Protocol of the Session on October 28, 2004

Der EU-Verfassungsvertrag – das müsste jedem gegenwärtig sein – sieht u. a. eine offene Koordinierung in Fragen der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik vor, Aufgaben – Stichwort regionale Arbeitsmarktpolitik etc. –, die wir künftig in unserer Verantwortung sehen wollen. Ein anderes Beispiel ist die Daseinsvorsorge, auch ein Bereich, wo wir uns kompetent fühlen und zurzeit in der Föderalismuskommission darum kämpfen, dass wir die alleinige Zuständigkeit bekommen. Wenn nun der Bund für die EU-Ebene die alleinige Zuständigkeit bekäme, würde er auch dort allein Entscheidungen treffen, obwohl die Föderalismuskommission die Zuständigkeit für uns vorsah. Wie gesagt: Am Ende dieses Prozesses steht eine schleichende Entmachtung unseres Parlaments.

Nein, das muss anders laufen. Dort, wo der Bund zuständig ist, soll er auch allein entscheiden, und dort, wo die Länder zuständig sind, soll der Bund an ein Bundesratsvotum gebunden werden. Damit würde der Föderalismus europatauglich und gleichzeitig der Einfluss der Länder in Europa gesichert.

Ich habe mich deshalb gemeldet, weil es mich doch sehr gewundert hat, lieber Herr Kollege Tromp, was Sie zum Wettbewerbsföderalismus gerade sagten. Das waren neue Töne für mich, die ich so aus der CDU bislang noch nicht vernommen habe. Es wundert mich auch, weil Sie uns gestern im Ausschuss noch ausdrücklich darin bestärkten, dass der Wettbewerbsfödera

lismus wichtig sei. Ich glaube, dass der CDU-Landesverband Sachsen und andere Landesverbände, die auch wirtschaftliche Probleme in ihren Ländern haben, hier sehr viel weiter sind.

Sie wissen, dass wir in Deutschland einen Ausweg aus der Subventionsmentalität brauchen, ja den Ausweg aus dem Subventionsstaat finden müssen. Es hat im Übrigen auch niemand von uns gesagt, dass wir das von heute auf morgen schaffen müssen, dass wir von heute auf morgen den wirklichen Wettbewerbsföderalismus beginnen müssen, wie es ihn in der Schweiz gibt – übrigens, ohne dass es dort zum Zusammenbruch des Sozialstaats gekommen wäre oder ein Steuerwettlauf nach unten, „race to the bottom“, stattgefunden hätte. Den gibt es dort so wenig wie in Kanada oder auch in den USA. Sie können das weltweit sehen: Unser Föderalismusmodell ist in Wahrheit ein Auslaufmodell.

Jetzt möchte ich zu den Ostländern kommen. Das ist mir ein Anliegen. Wir haben – wie gesagt – nie verlangt, dass wir die Länder des Ostens von heute auf morgen in einen Wettbewerb entlassen sollen. Im Übrigen wird der Länderfinanzausgleich wenigstens noch bis zum Jahr 2019 laufen. Aber wir müssen doch einsehen, dass der Länderfinanzausgleich nicht zu dem Ziel geführt hat, das wir ihm eigentlich gesetzt hatten. Wir wollten, dass die Ostländer irgendwann in den Stand gesetzt werden, mit den Westländern konkurrieren zu können, dass sie so an Wirtschaftkraft zulegen, dass sie in der Lage sind, diesen Konkurrenzkampf aufzunehmen. Das ist nicht gelungen, das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Wir sind jetzt in der Gefahr, uns an die Subventionen dauerhaft zu gewöhnen. Wir führen eine Mentalität in den neuen Ländern ein, die wir als Hinterlassenschaft des früheren Westberlins bis heute bei uns bekämpfen. Herr Regierender Bürgermeister, so habe ich den Mentalitätswechsel ursprünglich einmal verstanden. Deswegen müssen wir heute an dieser Stelle sagen, dass es keine Dauerperspektive Subventionsstaat geben kann, dass es eine Alternative dazu geben muss. Die Alternative kann nur heißen, irgendwann in naher Zukunft in den Wettbewerbsföderalismus aufzubrechen.

Noch ein Wort, weil Sie solche Angst vor Bayern haben: Beileibe meine ich jetzt nicht die Lobbyarbeit eines einzelnen Bundeslandes. Da sind wir beieinander, das kann Berlin nicht leisten. Deswegen schlage ich den Weg über den Bundesrat vor, damit der Bund nur über Bundesratsentscheidungen und nicht auf Grund der Lobbyarbeit einzelner Bundesländer gebunden werden kann.

Ich glaube, wir sind uns darin einig, dass die Föderalismuskommission eine große Chance bietet, neue politische Gestaltungsspielräume auch für unser Parlament zu erzielen. Aber um diese zu nutzen, bedarf es einer aktiven Politik.

Damit komme ich zum Schluss. Noch kurz zu der Hauptstadtklausel: Herr Wowereit, ich glaube, Sie sollten in diesem Raum jedem den Respekt entgegenbringen, den er als Parlamentarier verdient. Sich abfällig über einzelne Kollegen zu äußern, wie Sie es im Fall Zimmer getan haben, steht einem Regierenden Bürgermeister nicht gut zu Gesicht.

[Beifall bei der CDU]

Man macht Ihnen zum Vorwurf – ich denke, auch zu Recht –, dass Sie mit Ihrer Hauptstadtklausel die Länder letztlich aus der Verantwortung entlassen haben. Ich glaube, der Kollege Hahn hat das richtig skizziert, und ich teile seine Meinung: Die Länder werden sich bei künftigen Fragen, z. B. beim Länderfinanzausgleich etc., zurücklehnen und sagen: Du, Berlin, bist im Grundgesetz verankert. Du, Bund, kümmere dich mal um Berlin! Wir wollen davon nichts mehr wissen. – Die große Gefahr besteht nämlich jetzt darin – das ist der entscheidende politische Kardinalfehler –, die Länder aus der Hauptstadtklausel herauszulassen.

[RBm Wowereit: Dann hätten wir keine!]

Doch, wir hätten eine! Sie hätten vielleicht an der Stelle nur etwas intensiver und hartnäckiger verhandeln sollen. Ich glaube nicht, dass Sie da in letzter Konsequenz gehandelt haben. Ich höre bis auf Hauptstadtklausel auch relativ wenig andere Punkte. Wir haben heute über die Gemeinschaftsaufgaben und über Zuständigkeiten geredet. Was kam sonst aus Berlin? – Das muss man doch auch einmal ernsthaft fragen. Um all die Chancen zu nutzen, bedarf es einer aktiveren Politik. Aber die erkennen wir zurzeit bei Ihnen nicht, Herr Wowereit! – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Danke schön! – Das Wort für eine Kurzintervention hat jetzt Herr Abgeordneter Hahn. – Bitte!

Und wenn wir als Empfängerland jetzt signalisieren, dass wir einsehen, dass es dahin kommen wird, und uns auf die Situation einstellen, uns darauf vorbereiten wollen, dann können wir die Solidarität der anderen Bundesländer umso eher bekommen. Denn diese sagen sich dann, die Hilfe für Berlin ist für eine begrenzte Zeit, das Land will das an Wirtschaftskraft nachrüsten, was es in der Vergangenheit verloren hat. Es bereitet sich darauf vor, konkurrenzfähig zu werden; unsere Hilfe verfolgt einen Sinn und einen Zweck. – Das ist der ganze Hintergrund. Die nationale Solidarität in diesem Land dürfen wir nicht überstrapazieren.

Im Übrigen wundere ich mich immer über die parlamentarische Linke, die mit nationaler Solidarität in aller Regel nichts anfangen kann, sie aber am stärksten einfor

Prinzip den Begriff von bundesdeutscher Staatlichkeit

Hahn

Danke schön! – Für die PDS-Fraktion hat nunmehr Herr Abgeordneter Hoff das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will gleich auf Herrn Hahn Bezug nehmen. Sie haben gesagt, dass es Sie wundert, dass die parlamentarische Linke bei der Föderalismusdiskussion so viel Wert auf den Inhalt des Begriffs nationale Solidarität legt. Im Unterschied zu Ihnen liegt der Wert dabei nicht unbedingt auf „national“, sondern auf „Solidarität“. Darauf, lieber Herr Hahn, legen wir durchaus Wert, und zwar, weil es offensichtlich ist – –

Solidarität ist keine Einbahnstraße, in der Tat. Aber was sagt die Floskel, die Sie mir gerade gesagt haben? – Inhaltlich überhaupt nichts. Die Frage ist doch: Wie möchte ich den bundesdeutschen Föderalismus organisieren? Da stimme ich Herrn Lindner zu, das bestreitet niemand: Im bundesdeutschen Föderalismus einen Unitarismus durchzuführen, der im Prinzip heißt, dass alle Strukturen und Regelungen gleich sein sollen, ist kein Föderalismus. Das bestreitet niemand. Aber wer in einem Wettbewerb stehen und Chancengleichheit haben will, muss die Akteure, die sich im Wettbewerb befinden, in die Lage versetzen, mit gleichen Ausgangsbedingungen an diesem Wettbewerb teilzunehmen.

dert und meint, sie würde ewig gewährt. So ist es nicht. Wir müssen die Leistungsfähigkeit der anderen Länder beachten. Deshalb müssen wir eine Perspektive der wirtschaftlichen und finanziellen Eigenständigkeit für die Zukunft haben. Nur dann dürfen wir auf die Hilfe rechnen, die uns in den Stand setzt, irgendwann einmal wettbewerbsfähig zu werden. Das muss unser Ziel sein.

[Beifall bei der FDP]

Herr Tromp hat jetzt die Gelegenheit zur Beantwortung.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Hahn! Wir haben gestern im Ausschuss nicht über Ihren Dringlichkeitsantrag gesprochen. Insofern können Sie nicht behaupten, dass wir Sie ermuntert hätten, in Sachen Wettbewerbsföderalismus tätig zu werden. Um das erst einmal klarzustellen! Wir haben gestern im Ausschuss um bestimmte Formulierungen gerungen, damit wir einen gemeinsamen Entschließungsantrag über alle Fraktionen zu Stande bekommen. Dass man dabei gemeinsam nach Formulierungen sucht, ist vollkommen selbstverständlich. Aber daraus abzuleiten, dass man Sie bei der einen oder anderen Stelle einer politischen Linie ermuntert, halte ich für sehr gewagt.

Um auf Ihren Antrag im Detail einzugehen: Es ist nicht nur der Wettbewerbsföderalismus bei den Steuern. Sie fordern auch ein unterschiedliches, differenziertes Arbeitsrecht je nach Region. – Moment, entweder sind wir ein Bundesstaat, oder wir sind ein Staatenbund. Ich glaube, wir sind immer noch ersteres, und die gleiche Rechtsbasis muss in der gesamten Bundesrepublik Deutschland gelten. Insofern halte ich den Vorschlag für noch verwegener als das Thema Wettbewerbsföderalismus über Steuerpolitik.

[Hahn (FDP): Halten Sie auch Milbradt für verwegen, wenn er das fordert?]

Herr Hahn! Lesen Sie sich bitte die Ministerpräsidentenbeschlüsse durch, die auf der Bundesratsseite eingestellt sind. Da haben die Ministerpräsidenten übereinstimmend ihre Position dazu dargelegt. Da steht klipp und klar, dass ein Wettbewerbsföderalismus über Steuern abgelehnt wird. Das war auch ein Konsens bei Regierungen, an denen die FDP beteiligt ist, sowohl in BadenWürttemberg als auch in Rheinland-Pfalz.

[Beifall bei der CDU]

Sie kämpfen hier einen ziemlich einsamen Kampf, und er geht auch noch komplett an den Bedürfnissen der Stadt vorbei.

Bei allen Bestrebungen, neue Strukturen im Rahmen der Bundesstaatskommission zu schaffen, den Parlamenten mehr Spielräume zu öffnen, die wir alle wollen, muss ein gewisses Mindestmaß an Übereinstimmung in diesem Land immer noch herrschen. Dafür treten wir ein.

[Beifall bei der CDU]

[Ritzmann (FDP): Das ist keine Einbahnstraße!]

[Ritzmann (FDP): Völlig unrealistisch!]

Jetzt müssen Sie sich entscheiden: Herr Hahn stimmt mir zu, und Sie sagen, es ist unrealistisch! Ich würde mich freuen, wenn sich die freidemokratische Fraktion ein bisschen einiger wäre. – Gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, ist Voraussetzung, um einen Wettbewerb durchführen zu können. Wenn Sie aber sagen, wir müssen jetzt in einen Wettbewerbsföderalismus, jetzt in einen Konkurrenzföderalismus eintreten – –

[Hahn (FDP): Sagen wir doch gar nicht!]

Herr Hahn, wenn Sie sagen, das sagten Sie nicht, schauen Sie sich doch an, was die Naumann-Stiftung und Herr Lambsdorff an ausführlichen Publikationen zum deutschen Föderalismus veröffentlicht haben, schauen Sie sich an, was die Parteistiftungen – Seidel-Stiftung, EbertStiftung, Naumann-Stiftung – gemeinsam zum Wettbewerbsföderalismus veröffentlicht haben, schauen Sie sich auch an, was die Ihnen nahestehenden Föderalismuswissenschaftler zum Thema Konkurrenzföderalismus sagen, dann werden Sie feststellen, dass die normative Position heißt, jetzt in einen Konkurrenzföderalismus einzutreten und den Länderfinanzausgleich sterben zu lassen. Das war die Position der Naumann-Stiftung in den Verhandlungen zum Maßstäbegesetz. Das war die Position der Länder Baden-Württemberg, Bayern und Hessen im Zeitraum der Klage vor dem Bundesverfassungsgericht zum Länderfinanzausgleich. Das ist die Position der Freidemokraten bei der Regionalisierung der Krankenversicherung. In diesem Kontext sage ich: So einem Begriff von Wettbewerbsföderalismus, der im

sich mit vielem von dem deckt, womit Ministerpräsident

Im Land Berlin ist es mittlerweile auch eine sinnvolle Position, zu sagen, möglicherweise reicht auch BerlinBrandenburg selbst nicht aus, sondern man muss zu größeren Rahmenbedingungen kommen. Diese Diskussion muss geführt werden. Denn wenn es stimmt, dass eine Leistungserzielung im öffentlichen Dienst beispielsweise erst bei einer Einwohnergröße von 5 Millionen Einwohnern kosten-/leistungsmäßig vergleichbar und sinnvoll ist, muss man sich darüber Gedanken machen, welches Bundesland in Ostdeutschland beispielsweise – außer Sachsen – diese Größe überhaupt erreicht. Ganz zwangsläufig muss man darüber nachdenken, wie lange man noch ein Land wie Bremen mit 760 000 Einwohnern einschließlich Bremerhaven aufrechterhalten will, wenn man sieht, dass dieses Land auch auf Grund seiner Kleinheit nicht in der Lage ist, mit Strukturproblemen, Werftenkrise umzugehen, während ein Land wie Nordrhein-Westfalen in der Lage ist, mit einer Strukturkrise umzugehen und trotzdem wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu realisieren. Das

heißt also, die Tradition, 360 Jahre freie Hansestadt Bremen, muss aus meiner Sicht auch aufgegeben werden, man muss sich Gedanken darüber machen, ob man dies aufgehen lassen kann in einem Nordstaat, wie ihn die Ernst-Kommission unter Sozialstaatsprinzipien in den 70er Jahren vorgegeben hat.

Wer den wirtschaftlichen Wettbewerb der Länder zum zentralen Leitmotiv des Föderalismus erhebt, verfehlt Sinn und Zweck der Staatlichkeit selbst und endet letztlich bei Kleinstaaterei.

Was Kleinstaaterei heißt, das können wir beim Austritt Niedersachsens aus der Kultusministerkonferenz feststellen. Herr Dr. Lindner, Sie sind wieder hereingekommen. Deshalb will ich mich in zwei Punkten auf Sie beziehen. Ich finde den Ansatz richtig, zu sagen, wir müssen über die Kultusministerkonferenz nachdenken. Möglicherweise muss man auch über andere Strukturen nachdenken. Sie haben einen Antrag gestellt, mit dem Institut. Der ist diskussionswürdig, darüber sollte man nachdenken und die entsprechenden Akteure, die dazu aussagekräftig sind, beispielsweise in das Parlament, in die Beratungen einladen und sich deren Positionen anhören. Ich finde den Ansatz zumindest nachdenkenswert. Aber Sie haben gesagt, Sie können den Schritt Niedersachsens verstehen, haben sich aber vorher positiv auf die PISA-Studie und in den letzten Jahren wie Ihre Fraktion positiv auf solche Veränderungsprozesse wie Bachelor, Master-Einführung usw. bezogen. Der Austritt Niedersachsens hat die Fortführung der PISA-Vergleichsstudien in Frage gestellt. Nur dieser Schritt hat dazu geführt, dass das Auswärtige Amt die Maßnahmen für den internationalen Schüleraustausch 2005 eingestellt hat, weil nicht klar ist, ob die Kultusministerkonferenz in ihrer Struktur dies noch gewährleisten kann. Drittens ist die Bachelor- und Master-Akkreditierung durch diesen Schritt in Frage gestellt. An dieser Stelle beginnt im Föderalismus Kleinstaaterei und hat das Land Niedersachsen einen Schritt gemacht, der im Bildungsföderalismus mehr Schwierigkeiten als Lösungen gebracht hat. Ich bin dem Regierenden Bürgermeister sehr dankbar, dass er dargestellt hat, welche Schritte die Ministerpräsidentenkonferenz unternommen hat, um in dieser Situation Rechtssicherheit und Politikfähigkeit in den Ländern wieder zu realisieren. Ich denke, über solche Fragestellungen, auch die Konsequenzen solcher Schritte vorher nachzudenken, gehört zu verantwortungsvollem Verhalten von Ländern im deutschen Föderalismus. Das ist der Vorwurf, den man Niedersachsen machen muss, dass sie einen Schritt gegangen sind zu einer Zeit, als die Kultusministerkonferenz intern bereits seit einem Dreivierteljahr an einem Reformvorhaben arbeitete, das

desdeutscher Staatlichkeit aufgibt, werden wir nicht zustimmen.

Ich finde, Sie müssen sich darüber Gedanken machen, wie Sie mit einer Verschärfung von Differenz durch einen Wettbewerbsföderalismus umgehen wollen. Ich sage noch einmal: Wer über Konkurrenzföderalismus und Wettbewerb spricht und Unterbietungskonkurrenz zu Lasten von Regionen und Ländern meint, muss sich darüber Gedanken machen, was letztlich an Leistungen für Bürgerinnen und Bürger in den Regionen bleibt. Für ein Land wie Berlin, aber auch Städte in Nordrhein-Westfalen wie Gelsenkirchen oder Regionen wie die Oberpfalz bzw. Bremen hätte das, was Sie heute als Wettbewerbsföderalismus apostrophieren, verheerende Folgen, weil die zur Zeit bestehenden Rückbindungsmechanismen über die Gelder für extreme Haushaltsnotlagen, über den Finanzausgleich und entsprechende Bundesergänzungszuweisungen den Ländern Sicherheit geben, an einem bundesrepublikanischen Föderalismus teilzunehmen.

Ich sage auch – und da trifft man sich vielleicht an der einen oder anderen Stelle –, dass wir deshalb eine Verzerrung im bundesdeutschen Föderalismus haben, weil wir im Jahr 1976 durch die entsprechende Änderung des Artikels 29 vom ursprünglichen Länderneugliederungsauftrag, den es in bundesdeutscher Fassung gegeben hatte, abgekommen sind. Der Parlamentarische Rat hatte 1949 der Bundesregierung den Auftrag erteilt, innerhalb von drei Jahren eine Neugliederung des Bundesgebiets vorzunehmen. Dann sind verschiedene Kommissionen eingerichtet worden. Letztlich hat der Bundestag 1976 ein Länderneugliederungsverhinderungsgesetz gemacht und die Verfassung entsprechend geändert. Deshalb haben wir heute Bundesländer, die aus sich selbst nicht lebensfähig sind. Nicht zuletzt deshalb hat sich das Land Berlin entschieden, über den Status des Landes Berlin hinaus eine Fusion mit dem Land Brandenburg vorzunehmen, um wettbewerbs- und leistungsfähiger zu sein.

Aber da Herr Hahn Herrn von Dohnanyi zitiert hat, will ich an dieser Stelle den in der Tradition sozialliberaler Reformpolitik stehenden ehemaligen schleswigholsteinischen Innenminister Hans-Peter Bull zitieren, der schlicht und einfach festgestellt hat:

Deshalb heißt unser Leitbild: modernisierter, sozialstaatsorientierter Föderalismus.