Protocol of the Session on March 21, 2002

Hierzu muss man sich die Gesamtsteuerbelastung in Deutschland ansehen.

Da reicht es nicht, wenn man sagt: Den Grundsteuerhebesatz betrachten wir isoliert. Die Grundstückswerte in Berlin sind durchaus – das räume ich ein, darauf komme ich noch – relativ gering. Die Gesamtsteuerbelastung in Deutschland ist im Unterschied zu anderen Ländern weltweit, die ihre Hausaufgaben gemacht haben, sehr hoch. Das sind nicht nur die USA, die es bereits Anfang der achtziger Jahre gemacht haben, das sind die skandinavischen Länder, das sind Länder wie Holland, ehemalige Hochsteuerländer. In all diesen Ländern wurde im Unterschied zu Deutschland eine radikale Steuervereinfachung und eine radikale Steuersenkung durchgeführt. Und all diese Länder haben eines gemein: Sie haben sanierte Haushalte.

[Beifall bei der FDP]

In Deutschland dagegen machen Sie das nicht. Wir haben keine Steuervereinfachung unter Rot-Grün, keine Steuersenkung, sondern es kommt noch eine Ökosteuer hinzu.

[Zuruf des Abg. Schruoffeneger (Grüne)]

Und das ist die Gesamtsteuerbelastung, von der ich spreche, die man hier zunächst berücksichtigen muss. Dann kommen wir zur Grundsteuer. Das haben Sie schon gesagt, Frau Kollegin Spranger, der Grundsteuerhebesatz ist in keiner einzigen Kommune in Deutschland so hoch wie in Berlin. Wir haben bereits 600, das ist bereits einmalig hoch. Jetzt wollen Sie das um weitere 10 % erhöhen, als ob das noch nicht reicht. In einer gesamtwirtschaftlichen Situation, in der sich Deutschland und in der sich insbesondere auch Berlin befindet, in einer Rezession Steuern zu erhöhen, ist wirtschaftspolitischer Unsinn.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Genau das Gegenteil ist gefragt. Es sind Steuersenkungen gefragt. Steuersenkungen sind nicht nur wirtschaftspolitisch sinnvoll, sie sind auch fiskalpolitisch geboten. Nur Steuersenkungen haben Haushalte saniert, nur Steuersenkungen erhöhen die Einnahmen. Auch bei der Grundsteuer müssen wir einfach sehen, wo Berlin steht. Berlin hat hier gegenüber anderen Städten – das ist richtig – sogar einen Wettbewerbsvorteil. Die Mieten und die Kosten für Grundstücke sind in Berlin relativ gering. Und das

[Klemm (PDS): Trotz der Grundsteuer!]

ist ein Pfund, mit dem man wuchern muss. Da muss man genau das Gegenteil machen. Da muss man die Kosten des Wohnens eher weiter nach unten fahren, um einen Wettbewerbsvorteil weiter auszubauen, um hier einen Anreiz zu bieten, nach Berlin zu kommen.

[Zurufe von der PDS]

Mit Ihren Maßnahmen bewirken Sie genau das Gegenteil. Sie sorgen dafür, dass die Leute von Berlin wegbleiben und die, die in Berlin wohnen, ins Umland ziehen. Das ist Ihre alte Fehlvorstellung, dass man mit solchen Maßnahmen die Leute zu etwas zwingen kann. Man kann es nicht. Die Leute reagieren. Sie werden verschwinden. Sie werden ihre Häuser verkaufen.

[Zuruf des Abg. Pewestorff (PDS)]

Und sie werden Ausweichmöglichkeiten erlangen. Das klappt jedes Mal, und das wird auch dieses Mal wieder so funktionieren.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Danke schön! – Für die PDSFraktion hat der Abgeordnete Hoff das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will mich auf zwei Punkte konzentrieren, die von Herrn Zimmer und von dem Fraktionsvorsitzenden der FDP hier in Diskussion gebracht wurden. Ich fange mit dem Letzten an. Er bezog sich größtenteils auf den Grundsteuerhebesatz. Es ist eine einfache

Volkswahrheit: Das Gegenteil eines Fehlers ist häufig wieder ein Fehler. – Genauso eindimensional ist der Satz: Nur Steuererhöhungen schaffen eine perspektivisch bessere Haushaltssituation. Die Beispiele USA und Niederlande sind in einer Reihe von Punkten durchaus richtig. Der Punkt ist nur, dass es sich um ein gesamtes Politikbündel in beiden Ländern gehandelt hat, das zu einer besseren Haushaltssituation geführt hat. Das ausschließlich auf Steuersenkungen zu konzentrieren, macht es etwas schwierig. Insbesondere der Vergleich zwischen der Volkswirtschaft der USA und der Struktur der Volkswirtschaft der USA – insbesondere bezogen auf die Beschäftigungspolitik – mit dem Modell der Bunderepublik Deutschland ist nicht so ganz einfach. Das ist der Vergleich Bundesrepublik-Niederlande nahe liegender. Da kann man sich durchaus in dem einen oder anderen Punkt abschauen, was es dort für Beispiele gibt.

Die zentrale Frage ist jedoch die, die der Kollege Zimmer aufgemacht hat: Ist das neben dem verfassungsrechtlichen Punkt, zu dem ich gleich kommen möchte – – Um welchen Inhalt der Grundsteuererhöhung handelt es sich hier? – Wir müssen feststellen, dass wir einen sehr niedrigen Mietsatz haben. Das ist auch deutschlandweit zu sehen, dass das Land Berlin und die Kommune Berlin ein sehr niedriges Mietniveau hat und dass auch die Umlage auf die Mieten, die wir sehen, andererseits dazu führt, dass wir uns mit einer sehr maßvollen Grundsteuererhöhung konfrontiert sehen und nicht mit großen Sprüngen. Aus diesem Grunde ist das verkraftbar. Das kann man auch als zustimmungsfähig begreifen.

Der entscheidende Punkt, warum es hier in dem Vorschaltgesetz steht, das ist der Sachverhalt, dass nach § 25 Abs. 3 des Grundsteuergesetzes bis zum 30. Juni eine solche Änderung erfolgen muss, dass die Veröffentlichung des Haushaltsgesetzes aber erst nach dem 30. Juni kommt. Wenn man in diesem Land in diesem Jahr noch entsprechende Einnahmen durch die Grundsteuererhöhung haben will, dann müsste man es jetzt tun. Aus diesem Grunde ist das in diesem Punkt drin.

Da sind wir bei der zentralen Frage, die der Kollege Zimmer zur Drucksache 15/309 aufgemacht hat. Die Diskussion führen wir im Hauptausschuss schon seit vergangenem Herbst, wie man mit der Situation der vorläufigen Haushaltswirtschaft umgeht. Sie hatten im vergangenen Herbst die Forderung nach einem Nothaushalt gestellt. Wir sind auch über die entsprechenden Veröffentlichungen zu Nothaushalten schon in die Diskussion gekommen. Jetzt haben wir eine Haushaltsvorlage und werden in zwei Wochen darüber diskutieren. Wir sind in einer Situation, in der wir mit einem Haushaltsnotstand auch ein entsprechendes Vorschaltgesetz zum Haushaltsgesetz diskutieren müssen. Wir sind in einer Situation, in der wir mit Blick auf diesen Haushaltsnotstand an der Grenze von zulässiger Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes diskutieren. Uns muss es gemeinsam als Parlament gelingen, eine Situation zu schaffen, in der wir den entsprechenden Regelungen, die die Verfassung von Berlin uns bietet – – Sie haben Artikel 87 Abs. 2 – und mit Ergänzung von Herrn Wolf – Satz 2 genannt. Hinzu kommt dann, wie im Gesetz zitiert, § 18 Abs. 1 Satz 2 der Landeshaushaltsordnung. Hier ist deutlich zu machen und darzustellen, wie und ob wir eine nachhaltige Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts haben. Wir müssen als Haushaltsgesetzgeber im Hauptausschuss es schaffen, dass wir als Parlament ein Gesetz schaffen, das juristisch wasserfest ist, weil wir eine Situation verhindern müssen, in der eine Fraktion dieses Hauses zum Landesverfassungsgericht geht und es damit letztlich dazu kommt, was wir auch nicht wollen, was wir auch normativ als Parlament nicht wollen, in der das Verfassungsgericht zum Ersatzgesetzgeber wird bzw. die Aufgaben der Finanzwirtschaft übernimmt. Aus diesem Grunde muss es uns gemeinsam gelingen, zu einer entsprechenden Gesetzesformulierung zu kommen. Ich denke, dass wir das in der parlamentarischen Diskussion hinkriegen werden. Die Gesetzesbegründung hat einen Aspekt, auf den weiter einzugehen bedeutete, die Gesetzesbegründung zu rezipieren. Das ist nicht sinnvoll. Aus diesem Grunde ist der Ansatz der CDUFraktion, zu sagen: Es ist schwierig – – Auch unsere Fraktion wünscht sich im regulären parlamentarischen Verfahren weniger ein Vorschaltgesetz, sondern ein reguläres Gesetzgebungsver

fahren. Aber wir denken, dass wir dies in der gemeinsamen parlamentarischen Diskussion mit Blick auf die Sondersituation eines faktischen Haushaltsnotstands hinbekommen.

Zu den Kassenkrediten hat Frau Spranger den relevanten Punkt gesagt. Es gibt entsprechende Auflagen und Missbilligungen des Rechnungshofs.

Herr Abgeordneter, achten Sie bitte auf die Uhr!

Ich bin beim letzten Satz. – Der Senat konnte dem offensichtlich in diesem Jahr nicht Folge leisten, aber er ist in die Richtung des Rechnungshofs gegangen. Es wird sich zeigen, ob sich dies in den nächsten Jahren auch so durchsetzen kann, wie es das Parlament seit Jahren möchte. – Vielen Dank!

[Beifall bei der PDS]

Danke schön! – Bevor ich dem nächsten Redner das Wort gebe, möchte ich erläutern, warum wir mittlerweile etwas mehr auf die Einhaltung der Redezeit achten müssen. Sie bemerken sicherlich das geschäftige Treiben unserer fünf Geschäftsführer untereinander. Das hängt damit zusammen, dass momentan intensiv verhandelt wird, um die Tagesordnungspunkte noch etwas zu straffen. Der gegenwärtige Stand sieht angesichts des angemeldeten Redebedarfs einen Zeitplan bis weit nach 0.00 Uhr vor. Nur damit Sie sich darauf einrichten können, insbesondere die Senatsmitglieder! Ich bin zwar sicher, dass die Geschäftsführer Lösungswege finden werden, aber ich bitte alle nachfolgenden Rednerinnen und Redner, sich strikt an die Redezeiten zu halten und uns nachzusehen, wenn wir das etwas restriktiver handhaben werden.

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der Abgeordnete Schruoffeneger das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich bemühe mich redlich und bin sogar schon nach vorne gekommen, bevor Sie mich aufgerufen haben, um Zeit zu sparen.

Zeit sparen scheint auch ein Motto des Senats zu sein.

[Zuruf des Abg. Rabbach (CDU)]

Selbstverständlich! – Dieser Senat ist seit über zwei Monaten im Amt, und seit über zwei Monaten wissen wir auch, dass der Haushaltsbeschluss, die Festsetzung des Haushalts irgendwann vor den Sommerferien kommen wird. Und trotzdem bekommen wir diese Vorlage als Tischvorlage. – Ich weiß gar nicht, warum Sie sich im Moment so aufregen!

[Niedergesäß (CDU): Die ganze Senatsbank ist leer! Wo sind die denn?]

Ja, aber nach dem Desaster am Wochenende würde ich – –

Also, auf Ihre Zwischenbemerkung, Herr Niedergesäß, möchte ich Ihnen widersprechen: Die Senatsbank ist nicht leer. Der Regierende Bürgermeister ist anwesend, Bürgermeister Gysi ist anwesend, auch der Innensenator. Wir haben ab und zu auch einmal die Pflicht, in unsere eigenen Reihen zu gucken, und dann möchte ich nicht darüber richten, was die Anwesenheit der Abgeordneten betrifft.

[Beifall bei der SPD, den Grünen und der PDS]

Ich sage dieses nur, weil Ihre Zwischenbemerkung sicherlich auch so ins Protokoll kommt und ich dann nicht möchte, dass man ungerechtfertigterweise – –

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Der Innensenator ist nicht da!]

Der Innensenator befindet sich dort hinten, selbstverständlich! – Aber Herr Schruoffeneger hat das Wort, und das wird ihm nicht von der Redezeit abgezogen.

Das ist aber sehr freundlich! – Also, wir bekommen das trotzdem heute als Tischvorlage. Da fragt man sich: Was hat der Senat in den letzten zwei Monaten gemacht? – Dass diese Situation eintreten wird, wusste man seit langem. Mein Eindruck ist: Das Desaster des Wochenendes, das Desaster der Haushaltsklausur hat bei Ihnen jetzt zu einer mittleren Panikreaktion geführt. – Die Zahlen, die wir hier haben, belegen das auch, aber dazu komme ich noch.

Herr Lindner – zur Grundsteuer: Wir teilen eher die Position, die alle anderen Fraktionen – außer der FDP – vertreten haben. Ich glaube, es bringt in der jetzigen Lage des Landes Berlin nichts, in ideologischen Wolkenkuckucksheimen herumzutoben. Man mag das schön finden oder nicht – das sei Ihnen unbenommen –, aber mir war ein Beitrag von Herrn Zimmer, der gesagt hat, er findet das auch nicht schön, aber wir leben nun einmal in der Situation, in der wir sind, und deswegen muss das so sein, wesentlich lieber, als Ihre nebelige Auseinandersetzung, die jenseits jeglicher Realität war.

[Beifall bei den Grünen]

Ich konzentriere mich deshalb auf die Kreditermächtigungen, die in diesem Gesetz stehen. Dann erinnern wir uns einmal, wie der Senat Anfang des Jahres seinen Beschluss begründet hat, die Netto-Kreditaufnahme auf über 6 Milliarden anzuheben. Da hieß es immer: Wir tilgen die Altschulden; wir nehmen das Haushaltsdefizit der Vorjahre und setzen es auf Null; wir regeln das mit den Kassenkrediten, denn wir wollen die nicht mehr in der Höhe. Und dann bekomme ich plötzlich einen Gesetzesentwurf, da ist bei den Kassenkrediten überhaupt nichts abgesenkt. Da ist die alte Summe zu 100 % drin und nicht etwa für ein Jahr, sondern da heißt es:

Die Senatsverwaltung für Finanzen wird ermächtigt, in der Zeit bis zur Verkündung des Haushaltsgesetzes Kassenkredite in Höhe von 2,76 Milliarden § aufzunehmen.

Das ist ein halbes Jahr. Was machen Sie eigentlich anschließend? – Ich halte diese Zahl für einen deutlichen Beleg dafür, dass es mit Ihrer Finanzplanung nicht geklappt hat, dass Sie jetzt schon wissen, dass Sie von den Kassenkrediten nicht herunterkommen und dass Sie jetzt schon wissen, dass Sie auch, zum Ende dieses Haushaltsjahres, wieder im Defizit sein werden, weil Ihr Haushalt nicht trägt.

Herr Abgeordneter! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Lindner?

Aber bitte!

Bitte, Herr Dr. Lindner!