Protocol of the Session on September 15, 2005

Aber kommen wir zurück nach Berlin.

[Gaebler (SPD): Bravo! – Pewestorff (Linkspartei.PDS): Gute Idee!]

Sie meinen, die Berliner Kultur vor einem Minister Lammert warnen zu müssen – wenn man selbst keinen hat, sagte ich schon –. Seine Kritik am Hauptstadtkulturfonds,

[Gaebler (SPD): Nicht nur am Hauptstadtkulturfonds!]

verehrte Frau Kollegin Fugmann-Heesing, greift lediglich eine Idee unseres Kultursenators Flierl auf, der bereits im August in der „FAZ“ darüber laut nachgedacht hat, ob dieser Hauptstadtkulturfonds nicht besser in Berliner Zuständigkeit wäre. Seine PDS-Kollegin Hiller hat versucht, mir damit auf einer Podiumsdiskussion in Marzahn ein Bein zu stellen, aber wenig elegant. Aber Sie sollten dann besser in den eigenen Reihen nach solchen Ideen forschen. Frau Fugmann-Heesing und Herr Liebich, lesen Sie einmal Zeitung! Denn hätten Sie gewusst, dass ich bereits am 7. September in der „Berliner Zeitung“ selbigen Hauptstadtkulturfonds gegen die Ideen von Herrn Flierl verteidigt habe.

[Abg. Gaebler (SPD) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Frau Abgeordnete! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, im Moment nicht, das können wir nachher machen.

Nur eines ist klar, der Hauptstadtkulturfonds ist unter CDU-Bundesregierung eingerichtet worden. Rot-Grün hat die Summe dafür ausgebaut. Leider hat sie auch die Vergabepraxis verändert, nicht verbessert. So ist es vielleicht nahe liegend, einmal kritisch zu fragen, ob so viel öffentliches Projektgeld wirklich gut investiert ist: in ihre geliebte Palastruine z. B., Herr Liebich und Herr Flierl, in diese alberne Palastpaddelei, oder ob man damit tatsächlich eine kindische Beschmeißung von Politikerfotos mit Wasserbällen finanzieren sollte. Da war peinlicherweise noch ein Foto von Herrn Rexrodt dabei, der drei Tage vorher verstorben war. Alles das sind Projekte, die Sie mit dem Hauptstadtkulturfonds gefördert haben. Dass sich da öffentlich kritische Stimmen regen, finde ich mehr als verständlich.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Klemm (Linkspartei.PDS): Wollen Sie jetzt Zensur einführen oder was?]

Es gibt Gremien, die darauf zu achten haben – da sind Herr Flierl, Herr Schmitz, Frau Weiss und Herr Nevermann drin –, die sollten – finde ich – schon aufpassen, was damit gemacht wird.

[Klemm (Linkspartei.PDS): Zensur, Sie wollen Zensur!]

Ich könnte mir übrigens vorstellen, dass Sie das selbst peinlich finden. Vielleicht geht es Ihnen anders, aber dieses Gremium hat sich davon distanziert.

[Klemm (Linkspartei.PDS): Wir hatten in der DDR auch Zensur, war nicht immer gut im Osten!]

Aber ich erinnere daran, was Sie hier gemacht haben. Wie war das z. B. mit den Berliner Symphonikern, Herr Flierl, oder mit dem Schlossparktheater, mit dem HansaTheater, was ist jetzt mit der Tribüne, mit dem Kleinen Theater am Südwestkorso, mit der Neuen Gesellschaft für Literatur, die in die Insolvenz ging, mit den Märchentagen, die Sie nicht basisfinanzieren wollen, mit der Kürzung der Mittel für freie und private Theater? – Übrigens, Herr Liebich, das Caroussel-Theater heißt jetzt Theater an der Parkaue. Hierher ins Berliner Abgeordnetenhaus gehört genau diese Diskussion. Wir kämpfen hier gegen den Abbau von Kultur, Sie sollten sich für Ihre – für Sarrazins, für Flierls und für Eichels – Streichlisten verantworten! – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Frau Dott (Linkspartei.PDS): Für eine Wahlkampfrede ein bisschen schlapp, Frau Grütters!]

Danke schön! – Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Lange das Wort!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Grütters! Da haben Sie ganz schön um den heißen Brei herumgeredet.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Wenn ich die Presse richtig gelesen habe, dann habe ich Ihr vehementes Eintreten gegen die Pläne des Herrn Lammert aber sehr vermisst.

[Frau Grütters (CDU) hält Zeitungsausschnitte hoch.]

Das hätte ich mir gewünscht, wenn Sie hier sagen, Sie seien die Retterin der Berliner Kultur. Ich habe es nicht erkennen können, dass Sie dafür vehement eingetreten wären. Von einer Retterin der Berliner Kultur hätte ich ein anderes Engagement erwartet.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linkspartei.PDS]

Ein paar Tage vor der Wahl lässt die CDU die Katze aus dem Sack.

[Dr. Heide (CDU): Die SPD auch!]

Statt einer Streichelliste für die Kultur gibt es eine Streichliste. Und diese Katze will mit geschärften Krallen gegen die Berliner Kulturlandschaft vorgehen.

[Zimmer (CDU): Das ist ja richtig lyrisch, Frau Lange!]

Da wird verkündet, der Hauptstadtkulturfonds sei eine Unwucht. Eine geheimnisvolle Liste der Lichtgestalt Kirchhof mit 418 Streichpunkten wird von den Gralshütern der CDU unter Verschluss gehalten.

[Dr. Heide (CDU): Wie viele hat denn die Liste von Eichel?]

Unter anderem soll darin der ermäßigte Mehrwertsteuersatz für die Kultur angehoben werden. Für die, die es nicht wissen: Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz ist ein wichtiges Instrument der Kulturförderung. Für Bücher, für Zeitungen, Zeitschriften und Kunst, z. B. auch für Theaterkarten gilt dieser ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 %, an dem wir natürlich festhalten werden.

[Henkel (CDU): Erzählen Sie das Eichel nicht!]

Plötzlich taucht wie durch ein Wunder eine so genannte Giftliste aus dem Bundesfinanzministerium auf nach dem Motto: Herr Lehrer, ich weiß was. – Es ist nicht auszuschließen, dass die berüchtigte Kirchhof-Liste, die wir alle nicht genau kennen, plötzlich unter anderem Namen jetzt aus dem Bundesfinanzministerium kommt.

[Goetze (CDU): Eine Verschwörung!]

Frau Grütters! Vielleicht waren die Punkte, die Sie eben zitiert haben, aus dieser Kirchhof-Liste, die, wie wir mittlerweile wissen, wahrscheinlich von bienenfleißigen Beamten mit einem bestimmten Parteibuch angefertigt wurde. Da kann ich mich nur fragen, wer bestimmte Interessen verfolgt.

[Beifall bei der SPD – Goetze (CDU): Was ist denn mit dem Kabinettsbeschluss?]

Jetzt ist Herr Lindner nicht da, aber mir hat es vorhin sehr gut gefallen, dass er Herrn Sarrazin als die rote Reclam-Ausgabe des Herrn Kirchhof bezeichnet hat.

[Ritzmann (FDP): Mir hat es auch gefallen!]

Aber ich finde, wenn Herr Sarrazin eine rote ReclamAusgabe ist, dann ist Herr Kirchhof ein dickes schwarzes Buch mit sieben Siegeln.

[Ui! und Pfeifen von der CDU und der FDP]

Und bei einer Reclam-Ausgabe kann man immer nachlesen, um was es geht. Bei Thilo Sarrazin weiß man auch immer, was er will und was er meint.

[Sen Dr. Sarrazin: Ja! – Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS – Gelächter rechts – Henkel (CDU): Thilo Superstar!]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hahn?

Nein, ich habe heute noch sehr viel zu sagen.

Diese Wahl ist eine Richtungsentscheidung. Das gilt auch für die bundesdeutsche Kulturpolitik. Seit 1998 sah sich die Bundesregierung in einer besonderen Verpflichtung gegenüber der Hauptstadt Berlin. Die Bundesregierung hat diese Verpflichtung mit großem Engagement wahrgenommen. Das Staatsministerium für Kultur und Medien und ein eigenständiger Ausschuss für Kultur und Medien wurden 1998 von Rot-Grün etabliert und ist seitdem eine Geschichte des kulturellen Aufbruchs, mit der der Bund kulturpolitischen Einsatz gezeigt hat. Dabei ging es um die grundsätzliche Frage, welcher Stellenwert der Kultur in einer modernen Gesellschaft eingeräumt wird. Wir haben hier Flagge gezeigt. Kultur ist ein öffentliches Gut und gerade in einem Land wie dem unseren, das sich als Kulturnation versteht, ist es Aufgabe des Staats, Kunst und Kultur zu pflegen und als gesellschaftliche Kraft zu schützen und zu fördern. Wie andere Metropolen auch definiert sich Berlin wesentlich über die Kultur. Die Vielfalt und der Erhalt des kulturellen Reichtums sind von entscheidender Bedeutung für unsere Hauptstadt.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linkspartei.PDS]

Die Kulturwirtschaft ist inzwischen eine unserer wichtigsten Lebensadern. Damit dies so bleibt, braucht Berlin die Förderung des Bundes und der Länder. Das Geld ist gut angelegt, auf der Museumsinsel genauso wie im Haus der Kulturen der Welt oder im Jüdischen Museum, bei den Festspielen oder bei der Akademie der Künste und natürlich auch beim Hauptstadtkulturfonds als besonders flexiblem Instrument zur Förderung von Kultur in Berlin.

Worauf kommt es nun in den nächsten Jahren an? – Wir brauchen die Leuchtturmförderung genauso wie die Förderung durch den Hauptstadtkulturfonds. Warum brauchen wir den Hauptstadtkulturfonds? – Der Haupt

stadtkulturfonds ist für die Hauptstadt unverzichtbar. Er beinhaltet die Förderung von Projekten und Veranstaltungen, die für die Hauptstadt und das ganze Bundesgebiet bedeutsam sind und nationale und internationale Ausstrahlung haben. Deshalb beteiligen sich z. B. auch sehr viele Botschaften finanziell an den Projekten. Es gibt eine enge Kooperation mit Goethe-Instituten, mit dem Auswärtigen Amt und mit vielen Stiftungen aus der Wirtschaft.

Und natürlich besonders für die freie Szene hat der Hauptstadtkulturfonds eine sinnstiftende und wichtige Bedeutung. Viele internationale Künstlerinnen und Künstler kommen nach Berlin, um hier zu arbeiten. Dies schafft eine nationale und internationale Ausstrahlung, von der auch die Bundesländer profitieren. Durch den Hauptstadtkulturfonds wurden nicht zuletzt auch durch künstlerische Projekte Fragen an die Politik gestellt, die wichtige, auch kontroverse gesellschaftliche Debatten ausgelöst haben.

Ich habe es vorhin schon einmal gesagt, nun hat Herr Lammert die Katze aus dem Sack gelassen. Zitat:

Der Hauptstadtkulturfonds ist eine Unwucht, über die man reden muss.