Protocol of the Session on October 28, 2004

Die CDU weiß offensichtlich überhaupt nicht, was sie will.

[Zurufe bei der CDU]

Sie schlägt in ihrem Antrag vor, der Senat solle eine Konzeption erarbeiten und vorlegen, aber schon die Kriterien, die Sie auflisten, sind völlig unzureichend. Wenn man das, was Sie da zu Papier gebracht haben, ernst nehmen

Besonders dramatisch wird das am Beispiel der Kürzungen für das zweite Frauenhaus. Auf Grund der beson

ders ernsten Situation für diese außerordentlich wichtige Einrichtung sollten einige Sachverhalte beim Namen genannt werden. Die vorgesehene Einsparung soll durch die Umwandlung von Frauenhauskapazitäten in Zufluchtswohnungen erbracht werden. So wurde seitens der Staatssekretärin Ahlers im Ausschuss für Gesundheit, Soziales, Migration und Verbraucherschutz argumentiert, dass das noch relativ neue Gewaltschutzgesetz eine Rückkehr in die eigene Wohnung möglich mache. Fragt man nach, ob diese Studie auch belegt, dass dann weniger Frauenhausplätze benötigt werden, bekommt man die Antwort, dass es darüber in Deutschland noch keine Studien gebe.

Ein Blick über den Tellerrand sollte hier gestattet sein, auch dem rot-roten Senat. Da er dazu nicht in der Lage zu sein scheint, haben wir es als Opposition für ihn getan. Unsere Nachbarn, die Österreicher, haben auch ein solches Gewaltschutzgesetz. Sie haben noch eines dazu: Sie haben Studien. Und siehe da, dieses Gesetz führt nicht zu einem Rückgang des Bedarfs an Frauenhausplätzen, das Gegenteil ist der Fall: Der Bedarf steigt. Deswegen wurde kürzlich in Wien ein viertes Frauenhaus eröffnet, ein fünftes und sechstes sind geplant.

Die Diskussionen im Vorfeld der Verabschiedung des Gewaltschutzgesetzes haben zu einer großen gesellschaftlichen Wahrnehmung dieser Problematik geführt. Das Thema gelangte aus dem Tabubereich in die breite Öffentlichkeit. Deshalb trauen sich immer mehr betroffene Frauen, überhaupt zu Hilfeangeboten zu neigen, sie wahrzunehmen, weil sie gesellschaftliche Akzeptanz in ihrer Situation spüren. Es wird dabei eben oft nicht auf die Schutzmechanismen des Gewaltschutzgesetzes selbst zurückgegriffen, sondern auf alle Schutzmaßnahmen des Antigewaltbereichs. Insbesondere auf die Frauenhäuser. Das belegt eine Studie des zweiten Frauenhauses. Die hätte man sich einfach nur einmal ansehen müssen, Herr Senator!

wollte, dann wollen Sie, ohne überhaupt nur den Ansatz einer Konzeption zu haben, alle soziokulturellen Projekte abschaffen. Einen so verengten Begriff von Frauenpolitik lehnen wir ab. Nur weil Sie selbst keine Konzeption haben, wollen Sie, dass die Verwaltung Ihnen eine auf der Grundlage verengter Kriterien erarbeitet. Das ist jedoch nicht nur inhaltlich falsch, sondern das würde weitere finanzielle Mittel binden, die wir lieber für die Projekte ausgeben.

Wir hingegen haben eine Konzeption, und danach handeln wir auch. Wir treffen die notwendigen Entscheidungen, was nicht immer einfach ist, und dafür ernten wir nicht nur Freundlichkeit. Wir haben unsere Vorschläge in langen und schmerzhaften Diskussionen vorbereitet. [Henkel (CDU): Ist nicht wahr!]

Die Fusion von EWA und Brunnhilde halten wir für richtig und wichtig. Sie wird zur Stärkung des Angebots an diesem Standort beitragen. Somit erhalten wir die Projektlandschaft in Strukturen, die zukünftig ausgebaut werden können.

Der Diskussionsprozess über die regionale Ausstattung der Stadt wird uns sicherlich auch weiterhin beschäftigen. Von dieser notwendigen und konstruktiven Politik lassen wir uns auch nicht durch polemische und destruktive Schaufensteranträge abhalten. – Wir lehnen beide Anträge ab. – Danke!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke, Frau Kollegin Neumann! – Für die Fraktion der CDU hat nun Herr Wilke das Wort. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Kollegin Neumann! Wenn Sie unseren Antrag ernst genommen hätten und ihn unzureichend finden, warum haben Sie ihn dann nicht im Ausschuss ergänzt? – Das wäre doch die richtige Maßnahme gewesen, aber wahrscheinlich haben Sie ihn sich gar nicht zu Gemüte geführt.

Was die Frauenprojekte betrifft, so wurden im Antigewaltbereich sowie im soziokulturellen Bereich in der Haushaltssitzung am 22. September 2004 durch die Koalition erhebliche Projekte in Frage gestellt, indem Kürzungen vorgenommen wurden. Eine Vorlage der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen, die durch die Koalition hinsichtlich der Kürzungsvorschläge geändert wurde, war hierbei maßgeblich. Diese Vorlage veranlasste uns als CDU seinerzeit, mit einem Antrag zu reagieren. Der Senatsvorlage mangelte es, wie so oft in dieser Koalition und in diesem Senat, an Kompetenz und an konzeptionellen Ansätzen. Die konkreten Kürzungsvorschläge sind nach inhaltlichen Gesichtspunkten nicht nachvollziehbar oder gehen schlichtweg von falschen Grundannahmen aus.

Mit Einführung des Gewaltschutzgesetzes in Deutschland ist der Bedarf an Frauenhausplätzen in Berlin definitiv gestiegen. Seit dem Jahr 2000 wurden in Berlin 73 Frauenhausplätze abgebaut. Die weitere Streichung wird zu Engpässen führen. Die Auslastung liegt bereits jetzt bei 97 %, und zwar durchschnittlich, und nicht bei 80 bis 85 %, wie der Senat angibt. Diese Zahlen sind vollkommener Unsinn.

Auch der Wunsch des Senats, die Verweildauer in Frauenhäusern zu verkürzen, in der Überlegung, Frauen früher an Zufluchtswohnungen abzuschleusen, geht an der Sensibilität des Themas vorbei. Die Verweildauer lässt sich nicht verordnen, sondern sie hängt allein davon ab, wann sich eine betroffene Frau wozu in der Lage fühlt. Für eine Verschiebung von Frauenhausplätzen hin zu Zufluchtswohnungen gibt es in Berlin keinen Bedarf. Hier liegt der rot-rote Senat wieder einmal vollkommen neben der Realität.

[Beifall bei der CDU und den Grünen]

Ich will hier die Gelegenheit nutzen, deutlich zu machen, warum uns die Projektarbeit der Frauen so wichtig ist und wie wir vorgegangen sind. Die Anträge der Opposition waren dabei wenig hilfreich. Aber immerhin sprachen sich alle, einschließlich CDU, für den Erhalt der Frauenprojekte aus. Für die PDS ist von maßgeblicher Bedeutung, dass die Frauenzentren und Beratungsstellen Ausdruck der Selbstorganisation von Frauen für Frauen sind. Einige von ihnen blicken auf 30jährige Geschichte zurück. Im Osten der Stadt entstanden sie mit der Wende, fern von staatlicher Reglementierung und als Orte feministischer Auseinandersetzung. So ist eine vielseitige Projektelandschaft entstanden, die sich auf unterschiedli

che Weise stadträumlich und auf bestimmte Zielgruppen orientiert, etabliert hat. Das Geld dafür war immer knapp. Doch die Frauen haben die knappen finanziellen Ressourcen einfallsreich und kompetent genutzt. Das verdient Respekt und Anerkennung.

Die Frauenprojekte standen immer unter Rechtfertigungsdruck. Deshalb ist es besonders hervorzuheben, dass die Förderung der Projekte nach den strengen Kriterien des Verfassungsgerichtsurteils zum Haushaltsnotstand Bestand hat und die Kürzung von einer Million € halbiert werden konnte. Zusammen mit dem Berliner Programm zur Chancengleichheit von Frauen in Wissenschaft und Lehre, den so genannten Frauen-Infrastrukturstellen, und frauenspezifischer Förderung bei der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales verfügen wir über eine gute Infrastruktur für Frauen.

Diesen Bereich völlig von Kürzungen frei zu stellen, war angesichts der Kürzungen in den anderen Ressorts nicht mehrheitsfähig. Am Ende steht eine Kürzung von 150 000 € für das Jahr 2004 und eine von 225 000 € für das Jahr 2005, statt einer Million. Allen war klar, dass die Kürzung im Frauenetat mit seinen 0,07 % nicht mehr durch prozentuale Umlegung auf die einzelnen Projekte zu erbringen war. Deshalb war zum 30. Juli dieses Jahres ein Bericht vorzulegen, wie die Kürzung erfolgen solle. Senat und Abgeordnete gewannen Zeit, die Entscheidung nicht am grünen Tisch, sondern nach sachkundiger Abwägung der Umstände und Beratung mit den Netzwerken und Foren zu treffen.

Warum tut sich die Koalition gerade im Antigewaltbereich so schwer? – Haushalterisch betrachtet könnte sie doch dabei auf das Kriterium der Unabdingbarkeit der Ausgaben zurückgreifen. Wir erinnern uns an die Maßgabe des Urteils des Verfassungsgerichtshofs zum Haushalt 2002/2003. Weil die Verfassung das Recht der körperlichen Unversehrtheit gewährleistet, müssen diesem Verfassungsgebot zufolge Frauenhausplätze in ausreichender Anzahl zur Verfügung stehen. Das bedeutet für Berlin eher ein Mehr an Plätzen als derzeit den Abbau der Plätze.

Die kurze Redezeit erlaubt leider nicht mehr den Blick auf die anderen von Kürzungen betroffenen Projekte. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass im Jahr 2004 für Frauenprojekte bereits 175 000 € eingespart wurden. Berlin gibt für diese Projekte nur insgesamt 0,072 % aus seinem Haushalt aus. Unser Antrag spricht nicht nur für das zweite Frauenhaus, sondern für den bedarfsorientierten Umgang mit allen Frauenprojekten dieser Stadt. Im Sinn des Gleichstellungsgebots und vor allem zum Schutz für die von Gewalt im häuslichen Bereich Betroffenen bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. Die Frauenförderung ist kein Bereich wie jeder andere, sondern Instrument des verfassungsrechtlichen Gleichstellungsauftrags. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

[Beifall bei der CDU und den Grünen]

Vielen Dank, Herr Kollege Wilke! – Es folgt die Fraktion der PDS. Frau Kollegin Baba hat das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn die Oppositionsparteien es nicht hören wollen und unseren Senator genüsslich als „Wolf, der die Frauenprojekte verschlingt“

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Der heißt eben so!]

bezeichnen, für die Koalition von SPD und PDS sind die Projekte für Frauen in unserer Stadt unverzichtbar. Wir haben es uns mit dem Frauenetat nicht leicht gemacht. In mehreren Teilschritten ist es gelungen, die vom Finanzsenator ursprünglich vorgegebene Kürzungssumme bedeutend zu senken: Zuerst durch den Entwurf zum Doppelhaushalt, dann durch die Koalition mit dem Haushaltsgesetz, zum dritten Mal mit dem Bericht über die Verteilung des Sammeltitels für das Jahr 2005.

Für meine Fraktion kann ich sagen, dass wir die Zeit genutzt haben, und es ist uns gelungen, weit über den engen Kreis der Frauenpolitik hinaus Akzeptanz und Unterstützung für die Frauenprojekte zu erhalten. Wir waren vor Ort und haben die Betroffenen ermuntert, sich zu organisieren und sich mit den politischen Entscheidungen auseinander zu setzen. Wir haben dafür gesorgt, dass sie über parlamentarische Abläufe und Vorlagen informiert waren. Nachdem im Sommer die Senatsvorlage eingebracht worden war, hieß es nicht etwa „Augen zu und durch“, sondern die PDS war offen für die Auseinandersetzung mit den Betroffenen, was auch für die zuständigen Abgeordneten der SPD gilt.

In einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen konnten wir Vertreterinnen der Migrantinnen und ihre Arbeit vorstellen. Was die Antigewaltprojekte angeht – das wurde mehrmals angesprochen – waren wir uns fraktionsübergreifend einig. Die gemeinsamen Beratungen mit dem Ausschuss für Berlin und Brandenburg zu dem Thema „Häusliche Gewalt“ machten deutlich, dass der Bedarf an Frauenhausplätzen und Zufluchtswohnungen trotz Gewaltschutzgesetz nicht zurückgeht.

[Zuruf der Frau Abg. Senftleben (FDP)]

Lediglich ein gewisser Ausgleich zwischen Frauenhausplätzen und Zufluchtswohnungen ist vertretbar.

Beispiel 2: Das Projekt Brunnhilde sollte nach Ihren Vorstellungen zunächst über die Klinge springen. Das konnten wir – Frau Baba, da gebe ich Ihnen Recht – im Ausschuss verhindern. Es wurde in EWA integriert.

Beispiel 3: Das Drama um das zweite Frauenhaus ist noch nicht abschließend gelöst. PDS und SPD haben es trotz mehrfacher Nachfrage von Seiten der Opposition nicht geschafft, uns verständlich zu machen, auf welchem Denkansatz Ihre Entscheidungen beruhen, hier einschneidend zu kürzen. Die Idee mit den Zufluchtswohnungen ist richtig, aber es ist der zweite Schritt vor dem ersten und daher in dieser Form abzulehnen.

Eben, das ist das Entscheidende! Bei Freifrau ist es übrigens die regionale Besonderheit, auch ein Kriterium. Insofern ist alles mit einem großen Fragezeichen zu versehen.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Warum?]

Bei den Frauenzentren war für die PDS entscheidend, Angebote zu erhalten und möglicherweise durch Konzentration von Aufgaben und Fusionen zu Einsparungen zu kommen,

[Frau Senftleben (FDP): Richtig!]

natürlich nicht ohne Rücksprache mit den Trägervereinen und Projekten. Die Koalition von SPD und PDS konnte eine Beschlusslage unterbreiten, die zwar nicht zu 100 %, aber doch im Kern den vorgebrachten Einwänden und Vorschlägen aus dem Frauennetzwerk Rechnung trug, vor allem aber noch einmal die Kürzung um ein Drittel reduzierte. Auch Harald Wolf, der Frauensenator, betonte, dass die letztlich gefundene Lösung eine bessere Lösung sei. Die Frauenprojekte erhalten außerdem mit zweijährigen Verträgen Planungssicherheit, die sie noch nie hatten.

Frau Kollegin! Bitte beachten Sie die abgelaufene Redezeit.

Meine Schlusssätze: Zur Verbesserung der Kommunikation und Abstimmung wird in Kürze ein Beirat einberufen. Wir erwarten, dass das vom Frauensenator angekündigte frauenpolitische Rahmenprogramm unter anderem die frauenpolitische Infrastruktur Berlins durch Senatsbeschluss sichert. Frauenförderung muss Sache des gesamten Senats sein. Damit erübrigt sich für uns der Antrag der CDU. Das gilt auch für den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen. – Danke! interjection: [Beifall bei der PDS und der SPD]

Vielen Dank, Frau Kollegin Baba! – Die FDP folgt. Frau Kollegin Senftleben hat das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist völlig klar, Berlin muss sparen, und es betrifft alle Bereiche, also auch die Frauen. Sie, Herr Senator Wolf, wollten ausnahmsweise mal nicht den Rasenmäher nehmen, sondern nach klaren Kriterien vorgehen. Das versprach transparente Entscheidungen und ließ hoffen. Aber was von dieser pseudosozialen Regierungskoalition unter der Leitung von Frau Staatssekretärin Ahlert abgeliefert wurde, ist das Ergebnis ihrer Hilflosigkeit, ein Zeichen ihrer Ignoranz und ein Verständnis rotroter Frauenpolitik, das für die Zukunft nichts Gutes ahnen lässt.

Von wegen sachkundige Entscheidung, liebe Frau Baba! Beispiel 1: Sie streichen das Antigewaltprojekt Freifrau – was im Übrigen niemand von meinen Kolleginnen und Kollegen bisher erwähnt hat –, weil Sie meinen, dass der Träger, ein evangelischer, das auch mal eben schultern kann. Die Staatssekretärin hat dieses Projekt nach den selbst genannten Kriterien als sehr gut bewertet, das Projekt wurde als zukunftsweisend bezeichnet. Sie kürzen hier 32 000 €, also eine Riesensumme, und damit ist die Zukunft von 80 Plätzen für gewaltbedrohte

Frauen gefährdet, wenn nicht sogar unmöglich. Da kann ich nur fragen: Herr Wolf, war das Ihr Ziel?

[Krüger (PDS): Ja, wir!]

Verehrter Herr Kollege, Krüger: auch wir! – Es ist integriert, und das finden wir, Herr Krüger, richtig. Aber für mich stellt sich die Frage, ob es nicht mehr Projekte gibt, wo wir auch so vorgehen könnten, um Doppelstrukturen zu vermeiden. Hier scheuen Sie die Auseinandersetzung. Es fehlt Ihnen der Mut. Sie sagen einfach: Nee, ist nicht!

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Es sind keine Plätze für Kinder dabei!]