Meine Damen und Herren! Sehr verehrte Frau Präsidentin! Wir haben die Geschäftsordnung vor einiger Zeit geändert und den Prioritätenblock eingeführt, was ich sehr begrüße. Die bisherige Erfahrung damit ist durchaus positiv. Wenn ich mir aber die Diskussion über diesen Antrag anschaue, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, frage ich mich, was Sie geritten haben mag, diesen Schaufensterantrag mit Priorität zu besetzen.
Hätten Sie es doch so gemacht wie die PDS, die nicht einfach irgendeinen Antrag genommen hat, nur weil sie einen mit Priorität vortragen muss. Aber ich respektiere das, wenn Sie meinen, dass dieser Antrag für Sie Priorität hat, dann ist das scheinbar so.
Sie stellen einen Antrag zur Durchsetzung der Schulpflicht, reichen einen Änderungsantrag ein, um den ersten Antrag zu qualifizieren, doch an der Qualität des Antrags hat sich nichts geändert. Gegen das Anliegen habe ich im Grunde nichts einzuwenden, ganz im Gegenteil, wir unterstützen das auch, obwohl Ihr Beitrag, Frau SchultzeBerndt, dem Anliegen in keiner Weise gerecht wurde. Schülerinnen und Schüler müssen am Biologieunterricht, am Schwimmunterricht und am Sportunterricht teilnehmen, keine Frage. Um diese Fächer geht es Ihnen, es geht ja nicht um das Problem Schuldistanz oder um mehrere Hundert Schüler, die monatelang oder noch länger nicht zur Schule gehen. Religiöse, kulturelle oder sonstige Argumente sind keine Gründe, vom Unterricht fernzubleiben. Das hat auch das Verwaltungsgericht Hamburg jüngst festgestellt. Der schulische Erziehungsauftrag, die Schulpflicht haben Vorrang vor dem elterlichen Erziehungsrecht – auch daccord, kein Einwand.
Wie schaut die Berliner Realität aus? – Ich nenne hierzu die Zahlen aus der Stellungnahme der Senatsschulverwaltung: Es gibt in den Berliner Grundschulen ca. 150 000 Schülerinnen und Schüler, davon haben sich laut dieser Statistik – und ich bin nicht immer so misstrauisch wie Sie – 68 vom Schwimmunterricht befreit, 18 haben sich vom Sexualkundeunterricht befreit. Ob das ein Grund ist, einen Bürokratismus loszutreten, Amtsärzte zu beschäftigen usw., wage ich zu bezweifeln. Diese Statistiken sprechen eine andere Sprache und zeigen, dass Ihr Misstrauen unbegründet ist. Nötig dagegen ist der Dialog zwischen Eltern und Schulen, den wir an den Orten fördern müssen, wo es dieses Problem tatsächlich gibt. Wir können diesen Dialog nur fördern, wenn wir aufhören, einer ganzen Bevölkerungsgruppe – Ihnen geht es ja um die Muslime – mit pauschalen und subjektiven Verdächtigungen zu begegnen.
Das ist aber nicht der einzige Grund, warum wir diesen Antrag ablehnen. Wir haben nicht das Anliegen, wegen 68 Schülerinnen und Schülern – auch wenn die Dunkelziffer vielleicht noch höher ist – einen Bürokratismus loszutreten, der auch angesichts der Haushaltslage des Landes Berlin völlig unbegründet wäre. Aus diesem Grunde lehnen wir diesen Schaufensterantrag ab.
Danke schön! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ausschuss empfiehlt mehrheitlich gegen die Stimmen der Fraktion der CDU bei Enthaltung der FDP die Ablehnung des Antrags. Wer dem Antrag der CDU, Drucksache 15/3116, jedoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke! Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag abgelehnt.
Die Priorität der Fraktion der PDS, lfd. Nr. 4 c, wurde bereits mit der Priorität der SPD aufgerufen.
Zusätzlichkeit und öffentliches Interesse von Arbeitsangelegenheiten nach dem SGB II, insbesondere von Mehraufwandsentschädigungen (MAE)
Für die Beratungen stehen fünf Minuten zur Verfügung, und es beginnt die antragstellende Fraktion. – Frau Abgeordnete Klotz, Sie haben das Wort!
Danke schön, Frau Präsidentin! – Es hätte einen gewissen Charme, wenn der zuständige Senator für Arbeit und Wirtschaft dieser Debatte beiwohnen würde, und ich bitte darum, ihn herbeizurufen.
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir fahren fort in der Sitzung. Der Senator ist eingetroffen. – Das Wort hat Frau Dr. Klotz – bitte schön!
Schönen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! – Ich hatte das Bedürfnis, das mit Ihnen zu erörtern, Herr Wolf, zumal Sie auch im Ausschuss für Wirtschaft, Betriebe und Technologie so selten anwesend sind, dass ich darauf Wert legte, dass Sie mit dabei sind.
Fast täglich hören oder lesen wir in den Medien Berichte, dass die so genannten Ein-Euro- oder Zusatzjobs, Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwand heißen die im Übrigen richtig – reguläre Arbeitsplätze vernichten bzw. dass dies zu befürchten ist, und zwar sowohl im öffentlichen Dienst als auch bei kleinen und mittleren Berliner Unternehmen. Morgen beabsichtigt der Senat, mit Kammern und Verbänden eine so genannte Positivliste zu verabschieden. Auch wir als Grüne sehen in dieser Frage durchaus einen Handlungsbedarf und haben deshalb einen Antrag eingebracht, der im Kern fünf Vorschläge enthält: Erstens, dass auch das Land Berlin sich auf die gesetzlich vorgeschriebene und in der Vergangenheit im Übrigen auch durch die einschlägigen Gerichte bestätigte Definition von Zusätzlichkeit bezieht; zweitens, dass Branchen und Bereiche definiert werden, die im öffentlichen Interesse liegen, was z. B. immer dann der Fall ist, wenn es sich um gemeinnützige Belange handelt; dass drittens konkrete Regeln für Einsatzfelder bestimmt werden, Beispiel Kitabereich: Da gibt es einen Personalschlüssel, der ist einzuhalten; nur, was darüber hinaus dann wirklich gemacht wird, ist unseres Erachtens zusätzlich und damit statthaft. Ähnliches kann für Senioreneinrichtungen, für Pflegeeinrichtungen definiert werden, mit den entsprechenden Fachverwaltungen, Fachverbänden besprochen und verabschiedet werden, ansatzweise so, wie es die Schulverwaltung mit ihrer Vereinbarung schon versucht hat – die übrigens die einzige Hauptverwaltung ist, die es probiert hat. Viertens schlagen wir vor, dass, wenn es über diesen allgemeinen und diesen konkreten Regelungsbedarf hinaus Irritationen und Unstimmigkeiten gibt, dann, aber auch nur dann, eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist, zu der auch Kammern und Gewerkschaften heranzuziehen sind, z. B. in den Beiräten der Jobcenter. Fünftens sollte diese Verabredung berlinweit umgesetzt werden und nicht, wie das derzeit passiert, unterschiedlich je nach Bezirk und Jobcenter. – Dies sind unsere fünf Vorschläge.
Ein solches Vorgehen wird nicht jede Unklarheit beseitigen, aber auf jeden Fall wird es tausendmal besser funktionieren als das derzeitige Chaos. Deswegen plädie
ren wir auch dafür, dass sich das Parlament möglichst schnell auf eine Lösung verständigt und nicht, wie die Frau Grosse vorhin in einem Fernsehinterview sagte, dass wir uns damit noch Zeit lassen können. Wir können uns damit keine Zeit mehr lassen.
Eine solche Linie, auf die wir uns verständigen sollten, kann unserer Ansicht nach nur eine Linie der Verhältnismäßigkeit und Transparenz sein. Und es müssen für alle gleiche Regeln gelten, also auch für die großen Bildungswerke des Unternehmerverbandes Berlin-Brandenburg und, liebe Frau Grosse, für das Bildungswerk und die großen Beschäftigungsgesellschaften, die der DGB betreibt. Es müssen für alle die gleichen Regeln gelten, und es kann nicht sein, dass die großen Verbände ihren eigenen Bildungswerken die Unbedenklichkeit pauschal bescheinigen. Das ist nicht gerecht, das ist intransparent. Deswegen lehne ich das auch ab.
Wir sind uns auch einig darüber, dass das Ganze eine Gratwanderung ist und bleibt, nämlich zwischen den Interessen der Arbeitslosen und des Sozialgesetzbuches II; dieses Interesse besteht darin, dass die möglichst eine Beschäftigung wollen, die in eine feste Arbeit führt, also möglichst nah am realen Arbeitsmarkt stattfindet. Die andere Seite sind die Kammern und Verbände, welche die Arbeitslosen möglichst fern vom ersten Arbeitsmarkt halten wollen, weil sie eine Verdrängungsgefahr sehen, die auch real vorhanden ist. Die will ich nicht wegreden, die ist wirklich da. Ein solches Vorgehen muss möglichst transparent und unbürokratisch sein, der Senat hat eben darauf verzichtet, das kritisieren wir. Statt dessen hat der Senat am Anfang des Jahres einen wunderschönen Fototermin gemacht mit den Herren von der Handwerkskammer, der IHK, des UVB und des DGB. Die haben sich alle in die Augen geguckt und gesagt: Die Ein-Euro-Jobs sollen keine regulären Arbeitsplätze verdrängen. Die haben gesagt, die Welt soll gut sein. Sie haben nur leider nicht gesagt, wie der Weg dahin aussehen soll zu der guten Welt. Diese Antwort sind sie schuldig geblieben. Im April dann, als die ersten schlechten Nachrichten eintrafen, hat Herr Wolf erklärt:
Zusätzlich werde ich mich bei der Regionaldirektion dafür einsetzen, dass regelmäßig vor Einrichtung einer Beschäftigungsmaßnahme eine Unbedenklichkeitserklärung bei IHK oder Handwerkskammer eingeholt wird.
Toller Vorschlag! 35 000 Einzelfallprüfungen oder wie? Also völlig bürokratisch, völlig überzogen, richtig.
Und jetzt, sagt Herr Wolf, wollen wir eine Positivliste abstimmen. Und diese Positivliste, die z. B. dem Berliner Verband für Arbeit und Ausbildung schon zur Stellungnahme zur Verfügung gestellt wurde, ist pikanterweise eine Liste des Brandenburger Ministeriums für Arbeit, die man sich aus dem Internet herunterladen kann, vom 14. September letzten Jahres, liebe Frau Bluhm, bereinigt
Ich achte auf die Zeit, mache meinen Satz noch zu Ende. Dann macht Frau Bluhm bestimmt eine Kurzintervention, und dann komme ich noch mal dran. – Also bereinigt um einige Einsatzfelder, die man nicht möchte, und ergänzt um einige tolle Einsatzfelder, die z. B. lauten: Anfertigung von Tast- und Geruchskästen für Kinder. – Ich finde, so geht es nicht. Das ist unbürokratisch, das ist nicht in Ordnung, das hilft uns hier nicht weiter. Es löst nicht die Probleme am Arbeitsmarkt, das sehe ich auch. Aber wir haben die Kapazitäten nicht frei, uns mit einem so unsinnigen Verfahren zu beschäftigen. Deswegen fordern wir Sie auf zu handeln, und zwar jetzt und nicht erst in ein paar Monaten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Klotz! Die Berliner Grünen können sich nicht aus der Verantwortung ziehen, denn sie haben auf Bundesebene dieses Gesetz mit verabschiedet. Und Sie wissen, Frau Klotz, dass dieses Gesetz auch zur Folge hat, dass den Arbeitsgemeinschaften und optierenden Kommunen größere Flexibilitätsräume eröffnet wurden, was sich für Berlin jetzt als Hindernis für eine einheitliche Umsetzung des Hartz-IV-Gesetzes darstellt. Und wenn Sie es noch so oft sagen, dass die rot-rote Koalition nicht handelt: Es stimmt einfach nicht, das ist die Unwahrheit, und das wissen Sie auch.
Es wird nicht besser, wenn Sie es täglich oder von Ausschuss zu Ausschuss wiederholen. Was Sie vorhin dargestellt haben, dass ich geäußert habe, wir hätten in Berlin noch Zeit – das ist unrichtig. Ich bitte Sie, das zurückzunehmen. Ich habe gesagt: Es dauert eine gewisse Zeit, bis wir die Verabredung in Berlin so haben, dass wir diese Positivliste aufstellen. Und die wird morgen aufgestellt. Ich bitte Sie, nicht so etwas Unrichtiges hier im Parlament zu erzählen. Wir haben in Berlin pro Bezirk eine Arbeitsgemeinschaft eingerichtet, um gerade den Bezirken die Möglichkeit zu geben, auf ihre besonderen Situationen bei den Eingliederungsmaßnahmen einwirken zu können. Das wissen Sie auch ganz genau. Das stellt sich gerade bei der Vergabe der so genannten Ein-Euro-Jobs als Problem dar. Da gebe ich Ihnen Recht. Aber diese Problematik war allen Beteiligten von Anfang an klar, deshalb auch die Rahmenvereinbarung schon zur Errichtung der 12 Arbeitsgemeinschaften in Berlin, damit die wenigstens erst einmal einheitlich eingerichtet werden, und die abgeschlossene Vereinbarung zur Handhabung von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung, so genannten Ein-Euro-Jobs. Wenn Sie vor laufender Kamera sa
gen, es war nur ein Fototermin zwischen den Organisatoren und der Senatsverwaltung, dann ist das eine Frechheit, das wissen Sie auch.
Sie sind hier nun mal in der Opposition, und das ärgert Sie, das merke ich. Sie denken immer wieder, wenn Sie in der Regierung säßen, würde das alles schon wunderbar laufen, obwohl Sie genau wissen, wie schwierig es ist, so eine Reform umzusetzen. Bleiben Sie doch mal ehrlich!
Genau! Aber davon wollen die Grünen in Berlin nichts wissen. – Richtig ist, dass diese Absichtserklärung für die Vergabe der Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung noch nicht ausreicht. Das zeigt die Praxis. Richtig ist auch, dass die Herangehensweise bei der Vergabe der so genannten Ein-Euro-Jobs von Jobcenter zu Jobcenter sehr unterschiedlich ist. Davon konnte ich mich selbst bei dem Besuch der Jobcenter überzeugen. Die einen arbeiten mit den Unbedenklichkeitsbescheinigungen, und die anderen denken gar nicht daran.
Sie fordern den Senat in Ihrem Antrag auf, sich für eine berlinweit einheitliche Handhabung der Kriterien einzusetzen, die über die bisherige Absichtserklärung hinausgeht. Ich nehme an, Sie wollen zum Beispiel vermeiden, dass in einem Bezirk die Schulgebäude von EinEuro-Jobbern saniert werden, was in anderen Bezirken verwehrt wird, damit keine regulären Arbeitsplätze verdrängt werden. Das ist die Gratwanderung. Wo fängt die Zusätzlichkeit an, und was liegt im öffentlichen Interesse? – Ihr Antrag ist verständlich, aber er kommt zu spät, denn die Positiv- oder auch Negativliste wird morgen vorgestellt.
Frau Klotz! Sie können später immer noch dagegen protestieren. – Wir dürfen und können nicht zulassen, dass durch den Einsatz von Ein-Euro-Jobbern reguläre Arbeitsplätze, aber auch andere Beschäftigungsverhältnisse auf dem ersten Arbeitsmarkt verdrängt werden.
Wir dürfen aber auch nicht zulassen, dass Tätigkeiten, die von Arbeitnehmern aus dem Stellenpool übernommen werden können, von Ein-Euro-Jobbern gemacht werden. Hier sind die Begehrlichkeiten der Bezirke angesichts ihrer Haushaltslage verständlicherweise groß. Damit es in den Bezirken zu einheitlichen Regelungen kommt, benötigen wir auch für diesen Bereich die Positiv- oder vielmehr die Negativliste. Zudem müssen die Jobcenter, die jetzt mit Unbedenklichkeitsbescheinigungen arbeiten, von der Bürokratie entlastet werden,. Dazu dienen ebenfalls die erwähnten Listen.
Die Problematik bei der Vergabe der Ein-Euro-Jobs ist erkannt, und die derzeitige Situation ist noch nicht zufriedenstellend. Ihren Antrag sehen wir als zusätzliche Unterstützung. Wir werden ihn im Ausschuss für Arbeit, berufliche Bildung und Frauen ausführlich behandeln, um