Ich könnte an dieser Stelle unendlich fortfahren, aber so viel Zeit habe ich dann auch nicht. Daran sieht man schon, was Hartz IV ist. Hartz IV ist eine Umstrukturierung des bürokratischen Apparats, nicht mehr und nicht weniger. Es wird dadurch nicht ein einziger Job mehr entstehen.
Von einem Notfallplan war schon die Rede, damit die Gelder pünktlich zum Januar 2005 ausgezahlt werden können.
Viel ist in letzter Zeit vom Fördern der Betroffenen gesprochen worden. Dies hat sich auch in einigen Anträgen in den Ausschüssen widergespiegelt. Ich unterstütze
zum Teil diese Forderungen. Qualifizierungsmaßnahmen, dort, wo sie sinnvoll sind, müssen auch weiterhin ein wichtiger Baustein dieser Reform bleiben – keine Frage. Allerdings will ich auch offen sagen, dass das so genannte Fordern nicht untergehen darf. Grundsätzlich muss gelten: Wer arbeiten kann, muss dies auch tun.
Zwar stellt der Senat aus Bundes- und Landesmitteln circa 70 000 Personen Eingliederungshilfen zur Verfügung, doch die Frage lautet: Was passiert mit den 200 000 Menschen, die nicht in den Genuss kommen, eine dieser Eingliederungshilfen zu ergattern? Es entsteht somit eine Gerechtigkeitslücke. Diese Gerechtigkeitslücke besteht bereits bei der jetzigen Gesetzeslage. Der Anreiz, sich eine Arbeit zu suchen, bleibt gering.
Herr Gaebler, ich rechne Ihnen das einmal vor, Sie können gern einen Taschenrechner hervorholen! – Eine Kassiererin erhält im Monat circa 900 €. Die Sozialtransfers bei Arbeitslosengeld II belaufen sich bei mindestens 800 €. Dies ist auf Dauer nicht durchzuhalten.
Wenn man bedenkt, dass knapp die Hälfte der Anträge an die Verwaltungen zurückgeschickt wurden, wird mir schon jetzt angst und bange vor dem Januar 2005, auch deshalb, weil viele bezirkliche Sozialämter hoffnungslos überfordert sind und für viele Wochen schließen müssen. Die Berliner Sozialämter stehen vor dem Kollaps.
Die Einführung der Jobcenter inklusive Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und neuer Liegenschaften werden Millionen verschlingen. Bis heute wissen wir nicht richtig, wo genau die Jobcenter sein sollen. Dabei möchte ich zu bedenken geben, dass der Apparat der Agenturen für Arbeit unbehelligt bleibt. Das bedeutet doch im Klartext doppelte Kosten, fast doppelte Anzahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Konkurrenz zwischen den Verwaltungen der Bezirke und der Bundesagentur für Arbeit, wer für was zuständig ist. So kann man wahrlich keine Reform angehen.
Ich verweise in dem Zusammenhang auf die Aussagen der Bezirksstadträtin Schmiedhofer aus CharlottenburgWilmersdorf und zitiere:
Es gibt immer einen virtuellen Dritten, nämlich Nürnberg, der mit am Tisch sitzt, so dass für uns es sehr schwer zu verstehen...
Kann eine Entscheidung nicht getroffen werden, weil es ein Rundschreiben gibt oder ein Rundschreiben zu erwarten ist oder ziehen sich unsere Verhandlungspartner dahinter zurück, das macht die Situation sehr schwierig, weil man ja mit Nürnberg nicht persönlich verhandeln kann.
Es ist ein Strukturproblem im Land Berlin, dass sich bei einem so großen Projekt wie Hartz IV besonders deutlich bemerkbar macht. Jeder Mitarbeiter des Sozialamtes betreut im Durchschnitt 180 Fälle.
Das bedeutet eben, dass von Oktober bis Dezember diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nichts anderes machen können, als diese Fälle einzugeben, mit dem Ergebnis, dass die Sozialämter schließen müssen.
Auch die Einführung der Software ist alles andere als geglückt. Wenn ich gestern in der „Berliner Zeitung“ lesen musste, dass es bundesweit nur von 7 bis 19 Uhr möglich ist, sich in das Datensystem der Bundesagentur einzuschalten, so fehlen mir die Worte. Da reden der Senat und die Bundesregierung von einem Meilenstein in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, und letzten Endes droht alles im Mief einer zentralistischen Bundesbehörde zu scheitern. Dieses Beispiel mag für die Fehlkonstruktion beispielhaft sein.
Ich möchte noch auf einen anderen Aspekt aufmerksam machen. Dieser Aspekt ist für manche unbequem, ich nenne ihn aber trotzdem: Wenn wir es nicht schaffen, die Schere zwischen den Sozialtransfers und dem Niedriglohnbereich zu vergrößern, werden wir die Massenarbeitslosigkeit nicht bekämpfen können.
Deshalb muss es Ziel des Senats sein, den Niedriglohnbereich durch verschiedene Anreize zu stärken. Man sollte beispielsweise die Überlegung anstellen, ob es nicht über eine Bundesratsinitiative sinnvoll wäre, einen bestimmten Teil des Regelsatzes flexibel anzupassen.
Ich habe einen Antrag eingebracht, der leider abgelehnt wurde, damit in Anlehnung an das so genannte Leipziger Modell jedem Neuantragsteller eine Arbeit angeboten wird. Es ist schon bemerkenswert, dass 25 bis 30 % der Antragsteller dann auf Leistungen verzichtet haben. Dies muss man ebenfalls erwähnen, auch wenn es unbequem ist.
Ich fasse zusammen: Hartz IV ist ein Meilenstein für mehr Bürokratie und vielleicht eine Herausforderung für die öffentliche Verwaltung. Mehr auch nicht. Neue Jobs gibt es durch Hartz IV nicht. Wer neue Jobs will, muss ein Bündel von Maßnahmen ergreifen, und diese wären:
Frau Breitenbach, ich berichte Ihnen jetzt über die Maßnahmen. Hören Sie gut zu, dann können Sie das vielleicht im Ausschuss auch einmal verwenden:
Der Ausschuss empfiehlt zum Antrag der FDPFraktion Drucksache 15/3061 – Stichworte: Altersarmut vermeiden – mehrheitlich – gegen CDU und FDP, bei Enthaltung der Grünen – die Ablehnung. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von CDU und FDP. – Die Gegenprobe! – Das sind die Regierungsfraktionen. Letzteres war die Mehrheit. Damit ist der Antrag abgelehnt. – Enthaltungen? – Bündnis 90/Die Grünen.
Zum Antrag der FDP-Fraktion Drucksache 15/3062 – Stichworte: Alg-II-Antrag vereinfachen – empfiehlt der Ausschuss mehrheitlich – gegen die FDP, bei Enthaltung der CDU – die Ablehnung. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die FDP. – Die Gegenprobe! – Das sind die Regierungsfraktionen und die Grünen. Letzteres war die Mehrheit und damit ist der Antrag abgelehnt. – Enthaltungen? – Die CDU.
Der Ausschuss empfiehlt zum Antrag der Grünen Drucksache 15/3104 – Stichworte: Übergangsregelungen nutzen – mehrheitlich – gegen CDU und Grüne, bei Enthaltung der FDP – die Ablehnung. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Grünen und die CDU. – Die Gegenprobe! – Das sind die Regierungsfraktionen. Letzteres war die Mehrheit und damit ist der Antrag abgelehnt. – Enthaltungen? – Die FDP.
die Reform des Tarifrecht und des Kündigungsschutzes – der Flächentarifvertrag ist nicht mehr zeitgemäß, die grundsätzliche Entschlackung des Arbeitsrechts – Arbeitsplätze entstehen in der Wirtschaft und nicht in der Verwaltung.
Wir müssen den Standort Deutschland und den Standort Berlin wieder attraktiv machen, damit Unternehmen zu uns kommen und hier investieren.
Dies geht nur durch weniger staatliche Eingriffe und weniger Steuern und Abgaben, weiterhin durch eine bessere Bildungs- und Forschungspolitik – die klugen Köpfe gilt es hier zu halten und nicht alles dafür zu tun, dass sie im Ausland ihre Arbeitsplätze erhalten – und die Stärkung des Niedriglohnbereichs.
Ohne dessen Stärkung wird es uns nicht gelingen – ich weiß, das hören die Gewerkschaftsfans immer besonders ungern, ich sage es aber trotzdem –: Ohne diese Stärkung wird es uns nicht gelingen, die hohe Arbeitslosigkeit zu verringern. Ich hoffe, der Senat wird dies irgendwann einsehen. Noch bin ich guten Mutes. – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Lehmann! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, so dass wir nun zu den Abstimmungen kommen können.
Zum Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 15/740 – Stichworte: Vorbereitungen voranbringen – empfiehlt der Ausschuss einstimmig, den Antrag für erledigt zu erklären. Wer so beschließen möchte, bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Das war einstimmig. – Gegenprobe! – Keiner. Enthaltungen? – Keine. Damit ist das so beschlossen.
Zum Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 15/2872 – Stichworte: Alg verschieben – empfiehlt der Ausschuss mehrheitlich – gegen die Stimmen der FDP – die Ablehnung. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die FDP. Danke schön! – Die Gegenprobe! – Das sind die anderen Fraktionen. Letzteres war die Mehrheit, damit ist der Antrag abgelehnt. Enthaltungen? – Gibt es nicht.
Zu dem Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 15/3060 – Stichworte: Regelmäßiger Umsetzungsbericht – empfiehlt der Ausschuss mehrheitlich – gegen die FDP und bei Enthaltung der Grünen sowie einer Stimme der CDU – die Annahme mit neuer Überschrift und in neuer Fassung. Wer der Beschlussempfehlung Drucksache 15/3284 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von SPD, PDS
und CDU. Danke schön! – Die Gegenprobe! – Das ist die Fraktion der FDP. Ersteres war die Mehrheit. Dann ist so beschlossen. – Enthaltungen? – Bündnis 90/Die Grünen – Danke schön!
Bevor ich zur Beschlussempfehlung mit der Drucksachennummer 15/3320 komme, teile ich mit, dass der Änderungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen – Drucksache 15/3320-1 – zurückgezogen worden ist.
Nun lasse ich über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der PDS mit der Drucksachennummer 15/3320-2 abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag von SPD und PDS die Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind alle Fraktionen außer der FDP. – Die Gegenprobe! – Keine Gegenstimmen, dann ist das so beschlossen. – Enthaltungen? – Bei Enthaltung der FDP.