Protocol of the Session on August 18, 2005

den als nicht erfüllbar erweisen, werden wir auch nachträglich Regelungen finden und diese bei der Senatsverwaltung für Finanzen einfordern.

[Eßer (Grüne): Nachträglich!]

Ich denke, auch der eine oder andere Bezirk kann einen positiven Abschluss nachweisen. Der dort geleisteten Arbeit gilt unser Respekt.

Auch Berlin hat Steuermindereinnahmen, wie andere Bundesländer ebenso – bis 2007 werden circa 900 Millionen € prognostiziert. In seiner Abwägung ist der Senat zu dem Entschluss gekommen, keine weiteren Steuererhöhungen in Berlin durchzuführen. Die SPD-Fraktion unterstützt ausdrücklich diesen Senatsbeschluss.

Ich wünsche Ihnen in den Fachausschüssen und uns im Hauptausschuss gute Haushaltsberatungen. – Ich danke!

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Danke sehr! – Auch hier an die Fraktion die Information, dass eine Restredezeit von 6 Minuten bleibt. Nunmehr hat die CDU-Fraktion das Wort, und zwar der Abgeordnete Herr Kaczmarek. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mitglieder der Koalition haben gestern den Haushaltsentwurf 2006/2007 für „unspektakulär“ erklärt. Dem muss ich widersprechen. Ich sehe das ganz anders. Dieser Haushalt, Herr Sarrazin, ist spektakulär, denn er zeigt Ihre persönliche Wandlung vom Tiger zum Bettvorleger oder besser vom Sparkommissar zum Spendierhosenträger.

[Beifall des Abg. Hoffmann (CDU) – Zuruf des Abg. Gaebler (SPD)]

Ihr Haushalt ist ein Haushalt der verpassten Chancen. Dieser Doppelhaushalt 2006/2007 ist der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich die feindlichen Wahlkampfstrategen von SPD und Linke.PDS – Entschuldigen Sie, Ihre Namenswechsel sind so häufig, dass sie mir nicht mehr alle geläufig sind – einigen konnten.

[Zurufe von der Linkspartei.PDS]

Auf der Strecke geblieben ist dabei die finanzpolitische Glaubwürdigkeit des Finanzsenators, auf der Strecke geblieben ist die Ernsthaftigkeit der Konsolidierungsbemühungen, und auf der Strecke geblieben ist die Schwerpunktsetzung in den Zukunftsbereichen der Stadt.

Nach den Auftritten der Koalitionäre im gestrigen Hauptausschuss wundert man sich jedoch nicht mehr über dieses Werk. Da üben sich die Kollegen von der PDS in Wahlkampftiraden.

[Doering (Linkspartei.PDS): Linkspartei!]

Als wahrhaftig Schuldigen für die Finanzkrise des Landes haben die Genossen jetzt die rot-grüne Bundesregierung und ihre Spar- und Steuerpolitik ausgemacht. Bis hierher

können wir Ihnen folgen. Die ziellose und konfuse Finanz- und Wirtschaftspolitik der rot-grünen Bundesregierung war eine Katastrophe und hat unser Land an das Ende der Rangfolge der europäischen Industrienationen geführt. Deshalb gehört die Regierung abgewählt,

[Beifall bei der CDU und der FDP]

damit es mit Deutschland wieder aufwärts geht.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Nur, meine Damen und Herren von der PDS, ein wenig Angst um Sie haben wir schon bekommen, als Sie gestern Ihren Spagat zwischen Landes- und Bundespolitik vollführten. Für den Bund gelten die Mottenkistentheorien von Lafontaine und Co. – ausgeben, was das Zeug hält, wird schon irgendwie die Wirtschaft ankurbeln –, und auf Landesebene wollen Sie weiter kürzen, anstatt zu investieren. Keynes und Friedman in einem Atemzug – wenn das einmal gut geht.

[Zuruf des Abg. Liebich (Linkspartei.PDS)]

Während Lafontaine und Gysi mit Pensionsberechtigung als Rächer der Enterbten gegen die unsozialen Methoden der rot-grünen Bundesregierung zu Felde ziehen, verantworten Sie hier die Streichung des Blindengeldes, die Abschaffung der Lehrmittelfreiheit und die unsoziale Erhöhung der Kitagebühren. So viel Doppelzüngigkeit kann leicht in Schizophrenie umschlagen. Denken Sie deshalb rechtzeitig daran, die Haushaltsansätze für gemeindenahe Psychiatrie zu verstärken, um Ihre Partei mit der gespaltenen Persönlichkeit behandeln zu lassen.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Klemm (Linkspartei.PDS)]

Zum Thema Steuerreform: Ich bin froh, dass im Kompetenzteam der CDU/CSU mit Professor Kirchhoff ein ausgewiesener Fachmann des Steuerrechts an Bord ist,

[Zurufe von der Linkspartei.PDS]

dessen mutige und zukunftsträchtige Ideen für die radikale Verschlankung des Steuersystems sich sehr wohltuend von den populistischen und unrealistischen Konfusionen der Gysis und Co. abheben. Liebe Kollegen von der PDS, Sie haben sich in Berlin ganz umsonst den roten Pelz gefärbt. Die Bundestagswahl bringt Ihre wahren Farben wieder an das Tageslicht.

[Doering (Linkspartei.PDS): „Den roten Pelz gefärbt“? – Was wollen Sie damit sagen?]

Der Haushaltsentwurf zeigt deutlich, dass die Konzentration auf das Sarrazinsche Primärdefizit eine gefährlich einseitige Sichtweise ist. Die Schuldenlast wächst weiter, und Herr Sarrazin fantasiert von einer schwarzen Null und Überschüssen für 2007. Man sieht die Koalitionäre schon förmlich den Phantomüberschuss verteilen. Finanzpolitischen Handlungsbedarf, Herr Sarrazin, kann man aber nicht einfach wegdefinieren. Die so genannten Primärsalden verstellen den Blick auf die letztlich tatsächlich zu finanzierenden Defizite von 3,1 Milliarden € im Jahr 2006 und 2,4 Milliarden € im Jahr 2007. Angesichts dieser bedrohlichen Zahlen wirken Ihre Aussagen über

Frau Spranger

einen angeblichen Handlungsbedarf von lediglich 100 Millionen € bis 150 Millionen € ausgesprochen merkwürdig. Was nutzt, Herr Sarrazin, ein ausgeglichenes Primärdefizit, wenn man sekundär pleite ist? – Insbesondere für das Haushaltsjahr 2006 hat sich der Senat praktisch darauf beschränkt, den Haushalt 2005 fortzuschreiben. Offensichtlich will er im Wahljahr die Wählerinnen und Wähler nicht mit neuen Grausamkeiten verschrecken. Damit ist das Jahr 2006 für die Haushaltskonsolidierung ein verlorenes Jahr. Umso größer werden die Konsolidierungslasten nach 2007 werden müssen.

Der aktuelle Schuldenstand des Landes Berlin ist bedrohlich. Fast 60 Milliarden € lasten auf den Einwohnern der Stadt. Auch 2005 wird der Senat wieder neue Schulden machen. Allein für die Zinsen muss das Land 2,6 Milliarden € jährlich aufbringen. Ein Ende ist nicht absehbar. Der SPD-PDS-Senat hofft nun auf ein gnädiges Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe. Nur, was passiert, wenn das Bundesverfassungsgericht den Wünschen Berlins nicht oder nur teilweise folgt? –

[Klemm (Linkspartei.PDS): Dann soll es die CDU bezahlen!]

Einen Plan B jedenfalls gibt es offenkundig nicht. Seit 2002 weist der Landeshaushalt bislang nicht gekannte Steigerungsraten der Netto-Neuverschuldung auf. Sowohl in der Spitze mit über 6 Milliarden € als auch in der Summe hat die rot-rote Koalition neue Kredite in einer Höhe aufgenommen, die in früheren Jahren nicht ansatzweise erreicht worden sind. Und, weil der Zwischenruf wieder gekommen ist: Verstecken Sie sich doch bitte nicht hinter der Legende, die Bankgesellschaft sei daran schuld. Sie wissen genau, dass in den letzten beiden Jahren kein Cent für die Bankgesellschaft aus dem Haushalt geflossen ist. Diese Schulden gehen voll und ganz auf Ihr Konto!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Doering (Linkspartei.PDS): Warum sind Sie damals eigentlich abgewählt worden?]

Damit entfällt auf den Zeitraum von 2000 bis 2005 ca. ein Drittel der Gesamtverschuldung Berlins nach dem Zweiten Weltkrieg.

[Niedergesäß (CDU): Hört, hört!]

Wie Sie, Herr Sarrazin, angesichts dieser Tatsachen von einem finanzpolitischen Erfolg sprechen können, bleibt Ihr Geheimnis. Sie sind der Schuldensenator des Landes und verantworten alle traurigen Rekorde auf diesem Feld.

[Beifall bei der CDU – Doering (Linkspartei.PDS): 2000 und 2001 waren Sie dabei!]

Es wird höchste Zeit, Haushaltskonsolidierung nicht mehr als die bloße Senkung von Ausgaben zu begreifen. Finanzpolitik muss gerade auch im Zuge der Haushaltskonsolidierung unter den Rahmenbedingungen einer Haushaltsnotlage ihre dienende Funktion erfüllen.

[Doering (Linkspartei.PDS): Deshalb auch Ihre Verfassungsklage!]

Wirksam wird sie nur sein, wenn bei jeder Kürzung auch deren Wirkung auf die Ertragsseite, die Leistungsfähigkeit Berlins und damit auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen betrachtet wird. Wirksame Konsolidierungspolitik muss die Stärken der Stadt unterstützen und wirtschaftliche Tätigkeit befördern und nicht erdrosseln.

[Liebich (Linkspartei.PDS): Nur nichts Konkretes sagen!]

Berlin braucht die Stärkung seiner Zukunftspotentiale statt Abbau seiner Chancen. Berlins Potentiale liegen heute nicht mehr im Bereich der industriellen Fertigung. Seine wirtschaftliche Entwicklung liegt weit unter dem Bundesdurchschnitt. Deshalb ist es um so mehr geboten, die Potentiale, über die die Stadt noch verfügt, zu stärken, um daraus einen neuen wirtschaftlichen Aufschwung zu generieren. Die Zukunftspotentiale sind die Köpfe der Menschen, die es gilt auszubilden, Wissenschaft und Forschung, Zukunftstechnologien und das große kulturelle Angebot. Das – der Wissenschafts- und Kultursenator ist leider nicht mehr im Raum,

[Klemm (Linkspartei.PDS): Er ist noch da!]

das an seine Adresse – hat auch etwas mit der Auswahl von Führungskräften für diesen Bereich zu tun. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass man für ein Führungsamt in wissenschaftlichen oder kulturellen Einrichtungen dieses Landes eine lupenreine Stasi-Karriere vorweisen muss.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Oh! bei der Linkspartei.PDS]

Berlin braucht die Aktivierung privaten Kapitals statt Investitionsstau. Seit Jahren werden notwendige öffentliche Investitionen auf die lange Bank geschoben. Die Leidtragenden sind die Bürger und die Wirtschaft. Auf der anderen Seite stehen Investoren Schlange. Sie wollen den Flughafen Tempelhof auf eigene Kosten betreiben, sie wollen in die Wohnungsbaugesellschaften oder in den Krankenhausbereich investieren, und sie bieten PrivatePublic-Partnership-Modelle, die Berlin helfen, Investitionskosten zu senken. Berlin darf sich dem nicht weiter verweigern, sondern muss diese Initiativen aufgreifen und wieder ein positives Investitionsklima in der Stadt schaffen. Wie sagte der Finanzsenator gestern richtig? Das Beste für die Einnahmeseite des Haushalts ist eine gute Wirtschaftspolitik. – Richtig! Vielleicht sollten Sie das einmal Ihrem Kollegen Wolf sagen.

[Beifall bei der CDU]

Stattdessen ist Berlin Schlusslicht bei allen bundesweiten Rankings.

[Liebich (Linkspartei.PDS): Stimmt überhaupt nicht!]