Protocol of the Session on January 20, 2005

Danke schön! – Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Hauptausschuss. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann werden wir so verfahren.

Wir kommen zu

lfd. Nr. 2 c:

Beschlussempfehlung

Weiterentwicklung der Ausländerbehörde zur Servicebehörde für Zuwandernde

Beschlussempfehlung InnSichO Drs 15/3511 Antrag der SPD und der PDS Drs 15/3227

Für die Beratung stehen uns fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion, das ist die Abgeordnete Hopfmann von der PDS. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe nachgesehen, ob wir den vorliegenden Antrag schon einmal diskutiert haben. Ich glaube, die damalige Rederunde ist abgesetzt worden. Nichtsdestotrotz haben wir es im Zusammenhang mit der Anfrage der Fraktion der FDP zur Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes in Berlin andiskutiert.

Der vorliegende Antrag beruht auf einer sehr langen Diskussion, die wir in den letzten zwei Jahren zur Frage geführt haben, wie der weitere Umgang, die weitere Entwicklung der Behörde in Berlin aussehen soll, zu der praktisch jeder Einwanderer, jeder Migrant, ob er Investor, Mitarbeiter einer Einrichtung oder ob er Flüchtling ist, am Anfang seines Aufenthaltes in Berlin gehen und die er in der Regel auch mehrmals aufsuchen muss. Die unterschiedlichen Bewertungen dieser Behörde kennen wir zum Teil aus der Presse. Wir wissen, dass in der Presse kaum Positivnachrichten verbreitet werden, sondern oft werden nur die negativen Erscheinungen, die Skandale thematisiert, von denen wir in den vergangenen Jahren einige zur Kenntnis nehmen mussten.

Aber es gibt auf unterschiedlichen Ebenen unterschiedliche Wahrnehmungen über die Entwicklung der Berliner Ausländerbehörde in den letzten Jahren. So ist mir zum Beispiel ein Schreiben der Wirtschaftsförderung Berlin International zur Kenntnis gegeben worden. Sie fragte demnach, wie das Klima dieser Behörde gegenüber ausländischen Investoren oder auch der Wirtschaftsförderung Berlin inzwischen sei. Zunächst erfolgt eine positive Einschätzung, dass durch Gespräche mit der Innenverwaltung und der Leitung der Behörde einiges zum Positiven entwickelt werden konnte, so dass auch die kurzfristige Bearbeitung von Anträgen möglich ist. Allerdings gab es auch Hinweise darauf, wie die Arbeitsweise der Behörde weiter verbessert werden kann: zum Beispiel durch die Schaffung einer speziellen Anlaufstelle für Investoren und Geschäftsleute mit kürzeren Bearbeitungszeiten und durch die Zurverfügungstellung von mindestens englischsprachigem Personal sowie Personal in weiteren wichtigen Sprachen. Investoren und zuständige Institutionen fordern eine bessere Willkommenskultur.

Im Antrag haben wir das so formuliert, dass wir das nicht nur für Investoren haben wollen, sondern für alle, die die Dienstleistung dieser Behörde in Anspruch neh

men. Wir wollen es insbesondere in den Einrichtungen im Berliner Bezirk Lichtenberg, wohin sich Flüchtlinge und Asylbewerber wenden müssen. Dass die Situation dort nicht immer zum Besten bestellt ist, das wissen wir aus vielen unterschiedlichen Darstellungen. Deshalb kann ich Positives, aber auch Negatives vermelden.

Dem Antrag, der vorliegt, liegen zahlreiche Gespräche mit verschiedenen Institutionen zu Grunde. Den Investorenbereich nannte ich bereits, aber auch mit Vertretern aus dem Bereich der Menschenrechtspolitik, mit Anwälten und mit Mitgliedern des Flüchtlingsrats Berlin wurden Gespräche geführt. Wir hatten einen langen Forderungskatalog zur Verfügung, den wir in den vorliegenden Punkten im Sinn einer politischen Leitlinie, wohin sich die Behörde unserer Auffassung nach entwickeln sollte, zusammenzufassen versucht haben. Nicht anders als alle anderen Verwaltungen sollte sie zunächst eine moderne Dienstleistungsbehörde sein, kundenfreundlich orientiert, mit den entsprechenden Instrumentarien ausgestattet. Das klingt selbstverständlich, aber wir alle wissen, Verwaltungsreform ist nichts, was von heute auf morgen zu machen ist. Insofern haben wir aus einem sehr umfangreichen, sehr detaillierten Katalog die wichtigsten Punkte zusammengezogen.

Um noch einmal auf eine Debatte im Innenausschuss einzugehen, warum dort zu viele „Allgemeinplätze“ stehen würden: Wenn der Forderungskatalog in einem solchen Antrag aufgelistet wäre, wäre er für einen parlamentarischen Antrag zu umfangreich gewesen. Die Leitung der Behörde und auch die Innenverwaltung wissen sehr genau, was gemeint ist, wohin wir wollen. Wir erfinden das Rad nicht neu, wir fangen nicht bei Null an.

Im Rahmen dieser Diskussion ist uns ein Papier aus dem Jahr 1995 bekannt geworden, ein Leitlinienpapier zur Entwicklung der Ausländerbehörde. Ich kann nur sagen: Es ist ein hervorragendes Papier, das sich an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter richtet und das Kundenfreundlichkeit, Weltoffenheit, Kompetenz, Toleranz und – auch hier – die Umsetzung der Ermessensspielräume der Bundesgesetzgebung sehr deutlich formuliert. Das Grundverständnis, die Leitlinie, die Kundenorientierung und das entsprechende Verhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden darin nachhaltig eingefordert. Die Frage ist, warum das in all diesen Jahren seit Herausgabe des Papiers nicht gelungen ist. Ich bin der Auffassung, dass es an einer politischen Stringenz der damals zuständigen Regierungen gemangelt hat, eine solche Leitlinie in der Behörde durchzusetzen. Deshalb haben wir uns in der Koalition verständigt: Wir haben als Abgeordnetenhaus genauso wie die Innenverwaltung eine Verantwortung wahrzunehmen und vorzugeben, was im Sinn der Koalitionsvereinbarung umgesetzt werden soll.

Was die Ermessensspielräume angeht – das stand übrigens auch schon in alten Koalitionsvereinbarungen in den Neunzigerjahren. Wenn Sie sich erinnern können, stand das in den Vereinbarungen zwischen SPD und CDU

auch schon immer. Die Frage liegt im Detail, und die Frage liegt in der Praxis. Mit dem neuen Zuwanderungsgesetz haben wir auch neue rechtliche Möglichkeiten, Ermessensspielräume im Sinn der beantragenden Ausländerinnen und Ausländer umzusetzen.

Wir sollten auch Vorschläge und Ideen aus anderen Bundesländern aufgreifen. Mir ist zum Beispiel ein Erlass des Innenministeriums in Rheinland-Pfalz von Mitte Dezember bekannt, in dem – –

Frau Kollegin! Bitte bedenken Sie die Zeit. Sie ist schon lange abgelaufen.

Ja! – ein Erlass, in dem konkrete Überlegungen angestellt werden, wie zum Beispiel die Paragraphen des neuen Zuwanderungsgesetzes, Aufenthaltsgesetz § 25 Abs. 4 und Abs. 5, im humanitären Sinn umgesetzt werden können. Das ist ein sehr gescheites Papier. Ich hoffe, dass wir uns das ansehen und gemeinsam evaluieren, dass wir humanitäre Grundsätze, so wie wir sie in einem parlamentarischen Antrag proklamieren, auch in der Verwaltungspraxis umsetzen. – Danke schön!

[Beifall bei der PDS]

Danke schön, Frau Kollegin Hopfmann! – Das Wort für die Fraktion der CDU erhält jetzt der Herr Kollege Wansner. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Hopfmann! Sie können Kataloge entwerfen, Sie können Wünsche äußern, aber immerhin entscheiden in diesem Land noch die Gesetze darüber, wie verfahren wird. Deshalb sind Ihre Wünsche, die Sie formuliert haben, zweitrangig.

Dieser Antrag ist normalerweise eine Selbstverständlichkeit für die Weiterentwicklung einer wichtigen Behörde in dieser Stadt, die mit ihrer Arbeit in den letzten Jahren – wie wir glauben – zwischenzeitlich eine hohe Akzeptanz in der Stadt und besonders bei den Betroffenen hatte, und das vor allem unter den schwierigen politischen Umständen in Berlin, seit die SPD gemeinsam mit der PDS regiert. Die Mitarbeiter der Ausländerbehörde hatten deshalb in den vergangenen Jahren nicht immer das Gefühl, dass diese Regierung zu ihrer schweren Arbeit steht bzw. sie in ihrer schwierigen Arbeit unterstützt. Zu stark ist in der Zwischenzeit der Einfluss der PDS in diesem Bereich geworden. Deshalb verlieren Sie in der Ausländerpolitik, Herr Innensenator, in dieser Stadt langsam Ihre Glaubwürdigkeit. Ihre Ansprüche, die Sie in der Ausländerproblematik stellen, sind oft richtig. Aber wir sind der Meinung, dass Sie nicht mehr sehr viel umsetzen können. Wir können daher dankbar sein, dass das neue Zuwanderungsgesetz von der CDU/CSU an den entscheidenden Stellen, die die weitere Zuwanderung regeln, verbessert worden ist. Das wird die Arbeit der Ausländerbehörde erleichtern.

Frau Hopfmann

Ich komme zum ersten Punkt Ihres Antrags, in dem Sie mehr oder weniger von Integration sprechen: Hierbei haben Sie in den letzten Jahren entscheidend versagt. Von Ihrem Integrationsbeauftragten sieht und hört man nicht sehr viel. Nach der Meinung vieler Menschen, die sich mit der Integrationsarbeit in Berlin beschäftigen, ist die PDS zwischenzeitlich eine politische Anlaufstelle geworden. Mittlerweile werden in diesem Bereich von der PDS bevorzugte Vereine finanziell unterstützt.

[Beifall bei der CDU]

Die zuständige Senatorin, die leider nicht anwesend ist, unterstützt selbstverständlich diese Handlungsweise. Deshalb sind Integrationserfolge in den letzten Jahren ausgeblieben bzw. nachweislich rückläufig. Von der hohen Arbeitslosigkeit bei Menschen nichtdeutscher Herkunft, insbesondere bei den Jugendlichen, scheinen der Integrationsbeauftragte und die Sozialsenatorin nichts zu wissen. Anders ist ihre absolute Tatenlosigkeit nicht zu erklären. Allerdings ist das eine ständige Diskriminierung dieser Menschen, die nicht länger hinnehmbar ist.

Zum Punkt 2 Ihres Antrags kann ich eigentlich nur sagen, dass Sie von Innenminister Schily nichts gelernt haben. Ich lese Ihnen hierzu Folgendes vor:

(...) Sicherstellung einer Entscheidungspraxis, die im neuen Zuwanderungsgesetz bestehende Spielräume zu Gunsten der Migration nutzt.

Ich habe in Ihrem Antrag Hinweise darauf vermisst, wie Sie dazu stehen. Sie können Gesetze nicht nur so auslegen, wie es Ihnen passt. Sie werden erleben, dass die Ausländerbehörde insgesamt diesen zweiten Ansatz nicht umsetzen wird. Insofern können Sie das nicht in der Form formulieren.

Zu den weiteren Punkten möchte ich mich nicht äußern, denn sie sind nicht umzusetzen bzw. Selbstverständlichkeiten. Was mir aber fehlt, das ist ein Antrag, der darstellt, wie Sie die Sicherheitslage insgesamt verbessern wollen. Diese ist – Sie müssten es wissen, Herr Innensenator – mittlerweile katastrophal. Das scheint weder die SPD noch die PDS zu interessieren. Wenn es allerdings zu Problemen kommt, dann tragen Sie dafür die Verantwortung.

Diesen Antrag muss man ablehnen.

[Beifall bei der CDU]

Sie wollen unter dem Tarnmantel der Harmlosigkeit Mitarbeiter der Ausländerbehörde zu Handlangern der PDS machen und damit eine bestehende Gesetzeslage aushebeln.

[Gelächter bei der PDS]

Der aktuelle Fall der Ausländerbehörde ist für mich ein Tiefpunkt im Umgang mit Gesetzen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Kollege Wansner! – Die SPD-Fraktion fährt fort. Das Wort hat Frau Kolat. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In diesem Antrag geht es in der Tat um eines der größten Reformvorhaben der rot-roten Regierung Berlins. Herr Wansner, Sie haben versucht darzulegen, dass die rot-rote Regierung an dieser Stelle unfähig ist.

[Gram (CDU): Nicht nur an dieser Stelle!]

Ich werde Ihnen darlegen, warum dieser Reformprozess bisher immer gescheitert ist. Es lag immer daran, dass CDU-Innensenatoren verhindert haben, dass die Ausländerbehörde zu einer bürgernahen und kundenfreundlichen Einrichtung wird.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Wir haben bereits einiges auf den Weg gebracht. Ich werde darauf gleich eingehen. An dieser Zielstellung werden wir weiter arbeiten. Es ist das Ziel der rot-roten Regierung, die Ausländerbehörde zu einer bürgernahen und kundenfreundlichen Behörde zu entwickeln. Warum? – Berlin ist – das unterscheidet uns deutlich von den Auffassungen der CDU – eine Zuwanderungsstadt, in der über 180 Nationen mit einer internationalen Ausstrahlungskraft leben. Davon profitiert Berlin. Wir stehen als rot-rote Regierung zu dem neuen Zuwanderungsgesetz, das am 1. Januar 2005 in Kraft getreten ist, und begrüßen es. Zu einer weltoffenen Stadt, wie Berlin es ist, gehört eine moderne Ausländerbehörde. Wir brauchen eine Berliner Servicegesellschaft, die über den Aufenthalt oder dessen Beendigung entscheidet und ihre Kunden aktiv mit dem Ziel berät und betreut, deren Rechtsstatus so schnell wie möglich zu klären. Leitbild – das unterscheidet uns auch klar von der CDU – einer solchen Behörde muss die Erfüllung humanitärer Verpflichtungen sein. Außerdem muss sie ein Beitrag zur Zuwanderung auf der Grundlage langfristiger demographischer und wirtschaftlicher Interessen Berlins sein. Dabei – das gehört ebenfalls zu unserem Leitbild – sollen die Ermessensspielräume, die das neue Zuwanderungsgesetz bietet, stärker im Sinn der Betroffenen genutzt werden. – Herr Wansner, das bedeutet nicht, dass alles per se so entschieden wird. Sie wissen genau, dass wir das so nicht meinen. Aber es ist eine klare Zielrichtung, die Spielräume dort, wo es geht, stärker im Sinn der Betroffenen zu nutzen.

Warum besteht in dieser Behörde Reformbedarf? – Das negative Image der Ausländerbehörde in Berlin ist der Grund. Viele Betroffene beklagen sich über die Umstände in der Behörde. Sie fühlen sich oft nicht gut beraten und behandelt. Sie haben Ängste, Einwände könnten ihren Anliegen schaden. Es handelt sich zumeist um Bürgerinnen und Bürger, die sich in einer schwierigen rechtlichen und persönlichen Lebenslage befinden, um traumatisierte Menschen, die unter psychischem Druck stehen. In dieser Behörde ist das Konfliktpotential besonders hoch. Nicht selten beruhen Konflikte auf Missverständnissen, auf sprachlichen Barrieren, und sind kultureller Natur. Durch die Stärkung der interkulturellen Kompe

Wansner

tenz, wie wir sie beabsichtigen, und der Sprachkenntnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kann das Stress- und Konfliktpotential in dieser Behörde reduziert werden.

Von der rot-roten Regierung sind bereits einige positive Dinge auf den Weg gebracht worden. Es gab insbesondere am Friedrich-Krause-Ufer deutliche Verbesserungen. Beispielsweise wurde eine Organisationsberatung zur interkulturellen Öffnung eingesetzt und ein Workshop zusammen mit Migrantenorganisationen zum Thema „Die Ausländerbehörde im Blick der Migrantinnen und Migranten“ durchgeführt. Erste Sprachmittler sind eingesetzt worden, und der Anteil der Terminvergaben beträgt 50 %, wodurch die Wartezeit reduziert wurde. Weil Sie behaupten, die Regierung mache nichts, möchte ich besonders die Initiative hervorheben, gemeinsam mit dem Beauftragten des Senats für Integration und Migration ein Willkommenpaket aufzulegen. Dieses soll den neu Zugewanderten überreicht werden. Es soll in mehreren Sprachen erscheinen und Informationen über Leben und Arbeit in Berlin enthalten. Diese Initiative begrüße ich ausdrücklich, denn sie ist ein Zeichen dafür, dass sich die Ausländerbehörde weg von einer Abschreckungsbehörde im Sinne der Herren Werthebach und Schönbohm und hin zu einer modernen Zuwanderungsbehörde entwickelt.

[Beifall bei der SPD und der PDS]