Herr Wowereit, ich fordere Sie auf zu handeln, weit mehr als eine Viertelmillion Menschen in Berlin sind arbeitslos. Hunderttausende sorgen sich um ihre Zukunft. Immer noch starten junge Menschen unqualifiziert und damit ohne Perspektive in die Arbeitslosigkeit. Wir alle kennen die schwierige Haushaltslage Berlins, deshalb müssen die öffentlichen Mittel unbedingt zielgerichtet und strategisch eingesetzt werden. Ich erwarte deshalb Ihre Zustimmung zu unserem Antrag, mit dem wir der Arbeitslosigkeit den Kampf ansagen. Wir sind es den Menschen in unserer Stadt schuldig, endlich anzupacken. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Danke schön, Herr Abgeordneter Zimmer! – Das Wort für die PDS-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Hoff. – Bitte sehr!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Während SPD, Union und Grüne sich im Kanzleramt zum so genannten Jobgipfel treffen, bleibt der FDP nur die Aktuelle Stunde, denn beim Jobgipfel sind sie nicht eingeladen.
Aber wir haben Ihnen die Aktuelle Stunde gerne zugestanden, weil uns das die Möglichkeit gibt, sich mit Ihren Vorstellungen von Wirtschaftspolitik auseinander zu setzen.
Niemand hier im Haus bestreitet, dass Wirtschaftswachstum und Investitionen Voraussetzungen für neue Jobs sind, aber die in den letzten Tagen unterbreiteten Vorschläge, wie mehr Investitionen erreicht werden können, sind aus unserer Sicht kontraproduktiv. Da fordert beispielsweise der Arbeitgeberpräsident Hundt, der in seinem Leben mit Sicherheit keine gesetzliche Rente erhalten wird, die Renten zu kürzen und damit nichts weiter zu machen, als was die Grünen, Union, FDP auch wollen, Unternehmensteuer senken, Arbeitskosten senken und damit nichts weiter zu machen, als Gift für die Binnennachfrage zu realisieren. Mit sinkenden Reallöhnen, Kürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengelds, dem Sturz der Langzeitarbeitslosen auf das Niveau der bisherigen Sozialhilfe wurde die Axt an die Verbesserung der Investitionsquote gelegt. Das einzige, was in Deutschland steigt, sind die Arbeitslosenzahlen und die Unternehmensgewinne, aber nicht die Binnennachfrage. Das ist ein Problem für Deutschland.
Herr Dr. Lindner, Sie gehören einer in Deutschland durchaus großen Gruppe von Leuten an, die meinen, dass
Stichwort öffentliche Beschäftigungsförderung: Da haben wir als PDS lange Zeit allein gestanden, als wir gesagt haben: Wir brauchen einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor. – Öffentlich geförderte Beschäftigung gibt es schon lange, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, SAM, jetzt die so genannten Ein-Euro-Jobs. Das Problem dieser Form von öffentlich geförderter Beschäf
tigung ist, dass es ein Abstellgleis und nicht eine Schienenverbindung in den ersten Arbeitsmarkt ist. Aus diesem Grund finden wir es richtig, die Mittel, die die Langzeitarbeitslosen über Arbeitslosengeld II, Kosten für Wohnen, Zusatzjobs zustehen, zu kapitalisieren und damit reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu schaffen.
Stichwort Arbeitsschutz: Herr Dr. Lindner hat heute wieder einen grandiosen Vorschlag unterbreitet, nämlich das Tarifkartell aufzubrechen. Nun sage ich: Was hat der ökonomischen Entwicklung Deutschlands mehr gebracht: die Sozialpartnerschaft, die den rheinischen Kapitalismus und das Nachkriegswirtschaftswunder realisiert hat, oder Forderungen, wie wir sie heute von der FDP in einem dringlichen Antrag präsentiert bekommen haben, den Jugendarbeitsschutz für Nachruhe, Sonn- und Feiertagsarbeit aufzuheben? – Das ist wirklich ein unglaublich zynischer Vorgang, den die FDP hier als Antrag in das Parlament einbringt. 1989 hätte man in der DDR gesagt: FDP in die Produktion! –, damit Sie lernen, wie es bei Sonn- und Feiertagsarbeit aussieht.
Stichwort Schwarzarbeit: Schwarzarbeit ist ein Problem. Der Wirtschaftssenator arbeitet daran, denn es handelt sich dabei um Ausbeutung in Form von Niedrigstlöhnen ohne soziale Absicherung zu Lasten regulärer Beschäftigungsverhältnisse. Wer Schwarzarbeit bekämpfen will, muss Geringqualifizierten netto mehr bieten.
Mitte der 70er Jahre jede Form der nachfrageorientierten Wirtschaft gestorben ist. Sie können in Ihrem Mikrokosmos Deutschland bleiben, Sie können in Ihrer mit dem Horizont einer knienden Ameise ausgestatteten wirtschaftspolitischen Vorstellungswelt von Angebotsorientierung verbleiben. Aber wenn Sie einen Blick über Deutschland hinaus werfen, werden Sie feststellen, dass es Unternehmensberatungen, Wirtschaftsberater angesehener Banken gibt, die sagen, dass es ein Irrwitz ist, dass Deutschland das einzige Land ist, in dem die Nachfrageökonomie so dermaßen heruntergeredet wird, während im internationalen Vergleich kein angesehener Ökonom auf diese Weise mit der Angebotsökonomie umgeht. Sich mit diesen Problemen auseinander zu setzen, heißt vielleicht, etwas von der eigenen wirtschaftspolitischen Halbgottheit, die Sie heute in Ihrer Rede versucht haben darzustellen, zurückzunehmen und sich dem internationalen ökonomischen Diskurs wieder etwas zu öffnen.
[Beifall bei der PDS – Hoffmann (CDU): Ist ja cool! Wie erklären Sie sich das, wo Sie doch die Löhne der Arbeitnehmer gesenkt haben? – Zurufe der Abgn. Frau Dr. Klotz (Grüne) und Doering (PDS)]
Herr Hoffmann, bleiben Sie doch einfach ruhig! – Deshalb sage ich mit Bezug auf einen internationalen ökonomischen Diskurs, dass das A und O für Wachstum und Beschäftigung die Stärkung der Binnennachfrage, eine gerechte Steuerreform, Bürokratieabbau – da bin ich mit einzelnen Vorschlägen sogar einig – und eine öffentlich geförderte Beschäftigung sind. Dazu werde ich Ihnen jetzt ein paar Stichworte von meiner Seite geben.
Stichwort Bürokratieabbau: Herr Lindner hat sich zu der Aussage verstiegen, hier würde nichts gemacht. Ich nenne eins: One-Stop-Agency. Es gibt noch andere Maßnahmen im Wirtschaftsbereich. Hier haben diese rot-rote Regierung und der Wirtschaftssenator Maßnahmen vorgenommen, die keine Vorgängerregierung in diesem Umfang realisiert hat. Wir haben jetzt schon wieder ein Gesetz zur Rechtsvereinfachung, über das in diesem Abgeordnetenhaus diskutiert werden wird. Diese Koalition macht Bürokratieabbau, aber sie macht nicht 60 Anträge, von denen der größte Teil Unsinn ist, unter dem Stichwort „Weniger Bürokratie, weniger Staat“, sondern wir machen Rechtsvereinfachung da, wo sie notwendig und möglich ist, nämlich da, wo es um Bürokratie und nicht mehr die unverzichtbaren Schutzinteressen der Allgemeinheit geht. Diese Politik ist erfolgreich, wie wir ganz offensichtlich in den letzten drei Jahren feststellen konnten.
Deshalb unterstützen wir den Wirtschaftssenator Harald Wolf, wenn er vorschlägt, einfache Tätigkeiten von den Sozialbeiträgen freizustellen und diese stattdessen aus Steuermitteln zu bezahlen. Damit würde eine Tätigkeit mit einem Arbeitsentgelt von 1 000 € von circa 400 € Sozialbeiträgen entlastet werden können. So könnten das Nettoeinkommen für die Beschäftigten erhöht, die Lohnnebenkosten gesenkt und mehr Nachfrage geschaffen werden.
Stichwort Senkung Arbeitskosten: Uns geht es, um es ganz klar zu sagen, nicht um die Senkung der Arbeitskosten, denn Kosten der Arbeit schaffen selbst Arbeit, im Gesundheitswesen, in der Pflege, aber auch im NonProfit-Sektor. Diese Position ist lange von vielen Akteuren in der SPD und vielen Grünen vertreten worden. Wenn ich mir heute die Position der Grünen auf Bundesebene ansehe, ist diese Einsicht leider verloren gegangen. Ich halte das für ein diskurspolitisches Problem und würde mich freuen, wenn wir in der Debatte, die unter dem Stichwort Wertschöpfungsabgabe geführt worden ist, eine Umverteilung der Arbeitskosten auf Kapital und Vermögen erreichen könnten und wenn Akteure aus dem ökoliberalen Spektrum sich diesem Thema wieder nähern könnten.
Stichwort Steuerreform: Dass die Steuerfinanzierung der bisherigen Sozialabgaben machbar ist, zeigen uns die
Lassen Sie mich etwas zu Herrn Köhler sagen. Er hat viel Richtiges gesagt und vieles richtig analysiert. Ich finde sein Plädoyer für mehr und gemeinsame Anstrengungen in der Bildungspolitik richtig. Aber: Herr Köhler ist der Bundespräsident aller. Deshalb hätte ich erwartet, dass er auch etwas zur Habgier von Managern sagt, ob sie nun von der Deutschen Bank oder den Krankenversicherungen kommen. Dass er etwas sagt zu steigenden Gewinnen großer Unternehmen und dem parallelen Abbau von Arbeitsplätzen oder dass er etwas zu dem Gebot des Grundgesetzes sagt, dass Eigentum verpflichtet.
skandinavischen Länder. Auch Finanzsenator Sarrazin hat – wir haben in der Fragestunde darüber gesprochen – einen aus unserer Sicht in vielen Punkten überzeugenden Vorschlag gemacht. Ich hätte nicht gedacht, Herr Sarrazin, dass wir in der Analyse eines so grundlegenden Sachverhalts eine Übereinstimmung erzielen könnten. Sie sagen, Deutschland habe den höchsten Steuersatz und das mit Abstand niedrigste Steueraufkommen. Noch krasser seien die Unterschiede bei der Ergiebigkeit der Steuern auf den Besitz. Hier hat der Finanzsenator – dies gilt es festzuhalten – dem Bundeskanzler und den Finanzpolitikern der Grünen auf Bundesebene gezeigt, dass eine Reform der Unternehmensteuer nicht aufkommensneutral zu sein braucht, wenn man endlich die Bemessungsgrundlage verbreitert. Dann nämlich ergeben sich Spielräume, die Konzerne endlich angemessen an der Finanzierung des Gemeinwesens zu beteiligen, ohne – Herr Lindner – dass dies ein Grund für Standortverlagerungen wäre. Wir treten dafür ein, die Besteuerung von Vermögen auf die Steuerreformagenda zu setzen. Sie haben einen Vorschlag zur Grundsteuer gemacht. Diesen erachten wir für Berlin für schwierig, weil er wiederum an der Nachfrageschraube drehte, denn in Berlin zahlen weniger die Vermögenden, sondern die Mieterinnen und Mieter über die Betriebskosten die Grundsteuer. Nehmen Sie dies aber als Angebot, gemeinsam mit uns über diesen Punkt zu diskutieren, mit dem Ziel, daraus eine Bundesratsinitiative zu starten.
Ich habe bereits gesagt, dass wir ein Interesse daran haben, dass das Land Berlin im Bundesrat Vorschlägen nur dann zustimmt, wenn sie keine Einnahmeausfälle für das Land mit sich bringen und wenn sie uns in die Lage versetzen, mehr Investitionstätigkeit realisieren zu können. Die FDP hat heute mutige Reformen für den Arbeitsmarkt gefordert, wir als PDS fordern nichts weiter als den Mut zu einem wirtschaftspolitischen Kurswechsel für mehr Nachfrageorientierung, mehr Investitionen und eine Stärkung der Binnennachfrage, denn nur so werden wir den wirtschaftlichen Aufschwung realisieren können. – Vielen Dank!
Danke schön! – Für die Fraktion der Grünen hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Dr. Klotz. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn dieses Land etwas nicht braucht, dann sind es die von der FDP vorgeschlagenen Arbeitsmarktreformen.
Deswegen ist es sehr gut, Herr Lindner, dass weder Sie noch Herr Westerwelle heute zu dem Jobgipfel eingeladen worden sind. Das Einzige, was Sie anzubieten haben, sind Vorschläge wie die, die Löhne und Steuern zu senken, die Sozialhilfe zu halbieren und tarifvertragliche Bindungen zu lösen. Das schafft aber keine Arbeitsplätze
nein, das tut es nicht. Deswegen ist es gut, dass Sie nur zur Aktuellen Stunde reden und heute nicht in das Kanzleramt eingeladen worden sind.
Sie gerieren sich hier immer als Steuersenkungspartei. Darf ich Sie und die CDU daran erinnern, dass zwischen 1982 und 1998 die Lohnnebenkosten von 34 auf 42 % gestiegen sind? Wer hat da regiert? – Das war die CDU unter tätiger Mithilfe der FDP, die nach außen immer so tut, als sei sie die Partei zur Senkung der Lohnnebenkosten und der Steuern. Herr Lindner, das ist unglaubwürdig. Es ist gut, dass immer mehr Menschen merken, dass Sie unglaubwürdig sind.
Die Gewinne sind eben nicht mehr die Investitionen von morgen. Das gehört auch zur Wahrheit. Ich hätte mir gewünscht, dass der Bundespräsident auch dazu etwas sagt.
Unsere Position lautet: Wenn eine Unternehmensteuerreform gemacht wird, muss diese zwingend – ich betone: zwingend – aufkommensneutral sein und muss Ausnahmetatbestände abschaffen.
Sie muss für mehr Steuergerechtigkeit sorgen zwischen den großen Kapitalgesellschaften und den kleinen und mittleren Unternehmen. Letztgenannte sind es nämlich, die in der Bundesrepublik und im Land Berlin 80 % der Arbeits- und Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen. Es kommt für uns absolut nicht in Frage – das unterscheidet uns von der CDU–, dass für eine Unternehmensteuerreform Geld in die Hand genommen wird, das wir dringend für Investitionen in Bildung brauchen.
Zu Ihrem Vorschlag einer Sonderwirtschaftszone, Herr Zimmer, sage ich: Ich möchte nicht noch einmal in einer Zone leben.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch daran, dass mehr und bessere Kinderbetreuung eine Jobmaschine