Doch wie geht das? – Ich nenne nur einige Beispiele ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit. Berlin hat einen hohen Schuletat, finanziert aber daraus hauptsächlich Personal im Gegensatz zu anderen Bundesländern. Die Sachausgaben sind in den Vergleichssätzen sehr mickrig. Dieses Verhältnis muss sich zukünftig zu Gunsten der Sachausgaben verändern, damit endlich Schulen und ihre Ausstattung auf der Höhe der Zeit ankommen.
Schulen sollen ihren Schulhaushalt und ihr Personalmanagement selbst verantworten. Ich nenne Ihnen dazu nur ein absurdes Beispiel aus Berlin. Da entscheidet sich eine Schule, auf teuere Beförderungsstellen zu verzichten. Die Schule spart Geld und erzielt damit gute Ergebnisse. Was machen Herr Böger und seine Verwaltung? – Sie gehen daher und schreiben diese Stellen wieder aus, schließlich muss in der Berliner Schule Ordnung herrschen. Das ist doch absurd!
Wenn es uns mit der eigenverantwortlichen Schule ernst ist, müssen wir den ewigen Zank um die doppelte Zuständigkeit auf der einen Seite der Bezirke, auf der anderen Seite die Schulverwaltung endlich überwinden. Das kostet uns Zeit, Energie und Geld. Wir müssen uns aber auch fragen, wie wir mehr Geld für dringend notwendige Maßnahmen wie beispielsweise intensive Sprachförderung bekommen und ein kostenfreies letztes Kitajahr finanzieren können.
Ja, die rot-grüne Bundesregierung! Sie können auch gern hier in Berlin auf den Koalitionspartner einwirken, meine Damen und Herren von der PDS, damit es ein wenig schneller geht.
Klar ist aber für uns auch, dass zusätzliche Abgaben sich nur dadurch legitimieren lassen, um damit dringend notwendige Reformen zu finanzieren und die zusätzlichen Mittel den Reformzwecken entsprechend einzusetzen und nicht anderswo zu versenken.
Gerade jetzt brauchen die Schulen mehr Eigenverantwortung und mehr Freiraum und nicht, wie Frau Merkel noch auf dem Parteitag sagte, keine Experimente. Das ist wahrlich die Betonfront.
Wir müssen neu denken. Gerade auf Landesebene ist der Bildungsetat mit seinen Investitionen in Menschen der Schwerpunkt einer nachhaltigen und generationsgerechten Politik. Er spielt für die weitere wirtschaftliche Entwicklung Berlin eine zentrale Rolle, nicht nur im Hinblick auf die Qualifizierung zukünftiger Arbeitskräfte. Ganz im Sinne des heute schon viel zitierten Satzes muss Bildung nicht nur Priorität haben, sondern auch welche gewinnen. Nur so gewinnt die ganze Stadt.
Vielen Dank, Frau Kollegin Pop! – Es folgt die Fraktion der SPD. Frau Kollegin Harant hat das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn ich vergleiche, wie Bildungsdebatten hier im Haus in den letzten zwei, drei Jahren abgelaufen sind, so war ich nach der ersten Rederunde eigentlich optimistisch, dass wir uns auf einen gemeinsamen Weg begeben, auch wenn sich die Strukturdebatte immer wieder wie ein roter Faden durchzieht. Diese Strukturdebatte ist jetzt nicht zu führen. Es ist nicht die Zeit dafür. Vielmehr ist es an der Zeit, Reformen, die angeschoben wurden, umzusetzen.
Ich fordere alle Kolleginnen und Kollegen der Oppositionsfraktionen auf, keine Panik zu verbreiten. Sie haben das Recht und die Pflicht, Kritik zu üben, wenn es hakt und Verbesserungen erforderlich sind. Aber ich bitte Sie, die Reformen zu unterstützen. Die Berliner Schule und die Berliner Kinder brauchen die Unterstützung aller. – Danke schön!
Viele meiner Kolleginnen und Kollegen – auch von der Opposition – haben zu erkennen gegeben, dass wir auf einem Weg sind, den sie begleiten wollen, den sie richtig finden. Gleichzeitig wissen wir, dass, sobald die Phase der Umsetzung kommt – und in dieser befinden wir uns derzeit –, es im Detail schwierig wird. Der Teufel steckt in demselben. Das wissen wir alle. Die Widerstände der Betroffenen, die sich verändern, neu orientieren und vieles dazulernen müssen, gibt es. Wir müssen sie durch ständiges Erklären abbauen.
Frau Freundl hat von einer Baustelle gesprochen. In der Bildung haben wir die größten Baustellen. Eine Baustelle ist etwas Konstruktives. Es soll irgendwann einmal ein schönes Haus entstehen. An diesem Haus bauen wir gerade. Wir wollen ein schönes Schulhaus für alle in Berlin haben.
Ich gebe allen, die bereits gesagt haben, dass wir das als Politiker nicht alleine schaffen, Recht. Wir brauchen auch die Eltern und die Lehrkräfte. Diese sind ebenfalls von den Reformen betroffen. Sie müssen überzeugt werden, dass die Ziele, die wir uns gesetzt haben, richtig sind. Wir brauchen ihre Bereitschaft, sich auf etwas Neues einzulassen. Gerade das Engagement der Lehrkräfte ist hervorzuheben. Ich kann in diesem Zusammenhang auch verstehen, dass sie unzufrieden sind, weil immer noch keine Lösung bezüglich des Tarifvertrags gefunden wurde. Das ist eine Hängepartie. Frau Freundl sprach das an. Wir müssen die Blockadehaltungen, die im Raum stehen, auflösen. Es besteht die Hoffnung, dass wir weiterkommen.
Zu den Inhalten sehe ich – die Strukturdebatte lasse ich weg – keinen großen Dissens. Grundlage für den schulischen Erfolg ist das Erlernen und die Beherrschung der deutschen Sprache. Da sind wir uns einig. Wir tun viel in diesem Bereich. Wir haben neue Ansätze entwickelt. Wir wollen und müssen eine vergleichbare Bildungsqualität an allen Schulen sichern. Das nennt sich Bildungsstandards. Diese müssen überprüft werden, beispielsweise mit Hilfe zentraler Prüfungen. Sogar die Grünen finden sich nach und nach mit dieser Thematik zurecht. Sowohl die Beherrschung der deutschen Sprache als auch die Bildungsstandards, die wir für alle Schüler sichern müssen, sind die Grundlage für die Umsetzung von Chancengerechtigkeit, und zwar in höherem Maß als heute.
Wir müssen ehrlicherweise zugeben, dass die Herkunft, das Elternhaus und der soziale Hintergrund, niemals völlig ausgeglichen werden kann. Diese Einflüsse sind wichtig für ein Kind. Die Schule muss hier einwirken. Der entscheidende Faktor ist der Ausbau der Ganztagsschulen. Berlin geht dabei einen zukunftsfähigen Weg, der aber auch teuer ist. Wir lassen uns diesen Weg etwas kosten. Wir fördern damit die benachteiligten Schüler, die nachmittags keinen Musik- oder Sportunterricht besuchen können, sondern stattdessen vor dem Fernseher sitzen oder Ähnliches. Wir haben gezielt einen Ansatz
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Wenn ich mir anschaue, was in Elternbriefen zum Thema Schule und Unterricht angesprochen wird, dann finde ich darin keine Auseinandersetzung über das ein-, zwei oder dreigliedrige Schulsystem und auch nicht die Frage, ob ein Bologna-Prozess umgesetzt wird. Und auch etliche andere Dinge, die wir heute hier diskutiert haben, finde ich darin nicht. Insofern schien mir Etliches, insbesondere von den Rednerinnen und Rednern der Koalitionsfraktionen, sehr theoretisch zu sein und an den Bedürfnissen vorbeizugehen, die in der schulpolitischen Debatte formuliert werden, und zwar von den Eltern und Kindern.
Was hätte man machen können? – Man hätte vor diesem Prozess eine Befragung der Betroffenen durchführen können. Viele hier im Haus fordern immer wieder gerne, mit den Betroffenen in einen Dialog einzutreten und sie zu der einen oder anderen Sache zu befragen. Das ist nicht passiert. Stattdessen sind verschiedene Baustellen parallel eröffnet worden, von der unsäglichen Verlagerung der Horte an die Schulen bis hin zu einem übereifrigen SPD-Stadtrat, der es in Charlottenburg fertig bringt, die Schülerinnen und Schüler mit Bussen durch die Gegend zu fahren, um diesem Prinzip zu huldigen. All das erscheint mir weder sinnvoll noch durchdacht. Insofern sind hier wichtige Grundsätze bei einem solchen Umstrukturierungsprozess vernachlässigt worden.
Worum geht es den Eltern? – Es geht ihnen darum – wenn sie sich ein bisschen auskennen und schauen, was die Schülerinnen und Schüler nach der dritten oder vierten Klasse in der Grundschule mitbekommen haben –, dass Rahmenlehrpläne umgesetzt werden. Es geht ihnen darum, dass ihr Kind das gelernt hat, was es lernen sollte, um einen vernünftigen Start zu bekommen. Daran hapert es häufig. Warum ist das so? – Weil die theoretischen Betrachtungen, wie ein Schulgesetz gemacht wurde und was in den einzelnen Paragraphen steht, nicht Teil des Problems oder dessen Lösung sind.
Vielmehr ist das Problem ein Ausländeranteil, der an den Schulen ab ca. 50 % problematisch wird. Wir haben
Schlusssatz! – den Elternwillen stärker berücksichtigen, funktionierende Beispiele kopieren und in die Breite entwickeln und von theoretischen Schulstrukturdebatten absehen, die überhaupt nicht im Interesse der Eltern und Kinder sind.
Schulen mit einem Ausländeranteil von über 90 %. Das reicht bis hin zu knapp 100 %. Das ist ein echtes Problem.
Wir haben nach wie vor Stundenausfälle. Lassen Sie es dahingestellt, ob es marginal weniger geworden sind oder nicht, aber Stundenausfälle existieren. Sie existieren in langer Reihenfolge. Das führt dazu, dass ganze Unterrichtssequenzen bei Schülerinnen und Schülern ausfallen. Wenn das zudem in der Grundschule passiert, dann ist das geradezu dramatisch.
Wir haben die Situation, dass kein Geld für das neue naturwissenschaftliche Unterrichtsfach in der Grundschule zur Verfügung gestellt wurde. Das ist ein rein praktisches Problem, mit dem die Schulen umgehen müssen. Bei der Lösung wird ihnen nicht geholfen.
Die Selbstständigkeit der Schulen, die zu mehr Flexibilität und zu schnelleren Reaktionszeiten führen sollte, wurde bis heute nicht nennenswert umgesetzt. Die Schulleiter haben keine Personalhoheit, und sie können nach wie vor nicht in dem Umfang, den wir uns wünschen, kurzfristig Lehrpersonal als Ersatz für fehlende Lehrerinnen und Lehrer beschäftigen.
Das Problem Hauptschule ist nach wie vor völlig ungelöst. Was soll die ganze Strukturdebatte, wenn wir dieses Problem mit uns herumschleppen? – Die Hauptschule ist in der Tat nicht die Schulform, die noch einen vernünftigen Bildungsabschluss ermöglicht. Wir haben während der Beratung des Schulgesetzes vorgeschlagen, sie ganz stark berufsorientiert auszurichten. In Hessen wurden damit große Erfolge erzielt. Dort ist die Hauptschule eine funktionierende Schulform, die auch in großer Zahl Abgänger produziert, die in der Wirtschaft gerne genommen werden.
Damit bin ich beim Thema „Beispiele aus anderen Bundesländern“. Man sollte sich nicht nur, wie Herr Böger zu Recht sagt, funktionierende Beispiele und Modelle des Berliner Schulalltags anschauen. Nein, man sollte einmal den Blick nach Bayern, Baden-Württemberg und Hessen werfen, vielleicht auch in nördlich oder östlich gelegene Bundesländer, aber vorurteilsfrei, unabhängig von der Frage, wer da regiert. Wir müssen in Berlin nicht alles neu erfinden und Fehler machen. Aber da hapert es bei einigen Fraktionen. Da wird einfach gesagt: Wir ducken uns weg. CDU-Schulpolitik kann per se keine gute sein, obwohl gerade die PISA-Ergebnisse dafür sprechen, dass in den von der CDU regierten Bundesländern die größeren Erfolge erzielt werden.
Auch beim Werteunterricht gibt es Beispiele aus SPDPDS- und CDU-regierten Ländern, wie so etwas funktionieren kann. Wir schaffen es hier nicht, weil es aus ideologischen Gründen Mehrheiten in diesem Hause gibt, die
nicht bereit sind, einen vernünftigen Werteunterricht mit einer klaren Gleichberechtigung des Fachs Religion einzuführen. Das ist nicht möglich. Stattdessen wird uns die schöne neue Bildungswelt mit dem Schulgesetz versprochen. Nein, die Strukturdebatte ist keine Antwort, die Erhöhung der Erbschaftsteuer ist keine Antwort, denn die fließt ganz normal in den Landeshaushalt, da freut sich lediglich der Finanzsenator, ansonsten kommt keine müde Mark bei den Schulen an.
Die radikalen Experimente, die Sie erwähnt haben, verehrte Kollegin Pop von den Grünen, sind auch nicht das Mittel.
Die Kinder, die künftig mit fünfeinhalb Jahren die Schule besuchen, die in der Grundschule ein Fundament für ihre künftige Schul-, Bildungs- und Berufskarriere gelegt bekommen, sind gerade nicht der Punkt für radikale Experimente, sondern da sollte man –
Danke schön, Herr Kollege Goetze! – Die PDS-Fraktion schließt sich an. Frau Kollegin Schaub hat das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Immerhin gehören die Schüler in Deutschland bei der Lösung von Problemen zur internationalen Spitzengruppe. Mit dem Herausfinden und Zusammenstellen einer zweckmäßigen Bahnverbindung war das nachzuweisen. Für die Berliner Schüler keine Hürde – BVG-geschult! Bemerkenswert an diesem Testergebnis ist, dass die Schüler ihre Problemlösungskompetenz wohl nicht in der Schule erworben haben. Auch immerhin sind wir an anderer Stelle – bei den Gymnasiasten – diesmal bis ins Mittelfeld gekommen. Ich will den Erfolg nicht klein reden, im Gegenteil sollte er lehrreich sein, denn das Mittelfeld ist mit einer deutlichen Leistungssteigerung der schwächeren Gymnasiasten erreicht worden. Leider sind die guten Nachrichten aus PISA 2003 für Deutschland damit schon zu Ende.