Die Problematik bei der Vergabe der Ein-Euro-Jobs ist erkannt, und die derzeitige Situation ist noch nicht zufriedenstellend. Ihren Antrag sehen wir als zusätzliche Unterstützung. Wir werden ihn im Ausschuss für Arbeit, berufliche Bildung und Frauen ausführlich behandeln, um
Vielen Dank, Frau Kollegin Grosse! – Nun naht der Kollege Kurth. Er erhält für die Fraktion der CDU das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An dem Antrag der Grünen und dem heute gewählten Punkt zur Priorität sind zwei Dinge zu begrüßen. Erstens sorgt der Antrag noch einmal für die bei diesem Senat dringend notwendige Sensibilität, was das Thema Umsetzung von Hartz IV angeht. Das ist nicht der einzige Punkt, den man hierzu nennen könnte, aber heute sind die so genannten MAE-Jobs Gegenstand des Antrags. Frau Grosse, wenn Sie sagen, der Senat habe das Problem erkannt, dann will ich Ihnen vorlesen, was Frau JungeReyer in der Antwort auf eine Kleine Anfrage geschrieben hat:
Die konkrete Ausfüllung der Begriffe „öffentliches Interesse“ und „Zusätzlichkeit“ erfolgt auf lokaler Ebene im Konsens der beteiligten Akteure.
Genau das ist nicht der Fall. Und mich wundert, dass die Bauverwaltung offensichtlich nicht einmal Zeitung liest. Dort wird das Problem tagtäglich in etlichen Artikeln geschildert. Das Problem ist auf Senatsebene nicht einmal bekannt. Deswegen wird dort auch nicht angesetzt.
Zweitens mahnt der Antrag zur Einheitlichkeit des Vorgehens in Berlin. Das ist, wie wir wissen, ein Problem. Ich glaube, tief in seinem Herzen teilt der Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen das unbefriedigende Gefühl, wenn er sich jetzt hinstellen und sagen muss: Mir bleibt nur die Rolle des Moderators, und die behaupte ich mehr, als ich sie tatsächlich wahrnehmen kann. Im Grunde kann ich gar nichts machen. Die Arbeitsgemeinschaften entziehen sich meiner Aufsicht. Die Beiräte haben letztlich auch nichts zu sagen. Es ist ganz egal, ob sie schon arbeiten oder nicht. Die machen, was sie wollen. – Die Eindrücke, dass es Zahlenvorgaben aus Nürnberg gibt, mehren sich. Beispielsweise wird gesagt: Arbeitsagentur XY, du hast aber wenig in dem Bereich getan. Jetzt liefere mal nach, und zwar dalli. – Das hat mit regionaler Arbeitsmarktpolitik nichts mehr zu tun. Hier werden keine Schwerpunkte gesetzt. Hier wird auch der notwendige Konsens mit den Gewerkschaften und der Wirtschaft aufgegeben. Dass angemahnt wird, hier möglicherweise über die Bundesagentur nachzujustieren, damit vor Ort Verantwortung wahrgenommen werden kann, ist ein weiterer richtiger Punkt in diesem Antrag. – Damit hören die richtigen Punkte dann leider auf.
Frau Dr. Klotz! Ich weiß nicht, was Sie sich bei der Begründung dieses Antrags gedacht haben, wenn Sie schreiben:
Angesichts der knappen Mittel öffentlicher Haushalte ist in der Regel jede Arbeit als zusätzlich zu betrachten.
So, wie es im Gesetz steht, sagen Sie. Aber das ist das, was Sie zur Forderung erheben, was Sie zur Begründung für Ihren Antrag gemacht haben. Sie können sich Ihre ganze feine Semantik im Vorfeld sparen, wenn Sie sagen: Knappe Kassen bedeuten, die Bezirke können letztlich machen, was sie wollen, die öffentliche Hand kann machen, was sie will. – Genau damit provozieren Sie ein Problem, dessen Lösung Sie behaupten, aber nicht erreichen können.
Ich halte den Weg über die Positivliste grundsätzlich für richtig. Ich glaube, man kann die Positivliste, wie sie als Entwurf vorliegt, noch ergänzen. Man kann auch quotale Überlegungen anstellen, wobei in einem bestimmten Prozentsatz ausgeschrieben und vergeben wird. All dies halte ich für möglich.
Ich halte es für sehr wichtig, dass sich der Senat bald darüber Gedanken macht, wie er wirklich eine stärkere Verantwortung und einheitliche Steuerung in dem Bereich wahrnehmen kann. Im Moment entsteht der kaum erträgliche Eindruck, dass die Arbeitsgemeinschaften machen, was sie wollen, und dass eine Moderation oder intensive Steuerung nicht stattfindet.
Ich halte es für zwingend – das ist mit Ihrem Antrag nicht zu leisten, Frau Dr. Klotz –, dass wir uns mit den Akteuren auf dem ersten Arbeitsmarkt – den Kammern, den Wirtschaftsverbänden und den Gewerkschaften – im Konsens bewegen.
Es kann nicht sein, dass wir uns über die Befürchtungen, die vom Deutschen Gewerkschaftsbund genauso geteilt werden wie von den Wirtschaftsverbänden, hinwegsetzen und sagen: Zusätzlich ist das, was wir als solches behaupten, weil kein Geld da ist. – Das geht nicht. Dazu ist die Gefahr auch für den ersten Arbeitsmarkt viel zu hoch.
Ein letzter Punkt, der bei diesem Aspekt genauso gilt wie bei vielen anderen Aspekten von Hartz IV: Wir sehen, dass mit diesem Instrument in einem bestimmten Umfang Probleme gemildert werden könne, dass aber der zusätzliche Impuls für den ersten Arbeitsmarkt ausbleiben wird. Deswegen ist das Beispiel der Ein-Euro-Jobs die Mahnung und das Anliegen an die Politik, sich dem Thema Lohnkostenzuschüsse in anderer Konsequenz zuzuwenden als bisher.
Wir werden den Antrag im Ausschuss für Wirtschaft, Betriebe und Technologie diskutieren. Die richtigen Punkte habe ich genannt, aber in der jetzigen Form ist der Antrag nicht zustimmungsfähig. – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Kurth! – Es folgt die PDS-Fraktion. – Bitte, Frau Kollegin Bluhm, Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir führen eine Debatte zu den Stichworten Zusätzlichkeit und öffentliches Interesse. In der Debatte gingen die Stichworte durcheinander. Frau Klotz hat gesagt, es liege keine Handlungsempfehlung vor. Doch, die liegt seit gestern vor. Frau Klotz weiß das. Sie wurde analog zu der Brandenburger verfasst.
Der Begriff der Zusätzlichkeit, Herr Kurth, ist im Gesetz geregelt. Darin wird deutlich darauf hingewiesen, dass eine Tätigkeit, die in den nächsten zwei Jahren ohne die Ein-Euro- oder Ein-Euro-Fünfzig-Jobs nicht zu erledigen wäre – – Auch da gibt es eine gesetzliche Grundlage.
Es ist eine interessante Fachdebatte, aber es ist bizarr, sie in fünf Minuten und in diesem Haus zu führen, wenn man sie aufklärerisch und Erfolg versprechend führen will. Wir haben 11 000 Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung. Wir hatten in der Stadt schon einmal eine ähnliche Situation mit ähnlichen ABM- und SAM-Zahlen und ähnlichen Problemen, und wir haben sie gemeinsam gelöst, wenn auch in einem Nichtangriffspakt oder sogar in einem akzeptierten Miteinander von Trägern, IHK und Handwerkskammer.
Unerfreulich und beunruhigend ist allerdings die alleinige Zuständigkeit der Jobcenter. Das ist bundesgesetzlich so geregelt. Das müsste man zuerst ändern und kritisieren. Es ist schwierig, das hier im Haus zu machen. Es bringt nichts, immer wieder den Senat anzuzählen, wenn das bundesgesetzlich vereinbart ist. Die Regionaldirektion möchte etwas anderes und ist mit der derzeitigen Situation sehr unzufrieden. Die sich gerade bildenden Beiräte wollen Einfluss nehmen, haben aber objektiv keine Einflussmöglichkeiten, und beim Senat ist es ebenso.
Und so verhält es sich auch mit der Handlungsempfehlung. Sie ist bezüglich der unmittelbaren Ausgestaltung dessen, was in diesen Bereichen sinnvoll zu tun ist und was nicht, verbesserungswürdig. Aber sie ist eine Handlungsempfehlung. Wenn die Jobcenter damit ihre Wände tapezieren und sich nicht im Entferntesten daran halten, können sie das nach den bundesgesetzlichen Regelungen tun.
Es war doch der stellvertretende Genosse der Bosse, der gesagt hat, 600 000 Ein-Euro-Jobs – auch dieser unsägliche Name stammt von ihm – solle es geben und wenn ich mich recht entsinne, auch in der Wirtschaft. Hat er vorher mit den Bossen nicht darüber gesprochen, wie man es regeln kann, dass es tatsächlich zu einer Integration der Betroffenen in den Arbeitsmarkt kommt, damit die Kommunen und in diesem Fall das Land Berlin auch etwas davon haben? – Auch die Befürchtungen der Handwerksbetriebe und der klein- und mittelständischen Un
ternehmen müssen berücksichtigt werden. Gerade Letztgenanntes tritt in Berlin in besonderer Weise zu Tage.
Hartz IV ändert die Instrumente der Arbeitsmarktpolitik, indem es sie stärker auf den ersten Arbeitsmarkt ausrichtet. Wenn dort aber keine Aufnahmekapazität vorhanden ist, ist der Konflikt vorprogrammiert. Diese Philosophie wird dann in Berlin fast ausschließlich unter den Aspekten Konkurrenz und Verdrängung diskutiert. Das ist genau das Problem, die Fokussierung auf dieses eine Instrument. Wir haben 35 Instrumente der Arbeitsmarktpolitik. Es gibt solche, die ausschließlich für Unternehmen des ersten Arbeitsmarktes gedacht sind. Die aber werden nur in geringem Maß eingesetzt im Vergleich mit der starken Fokussierung auf die Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung. In diesem Zusammenhang lobe ich die Bezirke Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg, die jeweils 1 200 Arbeitsgelegenheiten mit Entgelt, also sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, eingerichtet haben.
Ja, sie haben es geschafft. – Das sind positive Beispiele dafür, wo es funktioniert hat. Aber die berlinweite Fokussierung auf dieses Instrument schwächt die wirtschaftliche Situation der klein- und mittelständischen Betriebe und der Handwerksbetriebe und führt für diese zu einer zusätzlichen Verunsicherung. Das ist ein Problem, ebenso wie die ausschließliche Zuständigkeit der Jobcenter. Deshalb plädiere ich aber trotzdem dafür, mit den unterschiedlichen Akteuren – Herr Kurth hat von Konsens gesprochen, dieser wird schwer zu erzielen sein – eine Einigung zu erzielen. Man muss versuchen, die unterschiedlichen Interessen des DGB, der IHK und der Handwerkskammer, die an dieser Stelle nahezu identisch sind, bei Beachtung des Umstandes, dass wir es in Berlin mit einem nicht aufnahmefähigen Arbeitsmarkt zu tun haben, sowie der Bereitschaft zur Integration der Arbeitslosen unter einen Hut zu bringen. Eine Lösung kann aus meiner Sicht nur aus einer Kombination bestehen. Dazu gehören Vorschläge, welche Bereiche sich für MAE anbieten, Vorschläge, welche Bereiche in jedem Fall wettbewerbsverzerrend wirken würden, sowie Vorschläge, welche Zielgruppen etwas tun. Darüber hinaus müssten die Zuständigkeiten der beteiligten Akteure in diesem Bereich neu geregelt werden. – Viel Spaß bei einer entsprechenden Bundesratsinitiative!
Danke schön, Frau Kollegin Bluhm! – Als Letzter in der Redeliste steht Herr Kollege Lehmann von der Fraktion der FDP. Er hat das Wort – bitte!
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Eine Broschüre des Bundesministeriums für Wirtschaft trägt den Titel „Hartz IV – Menschen in Arbeit bringen“. Die Diskussion in den letzten Wochen und Monaten deckt sich zwar mit dieser Aussage, nur leider geht es dabei nicht um den ersten Arbeitsmarkt,
sondern um den zweiten. Wir diskutieren somit an der eigentlichen Sache vorbei. Das Experiment Hartz IV ist gescheitert – das ist nicht meine Aussage, Kollegin Grosse wird es wissen –, sondern die des Deutschen Gewerkschaftsbundes Berlin-Brandenburg. Ausnahms-weise stimme ich dem Gewerkschaftsverband einmal zu. Hartz IV scheint reguläre Arbeitsplätze zu verdrängen.
Bei den Ein-Euro-Jobs handelt es sich um einen Teufelskreis, aus dem wir schwer herauskommen. Einerseits soll neben dem Fördern richtigerweise auch das Fordern herausgestellt werden, andererseits gibt es so gut wie keinen Ein-Euro-Job, der wirklich zusätzlich ist. Alle Tätigkeiten könnten auch von Privaten übernommen werden. Ich gebe offen zu, auch ich habe für dieses Dilemma keine Patentlösung. Deshalb bin ich sehr skeptisch, ob die gemeinsame Erklärung des Senats und der anderen beteiligten Institutionen überhaupt eine Wirkung zeigen wird. Gleiches gilt für irgendwelche Positivlisten oder Unbedenklichkeitsbescheinigungen. Ich bitte deshalb den Senat, dem Abgeordnetenhaus genau zu berichten, welche Ergebnisse das Treffen mit den Beteiligen morgen zeitigt.
Ich möchte kurz auf einen weiteren negativen Aspekt aufmerksam machen. Es gibt durch Hartz IV ca. 70 000 Beschäftigungsmöglichkeiten, inklusive der Weiterbildungsmöglichkeiten. Was aber machen die restlichen 200 000 erwerbsfähigen Hilfeempfänger in den nächsten Jahren? – In der Praxis wird sich im Vergleich zur alten Arbeitslosenhilfe nichts Grundsätzliches ändern. Viele werden weiterhin viele Jahre auf das Abstellgleis gestellt. Die Presse war in den letzten Monaten voll von Berichten über möglichen Missbrauch von Ein-Euro-Jobs.
Der Antrag der Grünen führt jedoch in die Irre: Als zusätzlich sollen Arbeiten gelten, die auch zu einem späteren Zeitpunkt verrichtet werden könnten.
Ich sage dagegen: Entweder ist eine Arbeit zusätzlich oder sie ist es nicht. Der Zeitfaktor darf kein Kriterium für Zusätzlichkeit sein. Damit leisten die Grünen einem künftigen Missbrauch Vorschub.
Die Aufzählung, was alles im öffentlichen Interesse liege, ist viel zu breit angelegt. De facto handelt es sich bei dieser Aufzählung um alle staatlichen Aufgabenbereiche. Meine Partei sagt: Private Unternehmen können bestimmte Dienstleistungen effektiver und kostengünstiger anbieten.
Wer zum Beispiel über Maßen hinaus im Pflegebereich auf Ein-Euro-Jobs setzt, vernichtet gewollt Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt.
Wie wollen Sie in Wissenschaft und Forschung Ein-EuroJobber einsetzen? – Auf die Antwort bin ich sehr gespannt.