Protocol of the Session on April 14, 2005

Ein zweiter Punkt ist die Forderung nach wirkungsvollen Steuerungsmöglichkeiten bei den so genannten Ein-Euro-Jobs. Auch das finden wir prinzipiell erst einmal richtig. Leider haben Sie in Ihrem Antrag nicht geschrieben, wie so etwas aussehen könnte. Aber vielleicht arbeiten Sie an dieser Stelle noch nach und machen konkrete Vorschläge im Rahmen der Debatte im usschuss. A

Es gibt unserer Ansicht nach aber noch weiteren zentralen Änderungsbedarf, den Sie in Ihrem Antrag leider nicht erwähnt haben. Dazu gehört die Verbesserung der Anrechnung von Partnereinkommen und Vermögen, aber auch der gleichwertige Anspruch von Nichtleistungsempfängern und -empfängerinnen für alle beschäftigungspolitischen Maßnahmen. Dazu gehört aber auch die so genannte 58er-Regelung, die in den alten Zustand zurückgeführt werden sollte.

Jetzt komme ich zu Ihrem Antrag zurück. Sie fordern, dass die Zuverdienstmöglichkeit auf 30 % erhöht wird. Das hat mich überrascht. Bis vor kurzem sind Sie die Partei gewesen, die die Fahne des Lohnabstandsgebots hochgehalten hat. Wenn Sie jetzt aber diese Idee, die von der Bundespartei stammt, nachrechnen, werden Sie feststellen, dass Arbeitslosengeld-II-Berechtigte mit einem Minijob fast ein Einkommen in der Höhe eines Mindestlohnes

hätten. Wenn Sie so weit sind, dann springen Sie endlich. Beschränken Sie sich auf die richtige Forderung eines gesetzlichen Mindestlohnes, denn dann brauchen wir diese Zuverdienstregelung nicht.

[Beifall bei der PDS]

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Danke schön, Frau Kollegin Breitenbach! Nächster Redner ist der Kollege Lehmann. Er erhält das Wort für die FDP-Fraktion. – Bitte!

Die gestrige Sitzung des Ausschusses für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen hat den Missstand einmal mehr allzu deutlich gemacht. Die Regionaldirektion Berlin-Brandenburg konnte keine verlässlichen Zahlen für eine 100-Tage-Bilanz vorlegen. Auch dabei hätte ich erwartet, dass der Senat das kritisch kommentiert. Leider hat der Ausschuss vergeblich darauf gewartet. Was aber nur zu deutlich wurde, ist die Tatsache, dass sich Jobcenter und Agenturen in erster Linie mit sich selbst beschäftigen. Das geht zu Lasten der arbeitslosen Berlinerinnen und Berliner.

Einige Punkte führe ich dazu auf. Jedes Jobcenter scheint nach eigenen Regeln zu funktionieren. So werden Bildungsgutscheine nach unterschiedlichen Kriterien vergeben. Die volle Personalstärke ist in den Jobcentern noch nicht erreicht, obwohl die Vorlaufzeit weit über ein Jahr beträgt. Viele Jobcenter gehen davon aus, dass sie erst im September funktionsfähig sind. Die Fallmanagementquote bei den Erwachsenen von 1:150 ist längst noch nicht erreicht, und es existieren erhebliche Reibereien in den Jobcentern zwischen den Mitarbeitern der Sozialämter und der Agenturen.

Lehmann

Der Antrag wurde bereits vorab an den Ausschuss für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen überwiesen, wozu ich Ihre nachträgliche Zustimmung feststelle. Die ursprünglich auch vorgenommene Vorabüberweisung mit

beratend an den Ausschuss für Gesundheit, Soziales, Migration und Verbraucherschutz wurde von der antragstellenden Fraktion der CDU zurückgenommen und in der Sitzung des Ältestenrates am Dienstag aufgehoben.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hat ein Fahrgast Rechte? – Ja, würde man sagen, er kann einen Fahrschein kaufen. Was für ein Recht erwirbt er denn damit? – Er erwirbt damit das Recht, einen Bahnhof zu betreten, auch ein Fahrzeug des Verkehrsmittels, das er gewählt hat, zu betreten, damit transportiert zu werden und auch wieder zu verlassen. Hat er das Recht, einen falschen Fahrschein zu erwerben? – Nein, das Recht hat er nicht,

Berlin muss sich mit über 400 000 arbeitslosen Menschen beschäftigen. Die Armut wächst und wächst. Das ist allein schon ein Skandal. Die Bürokratie dagegen hat nichts Besseres zu tun, als durch einen mehrmonatigen Selbsterfahrungstrip zu Lasten der Betroffenen immer mehr Zeit verstreichen zu lassen.

[Beifall bei der FDP]

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – das will ich an dieser Stelle auch einmal sagen – trifft keine Schuld. Sie leisten nach den speziellen Gegebenheiten eine gute Arbeit. Es ist vielmehr das System Hartz IV, welches wahrscheinlich auch in Zukunft nur geringe Erfolge bringen wird. Daher kann man, wie im CDU-Antrag in einigen Punkten richtig angemerkt wurde, Hartz IV verbessern. Doch wird die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt systembedingt nicht gelingen.

Einige Punkte sind von uns schon vorgeschlagen worden. So ist es dringend notwendig, die Zuverdienstgrenze zu modifizieren, den Menschen einen Anreiz zu bieten, sich selbständig eine Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt zu suchen. Außerdem empfinde ich es immer noch als Skandal, die Riester-Rente nicht bei der Altersvorsorge anzurechnen, aber die privaten Rentenverträge sehr wohl. Wir alle wissen doch, dass die private Altersvorsorge durch die demographische Entwicklung in Deutschland eine immer größere Rolle spielen wird. Wer jahrelang vorgesorgt hat, wird jetzt bestraft. So geht das wirklich nicht. Deshalb verweise ich auf unseren Antrag, der vorsieht, kommende Altersarmut zu vermeiden, indem die aus der privaten Altersvorsorge zu erwartende Rentenleistung der Höhe der monatlichen Leistung nach dem Grundsicherungsgesetz entspricht.

Die Senkung der Arbeitslosenversicherung um 1,5 % ist ein richtiger Schritt. Doch er reicht bei weitem nicht aus. Ohne die Reform des gesamten Arbeitsrechts – Hartz hin, Hartz her – wird es keine neuen Arbeitsplätze geben.

An der heutigen Tagesordnung des Plenums können Sie ermessen, dass unsere Fraktion zu diesem Thema wichtige Vorschläge gemacht hat. Ich hoffe, dass CDU und FDP dabei an einem Strang ziehen können. Bei den anderen Fraktionen muss ich leider gestehen, habe ich wenig Hoffnung. Ich verweise nur auf die weltfremden und ideologischen Aussagen des SPD-Bundesvorsitzenden zum Thema Globalisierung und Unternehmensprofite. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Beifall des Abg. Hoffmann (CDU)]

Danke schön, Herr Kollege Lehmann! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Ich rufe auf als Priorität der Fraktion der PDS

lfd. Nr. 4 d:

Antrag

Verbraucherschutz und Stärkung der Kundenorientierung im Berliner ÖPNV

Antrag der SPD und der PDS Drs 15/3797

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der PDS. – Bitte, das Wort hat Frau Kollegin Matuschek!

[Zuruf des Abg. Schruoffeneger (Grüne)]

auch nicht versehentlich, denn ein falscher Fahrschein wird von den Verkehrsbetrieben in aller Regel als nicht bezahlte Fahrt und damit als Schwarzfahren gewertet. Wenn aber jemand dreimal schwarz gefahren ist, kann er sogar ins Gefängnis kommen. So ist im Augenblick die Lage. Sie beruht nicht auf einer Regelung von vor zehn, nicht auf einer von vor zwanzig oder dreißig Jahren, sondern auf einer von 1938. Demnach ist der Fahrgast auch weiterhin nach wie vor ein „Beförderungsfall“.

Die Realität hat sich aber in den letzten fast siebzig Jahren deutlich geändert, und auch die Verkehrsunternehmen wollen keine Behörden mehr sein. Das böse Wort „Behördenverkehr“ soll ja nun in der Realität ad absurdum geführt werden, indem die Verkehrsunternehmen Dienstleistungsunternehmen sein wollen und auch sein sollen. Das heißt aber, Dienstleistungsunternehmen haben andere Verhältnisse gegenüber ihren Kunden als ein Beförderungsunternehmen gegenüber einem Beförderungsfall. So ist zu verzeichnen, dass es verschiedene Ansätze auf unterschiedlichen Ebenen gibt, die Beziehungen zwischen Fahrgästen als Kunden und Verkehrsunternehmen als Dienstleistungsunternehmen neu zu regeln. Es gibt dazu auf der EU-Ebene die Absicht, möglicherweise eine Verordnung oder eine Richtlinie zu erlassen, es gibt eine Bundesratsinitiative vom Land Nordrhein-Westfalen, entsprechende gesetzliche Regelungen herbeizuführen.

Wir möchten das Ganze auf den Berliner Nahverkehr anwenden, indem wir bestimmte Grundsätze für Fahrgastrechte, bestimmte Grundsätze für die Verbraucherschutz

Frau Matuschek

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Tat: Verbraucherschutz im öffentli

chen Personennahverkehr ist ein Thema, sollte ein Thema sein. Da sind wir noch lange nicht auf dem Stand, auf dem wir in anderen Bereichen sind. Der gute alte Obrigkeitsstaat feiert dort immer noch fröhliche Triumphe, in dem es noch Transportbeamte gab – man sieht bei einigen Mitarbeitern der öffentlichen Unternehmen noch insgeheim die Pickelhaube auf dem Haupt –, wo man dem Beförderungsfall als Obrigkeit vorgeordnet ist. Ich erinnere mich noch an Diskussionen, die mit der BVG geführt wurden, ob die Abfertiger auf den Bahnhöfen „Zurückbleiben, bitte!“ rufen dürften oder ob das eigentlich unzumutbar sei, da das Zurückbleiben ein Befehl, und zwar von der gesetzlichen Seite vorgegeben, sei und bei „bitte“ die Fahrgäste auf die Idee kommen könnten, dass sie auch die Auswahl hätten, nicht zurückzubleiben. – Das Problem ist lange gelöst. Jetzt gibt es keine Aufsichten mehr auf den Bahnhöfen. Damit ist dieses Thema auch beendet. Ob das nun kundengünstig gelöst worden ist, darüber kann man sich allerdings streiten.

Sicherlich sind viele Punkte, die hier im Antrag aufgeführt sind, nötig. Man muss sich darüber Gedanken machen. Natürlich, liebe Frau Matuschek, sollte es ein Fahrplanbuch geben. Es sollte auch eines geben, das halbwegs aktuell ist. Das wäre schon einmal etwas Gutes, wenn dort Fahrpläne wären, die der Realität entsprechen. Es wäre auch schön, wenn die Verkehrsunternehmen Anschlusssicherheit gewährleisten würden und die Kunden nicht immer nur den Bus wegfahren sehen würden. Es wäre auch schön, wenn es Fahrscheinautomaten gäbe – wenn es schon keine Menschen mehr gibt, die Fahrscheine verkaufen –, die funktionieren und nicht die Geldscheine ständig wieder ausspucken. Da gibt es sicherlich eine Menge zu regeln, keine Frage.

belange im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs derart regeln, dass entsprechende Vorgaben in den Nahverkehrsplan eingebracht werden, an die sich die Verkehrsunternehmen zu halten haben. Ich verhehle nicht, dass wir in Berlin keine schlechte Situation bezüglich der Fahrgastrechte und des Verbraucherschutzes haben.

Wir haben sowohl von Seiten der S-Bahn als auch von der BVG freiwillige Leistungen der Verkehrsunternehmen, die sehr gut sind. Sie sind zum Teil auch bei den Fahrgästen bekannt, aber es sind freiwillige Leistungen. Wir beabsichtigen eine etwas höhere Verbindlichkeit einer – wenn man sie so nennen möchte – Fahrgast-Charta oder eine Regelung, welche Rechte Fahrgäste haben. Das muss sich nicht erst im Konfliktfall darstellen, wenn ein Bus ausgefallen ist und der Fahrgast Ersatz verlangt. Das fängt schon dabei an, welche Informationen auf welchem Weg den Fahrgästen unbedingt zugänglich zu machen sind. Es darf selbstverständlich keine Einengung auf ein derartiges Medium wie das Internet geben oder – daran denkt man zum Glück im Augenblick nicht – den Verzicht auf das Aushängen von Fahrplänen an den einzelnen Bus- oder Straßenbahnhaltestellen. Neuerdings könnte man die Informationen ja auch über das Handy abfordern.

Wir wollen keine Horrorszenarien über denkbare Veränderungen im Zuge der Wirtschaftlichkeit zu Lasten der Information des Fahrgastes an die Wand malen, aber wir möchten von vornherein sagen, was Mindeststandards für Fahrgastinformationen sind. Das heißt also, dass auch weiterhin ein Fahrplan, ein Fahrplanbuch, ein Atlas für den Nahverkehr vorhanden sind.

Wir möchten eine etwas verbindlichere Art und Weise, wie mit Beschwerden umgegangen wird. Gerade nach der Neustrukturierung des Liniennetzes der BVG haben wir den Großversuch „Beschwerden zum Nahverkehr“ vor Augen, der zeigt, dass viele Beschwerden auf unterschiedlichen Wegen zu verschiedenen Institutionen gelangt sind. Wie man damit umgeht, ist zurzeit den Verkehrsunternehmen überlassen. Wir würden ihnen schon gerne ins Buch schreiben: Wenn Ihnen jemand schreibt, sollte man auch schriftlich antworten. – Verkehrsbetriebe in Karlsruhe und Hamburg haben im Übrigen gute Erfahrungen mit einem offensiven Beschwerdemanagement gemacht. Da sollten auch unsere Verkehrsunternehmen keine Angst haben, dass ihnen durch Fahrgastrechte und Regelungen dazu die unternehmerische Wirtschaftlichkeit eingeengt wird. In aller Regel haben solche Systeme positive Effekte für die Kundenbindung, für die Fahrgastgewinnung. Das möchten wir gerne durch unseren Antrag unterstützen. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Danke schön, Frau Kollegin Matuschek! – Es folgt der Kollege Kaczmarek von der Fraktion der CDU. Er hat das Wort. – Bitte schön!

[Zuruf des Abg. Schruoffeneger (Grüne)]

Die Frage, die sich allerdings schon stellt, ist: Warum kommen die Unternehmen nicht auf die Idee, das, was sie als ihre ureigenste Aufgabe ansehen müssten, selbst zu tun? Warum brauchen sie das Parlament dafür? Warum brauchen sie einen Antrag dafür?

[Zuruf der Frau Abg. Hämmerling (Grüne)]

Frau Hämmerling, da haben wir vielleicht eine ähnliche Meinung. Warum? – Weil es keinen Wettbewerb gibt. Wettbewerb ist der beste Verbraucherschutz. Da braucht man keine langwierigen Regelungen, da braucht man keine umfangreichen Änderungen von Gesetzen, da braucht man keine Nahverkehrspläne mit langen Paragraphen über alle möglichen Kundenorientierungen.

[Beifall bei der CDU – Beifall des Abg. von Lüdeke (FDP)]

Wenn ein Unternehmen im Wettbewerb steht, wird es sich am Kunden orientieren, dann ist es auf diesen Kunden angewiesen. Wenn es das nicht tut, wird es aus dem Markt ausscheiden müssen.

[Frau Simon (PDS): Wie in England?]

Aber Wettbewerb, liebe Antragssteller von der PDS und der SPD, ist das Allerletzte, was Sie im öffentlichen Nah

Kaczmarek

In Berlin kann man mit BVG und S-Bahn gut mobil sein. Viele Berlinerinnen und Berliner nutzen das. Berlin hat überdurchschnittlich viele Haushalte ohne Auto. Obwohl in dieser Stadt bekanntlich gerne und viel gemeckert wird, weiß derjenige, der den Berliner ÖPNV mit dem anderer deutscher Städte ehrlich vergleicht, was wir an unserem öffentlichen Nahverkehr haben.