswachstum ist minimal. Die Sozialsysteme befinden sich in einem maroden Zustand. Nach den politischen Irrungen und Verirrungen der vergangenen Jahre haben die Bürger jetzt wieder Anspruch auf eine Rückkehr zu einer sachlichen Politik.
Ich bin davon überzeugt, dass die große Koalition unter Führung der Bundeskanzlerin Angela Merkel die notwendigen Reformen einleiten wird, damit Deutschland wieder auf den Weg nach oben geführt wird.
Auch Berlin wird von der neuen Bundesregierung profitieren. Viele Forderungen der Berliner CDU haben Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden, beispielsweise der Ausbau des Flughafens Berlin-Brandenburg International, die Angleichung der Hartz-IV-Regelsätze in Ost und West und das klare Bekenntnis zum Wiederaufbau des Stadtschlosses. Wer heute schon die große Koalition kleinredet, wie es von Seiten der Politik aus den Reihen der Opposition getan wird – was nicht verwunderlich ist – , genauso wie die üblichen Verdächtigen aus Wirtschaft und Gewerkschaft das Scheitern der großen Koalition schon jetzt voraussagen, der kann wahrlich nicht von sich behaupten am Erfolg der Bundesrepublik interessiert zu sein. Es wird ohnehin schwer genug, Deutschland wieder auf die vorderen Plätze zu bringen. Wir können das nur schaffen, wenn wir alles Erdenkliche dafür tun, die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Der erste wichtige und notwendige Schritt dafür ist – neben der Flexibilisierung des Kündigungsschutzes –, die Lohnnebenkosten zu senken, um den Faktor Arbeit zu entlasten, um mehr Menschen in Arbeit zu bringen. Um dieses Ziel erreichen zu können, Herr Dr. Lindner, kommen wir um die Mehrwertsteuererhöhung leider nicht herum.
Aber um das deutlich zu sagen, die Mehrwertsteuererhöhung betrifft nicht die Güter des täglichen Bedarfs.
Man muss nicht euphorisch applaudieren, die Mehrwertsteuererhöhung ist ein notwendiges Übel und so betrachten wir das auch. –
Für Lebensmittel, Bücher, Zeitschriften und vieles mehr gilt weiterhin der verminderte Mehrwertsteuersatz von 7 %. Mit dem Mehrwertsteuersatz von 19 % ab dem Jahr 2007 – darauf ist eben bereits hingewiesen worden – liegt Deutschland nun sicher im EU-Vergleich im unteren Mittelfeld.
Liebe FDP! Wir haben Verständnis dafür, dass Sie sich mit der Mehrwertsteuererhöhung ein Thema gesucht haben, von dem Sie meinen, dass Sie die neue Bundesregierung damit ärgern können. Ich möchte Sie gern daran erinnern, dass Sie in den Jahren seit Bestehen der Bundesrepublik einmal in sozial-liberaler, einmal in christlichliberaler Koalition genau fünfmal einer Mehrwertsteuererhöhung zugestimmt haben. Immer dann, wenn Sie mit in der Verantwortung standen, wie zuletzt bei Theo Waigel, der die Lohnnebenkosten senken wollte, haben Sie Ihre Zustimmung gegeben. Ich glaube, dass Sie selbst nicht daran glauben, dass die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes Ihr Auftreten nicht durchschauen. Ich glaube, dass wir uns in diesem Haus darüber einig sind: Wenn es für Schwarz-Gelb gereicht hätte, hätten Sie dieser Erhöhung am Ende des Tages auch zugestimmt.
Herr Matz! Ich hätte mich gefreut, wenn Sie sich im Wahlkampf einmal so deutlich zur Mehrwertsteuer erklärt hätten wie gerade eben. Im Wahlkampf jedoch hat die SPD gegen die Mehrwertsteuererhöhung gewettert. Was sehen wir jetzt? – Eine SPD, für die die Mehrwertsteuererhöhung eine unumgängliche Maßnahme ist, allen voran übrigens Finanzsenator Sarrazin. Nur die Union hat in diesem Wahlkampf mit offenen Karten gespielt und den Bürgerinnen und Bürgern reinen Wein eingeschenkt.
Natürlich wäre es auch uns lieber gewesen, wenn wir diese Maßnahme nicht hätten ergreifen müssen. Aber ich betone es noch einmal: Die Güter des täglichen Bedarfs sind von dieser Erhöhung ausgenommen.
Doch die Berlinerinnen und Berliner werden nicht davon profitieren, dass die Lohnnebenkosten gesenkt werden und damit unter dem Strich mehr auf dem Lohnzettel steht, denn der rot-rote Senat dreht an jeder denkbaren Gebührenschraube. Täglich müssen wir neue Meldungen vernehmen wie die Erhöhung der Wasserpreise oder das unsägliche Straßenausbaubeitragsgesetz, das wir mit aller Entschiedenheit ablehnen.
Wir appellieren eindringlich an Sie, Herr Wowereit: Verhindern Sie die geplante Erhöhung der Wasserpreise! Diese Gebührenschraube dreht den ortsansässigen Unternehmen, den Berlinerinnen und Berlinern zunehmend den Geldhahn ab.
Nein! – Sie verhindert die dringenden Maßnahmen und Investitionen. Vergeben Sie nicht durch Ihre Lethargie und Ihr Nichtstun auch noch die letzte Chance, den Wirtschaftsstandort Berlin wieder konkurrenzfähig zu machen! Kommen Sie endlich zur Vernunft, und stoppen dieses unsägliche Straßenausbaubeitragsgesetz!
[Liebich (Linkspartei.PDS): Das ist doch albern! Sie machen eine Mehrwertsteuererhöhung und reden jetzt über das Straßenausbaubeitragsgesetz!]