Protocol of the Session on June 3, 2004

[Beifall bei der FDP]

Herr Regierender Bürgermeister, Sie werden das auch in den Verhandlungen mit den anderen Ländern über eine Entschuldung Berlins brauchen. Sie haben gesehen, wie das mit Ihrer Klausel im Grundgesetz war. Der Kollege Teufel hat gleich klargestellt: Das nehmen wir zwar ins Grundgesetz, aber Geld ist damit nicht verbunden. – Da sind Sie denen auf den Leim gegangen. Auch unter diesem Aspekt sollten Sie dies als Beginn qualifizieren.

Die übrigen Parteien hier im Haus sind etwas zurückhaltend, wenn es um Privatisierung geht.

[Doering (PDS): Aha!]

2003 waren wir noch an 63 Unternehmen beteiligt. Der Zuschuss liegt bei 780 Millionen €. Damit wird deutlich, um was es geht. Es geht nicht um einmalige Veräußerungsgewinne – die schon gut sind –, sondern insbesondere um das dauerhafte Einsparen von Zuschüssen. Dabei ist es insbesondere wichtig, auf Investoren, die bereit sind, sich zu engagieren, positiv einzugehen. Das, was Sie sich bei der Röhn-Klinik, die sich bei Vivantes engagieren wollte, geleistet haben, steht in der Konsequenz Ihres flapsigen Umgangs, den Sie sich auch mit Germania und DBA geleistet haben. So etwas wird dann als unseriös abgetan, und die Leute werden in die Wüste geschickt. Der Kollege Matz wird dazu in der zweiten Runde noch detailliert Stellung nehmen. Hier offenbart sich, dass Sie sich gegen Privatisierungen sperren, die über die GSW und möglicherweise die KPM hinausgehen. Das ist ein völlig falscher Ansatz.

Ich habe noch eine Bitte an die CDU, die ich im Hinblick auf die Emnid-Umfrage, nach der sich die Mehrheit der Berliner wünscht, dass wir noch enger zusammenarbeiten,

[Brauer (PDS): Gott schütze diese Stadt!]

in aller Freundschaft und Zurückhaltung vorbringe: Wenn Sie, Herr Steffel, liberal reden, wie Sie es bei Ihrem 100Tage-Programm getan haben, müssen Sie auch liberale Politik folgen lassen. Es geht nicht, dass Sie – drei Tage nach Ihrem 100-Tage-Programm – im Hauptausschuss einem kleinen Antrag, der nichts anderes fordert als die Erarbeitung eines Grobkonzepts zur zügigen Veräußerung der Wohnungsbaugesellschaften, mit den linken Parteien die Ablehnung erteilen. Bei den Grünen sagt der Landesvorstand etwas anderes als die Fraktion. Bezüglich der BSR heißt es bei der CDU, die Straßenreinigung und die Hausmüllentsorgung verbleiben vorerst als Kernbereich der öffentlichen Daseinsvorsorge bei öffentlich-rechtlichen Teil der BSR. Das ist der Status quo.

Ich fordere Sie auf, in dieser Frage umzukehren. Wir können uns das nicht leisten. Wir gefährden die Prosperität der Stadt. Wir müssen eine Stadt des Wettbewerbs werden, Schluss mit staatlichen Monopolen machen und eine Stadt des privaten Unternehmertums werden. Diese

Stadt braucht Mut und Tatkraft und kein rot-rotes Herumgeeiere. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Schimmler das Wort. – Bitte sehr!

[Beifall bei der SPD und der PDS – Beifall der Frau Abg. Oesterheld (Grüne)]

Sie reden davon, dass diese Koalition bei den Ärmsten der Armen kürzt – und was fordern Sie? – Ständig betriebsbedingte Kündigungen, wo ein 50-Jähriger schnell auf die Straße gesetzt wird und dann bei der derzeitigen Situation in der Stadt nie wieder einen Job bekommt. Und wenn Sie dann sagen: Wir müssen den Investoren den roten Teppich ausrollen – na, verdammt noch mal, es gibt in dieser Stadt noch eine ganze Menge zu investieren. Wann fangen die Investoren an, die Hochhäuser am Alex zu bauen oder andere Bereiche? Wann gehen sie denn da heran?

[Beifall bei der SPD – Dr. Lindner (FDP): Wenn Sie abgewählt sind!]

Na klar, weil sie dann hoffen, dass Sie das besser machen. Sie als Finanzsenator kann ich mir locker vorstellen. Dann allerdings wird in dieser Stadt das Zähneklappern ausbrechen, und die Zahnärzte werden sich dumm und dämlich verdienen.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Ritzmann (FDP): Wenigstens etwas!]

Wenn Sie sich hier hinstellen, Herr Kollege Lindner, und dann aufrechnen, dass eine 14-tägige Verzögerung einer Entscheidung soundso viel kostet, man hätte gestern gleich und heute dann entscheiden können: Warum, bitte sehr, hat im Vermögensausschuss neben den Grünen auch die FDP Fragen eingereicht, die schriftlich beantwortet werden sollen?

[Beifall bei der SPD und der PDS – Ah! bei der SPD]

Soll das heißen, wenn es um Privatisierung geht, ist das Ergebnis: Hauptsache, es wird privatisiert, die Fragen könnt ihr uns noch in drei Jahren beantworten?

[Heiterkeit bei der SPD und der PDS]

Schimmler

Und weil sie es wissen, lieber Herr Dr. Lindner, ist die Mär falsch, die Sie in die Welt setzen, das koste nun angeblich mehr Geld, wenn sie hierher kämen; da sind sie nicht blauäugig und unwissend über das , was auf dem deutschen Mietermarkt los ist, sondern sie wissen das sehr genau, und dann wissen sie auch, welche Rechte hier sind. Dann ist das Angebot, das sie gemacht haben, nicht deshalb, weil es das BGB und den Mieterschutz gibt, geringer, sondern das ist eben so. Daran wird auch nichts geändert. Trotzdem haben sie diese erhöhten Angebote gemacht, weil sie schlicht und einfach gesehen haben, dass es für sie eine Chance ist, auf diesem Markt einen Platz zu bekommen, von hier aus in andere Regionen und Bundesländer zu gehen, um möglicherweise mit dem Firmentitel GSW eine größere Gesellschaft zu bilden und auf dem Wohnungsmarkt Gewinn zu machen, und zwar nicht so, wie sich das Klein Otto vorstellt, dass er die Mieter drangsaliert, sondern indem vernünftig gearbeitet wird. Wer sich das einmal angesehen hat, was bei Lone Star in Hellersdorf läuft, der weiß, dass hier auch Private so etwas vernünftig machen können. Aber das heißt nicht, Herr Dr. Lindner, dass man deshalb alle städtischen Wohnungsbaugesellschaften auf Teufel komm raus verzichtet, bloß weil wir derzeit eine günstige Marktsituation für den Mieter mit 100 000 leer stehenden Wohnungen haben. Gerade deshalb – die SPD hat sich da in einem Papier festgelegt, wir haben gesagt: Wir brauchen etwa wie in anderen großen Ballungsräumen 15 %. Wir sind bei etwa 280 000 Wohnungen gelandet, die man braucht, um möglicherweise marktbeeinflussend tätig zu sein. Wir hoffen alle, dass es auch in der Wirtschaft wieder bessere Zeiten gibt, wenn die Wirtschaft anfängt, zu investieren, und sich nicht nur ausruht. Dann allerdings wird es auch notwendig sein, dass wir in dieser Stadt eine Möglichkeit haben, den Markt zu beeinflussen. Deshalb werden wir auch weiterhin städtische Wohnungsbaugesellschaften benötigen. Sie werden keinen Erfolg haben, wenn Sie wie Cato ständig dagegen andonnern.

Das kann es doch wohl nicht sein! Wenn Sie so arbeiten – Sie brauchen sich gar nicht zu melden, eine Zwischenfrage nehme ich sowieso nicht an –, dann kann ich mir vorstellen, wie in Zukunft in dieser Stadt gearbeitet würde, wenn Sie einmal die Möglichkeit dazu hätten. Sie werden sie zum Glück nicht haben, weil diese Art des Auftretens, wie Sie es an den Tag legen, diese posenhaften Auftritte, beim Bürger nicht ankommt.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Kommen wir zur Sache: Der Verkauf der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft GSW an ein amerikanisches Konsortium ist zunächst einmal, auch mit Blick auf die Klage des Landes Berlin vor dem Bundesverfassungsgericht, ein finanzieller Erfolg. Als vor zwei Jahren der Verkauf daran scheiterte, dass der Politik die gebotenen Kaufpreise von 215 Millionen € zu gering waren, zweifelten viele in den Medien, dass überhaupt mehr erzielbar sein könnte.

[Liebich (PDS): Auch Lindner!]

Der jetzige Kaufpreis von 405 Millionen € zeigt, wie richtig der rot-rote Senat gelegen hat. Der Kollege Radebold hat vorhin schon in der Begründung der Aktuellen Stunde dem Finanzsenator Dank ausgesprochen. Dieser Kaufpreis ist nicht das Einzige, wir werden damit auch die Schulden der GSW von 1,67 Milliarden € los, auch wenn manche Latrinengerüchte verbreiten, die Schulden müsse das Land Berlin weiter tragen.

Mit dem Verkauf wurde geregelt, dass sich die Erwerber an die bisherigen Regeln des Landes Berlin und seiner Wohnungsbaugesellschaften zum Schutz der Mieter vor Luxusmodernisierungen halten und sich am Berliner Mietspiegel orientieren. Das ist kein Zierrat. Das ist in einer Mieterstadt üblich.

[Dr. Lindner (FDP): Alles selbstverständlich, steht im Gesetz!]

Nein, nicht alles, was im Bürgerlichen Gesetzbuch steht, Herr Rechtsanwalt Lindner, ist auch das, was im Berliner – –

[Dr. Lindner (FDP): Das ist Zierrat! An einen qualifizierten Mietspiegel muss man sich halten!]

Berlin hat an der Stelle noch ein paar Besonderheiten. Nicht zu Unrecht hat die GSW für ihre Mieter eine Zusatzvereinbarung abgeschlossen, damit sie individuell über ihren Mietvertrag gesichert sind.

Diese Verträge sehen auch eine Vertragsstrafe vor, anders als das bisher üblich war. Das zeigt, wie gut die Finanzverwaltung verhandelt hat. Es ist nicht so, dass man später der Vertragsstrafe hinterherrennen und sie einklagen muss, sondern sie wird vorab gezahlt und liegt auf dem Konto, und der Senat hat selbst Zugriff darauf, wenn er einen Verstoß feststellt. Es ist vorhin schon darauf hingewiesen worden, dass der Senat noch bis 2012 im Aufsichtsrat vertreten ist.

[Ritzmann (FDP): Ob das gut ist?]

Was auch wichtig ist: Die Gesellschaften werden, obwohl es in dieser Mieterstadt schwierig ist, versuchen, die Eigentumsquote zu erhöhen, indem sie versuchen, Mieterprivatisierungen zu günstigen Bedingungen durchzusetzen, weil dies für bestimmte Objekte durchaus im Interesse der Gesellschaft sein kann.

Im Übrigen gilt natürlich das Mietrecht. Das wissen auch amerikanische Investoren.

[Dr. Lindner (FDP): Aber sozialdemokratische Anwälte nicht!]

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Bei der Erhaltung städtischer Wohnungsbaugesellschaften ist auch wichtig, dass wir sie in Ruhe lassen. Das haben wir hier schon einiger Zeit diskutiert. Das Problem unserer städtischen Wohnungsbaugesellschaften war – deshalb sind Private teilweise günstiger –, dass wir ständig eingegriffen haben. Sie durften In-sich-Geschäfte machen, die sie sonst nicht gemacht hätten. Sie durften von

Schimmler

was wir, Herr Liebich, verstehen könnten. Ihre heutige Zögerlichkeit steht zumindest in krassem Widerspruch zu den sonst hier durchgepeitschten Entscheidungen – ich erinnere nur an die Verselbstständigung der Investitionsbank, wo jede Bedenkzeit der Opposition als unerwünscht abgetan worden ist. Ihre Unentschlossenheit müssen die Bürger der Stadt teuer bezahlen. So saniert man den Haushalt nicht.

Gern, wenn er nicht so lange fragt.

Ich frage ganz kurz. Da Sie unsere Unentschlossenheit kritisieren, frage ich Sie: Waren Sie nicht bereits vor geraumer Zeit der Auffassung, dass wir die GSW hätten verkaufen sollen, und wie groß wäre der finanzielle Verlust gemessen an dem, was wir jetzt eingenommen haben?

den Bezirken Grundstücke und Häuser kaufen, die sie möglicherweise ansonsten nicht gekauft hätten. Das alles belastet die Situation dieser städtischen Wohnungsbaugesellschaften, wie sie die Hauptlast der Sanierung getragen haben, wie sie Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre die Hauptlast des Wohnungsbaus, als alle davon ausgingen, dass wir demnächst in Berlin 5 Millionen Einwohner haben, getragen haben. Auch dies hat die städtischen Wohnungsbaugesellschaften belastet. Sie müssen mit einem neuen Controlling – die Finanz- und die Stadtentwicklungsverwaltung sind auf einem guten Weg, wie wir schon diskutiert haben – in die Lage versetzt werden, ohne diese Eingriffe wieder erfolgreich am Markt mitzuarbeiten. Dann werden sie auch künftig besser gestellt sein. Dann können sie in einen guten Wettbewerb mit den Privaten treten, aber immer noch als Reserve dafür, falls einmal Engpässe im Mieterbereich auftreten, dass man hier auch für die ärmeren Schichten, von denen Sie auch gerade gesprochen haben, die Möglichkeit hat, Wohnraum zur Verfügung zu stellen.

Insgesamt kann man als Ergebnis festhalten: Finanziell hat sich der Verkauf für das Land Berlin gerechnet. Für die Mieter sind keinerlei Beeinträchtigungen oder Statusverluste eingetreten, und sie werden auch nicht eintreten. Die Mieter bleiben geschützt wie bei allen städtischen Wohnungsbaugesellschaften in dieser Stadt. Deshalb war das ein guter Deal, den wir hoffentlich in 14 Tagen alle gemeinsam beschließen werden. Herr Dr. Lindner, dann können Sie noch einmal von vorne darüber reden, aber es wird sich nichts ändern. Diese Entscheidung war richtig. Aber Sie werden deshalb nicht andere präjudizieren können. – Danke sehr!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön! – Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Kaczmarek das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Schimmler! Dieser Deal ist gut, das war ein gutes Geschäft – na, wenn das alles so ist, dann hätten wir eigentlich heute darüber befinden können. Ihre Worte führen Ihr eigenes Verhalten in der gestrigen und der heutigen Sitzung ad absurdum.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Es ist schon so, dass das ein teurer Tag für die Berlinerinnen und Berliner ist. Die Diskussion, die wir heute führen, kostet den Steuerzahler rund 640 000 €. Nun hoffen wir, dass die Redebeiträge insgesamt auch so viel wert sind. Darüber kann man sich sicher noch unterhalten. Wir halten viel, um das klarzustellen, von intensiven Diskussionen im Parlament, aber diese Kosten hätten wir den Bürgerinnen und Bürgern gerne erspart. Wir hätten heute diskutieren und über den Verkauf der Wohnungsbaugesellschaft GSW entscheiden können. Die Koalition braucht längere Bedenkzeit, das haben wir zur Kenntnis nehmen müssen, vielleicht, weil sie ihrem eigenem Senat misstraut –