Protocol of the Session on October 28, 2004

nalressourcen binden würde. Wir jedenfalls werden diesen Antrag ablehnen.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD – von Lüdeke (FDP): Wir wollen einen Sonderausschuss!]

Einen Sonderausschuss, dasselbe Thema, gleicher Erfolg bei Ihrer Mitarbeit.

Unserem Antrag „Tempelhof für immer schließen“, also ohne Wenn und Aber, sollten Sie zustimmen, meine Damen und Herren, wenn Sie es ernst meinen mit der Schließung von Tempelhof. Ich habe Sie von der SPD und von der PDS immer so verstanden, dass Sie das wirklich wollen. Das Oberverwaltungsgericht hat am 24. September der Klage einer Fluggesellschaft stattgegeben, die sich dagegen verwahrt hat, dass dieser funktionsfähige Flughafen einfach geschlossen wird, die Flughafengesellschaft erst einmal für eine Weile von der Betriebspflicht entbunden wird, aber mit der Option, dass man Tempelhof als Flughafen weiter erhält. Ich finde, das ist nicht der richtige Weg. Das Gericht hat auch gesagt, dass es das falsche Instrument zur Schließung des Flughafens sei. Man kann nicht ein bisschen schließen, man kann nicht ein bisschen schwanger sein, wenn man sich die Hintertür offen lassen will zum weiteren Betrieb von Tempelhof. Deswegen sagen wir – und nicht nur wir, sondern auch die SPD und die PDS, die das in der Vergangenheit immer unterstützt haben –, dass wir die Schließung von Tempelhof ohne Wenn und Aber mit einer planungsrechtlichen Entwidmung vom Flughafenbetrieb wollen.

Gründe dafür gibt es genug. Zwei sind genannt worden: Planfeststellungsbeschluss und die Finanzierung von Schönefeld. Der wichtigste Grund, über den im Augenblick niemand mehr redet, ist der, dass dieser Flughafen eine enorme Belastung für das innerstädtische Gebiet ist, dass er ein Sicherheits- und Umweltrisiko darstellt. Wir haben es in den letzten Jahren mehrfach erlebt: In Neukölln ist ein Flugzeug in einen Hinterhof gerast. Gott sei Dank war es ein kleines Flugzeug, und die Anwohnerinnen und Anwohner sind mit dem Schrecken davon gekommen. Wer sagt uns eigentlich, dass gerade beim Anflug- und Landebetrieb, bei dem die meisten Havarien passieren, dass dabei nicht auch einmal eine größere Havarie, ein größeres Unglück passieren kann? – Wir haben es gerade in der letzten Woche erleben müssen, als ein Kerosinlaster verunglückte. Gott sei Dank ist das auf der Autobahn am Stadtrand geschehen. Wenn das im innerstädtischen Bereich passiert, dann können sich alle sehr warm anziehen.

[Beifall bei den Grünen]

Ich sage: Herzlichen Dank, Herr von Lüdeke! Herzlichen Dank, liebe FDP für diesen Antrag! Ich bin der Auffassung, dass dieser Antrag endlich einmal auf den Tisch gehört, denn er würde in seiner Realisierung sehr viel Spaß bereiten.

[von Lüdeke (FDP): Wir haben ihn nur für Sie gemacht!]

Weil Sie mir ja manchmal nicht glauben, habe ich mir dieses Mal Verstärkung mitgebracht. Das ist, liebe Freunde von der FDP, das „Buch der Wahrheit“. Der erste Satz darin lautet: „Dieses Buch ist das Buch der Wahrheit.“ Wer etwas wissen möchte über Weltall, Erde, Mensch, der kann darin nachlesen, was die Wahrheit ist. Das Buch ist von 1966. Darin finde ich über die Wahrheit der „Perspektiven des Berliner Flugverkehrs“ – 1966, deswegen die Beschränkung auf Schönefeld – folgende Sätze:

Der Flughafen Berlin-Schönefeld wird nach seiner Fertigstellung einer der modernsten Verkehrsknotenpunkte sein. In einem gemeinsamen Bauwerk werden die S-Bahn-, U-Bahn- und Fernbahnanlagen, die Flughafenanlagen und die Straßenanlagen einschließlich der erforderlichen Parkplätze zusammenfließen. Die mit der Fern-, S- und zukünftigen U-Bahn ankommenden Flugreisenden erreichen über Fahrtreppen mit Gepäckförderbändern

Noch einmal zu Tempelhof. Da benötigen wir – die Grünen haben Recht – eine Nachnutzungskonzeption. Wie es so häufig in der stadtpolitischen Diskussion ist, können wir uns dabei ein wenig auf die Vergangenheit berufen. Die Vergangenheit von Tempelhof ist das Tempelhofer Feld. Dazu auch eine Quelle, von wegen Wisentherde.

Frau Abgeordnete! Bitte achten Sie auf die Zeit!

Ja! – Da finden wir die Geschichte vom Tempelhofer Feld. 1922 beginnt man mit der Einebnung des Feldes; Hausmüll und Unrat füllen die Kuhlen; 300 000 Kubikmeter Erde werden aufgetragen; Rasen wird gesät, der im märkischen Sand nicht wachsen will; man hilft mit 225 Tonnen Kunstdünger nach, worauf Flughafenschafe die emporschießenden Grashalme in Schach halten müssen. Das Tempelhofer Feld war eine Vergnügungsstätte für die Berlinerinnen und Berliner, dort wurde Billard gespielt, Brauereien und Biergärten hatten dort ihre Dependancen. Das ist eine Zukunft, die wir uns gut vorstellen können.

unmittelbar die darüber liegende Empfangshalle mit den Abfertigungsanlagen der Interflug.

[von Lüdeke (FDP): Wo ist denn das erschienen?]

Nun, die Interflug hat nicht überlebt. Da gibt es auch noch ein schönes Foto dazu. Aber ansonsten muss ich sagen, das „Buch der Wahrheit“ von 1966 beschreibt doch eine sehr zutreffende Perspektive für das Berliner Flugwesen.

[Ritzmann (FDP): Da kommt die Wahrheit her, aus der DDR!]

Das Buch, lieber Herr von Lüdeke, ist – ich sagte es bereits – von 1966 und beschränkt sich auf Schönefeld. Da wissen Sie gleich, es ist in der DDR erschienen.

Aber wir haben noch viel mehr schöne Bücher. Wir haben heute die Debatte zu Tempelhof unter anderem auch einer heftigen Zeitungsdiskussion zu verdanken, in der auch eine Architekturkonzeption vom Architekten Brunnert dargestellt wurde. Ich habe den „Tagesspiegel“ in der letzten Zeit vor allem dann gelesen, wenn es um Lifestyle-Empfehlungen aus den 70er Jahren ging, aber Verkehrspolitik aus den 50er Jahren in dem Architekturprojekt von Herrn Brunnert zu finden, das war ebenfalls interessant. In einem Buch von 1959 mit dem Titel „Unsere Welt von morgen“ habe ich mit richtigem Genuss etwas darüber gefunden, wie die Verkehrsorganisation von morgen sein soll. Ein Grundsatz der Organisation für den Großstadtverkehr lautet – ich lese jetzt vor –:

Auf unterirdischen Straßen wird der Transport für die Belieferung der Betriebe, Gaststätten und Läden in den Hauptstraßen vor sich gehen. In den Zentren des Fußgängerverkehrs – Einkaufs- und Vergnügungsviertel – ziehen die unterirdischen Straßen den gesamten motorisierten Verkehr auf sich.

[von Lüdeke (FDP): Jetzt wissen wir endlich, woher Sie Ihre Argumente haben!]

Da gibt es noch ein Kapitel zum Flugverkehr. Sie sprachen vom Linienflugverkehr für Tempelhof, und dazu finde ich auch etwas. Die Zukunft des Flugverkehrs ist nicht der Linienflugverkehr – das sagt uns dieses Buch:

Den Himmel wahrhaft bevölkern aber werden nicht jene riesigen Straßenkreuzer und andere Großflugzeuge für weite Strecken, so imponierend ihre Zahl auch sein wird.

Nein, 1959, ist die Zukunft des Flugverkehrs der Nahverkehr. –

Hubschrauber, Ringflügler, fliegende Diskusse und viele andere Spezialflugzeuge der verschiedensten Art und Größe werden zu selbstverständlichen Verkehrsmitteln für den Massenbedarf geworden sein.

Es gibt noch ein Foto dazu, eine sehr schöne Grafik, wie sich in den unterschiedlichen Ebenen die verschiedenen Verkehrsträger einfinden. Das wäre eine Perspektive, so wie Sie sie für Tempelhof im Auge haben.

Schade, dass wir Ihren Untersuchungsausschuss nicht einrichten können. Meine Fraktion geht leider diesen Weg nicht mit. Ich hätte mich gern mit Ihnen noch länger über Ihre weitsichtigen Ideen unterhalten. Nun gut, dann haben Sie es wenigstens mal hier in der Debatte mitbekommen.

[Beifall bei der PDS und der SPD – von Lüdeke (FDP): Nun wissen wir, woher Sie Ihre Argumente holen!]

Danke schön! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Wegner das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Matuschek! Ich habe leider keine Bücher dabei, habe aber auch keine Bücher von 1966 gelesen. Es ist klar, Frau Matuschek, dass Sie Tempelhof dort nicht finden. In Ihrem Buch von 1966 ist Westberlin ein weißer Fleck. Hätten Sie sich andere Bücher gekauft, wäre auch Tempelhof darin gewesen.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Ich empfehle Ihnen, Frau Matuschek, statt nur in der Historie zu lesen – zweifellos ist das auch wichtig –, ab und zu auch einmal etwas Modernes, Aktuelles zu lesen. Wenn Sie sich aktuelle Berichte, Veröffentlichungen oder Presseerklärungen von sämtlichen Wirtschaftsverbänden nicht nur in der Stadt, sondern auch über die Stadtgrenzen hinaus einmal durchläsen, hätten Sie festgestellt, dass Sie dort, bei diesen Verbänden und Experten, wohl gar keinen finden, der sich für eine Schließung des Flughafens Tempelhof ausspricht. Wenn Sie aus Büchern von 1966 zitieren, empfehle ich Ihnen, doch einmal aktuelle Meldungen zu lesen.

Zu später Stunde sprechen wir über zwei Anträge, und wieder einmal geht es um den Flughafen Tempelhof.

Der FDP-Antrag hat viele berechtigte Fragen, so zum Beispiel zum Umgang mit den in Tempelhof ansässigen Airlines und dem daraus entstandenen Schaden für unsere Stadt. Der Umgang des Senats mit Tempelhof ist verkehrs- und wirtschaftspolitisch unsinnig und zudem auch noch handwerklich dilettantisch. Aber rechtfertigt das einen Sonderausschuss? – Liebe Kollegen von der FDP! Nutzen wir gemeinsam die Ausschüsse, die wir im Hause haben, den Wirtschaftsausschuss, den Verkehrsausschuss, den Vermögensausschuss und natürlich auch den neu zu bildenden Beteiligungsausschuss! Stellen wir da alle unangenehmen Fragen, und erwarten wir Antworten! Ich

bin mir nicht sicher, ob wir immer eine Antwort bekommen werden, aber das sagt ja auch einiges aus, wenn uns der Senat keine Antworten gibt. Es sagt einmal mehr: Dieser Senat kann es nicht. Durch einen Sonderausschuss wäre das nicht mehr an Erkenntnis, das wissen wir auch jetzt schon. Deshalb mein Fazit: Stellen Sie Ihre Fragen zu den Wirtschaftlichkeitsdaten im Vermögensausschuss und im neuen Beteiligungsausschuss, und dann schauen wir, wie wir dem Flughafen Tempelhof in der Stadt helfen können.

Herr Abgeordneter! Schauen Sie bitte, Ihre Redezeit ist um!

Noch ein Satz! – Ihr Antrag ist völlig überflüssig. Was wollen Sie eigentlich? – Sie wollen zeigen, dass Sie dagegen sind – gegen eine wirtschaftspolitisch sinnvolle Lösung, gegen eine verkehrspolitische gebotene Nutzung, gegen ein haushaltspolitisch vernünftiges Konzept. Wir lehnen beide Anträge ab. Geben Sie gemeinsam mit uns dem Flughafen Tempelhof, dem Luftverkehrsstandort eine Chance!

Danke schön! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Glücklicherweise – das unterstreiche ich dreimal – wurde der ideologische Blindflug des rot-roten Senats von der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts gestoppt.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Einmal mehr eine juristische Niederlage für den rot-roten Wowereit-Senat! Ich glaube, es wird nicht die letzte gewesen sein.

Der City-Airport Tempelhof ist keine Last, er ist ein Pluspunkt, ein Standortfaktor für Berlin. Schauen Sie sich die Realitäten an! Tegel stößt bereits jetzt an die Kapazitätsgrenzen. Wir freuen uns über immer stärkeren Zustrom in die Stadt, auch über den Flugverkehr. Und Sie wollen, wo Schönefeld noch überhaupt nicht so weit ist und noch keine Alternative darstellt, den funktionierenden Flughafen Tempelhof schließen. Das irrsinnig, was Sie mit Ihrer Flughafenpolitik vorhaben.

[Beifall bei der CDU]

Die konkurrenzlos günstige Citylage von Tempelhof ist ein Standortfaktor für unsere Stadt, und das ständige Gerede, Frau Hämmerling, über die Schließung hat so viel Unsicherheit bei Airlines und Investoren verbreitet, dass wir uns heute nicht wundern müssen, dass die Zahlen für diesen Flughafen so schlecht aussehen und die Defizite so hoch sind. Die haben Sie doch durch Ihre Propaganda produziert!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Lindner (FDP): Richtig!]

Deshalb wünsche ich mir und fordere sie auf: Geben Sie Tempelhof nach der Gerichtsentscheidung endlich eine klare zeitliche Perspektive! Wir sagen: „mindestens“ bis zur Inbetriebnahme von BBI; wenn Sie „wenigstens“ bis zur Inbetriebnahme von BBI sagen würden, wären wir schon ein Stück weiter.

Herr Regierender Bürgermeister, nutzen Sie dabei endlich die Angebote, die Ihnen auch persönlich von den Fluggesellschaften gemacht worden sind, diesen Flughafen zu bewirtschaften. Prüfen Sie sie doch wenigstens mal seriös, Herr Wowereit! Nicht einfach nur sagen, wir machen dicht, ohne auf die Zahlen gesehen zu haben! Einfach prüfen, und wenn es dann unseriös erscheint, wovon ich nicht ausgehe, können wir immer noch darüber reden, aber wenigstens einmal prüfen und die Investoren nicht nur mit Ignoranz bestrafen!

[Beifall bei der CDU]

Nun zum Antrag von Bündnis 90/Die Grünen.