Protocol of the Session on January 20, 2005

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Was ist noch zu tun? – Gerade im Personalentwicklungsbereich ist noch eine Menge zu leisten, insbesondere die Erhöhung der fachlichen und sozialen Kompetenz. Aber auch im organisatorischen Bereich ist in der Ausländerbehörde noch eine Menge zu tun. Deswegen handelt es sich um ein Verwaltungsreformprojekt. An erster Stelle muss eine einheitliche und eindeutig nachvollziehbare Entscheidungspraxis im Sinn des Migrationsgedankens gewährleistet werden. Transparenz bei den Entscheidungsprozessen für den Kunden muss gewährleistet sein. Über IT-Verfahren müssen Verwaltungsabläufe und Bearbeitungszeiten reduziert werden. Infostellen und Leitsysteme müssen einfach und mehrsprachig sein – den Kunden entsprechend. Die Beratungsqualität muss verbessert werden. Ganz wichtig – das wurde bereits angesprochen – sind spezielle Anlaufstellen für spezielle Anliegen, beispielweise für Notfälle oder dringende Fälle, aber auch für Wirtschaftsbürgerinnen und -bürger. Es kommen Fremde in die Stadt, die investieren und Arbeitsplätze schaffen wollen. Solche Personen müssen entsprechend behandelt werden.

Es geht um erhebliche Umstrukturierungsmaßnahmen. Ich bin sicher, dass die positiven Veränderungen gelingen werden, denn die Berliner Ausländerbehörde ist eine Abteilung des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten.

Frau Kollegin! Sie haben die Redezeit bereits überzogen.

Alles klar! – Früher hieß das Amt LEA. Dort wurden schon Veränderungsprozesse erfolgreich abgeschlossen. Deswegen sind wir zuversichtlich,

dass es auch jetzt gelingen wird. Wenn man all dies erreicht hat, könnte man die Ausländerbehörde vielleicht in Zuwanderungsbehörde umbenennen. Dann wäre auch drin, was wir haben wollen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön, Frau Kollegin Kolat! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Frau Kollegin Villbrandt das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei dieser Diskussion habe ich den meisten von Ihnen etwas voraus. Ich kenne die Ausländerbehörde als langjährige – wenn Sie so wollen – Kundin. Ich hatte im Rahmen meiner Tätigkeit als Sozialarbeiterin ebenfalls intensiven Kontakt mit ihr. Ich könnte Ihnen Gruselgeschichten aus diesem Erfahrungsfundus erzählen, aber das möchte ich nicht.

Die Ausländerbehörde muss sich schnellstens zu einer Servicebehörde entwickeln, übrigens auch aus wirtschaftlichen Gründen. Es ist peinlich und bezeichnend, dass die Humboldt-Universität hochqualifizierten Stipendiaten aus anderen Ländern den Gang zur Ausländerbehörde abnimmt, weil man sie ihnen nicht zumuten kann. Die Ausländerbehörde verspricht auf ihrer Internetseite, kundenorientiert, kompetent und flexibel zu sein. Schön wär’s! Das Grundproblem der Ausländerbehörde ist sei Jahrzehnten, dass sie zu häufig unter mehreren rechtlichen Optionen diejenigen ergreift, die für die Migranten die ungünstigsten sind. Viel zu oft wird z. B. eine Abschiebungshaft beantragt, obwohl eine Abschiebung gar nicht möglich ist. Das muss sich ändern, sonst bleibt das Wort Kundenorientierung hohl.

[Beifall bei den Grünen]

Wir möchten Bemühungen, die der Senat in den letzten zwei Jahren in dieser Richtung unternommen hat, nicht unterschlagen. Aber zur Realität: Viel zu voll sind nach wie vor die Warteräume der Ausländerbehörde. Viel zu lange müssen die Leute warten. Viel zu häufig müssen sie ohne triftigen Grund mehrmals für eine Sache vorsprechen. Viel zu häufig werden alle Familienangehörigen vorgeladen – auch solche, die krank sind, die kurz vor einem Schulabschluss stehen, die berufstätig sind. Viel zu häufig werden die Kunden unfreundlich behandelt. Es ist immer noch schwierig, telefonisch einen Termin zu bekommen. So wie die Ausländerbehörde zurzeit arbeitet, ist sie nicht nur ein Problem für die Kunden, sondern auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben es mit Kunden zu tun, die existentielle Ängste haben, mit denen man sich nicht verständigen kann, die durch langes Warten zusätzlich gereizt sind, die manchmal ihre Wut und ihre Enttäuschung nicht mehr im Griff haben. All das geht nicht spurlos an den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vorbei, schon gar nicht, wenn sie diese Tätigkeit schon jahrelang ausüben.

Das alles sind jedoch Symptome. Ursachen für die Probleme sind die Struktur der Behörde und die dortigen

Frau Kolat

Arbeitsbedingungen. Hier muss dringend etwas geschehen.

[Beifall bei den Grünen]

Die telefonische Erreichbarkeit muss gesichert werden. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den benötigten Sprachkenntnissen müssen eingestellt werden. Vorsprachetermine sollen reduziert und effektiver gestaltet werden. Inhaftierungen dürfen nicht in der Ausländerbehörde durchgeführt werden. Wo bleibt die Kundenorientierung, wenn Menschen bei der Vorsprache überraschend verhaftet und in Handschellen abgeführt werden? – Mehrsprachige Informationen müssen konsequent vorhanden sein und Ermessensspielräume bei Aufenthaltsangelegenheiten im Sinne der Kunden ausgeschöpft werden. Es heißt für uns außerdem: Weiterbildung muss zum Bestandteil der Arbeit gehören. Der Wechsel von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von einem Bereich in einen anderen muss möglich sein und gefördert werden. Die Schutzmaßnahmen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen überprüft werden. Wir nehmen es sehr ernst, wenn sich Kunden im Gebäude der Ausländerbehörde etwas antun oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedrohen. Es wird aber keinen absoluten Schutz geben. Deshalb sind wir für die umsichtige Auswahl von Schutzmaßnahmen, die nicht die ohnehin angstbeladene Stimmung anheizen. Anwendung eines Qualitätsmanagements, Aufbau eines Verwaltungsmanagements, Serviceorientierung – das alles klingt sehr modern und sehr gut, aber entscheidend ist, die Praxis zu verändern.

[Beifall bei den Grünen]

Die Ausländerbehörde wird keine Servicebehörde für Migrantinnen und Migranten sein, solange es bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kaum welche mit Migrationshintergrund gibt. Wir haben dazu einen Änderungsantrag gemacht. Den haben die Koalitionsfraktionen abgelehnt. Wer, wie Herr Henkel, die Ausländerbehörde von der Verwaltungsreform ausnehmen will, der hat weder von der Integration noch von der Verwaltungsreform etwas verstanden.

[Beifall bei den Grünen]

Eine Servicebehörde entsteht nicht ohne Reform. Eine serviceorientierte Verwaltung dürfen alle Berlinerinnen und Berliner erwarten. Das gilt für den neu nach Berlin zugezogenen CSU-Abgeordneten genauso wie für einen Kreuzberger Migranten der dritten Generation. Wir Bündnisgrünen wollen reale und schnelle Veränderungen und werden die Entwicklung der Ausländerbehörde deshalb im Detail weiterhin kritisch und konstruktiv begleiten. – Danke schön!

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Frau Kollegin Villbrandt! – Für die FDP hat nun Herr Kollege Lehmann das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Keine andere Institution im Land Berlin hat ein so schlechtes Image wie die Ausländerbehörde. Die Be

hörde produziert Schlagzeilen am laufenden Band und ist mindestens einmal im Monat an den Pranger gestellt. In der Tat ist niemand zu beneiden, der mit dieser Behörde zu tun hat: Hungerstreik im Abschiebungsgewahrsam, Schüler werden aus ihren Klassen geholt und abgeschoben. Antragsteller in der Ausländerbehörde werden zudem nicht gerade mit Samthandschuhen angefasst. Ich halte diese Praktiken für fraglich. Sie müssen schleunigst beendet werden. Auf der anderen Seite muss man vermerken, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ausländerbehörde vielleicht den schwersten Job in der Stadt machen müssen. Eine immense Arbeitsüberlastung durch zu wenig Personal – das hat auch die Behördenleitung eingeräumt. Wartezeiten bis zu fünf Monaten, schleppende Bearbeitung und Sprachbarrieren führen zunehmend zu einer bislang nicht gekannten aggressiven Stimmung. Beschimpfungen und sogar tätliche Angriffe sind an der Tagesordnung. Mich wunderte es, wenn jemand aus dem Stellenpool in diese Behörde wechselte.

All diese Zustände waren der rot-roten Koalition seit langem bekannt. Ich frage Sie deshalb: Warum kommt dieser Antrag erst jetzt? Waren Ihnen die Zustände im Jahr 2001 unbekannt? – Hätten wir einen derartigen Antrag eingebracht, wäre er höchstwahrscheinlich mit Pauken und Trompeten durchgefallen. Wenn der Abgeordnete Kleineidam, den ich heute noch gar nicht gesehen habe, im Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung erläutert, dass es im Hinblick auf das Zuwanderungsrecht erforderlich sei, die Servicequalität der Ausländerbehörde bei der Bearbeitung der Anträge zeitnah zu verbessern, hat er absolut Recht. Wenn er dann meint, der Wirtschaft müsse im Zusammenhang mit dem Zuwanderungsrecht Rechnung getragen werden, hat er noch mehr Recht. Doch warum braucht es dazu eines Antrags der Koalition? – Darauf hätte die monströse Verwaltung des Innensenators auch von selbst kommen können.

[Zuruf des Abg. Dr. Lederer (PDS)]

Mit dem neuen Zuwanderungsrecht tritt insofern eine Änderung ein, als die Ausländerbehörde es in Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit nun auch mit qualifizierten und hochqualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu tun bekommt. Ich habe meine Zweifel, dass ausgerechnet diese beiden bürokratischen Apparate immer schnell und präzise entscheiden können. Wer mit Wissenschaftlern oder anderen hochqualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu tun hat, braucht einen Mentalitätswechsel in den Amtsstuben. Wie Sie das Kind nennen, ist mir persönlich gleichgültig. Sie haben es Servicebehörde genannt. Nun soll es auch so sein. Allerdings hieß es noch in der Beantwortung unserer Großen Anfrage, dass es zu keinen Umstrukturierungen der Ausländerbehörde kommen soll. Ich habe da so meine Restzweifel, dass das alles so klappt, wie Sie sich das vorstellen. Die FDP-Fraktion wird diesem Antrag mit oben beschriebener Hoffnung auf eine Besserung zustimmen. [Beifall bei der FDP und bei der PDS]

Frau Villbrandt

Lassen Sie mich zum Schluss noch kurz auf einzelne Punkte eingehen. Erstens: Die Förderung einer besseren Integration ist eine Selbstverständlichkeit.

Zweitens: Die Einhaltung fachspezifischer Einstellungskriterien bei zukünftigen Neueinstellungen ist ebenfalls eine Selbstverständlichkeit.

Drittens: Anwendung eines Qualitätsmanagements – ebenfalls eine Selbstverständlichkeit.

Dasselbe gilt für die Entwicklung von Servicegarantien, für die schnelle Einarbeitung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Schulung derselben. Ich werde das Gefühl nicht los, dass es sich letztlich nur um einen Showantrag handelt, um dem Senat eine kleine Steilvorlage zu geben. Ich betone nochmals: Sie hätten schon längst Druck auf den Senat ausüben können, um die teilweise katastrophalen Zustände ein für alle Mal zu beenden. Dieser Antrag der Selbstverständlichkeiten wäre eigentlich unnötig. Dass er von der Koalition kommt, zeigt nur, dass auch die Abgeordneten von PDS und SPD ihrem Senat nicht trauen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP und den Grünen – Doering (PDS): Sollen wir gar keine Anträge mehr stellen?]

Danke schön, Herr Kollege Lehmann! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ausschuss empfiehlt mehrheitlich gegen die Fraktion der CDU die Annahme des Antrags Drucksache 15/3227. Wer so beschließen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke schön! Das sind die Koalition, die FDP und die Grünen. Die Gegenprobe! – Die CDU. Dann ist das mit großer Mehrheit so angenommen.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 2 d:

Antrag

Nimm zwei – für mehr Transparenz bei der Messe Berlin

Antrag der Grünen Drs 15/3550

Für die Beratung steht den Fraktionen nach der Geschäftsordnung jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der Grünen. Frau Kollegin Paus erhält das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Berlin zeigt sich in diesen Tagen wieder als Messestadt. Die „Grüne Woche“ öffnet ihre Pforten und wird wiederum ein Besuchermagnet. Sie meldet gestiegene Ausstellerzahlen. Das ist positiv.

Auch die Modewelt blickt in diesen Tagen mit besonderem Interesse auf Berlin. Gleich drei Messen finden in diesen Tagen in der Stadt statt: Die „Bread and Butter Berlin“, die „Premium“ und auch erstmals die „B in Berlin“ auf dem Messegelände. Auch das ist positiv, gibt

Hoffnung und zeigt: Berlin als kreativer und dynamischer Ort ist auch und gerade deswegen ein attraktiver Messestandort.

Nicht positiv, sondern das krasse Gegenteil war allerdings das, was die Messegesellschaft und der Senat sich bei der Frage, wie die Messe auch ihre finanzielle und wirtschaftliche Situation verbessern kann, geleistet haben. Trotz Grundlagenvereinbarungen sind nach wie vor wesentliche Fragen für die Zukunft der Messe, wie zum Beispiel der Sanierungsbedarf des ICC, nicht geklärt. Aber vor allem: Trotz Grundlagenvereinbarung und obwohl die Koalition beschlossen hat, bis 2008 zusätzlich 41 Millionen € an die Messe fließen zu lassen, weiß niemand in diesem Parlament, weder die Opposition noch die Koalition, wie sich die wirtschaftliche Situation der Messe im Augenblick tatsächlich darstellt und wie die Perspektiven sind.

Zwei Beispiele aus den abgebrochenen Beratungen über die Grundlagenvereinbarung. Da sagt die Messe: Wir haben im Vergleich zu anderen Messestandorten mit deutlich höheren Wartungs- und Instandhaltungskosten zu arbeiten. Da fragt das Parlament: Wie hoch sind denn die Wartungs- und Instandhaltungskosten genau? Dann gibt es von der Messe mal die Antwort: 30 Millionen €, mal die Antwort: 50 Millionen €, mal irgendetwas dazwischen. Das ist ein nicht unwichtiger Punkt bei der Frage, wie hoch denn tatsächlich der Bedarf ist, ob 40 Millionen € reichen, zu wenig oder zu viel seien, inwieweit man da gutes Geld schlechtem hinterher schmeißt oder inwieweit das genau richtig ist. – Keine Antwort von der Messe.

Da sagt die Messe: In unserem operativen Geschäft sind wir gut. Dort erwirtschaften wir Umsatzrenditen von 10 %. Da fragen wir: Das können wir aus der Bilanz nicht ersehen. Können Sie uns in irgendeiner Art und Weise mit einer Unterlage deutlich machen, wie Sie auf die Berechnung von 10 % kommen? Da sagt die Messe: Nein.

Die Qualität und die Glaubwürdigkeit der Antworten der Messegeschäftsführung unterstreiche ich noch durch ein letztes Beispiel. Es ist dieses Mal nicht von mir, sondern ein Zitat aus dem „Tagesspiegel“ von gestern. Dort geht es darum, dass wir eine Messe verlieren werden, die Hausgerätemesse, die „Hometech“.

In der Bilanz von 2003 steht das Joint-Venture mit rund 3,3 Millionen € Verlust.

So schreibt der „Tagesspiegel“.

Doch bei der Messe heißt es, das „Hometech“Projekt sei „insgesamt positiv“ für das Unternehmen gelaufen.