Protocol of the Session on September 1, 2005

Frau Abgeordnete SchultzeBerndt hat das Wort zu einer Nachfrage. – Bitte schön!

Die Frage an den Regierenden Bürgermeister lautet: Wo ist die Grenze zwischen dem, was eine Stadt unter friedlichem Zusammenkommen befürwortet, begrüßt und unterstützt, und der Zurschaustellung von Gewalt im öffentlichen Raum?

Angesichts des Kindsmordes in Zehlendorf hat die GdP eine Diskussion über die Ächtung von Gewalt gefordert. Herr Regierender Bürgermeister, ich möchte von Ihnen wissen, wie Sie dafür sorgen, dass Jugendliche zwischen dem Anti-GewaltTraining, das sie in Schulen und Jugendheimen erfahren und für das der Staat viel Geld einsetzt, und einer Gutheißung von Vergewaltigungspornographien, die in einem öffentlich zugänglichen Flyer durch Ihr Grußwort entstanden ist, unterscheiden lernen.

[Beifall bei der CDU – Frau Dott (Linkspartei.PDS): Das hat er doch längst erklärt! – Weitere Zurufe von der Linkspartei.PDS und der SPD]

Herr Regierender Bürgermeister – bitte!

(D

Bitte schön, Herr Regierender Bürgermeister!

[Zurufe von der SPD und der Linkspartei.PDS – Brauer (Linkspartei.PDS): Um Gottes willen!]

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gehe davon aus, dass der fragende Abgeordnete nicht die Presseerklärung der CDU kennt: „Henkel: Wowereit missbraucht sein Amt für Sadomaso-Fest!“ – Die anderen Unterstellungen, die dazu gehörten, habe ich heute schon deutlich gemacht.

Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Auf diese Verknüpfung habe ich schon fast gewartet. Ihre Nachfrage zeigt deutlich, dass man intensiv darüber diskutieren muss, was diese Szene von anderen unterscheidet. Hier können wir allerdings kein Colloquium darüber abhalten, aber es gibt offensichtlich noch sehr viel Diskussions- und Informationsbedarf. Es wäre schön, wenn Sie sich dem stellen würden. Laden Sie sich den Geschäftsführer oder andere Vertreter von Folsom e. V. ein. Diskutieren Sie mit ihnen, und lassen Sie sich erklären, worum es ihnen geht und was dort passiert. Dann sind Sie sicher klüger.

Wenn Sie der Auffassung sind, dass diese Veranstaltung gegen irgendein Gesetz oder einen öffentlichen Belang verstößt, müsste man eigentlich gegen die Veranstaltung vorgehen. Dann müsste man sagen, dass die Veranstaltung nicht stattfinden darf. Offensichtlich ist ja selbst Ihren CDU-Bezirksstadträten, die dafür zuständig sind, noch nicht diese Idee gekommen.

[Beifall bei der SPD]

Ich sage an dieser Stelle auch einmal das Folgende: Ich bin zufrieden, dass Ihre CDU mit einem großen Wagen beim CSD dabei ist, wo auch Folsom e. V. dabei ist – und selbstverständlich auch noch andere aus diesem Bereich. Ich bin zufrieden, dass Sie mit einem großen Stand beim Motzstraßenfest dabei sind, wo Folsom e. V. selbstverständlich einen großen Stand hat und nichts anderes tut, als er am Wochenende tun wird. Ich war auch zufrieden, dass die demokratischen Parteien im Friedrichshain vertreten waren und sich dort präsentiert haben, wo selbstverständlich auch die Szene vertreten ist.

[Beifall bei der SPD]

Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister!

Jetzt ist die Abgeordnete Baba an der Reihe, und zwar mit einer Frage zu folgendem Thema:

Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Inwieweit hat der Senat mit seiner Regelung bezüglich des Verlustes der deutschen Staatsangehörigkeit bei Erwerb fremder Staatsangehörigkeit seinen Ermessensspielraum zu Gunsten der Betroffenen genutzt?

ührt hat.

Wir haben die Leute in Berlin aufgeklärt. Wir haben eine Öffentlichkeitskampagne durchgeführt, weil wir davon ausgingen, dass viele die Konsequenzen nicht absehen konnten, und haben von der Möglichkeit des § 38 des Aufenthaltsgesetzes Gebrauch gemacht. Darin steht sinngemäß: Wenn ein ehemaliger deutscher Staatsangehöriger in Deutschland ein Aufenthaltsrecht beantragen will, kann er das innerhalb von sechs Monaten tun. Wir haben gesagt: Spätestens im Februar 2005 haben durch die Öffentlichkeitskampagne alle Beteiligten gewusst, welche Rechtsfolgen eingetreten sind, und wir geben ihnen die Möglichkeit, bis zum 31. August 2005, nämlich sechs Monate lang, den Aufenthaltstitel zu klären. D. h., sie sind zu uns gekommen und haben gesagt: Ich habe die türkische Staatsangehörigkeit wiedererworben, möchte aber meinen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland behalten. – Das haben insgesamt 936 türkische Mitbürgerinnen und Mitbürger gemacht. Sie bekommen von uns einen Aufenthaltstitel entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Es werden nach der gestern abgelaufenen Frist sicher noch weitere kommen. Auch die werden einen Aufenthaltstitel bekommen, aber nicht unter den erleichterten Voraussetzungen des § 38, der ohne weitere Prü

fung ermöglicht, den Aufenthaltstitel zu geben. Sie werden den Aufenthaltstitel nach Prüfung der allgemeinen ausländerrechtlichen Situation bekommen. Das wird im Zweifel immer dazu führen, dass sie auch einen Aufenthaltstitel, aber es dauert länger. Es gibt keine Möglichkeit, die Regelung nach § 38 zu verlängern. Es handelt sich um eine gesetzliche Frist.

2. Inwieweit besteht seitens des Senats die Möglichkeit, diese Regelung für den betroffenen Personenkreis, unbürokratisch und kurzfristig einen Aufenthalt zu erteilen sowie ihnen eine beschleunigte und großzügige Wiedereinbürgerung anzubieten, zu verlängern?

Bitte schön, der Senator für Inneres hat das Wort!

Danke schön, Herr Senator! – Bitte, Frau Abgeordnete Baba, Sie haben eine Nachfrage!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Baba! Es geht um eine Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts, die seit 1. Januar 2000 in Kraft ist. Nach dieser Änderung ist es so, dass ein deutscher Staatsangehöriger, der eine fremde Staatsangehörigkeit auf seinen Antrag hin annimmt, automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit verliert und nur noch die Staatsangehörigkeit des angenommenen Staates hat. Diese Problematik ist vielen Leuten nicht bewusst. Sie hat bei türkischen Mitbürgern eine besondere Rolle gespielt, die sich zunächst in Deutschland einbürgern ließen und später der Anregung der türkischen Behörden folgten: Lasst euch in der Türkei wiedereinbürgern, damit ihr Deutsche und Türken seid. – Viele haben nach dem 1. Januar 2000 die türkische Staatsangehörigkeit neben der deutschen erworben. Sie wussten aber nicht, dass sie damit die deutsche Staatsangehörigkeit verloren haben. Insofern gibt es keinen Ermessensspielraum. Es gibt eine eindeutige gesetzliche Regelung. Der Verlust tritt kraft Gesetzes ein; es sei denn, jemand bekommt vorher von uns zugebilligt, dass er zwei Staatsangehörigkeiten haben kann. Das ist in keinem der Fälle, über die wir reden, der Fall. Jetzt stehen die Leute vor der Situation, dass sie die türkische Staatsangehörigkeit wiedererworben und die deutsche verloren haben. Sie leben in Deutschland jetzt in einem Schwebezustand. Das ist in allen Bundesländern so.

Herr Senator! Inwieweit sehen Sie auf Grund dieses Vorgangs die Notwendigkeit bzw. die Sinnhaftigkeit der Einführung einer möglichen doppelten Staatsangehörigkeit?

Bitte, Herr Senator Dr. Körting!

Frau Kollegin Baba! Über eine doppelte Staatsangehörigkeit haben wir vor einigen Jahren ausführlich diskutiert. Sie wissen, dass die Meinungen hier im Haus unterschiedlich sind. Die Grünen und die SPD haben seinerzeit eine doppelte Staatsangehörigkeit für sinnvoll erachtet, die PDS wahrscheinlich auch. Bei der FDP bin ich mir bezüglich ihrer damaligen Haltung – wie immer – unsicher. Ich bin mir sicher, dass die CDU dagegen war, weil Herr Koch einen entsprechenden Wahlkampf gef

Ich stelle einmal dar, wozu das jetzige Ergebnis führt: Wir haben beispielsweise ein Paar mit Kindern – das soll es ja noch geben –, das einen Antrag auf Wiedereinbürgerung in die Türkei stellt. Damit verliert das Elternpaar die deutsche Staatsangehörigkeit, aber nicht dessen Kinder. Die Kinder werden in der Türkei eingebürgert, aber nicht auf Grund ihres eigenen Antrags, sondern auf Grund des Antrags ihrer Eltern. Damit sind die Kinder deutsche und türkische Staatsangehörige.

Wir haben darüber hinaus eine Vielzahl von Fällen – in der Bundesrepublik Deutschland im Millionenumfang –, in denen Menschen eine doppelte Staatsangehörigkeit haben, weil das Recht des jeweiligen Staates das so vorsieht. Wer bei uns einen deutschen Elternteil hat, bekommt die deutsche Staatsangehörigkeit. Wenn er aber gleichzeitig auf dem Boden der USA geboren ist, bekommt er auch die amerikanische Staatsangehörigkeit, weil in Amerika das jus solis gilt und in Deutschland das Recht der Abstammung. Das heißt, wir haben eine höchst komplizierte Gemengelage.

Auf lange Sicht halte ich es durchaus für sinnvoll, eine neue Debatte darüber zu führen, wie man das Staatsangehörigkeitsrecht regelt. Andererseits halte ich es nicht für besonders sinnvoll, jetzt, nachdem es gerade geändert wurde, eine neue Debatte anzufangen. Ich würde lieber abwarten, wie sich das Staatsangehörigkeitsrecht im Lauf der nächsten Jahre bewährt. Langfristig könnte es in die Richtung gehen, die Sie angesprochen haben.

)

Bitte schön, Herr Mutlu, Sie haben eine Nachfrage!

Jetzt geht es weiter mit einer Anfrage der Frau Abgeordneten Kubala von Bündnis 90/Die Grünen zu dem Thema

Herr Senator! Auf welcher Grundlage haben Sie das Datum 31. August festgelegt? – Nach meiner Kenntnis hat das Zuwanderungsgesetz eine andere Regelung vorgesehen. Mit erscheint das Datum als willkürlich. Was passiert, wenn ab dem 1. September Leute kommen, die sagen, sie hätten von Ihrer Kampagne und den Informationen nichts erfahren? Wie wird mit denen umgegangen? Warum wurden in diesem Zusammenhang nur Menschen mit dem Herkunftsland Türkei angesprochen? – Viele andere Länder, die kein Abkommen über eine doppelte Staatsangehörigkeit mit der Bundesrepublik haben, sind ebenfalls betroffen.

WM-Fanmeilenkonzept des Senats gescheitert?

Bitte sehr, Frau Kubala, Sie haben das Wort!

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Ist es zutreffend, dass die Berliner Polizei aus Sicherheitsgründen maximal 25 000 Fans zur WM 2006 auf die geplante Fanmeile am Spreebogenpark lassen will und die FIFA demzufolge den Standort als vollkommen ungeeignet abgelehnt hat?

2. Wird der Senat als alternativen Standort zum Spreebogenpark nun doch die weitaus besser geeignete Straße des 17. Juni als Fanmeile ausweisen?

Herr Kollege Mutlu! Ich mache aus gegebenem Anlass darauf aufmerksam, dass eine Nachfrage zulässig ist. Wir sind nicht kleinlich, wenn es zwei sind, zählt es auch immer noch wie eine einzige. Aber bei drei Nachfragen wird es mit dem Zählen kritisch. – Bitte sehr, Herr Senator!

Es beantwortet der Senator für Bildungswesen, der auch für Sport zuständig ist. – Bitte sehr, Herr Kollege Böger!

Herr Kollege Mutlu! Die Problematik haben wir öffentlich nicht nur im Hinblick auf türkische Mitbürger, sondern in Bezug auf alle ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger dargestellt. Es ist in den entsprechenden Veranstaltungen darauf hingewiesen worden, dass wir mit z. B. mit Amerikanern völlig identische Fallgestaltungen haben.

Herr Präsident! Der Intervention des letzten Ältestenrates folgend, antworte ich zu 1: Nein! – Zu 2: Nein!

(D

Dann gibt es bestimmt eine Nachfrage! – Bitte sehr, Frau Kubala! Sie haben das Wort zur Nachfrage.

Aber man muss es auch nüchtern einfach von der Quantität her sehen. Wenn Sie sich die Einbürgerungszahlen Berlins ansehen und die möglichen Wiedereinbürgerungszahlen anderswo, dann wage ich die Prognose, dass von der Problematik, von der Zahl her, zu 95 % türkische Mitbürgerinnen und Mitbürger betroffen sind. Deshalb war es sinnvoll, sich noch einmal gesondert an diesen Personenkreis zu wenden. Das haben wir mit einer großen Anzeige in „Hürriyet“ getan. Deshalb war es ebenfalls sinnvoll, dass die Kollegin Knake-Werner zusammen mit dem Ausländerbeauftragten und dem türkischen Bund eine Broschüre herausgegeben hat, die sich in gleicher Weise an diesen Personenkreis gewandt hat. Damit ist der andere Kreis nicht ausgeschlossen, aber es sind eben nur wenige Personen.

[Frau Oesterheld (Grüne): Wir sind ja auch nicht aus Ihrer Fraktion!]

Bitte, Frau Kubala hat das Wort!

Das macht mich jetzt sekundenlang sprachlos! – Ich frage noch einmal grundsätzlich. Sie haben ja auch den Medien entnehmen können, dass der Standort von der FIFA als ungeeignet deklariert worden ist. Sie müssen doch eine Haltung dazu haben, wo der Standort für die Fanmeile sein wird!