Wir müssen dringend in die intensivere inhaltliche Diskussion zu diesen Fragen kommen. Ich wünschte, wir müssten uns nicht immer noch so sehr mit den organisato
rischen Punkten befassen. Ich stelle Bezug nehmend auf die Diskussion im Ausschuss erneut fest, dass sich rot-rot der Diskussion verweigert, den Kopf angesichts der Pro- bleme mit der Umsetzung in den Sand steckt. Die erheblichen Sorgen, die die Betroffenen und die die Beschäftigungsträger haben, sind mehr als angebracht. – Ich danke Ihnen!
Danke schön, Herr Kollege Kurth! – Für die Fraktion der PDS hat nunmehr Frau Freundl das Wort. – Bitte sehr, Frau Freundl!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kurth! Wir beschließen heute etwas, was wir schon tun und was schon Beschlusslage dieses Hauses ist, damit auch die PDS diese Vorstellungen noch einmal parlamentarisch untermauern kann und hoffentlich bei Ihnen die sichtbare Hektik abnimmt. Wir können heute nur über einen Zwischenstand beraten. Wir können noch nicht über abgeschlossene Verträge reden und diese bewerten. Es ist ein immer währender Prozess, der ständig in Veränderung begriffen ist. Wir können nur feststellen, was zum jetzigen Zeitpunkt feststeht und was noch offen ist.
Fest steht – das finde ich sehr wichtig –, dass es eine Arbeitsmarktentlastung für 70 000 Personen in Berlin geben wird. Einzelne Instrumente sind mit der Regionaldirektion geeint. Die Weiterführung der Hilfen zu Arbeitsprojekten, das Einstiegsgeld und eine Reihe von weiteren Tatsachen sind mit der Rahmenvereinbarung im August bereits geeint gewesen. Viele Instrumente – das wissen alle Arbeitsmarktpolitiker – funktionieren in Berlin überhaupt nur, wenn sie vom Land aus Landes- oder ESF-Mitteln kofinanziert werden. Ein relevantes Angebot für Nichtleistungsempfangende wird es in Berlin und für Berlin sowie für Berliner Betroffene nur geben, wenn sich in starkem Maß das Land Berlin engagiert, sowohl finanziell als auch konzeptionell.
zig Tausende von Stellen im öffentlichen Dienst abzubauen, die Bezirke zu fusionieren und dann keine Liegenschaften zu finden. Es fehlen deutlich über 1 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die neuen Arbeitsgemeinschaften. Der Rücklauf der Anträge – völlig unbefriedigend. Die Qualität des Rücklaufs – völlig unbefriedigend. Die Software, Frau Grosse, funktioniert nicht. Lassen Sie sich diese Woche vom Rat der Bürgermeister informieren, wie es steht mit der Eingabe der Daten zu Bedarfsgemeinschaften. Und so weiter, und so weiter. –
Frau Senatorin fand dazu vor neun Wochen den Satz: Wir kriegen das schon hin! – Inzwischen klingt das ein bisschen zurückhaltender. Es tut mir auch Leid, sagen zu müssen, Sie kriegen es nicht hin. Ich wünschte, wir wären weiter.
In den Anträgen befassen wir uns heute im Wesentlichen mit zwei Komplexen: Wie entwickelt sich das kommunale Beschäftigungsangebot, insbesondere: Wie entwickelt sich das Angebot in den so genannten Mehraufwandsentschädigungsjobs? – Zu der ersten Frage kann man, Bezug nehmend auf eine Position des Senats, – noch jedenfalls – nichts sagen. – Ich brauche nicht mehr um Erlaubnis zu fragen, wenn ich zitiere. Ich zitiere aus Ihrem Redebeitrag von vor neun Wochen, Frau KnakeWerner:
Darum wird der Senat in den nächsten Wochen ein Programm für öffentlich geförderte Beschäftigung vorschlagen.
Das war vor neun Wochen. Wann kommt es denn, damit wir uns damit befassen können? Wann ist für Sie „in den nächsten Wochen“ zu Ende? – Sie bleiben hinter Ihren eigenen Ankündigungen immer wieder zurück. Auch das ist es, was langsam nicht nur für Verunsicherung, sondern auch für Verärgerung sorgt.
Wir brauchen zu dem Thema MAE-Beschäftigung eine ergänzende Lösung. Es sind völlig unterschiedliche Situationen, ob wir lediglich Missbrauchstatbestände abwehren müssen – wahrscheinlich vor allem im Handwerk – oder ob wir, etwa im Bereich Gesundheit, Pflege und Soziales, schon heute ein Wettbewerbsverhältnis zwischen privatwirtschaftlichen und gemeinnützigen Tätigkeiten haben. Und drittens müssen wir überlegen, ob wir nicht die MAE-Jobs brauchen, um dem eigentlichen Anliegen, nämlich die Brücke in den ersten Arbeitsmarkt zu bieten, gerecht zu werden. Das wird mit dem, was bisher in Berlin an Beschäftigungsmöglichkeiten vorliegt, nicht gelingen.
Im Prozess der Verhandlung mit der Regionaldirektion ist ebenso wichtig zu beleuchten, was noch nicht feststeht. Herr Kurth, was noch nicht feststeht, hat übrigens auch Auswirkungen darauf, was Berlin dichtmachen kann, was Berlin abklären und sagen kann: Das ist unser Programm. – Das wissen Sie, wenn Sie die Konstruktion der bundesgesetzlichen Regelung kennen.
Es steht noch nicht fest, wie groß und wie hoch der Eingliederungstitel für die Arbeitslosengeld-IEmpfangenden sein wird. Er steht in der Höhe noch nicht fest, ebenso wenig wie feststeht, wie viele – um ein Instrument, das Sie alle kennen zu nennen: die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen – Förderfälle es geben wird. Es steht immer noch nicht fest, obwohl es alle schon im Munde führen, wie hoch wirklich der Eingliederungstitel für die Arbeitslosengeld-II-Empfangenden sein wird. Die Zahlen kursieren zwar überall, aber der Haushalt ist noch nicht bestätigt.
Wir wollen uns hier ausdrücklich finanziell engagieren, wenn es bei den Arbeitsgelegenheiten Qualifizierungsmodule gibt, die tatsächlich die Betroffenen weiterbringen und auch ihre Integrationschancen erhöhen. Wir wollen werthaltige Qualifizierung, die sinnvoll ist und Arbeitsgelegenheiten für die Betroffenen interessanter und attraktiver macht. Wir wollen für Arbeitslosengeld-II
Empfangende über 55 Jahre eine Laufzeit von 3 Jahren, weil das ausgesprochen sinnvoll für die Betroffenen und auch für das Angebot ist. Wir wollen ausdrücklich die Beteiligung der Träger an Qualitätsmanagement und Qualität sichernder Zertifizierung. Nur mit den Trägern und mit den Beteiligten in Arbeitsgemeinschaften gemeinsam kann auch Missbrauch vermindert werden. Es kann auch tatsächlich dafür gesorgt werden, dass qualitätsvolle Angebote und Träger das Rennen machen und nicht sehr große, die kein wirklich überzeugendes Angebot für alle beteiligten Seiten realisieren.
Wir wollen – das ist eines der größten Probleme – das Wunsch- und Wahlrecht sowie die Freiwilligkeit für die Angebote der Arbeitsmarktpolitik, weil es eben für die Motivation und für die Bereitschaft der Leute, für 1,50 € zu arbeiten, ganz wichtig ist, weil es auch für diejenigen, die das Angebot annehmen sollen und wollen, sehr wichtig ist, dass ihnen Leute, die das auch gern machen, die sich das auch zutrauen und für sich einen Sinn sehen. zugeteilt werden. Es muss Wahlmöglichkeiten geben. Das ist für die Träger und für die Betroffenen sowie für das Gemeinwesen aus unserer Sicht von außerordentlich großer Bedeutung.
Es steht noch nicht fest, ob es Arbeitsgelegenheiten mit Entgeltvarianten geben wird, und wenn ja, in welchem Umfang dafür Haushaltsmittel zur Verfügung stehen. Wir wissen – das habe ich im August schon gesagt, daran hat sich leider nichts geändert –, dass es keine Kapitalisierung von Arbeitslosengeld II nach dem Willen der Regionaldirektion geben kann und damit erst einmal nicht umsetzbar für Berlin sein wird, obwohl wir in Berlin und in anderen Bundesländern sehr gute Erfahrungen mit der Kapitalisierung von Sozialhilfe gemacht haben.
Es ist auch die Zwischensituation eingetreten, dass wir bis 31. Dezember 2004 noch keine Arbeitsgemeinschaften haben und darum die Übergangsfinanzierung, die 118 Millionen €, von denen Frau Klotz in ihrem Antrag, der heute noch einmal von unserer Fraktion ersetzt wird, suggeriert, dass dieses Geld von Berliner Bezirksämtern oder dem Land umverteilt werden könnte. Das ist nicht so. Da es diese Arbeitsgelegenheiten nicht gibt, entscheiden die Agenturen oder die Regionaldirektionen über die Verteilung der Mittel. Ohne Einbeziehung der Bezirksämter ist jetzt natürlich eine ganze Menge gerade bei den Mehraufwandsentschädigungen, bei den Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigungen, passiert, was vielleicht unter Beteiligung der Bezirksämter nicht passiert ist. Es gibt auch sinnvolle Projekte, das ist ganz klar, Projekte, die von der Regionaldirektion oder den Agenturen den Zuschlag bekommen und die zu Beschäftigten dann an Träger weitervermitteln, wo dann eine sinnvolle Beschäftigung arg in Gefahr gerät.
Es gibt eine ganze Menge anderer Probleme, die noch nicht geklärt sind. Deshalb müssen wir in dieser Situation eine Positionsbestimmung vornehmen, was der derzeitige Verhandlungsauftrag aus unserer Sicht für den Senat gegenüber der Regionaldirektion sein kann und sein muss. Dazu stelle ich unseren Antrag noch einmal in den einzelnen Punkten vor.
Wir wollen nicht, dass Jugendliche, wenn ihnen kein Arbeitsplatz oder kein Ausbildungsplatz angeboten wird und – ich glaube, das wird eine sehr, sehr große Zahl in Berlin sein – und dann nur die Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandentschädigungen übrig bleiben, dass sie sechs Monate dauern, damit danach wieder 3 oder 4 Jahre Ruhe einkehrt bis es wieder ein Angebot für 6 Monate gibt. Wir wollen, dass sie Angebote für generell nicht unter einem Jahr erhalten. Wir wollen, dass sich Qualifizierungsmodule oder -bausteine tatsächlich in diesen Bausteinen wiederfinden, damit die Jugendlichen ein Teiläquivalent für einen eigentlich zur Verfügung zu stellenden Ausbildungsplatz erhalten.
Wir wollen auch das Problem – das haben alle schon angesprochen – klären. Wir haben es noch nicht geklärt. Es ist auch nicht ohne weiteres zu klären, wie sinnvoll Arbeitsmarktpolitik in Unternehmen des 1. Arbeitsmarktes realisiert wird, wie damit im Konsens mit den Kammern, den Unternehmerverbänden sowie den Gewerkschaften abgesichert wird, dass es zusätzlich ist und auch im öffentlichen Interesse liegt und keine Verdrängung stattfindet. Da liegen die Kriterien nicht auf der Hand. Sie müssen aus meiner Sicht konsensual in einzelnen Schritten erarbeitet und danach auch durchgesetzt werden. Dann gibt es die Chance auf einen Integrationseffekt für die Betroffenen. Die Gefahr der Verdrängung wird minimiert, obwohl sie auch weiter vorhanden sein wird.
Ich komme nun zum letzten Punkt unseres Antrages. Es geht um die Auseinandersetzung mit der extrem schwierigen Situation für künftige Nichtleistungsempfangende. Im Moment ist es so geregelt, dass es sich um eine Kann-Leistung handelt bei der Beratung und Vermittlung im Kreis der Arbeitslosengeld-I-Empfangenden und auch aus diesem Titel zu finanzieren ist. Da es aber von Seiten der Regionaldirektion keinerlei finanzielles Interesse gibt, mit dieser Gruppe umzugehen, ist es so, dass sie in der Rangliste derer, die beraten und betreut werden, logischerweise ganz hinten stehen.
Wir schlagen deshalb in unserem Antrag vor zu prüfen, ob nicht eine Kontingentierung für diesen Personenkreis eine wichtige Voraussetzung ist, dass sie tatsächlich eine Chance bekommen, aus der Kann-Bestimmung auch eine Regelleistung zu machen. Um sich die Situation für die Betroffenen noch einmal zu vergegenwärtigen, will ich noch einmal eine Klarstellung versuchen. Wir können im Moment nur schätzen. Wir kennen Partnereinkommen
Das Pharisäertum der PDS brauche ich jetzt wohl nicht noch einmal darzulegen. Das habe ich bereits in der letzten Debatte in diesem Haus getan.
Zweitens lähmt der Streit zwischen PDS und SPD generell den Reformwillen und die Umsetzung der Reformen. Das sind wahrlich keine guten Ausgangsbedingungen für dieses Reformpaket.
Drittens kristallisiert sich jetzt heraus, dass Hartz I bis IV zwar eine große Herausforderung für den bürokratischen Apparat darstellt, allerdings an der eigentlichen Misere der deutschen Arbeitsmarktpolitik nichts ändert.
und Vermögen der Betroffenen nicht. Aber 35 000 Personen – Schätzungen gehen bis 50 000 Personen – werden aus dem Leistungsbezug wegen Vermögen herausfallen. Das ist nicht so schlimm, weil sie irgendwann in den Leistungsbezug wieder hineinkommen. Schwierig wird es, wenn der Leistungsbezug wegfällt, wegen des Partnereinkommens. Es ist ein Paradigmenwechsel. Es gibt für diese Personengruppe keinen eigenständigen Existenzsicherungsanspruch mehr. Es werden wahrscheinlich im Wesentlichen Frauen sein. Ich finde dies einen frauen- und gleichstellungspolitischen Sündenfall. Es war jahrzehntelang auch in der Bundesrepublik Deutschland Konsens, dass Mann und Frau einen eigenständigen Existenzsicherungsanspruch haben müssen. So, wie es jetzt ist, ist es ein Desaster für sechs Jahre Regierung von Rot-Grün. Uns sind da Veränderungen versprochen worden.
Sie sind auch bitter nötig. Sie müssen aber auch kommen, spätestens Ende des Jahres. Es ist ein Reformprozess, der seinesgleichen sucht. Noch nie ist ein so umfassendes Paket in so kurzer Zeit umgesetzt worden, mit Veränderungen im Prozess. Wir in Berlin – dafür gibt es schon viele gute Beispiele – werden versuchen, für die Betroffenen das Beste herauszuholen.
Danke schön, Frau Freundl! – Für die Fraktion der FDP hat nunmehr der Kollege Lehmann das Wort. – Bitte schön, Herr Lehmann!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über das Thema Hartz IV ist in den letzten Wochen viel geredet und auch viel gestritten worden. Die Fraktionen im Abgeordnetenhaus haben eine Fülle von Anträgen zu diesem Komplex eingereicht – Herr Kurth hat dies vorhin schon erwähnt. Leider wurden sie durch die Struktur des Hauses viel zu spät behandelt. Dem Senat kam das allerdings gar nicht so unrecht, und den Koalitionsfraktionen im Übrigen auch nicht.
Der Gipfel der politischen Taktiererei ereignete sich letzte Woche in der gemeinsamen Ausschusssitzung für Arbeit und Soziales. Die Koalition verschob einen Teil der Anträge auf die nächste Sitzung, weil sie sie angeblich noch beraten müsse.
Dabei war auch unser Antrag auf der Tagesordnung, die gesamte Reform um ein Jahr zu verschieben. Dass sich in dieser Frage die Koalition noch keine Meinung gebildet hatte, stimmte mich allerdings sehr nachdenklich.
Dieser Vorgang zeigt, dass die Koalitionsfraktionen mit aller Macht verhindern wollen, dass das Abgeordnetenhaus sachlich über Hartz IV debattieren kann.
Es scheint schon fast peinlich für SPD und PDS zu sein, diese Reform in der Öffentlichkeit zu verteidigen. Das ist auch kein Wunder.
Erstens sind gerade diejenigen zwei Senatoren mit der Reform beschäftigt, die ohnehin gegen Hartz IV sind. Mit solch einer Einstellung kann man schon gar nicht erfolgreich eine solche Reform auf den Weg bringen.
Die eigentliche Frage lautet – da wird Herr Brauer hoffentlich weiter zuhören –: Wie schaffe ich neue Arbeitsplätze in Deutschland und Berlin auf dem ersten Arbeitsmarkt?
Sie lautet nicht, liebe PDS: Wie sichere ich Besitzstände der Bundesagentur für Arbeit? – Sie lautet auch nicht: Wie schaffe ich mehr Stellen im öffentlichen Dienst? – Sie lautet auch nicht: Wie zentralisiere ich die staatliche Arbeitsvermittlung in Deutschland weiter? – Sie lautet auch nicht: Wie mache ich den Betroffenen unnötig das Leben schwer, indem ich komplizierte Anträge auf Arbeitslosengeld II entwerfe?