Stand und Qualität der Zusammenarbeit zwischen Schule, den Trägern der Jugendhilfe sowie anderer nichtschulischer Einrichtungen
Für die Beratung sind wie immer fünf Minuten vorgesehen. Es beginnt die Fraktion der CDU mit dem Abgeordneten Steuer. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das neue Schulgesetz eröffnet den Schulen in Berlin großartige Möglichkeiten. Der Bildungsbegriff wurde neu definiert. Bildung ist nun nicht nur Unterricht, Bildung soll in herkömmlicher Unterrichtsform zum einen, aber auch durch Aktivitäten in Schulen im Nachmittagsbereich stattfinden. Die Schulen sind aufgerufen, sich ein Schulprofil zu geben und Kooperationspartner zu suchen. Man muss leider sagen, dass dies zwar großartig ist, aber leider reine Theorie.
Viele Schulen würden gern mit Jugendverbänden und anderen Organisationen kooperieren und auch umgekehrt. Hierfür stehen aber leider keinerlei Mittel zur Verfügung. Erst heute früh kritisierten die Berliner Familienverbände hier im Hause, dass sie zwar das Recht haben, zu kooperieren, aber es praktisch hierfür keine Möglichkeiten gebe.
Die CDU-Fraktion schlägt vor, Personalmittel den Schulen direkt zur Verfügung zu stellen. Die Schulen sollen damit flexibel umgehen können. So könnte die eine Schule damit den Lehrermangel bekämpfen und den Unterricht garantieren und die andere Schule die Mittel einsetzen, um Honorare für Kooperationspartner zu zahlen. Viele Sport- und Kulturvereine würden gern eine dauerhafte Zusammenarbeit mit einer Schule organisieren. Lassen Sie uns bei diesen Haushaltsberatungen den Startpunkt dafür setzen und diese Mittel in den Haushalt einstellen. Die CDU-Fraktion wird dies jedenfalls in diesen Haushaltsberatungen beantragen.
Seit der gestrigen Sitzung des Hauptausschusses ist auch widerlegt, dass es hierfür keine Mittel gibt. Nein, es ist die persönliche Schwerpunktsetzung des Jugendsenators Böger, an Stelle einer adäquaten Ausstattung der Schulen mit genügend Personal lieber Kitastaatsbetriebe
im Land Berlin zu gründen und diese mit erheblichen zusätzlichen Mitteln auszustatten. Gestern konnten wir erfahren, dass 50 Millionen € zusätzlich zur Verfügung gestellt werden sollen, um die absurde Idee des Jugendsenators zu verwirklichen, fünf oder sechs neue Staatsbetriebe in Berlin zu gründen und durch diese die Kitas verwalten zu lassen. Diese sind bisher von den Bezirken verwaltet worden und das auch nicht schlecht.
Herr Abgeordneter! Ich würde Ihnen gern zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen, es betrifft aber Ihre eigene Fraktion. – Herr Steuer bemüht sich, laut zu sprechen, um durchzudringen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Es ist die Aufgeregtheit über die Rede, und ich kann das durchaus nachvollziehen.
Allen Beteiligten ist klar: Diese Kitabetriebe werden das Ende der nächsten Legislaturperiode nicht erreichen.
Vielmehr werden diese Eigenbetriebe enden wie das Jugendaufbauwerk im Land Berlin. Sie werden irgendwann aufgelöst werden, nachdem das Land Berlin Millionen von Euro sinnlos in diese Kitaeigenbetriebe versenkt haben wird. Wir sagen dazu Nein. Geben wir nur einen Bruchteil dieser 50 Millionen € direkt an die Schulen, geben wir den Schulen die Möglichkeit, einen Teil dieses Geldes einzusetzen, um den Unterrichtsausfall zu verhindern, genügend Lehrpersonal einzustellen und Kooperationen zwischen Jugendverbänden, Organisationen und den Schulen möglich zu machen!
Die Senatsverwaltung brachte nun den Einwand, dass in diesem Bereich noch nicht alles strukturiert und vieles im Fluss sei, dass zwar mit Kooperationen begonnen worden sei, aber noch viel zu tun bleibe. Dass vieles im Fluss und unstrukturiert ist, den Eindruck haben wir allerdings auch, Herr Senator! Wir sind jedoch der Auffassung, dass die Kooperation besser gelingen würde, wenn man einmal vernünftig berichten und die Probleme erkennen würde, die tatsächlich bei der Kooperation vorhanden sind, und auch die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen würde. Nichts anderes fordern wir in unserem Antrag. Deshalb sagen wir: Reden wir nicht nur über PISA, sondern bringen wir auch tatsächlich mehr Bildung in die Schule!
Es waren Versatzstücke aus anderen Reden. Aber mit der Sache, um die es hier geht, hatte Ihre Rede gar nichts zu tun. Hier geht es um einen Antrag, der im zuständigen Fachausschuss abgelehnt wurde. Warum wurde er abgelehnt?
Es ist ein Antrag von Ihnen vom September 2003, mit dem Sie einen Bericht über den Stand und die Qualität der Zusammenarbeit zwischen der Schule, den Trägern der Jugendhilfe und anderen nichtschulischen Einrichtungen anfordern. Der Senat soll auch berichten, wie er sich diese Zusammenarbeit künftig vorstellt. Und Sie sagen, er soll dabei die Mitteilung vom Dezember 1998 über die notwendige Koordination nichtschulischer Einrichtungen im Schulbereich weiterentwickeln – also auf dieser Mitteilung vom Dezember 1998 aufbauen. Ich habe mir diese Mitteilung einmal herausgesucht. Sie ist schon etwas vergilbt und wirklich nicht mehr aktuell. Insofern ist es sehr richtig, dass der Fachausschuss diesen Antrag von Ihnen abgelehnt hat. Das werden wir heute im Plenum auch so tun.
Ihnen ist offenbar entgangen – Herr Steuer hat versucht, das nachzuarbeiten, weil es in Ihrem Antrag nicht vorkommt –, dass in der Zwischenzeit, im Januar 2004, für das Land Berlin ein neues Schulgesetz erlassen worden ist. Deshalb möchte ich noch einmal zitieren, was in § 5 dieses Schulgesetzes formuliert worden ist:
Die Schulen öffnen sich gegenüber ihrem Umfeld. Zu diesem Zweck arbeiten sie im Rahmen des Bildungs- und Erziehungsauftrages mit den Trägern der öffentlichen und freien Jugendhilfe sowie mit außerschulischen Einrichtungen und Personen zusammen, deren Tätigkeit sich auf die Lebenssituation der Schülerinnen und Schüler auswirkt.
Das heißt, die Konsequenzen, die Sie in Ihrem Antrag vom September 2003 fordern, sind inzwischen bereits im Schulgesetz geregelt. Die anderen gesetzlichen Grundlagen, die wir dazu brauchen, gibt es auch längst im Kinder- und Jugendhilfegesetz und im Ausführungsgesetz zum Kinder- und Jugendhilfegesetz. Im Übrigen empfehle ich Ihnen das Leitbild für eine offene Ganztagsgrundschule vom Juli 2005 zur Lektüre. Tatsächlich ist in allen Mitteilungen des Senats und in den gesetzlichen Grundlagen das, was von Ihnen in Ihrem Antrag gefordert wird, längst enthalten, nämlich die Zusammenarbeit mit öffentlichen und freien Trägern der Jugendhilfe, mit Musikschulen, mit Volkshochschulen, mit Sportvereinen, mit der Wirtschaft und den Sozialpartnern.
Nun sagen Sie, das sei alles Theorie und noch nicht in die Praxis umgesetzt worden. Auch da empfehle ich, sich schlau zu machen. Was die Zusammenarbeit von Schule und Unternehmensverbänden beispielsweise betrifft, gibt es seit langem eine Koordinierungsstelle „Partner: Schule und Wirtschaft“, um Schule und Wirtschaft zu verzahnen. Was die Betreuung problematischer oder schuldistanzierter Jugendlicher betrifft, so gibt es längst die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Erziehungs- und Familienberatungsstellen und zwischen Schulen und freien Trägern der Jugendhilfe. Was die Zusammenarbeit zwischen Schulen, Volkshochschulen, Musikschulen betrifft, zum Beispiel bei Mütterkursen oder der musischen Bildung an Schulen, das gibt es alles. Was die Bekämpfung der Jugendgewalt betrifft, so arbeiten auch hier die Schulen längst mit dem Quartiersmanagement, mit der Polizei oder mit Sportvereinen zusammen.
Nun kann man sagen: Das alles reicht uns nicht. – Da treffen Sie auf meine Zustimmung. Insofern sind Sie aber heute von den Grünen überholt worden, und zwar mit deren Antrag Nr. 15/4390, der in der Aktuellen Stunde mit behandelt wurde: Kooperationen von Schulen mit außerschulischen Partnern weiterentwickeln! – Das ist der Weg, der uns verbindet – über den abgelehnten Antrag hinaus. Auch wir sagen: Auf der Grundlage der Zusammenarbeit von Schule, freien Trägern und anderen Einrichtungen oder Organisationen wollen wir die Umfeldöffnung der Schule weiterentwickeln. Selbstverständlich sind hierbei auch noch Verbesserungen möglich. Hinsichtlich dessen, was wir uns an Verzahnung zwischen Jugendhilfe und Schule vorstellen können, ist noch längst nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Insbesondere gilt für die Schule, dass die Prinzipien, die die Jugendhilfe in diesen Prozess einbringt – Subsidiarität, Pluralität, das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern –, noch stärker zu beachten sind.
Vielen Dank, Frau Präsidentin, für Ihre Erläuterung! – Stefan, es ist gut, dass du der Sache zustimmst. Jugendhilfe und Schule brauchen die Unterstützung aller Abgeordneten – auch deine.
Wenn also diese Prinzipien der Jugendhilfe in der Schule noch stärkeren Eingang fänden, wäre das gut. Daran sollten wir arbeiten. Im Übrigen – das sehen insbesondere die Jugendpolitiker in diesem Hause so – kann die Jugendhilfe die erzieherische Aufgabe in der Schule nur stärken. Die in Deutschland insgesamt, aber auch in Berlin stark unterrichtsbetonte Schule kann diese Stärkung
der erzieherischen Aufgabe durch die Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe gut gebrauchen, und daran sollten wir alle gemeinsam arbeiten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Nolte, ich freue mich, dass Sie zum Schluss noch einige inhaltliche Worte zu dem Thema „Kooperation von Schule und außerschulischen Partnern“ gefunden haben, denn darum geht es hier. In den vorherigen Redebeiträgen war das nicht so richtig ersichtlich.
Ich möchte auch noch ein paar inhaltliche Worte anfügen. Wir haben heute in der Aktuellen Stunde schon die große bildungspolitische Debatte gehabt, und dort hieß es ebenfalls: Wenn Kinder ganze Tage in der Schule verbringen – durch die Ganztagsschule – und wenn die Schule die Begabungen und Interessen eines jeden Kindes möglichst optimal fördern soll, dann bedarf es vielfältiger Angebote, die nur in Zusammenarbeit mit Akteuren aus Jugendhilfe und Sport, aus Kultur und Wirtschaft – um nur einige zu nennen – möglich sind. Die Kooperation mit außerschulischen Partnern steht deshalb im Leitbild des Senats für die offene Ganztagsschule an prominenter Stelle, denn die Ganztagsschule soll mehr sein als ein unverbundenes Nebeneinander von Unterricht und außerunterrichtlichen Aktivitäten.
Weitgehend ungeklärt sind jedoch die notwendigen Rahmenbedingungen, damit solche Kooperationen überhaupt funktionieren können. Wie bei vielen anderen Reformschritten in Berlin werden die Schulen bei der Umsetzung durch den Senat leider allein gelassen. Dennoch haben sich viele Schulen auf den Weg gemacht und mit viel Engagement interessante und auch notwendige Angebote für ihre Schüler organisiert – in Zusammenarbeit mit der Jugendsozialarbeit bei schwierigen Kindern, in Zusammenarbeit mit Musikschulen und Kultureinrichtungen für die kulturelle Bildung oder in Zusammenarbeit mit Jugendprojekten für die nachmittäglichen Arbeitsgemeinschaften und Schülerclubs.
Aber Engagement ist eine endliche und sehr kostbare Ressource, die wir zu dringend brauchen, als dass wir sie verschwenden sollten. Es ist in höchstem Maß ineffektiv, was gegenwärtig geschieht, wenn nämlich jeder Schulleiter und jede Schulleiterin für sich allein herausfinden müssen, wer überhaupt für Kooperationen zur Verfügung steht, wie solche Kooperationen zu gestalten sind, wie man Verträge gestaltet, welche rechtlichen Punkte beachtet werden müssen und vieles mehr. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern gibt es nämlich in Berlin keine Anlaufstelle für potentielle Partner und Partnerinnen, die in
allen die Kooperation betreffenden Fragen beratend zur Seite stehen könnte. Ein absolutes Minimum an Service wäre insofern ein Handlungsleitfaden, der alle relevanten Informationen zusammenfasst, damit die beteiligten Schulen und ihre Partner und Partnerinnen das Rad nicht immer wieder aufs Neue erfinden müssen.
Herr Senator Böger! Es reicht nicht aus, 15 Rahmenvereinbarungen abzuschließen – so viele sind es wohl gegenwärtig – und den Rest einfach laufen zu lassen. Das reicht definitiv nicht aus.