Dies liegt ganz neben der Realität. Wer so in die Debatte geht, nimmt sich selbst die Möglichkeit für Neues. Das Umlagefinanzierungskonzept der PDS ist ein gesamtgesellschaftliches, in dem Branchengrenzen, die sich ohnehin nach außen auflösen, überwunden werden müssen. Das Argument, lasse das mal alles wieder die einzelnen Unternehmen machen, hat sich wohl von selbst erledigt, Herr Lehmann. Vor den Trümmern dieser Politik stehen wir gerade. Nur Wirtschaft, Gewerkschaften und Politik in Zusammenarbeit mit allen Akteuren in der Berufsaus
bildung können das leisten, was an neuen Herausforderungen auf eine qualifizierte, zukunftsorientierte Ausbildung zukommt. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Kollegin Holzheuer-Rothensteiner! – Die erste Runde schließt mit den Grünen. Das Wort hat Frau Kollegin Pop. – Bitte schön!
In Berlin wird inzwischen jeder dritte Ausbildungsvertrag nicht mehr mit einem Betrieb abgeschlossen, sondern mit einem Bildungsträger. Über 10 000 Jugendliche absolvieren eine Berufsvorbereitung, obwohl sie viel lieber eine Ausbildung absolvieren würden. Doch ohne diese Ersatzmaßnahmen, die das Land Berlin und die Arbeitsämter finanzieren, sähe die Lage noch viel düsterer aus. Da fragt man sich langsam: Wer bildet überhaupt noch aus? – Fast alle großen Unternehmen haben das Ausbildungsangebot massiv zurückgefahren, die Berliner Verwaltung ebenfalls. Am meisten bilden immer noch die kleinen und mittleren Betriebe im Handwerk oder im kaufmännischen Bereich aus. Ebenfalls wenig bilden die Betriebe in der Dienstleistungsbranche aus. Aber ich glaube, das sind Anfangsschwierigkeiten dieser Branche. Da müssen wir ran, weil das ein Wachstumsfeld ist. Da ist – auch für die Jugendlichen – noch viel zu holen.
Doch der Mangel an Ausbildungsplätzen im letzten Jahr ist nur ein Höhepunkt einer Entwicklung. Es ist gar nicht so, Herr Lehmann, dass in den letzten Jahren alles viel besser geworden ist.
Die Idee ist: Die Betriebe, die ausbilden, sollen unterstützt werden. Jeder Ausbildungsbetrieb bekommt pro Ausbildungsplatz eine finanzielle Zulage. In allen ausbildungsfähigen Betrieben erheben wir eine Umlage in gleicher
Höhe. Kleine Betriebe werden davon erst einmal ausgenommen. Wer mehr ausbildet, bekommt mehr aus der Stiftung, als er eingezahlt hat.
Bei einer Umlagefinanzierung gibt es immer Befürchtungen. Einige sind bereits genannt worden. Eine davon ist die, dass sich Betriebe freikaufen könnten. Das ist durchaus ein Argument, aber was tun die Betriebe heute? – Sie entziehen sich der Verantwortung, werben als Dank dem Mittelstand die gut ausgebildeten Fachkräfte ab und zahlen dafür nicht einmal einen Cent. Das ist auch nicht richtig, Herr Lehmann.
Mit unserem Modell würden sich die Ausbildungsverweigerer zumindest an der Finanzierung der Ausbildung beteiligen.
Ein weiteres Gegenargument lautet, die Umlagefinanzierung wirke sich ähnlich wie hohe Sozialabgaben oder sogar eine Steuer aus. Das ist falsch. Sozialabgaben und Umlagefinanzierung unterscheiden sich an einem Punkt gravierend. Die Finanzierung von Ausbildung ist eine Investition in die Zukunft und wirkt nachhaltig für die Betriebe und nicht nur für die Jugendlichen, die ausgebildet werden. Sozialabgaben hingegen wirken für die Nutzer und Nutzerinnen der Sozialversicherungssysteme. Mit einer Umlagefinanzierung hoffen wir zu erreichen, dass sich die Ausbildungsverweigerer vielleicht doch noch auf den Nutzen einer eigenen Ausbildung besinnen. Vielleicht auch das Land Berlin, Herr Wolf. Ich erwarte, dass auch das Land Berlin zahlen muss, wenn die Umlagefinanzierung kommt, weil die Ausbildungsquote keinesfalls bei 7 % liegt, so wie Herr Jahnke behauptete. Letzte Woche lag sie im Arbeitsausschuss noch bei 4,7 %
Für das Jahr 2004 wird leider ebenfalls nichts Gutes prognostiziert. Die Anzahl der Schulabgänger wird noch etwas steigen, aber die Anzahl der Ausbildungsplätze wird noch geringer sein.
Trotz dieser Dramatik Jahr für Jahr lautet das Motto der Betriebe: Ausbildungsplätze gibt es nach Konjunkturlage. – Ich glaube nicht, dass wir den Start ins Berufsleben hauptsächlich von konjunkturellen Lagen in diesem Land abhängig machen können.
Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass die berufliche Qualifikation junger Menschen keineswegs ein Almosen ist, das wir ihnen zukommen lassen, sondern eine gesellschaftspolitische Aufgabe, die wir alle miteinander erfüllen müssen. Und noch am Rande: Wenn diese Jugendlichen keine Ausbildung, keine Qualifizierung und demnach auch keinen Job bekommen, werden sie auch unsere Renten nicht bezahlen können.
Der Aufgabe, auszubilden, kommen die Betriebe immer weniger nach. Etwas weniger als ein Viertel aller Betriebe in Deutschland schultert die Ausbildungsleistung der gesamten Volkswirtschaft. Da ist etwas falsch. Dagegen werden dem Bund und den Ländern immer mehr Kosten für die Ausbildung aufgebürdet. Die Verstaatlichung der Ausbildung haben wir längst schon, und nicht wegen einer Umlagefinanzierung, sondern wegen einer fehlenden Umlagefinanzierung, Herr Lehmann!
Allein in Berlin finanzieren wir jährlich mit zweistelligen Millionensummen – Sie haben die Zahlen genannt – Ersatzmaßnahmen jeglicher Art, die alle nicht so gut sind wie die betriebliche Ausbildung selbst, das wissen wir. Das ist doch die Umlagefinanzierung, die zahlen wir alle mit unseren Steuergeldern. Hier gibt es nichts mehr zu verhindern, liebe CDU und liebe FDP. Es stellt sich lediglich die Frage, ob wir eine Gerechtigkeitslücke füllen wollen zwischen den Betrieben, die ausbilden und dafür kräftig zahlen, und den Betrieben, die nicht ausbilden und sich hinterher munter der ausgebildeten Fachkräfte bedienen. Es muss meiner Meinung nach einen finanziellen Ausgleich geben.
Mit dem Grünen-Modell einer Stiftung Betriebliche Bildungschancen wollen wir eine faire Finanzierung der Ausbildung erreichen. Wir wollen, dass diejenigen unterstützt werden, die ausbilden. Diejenigen, die von gut ausgebildeten Fachkräften profitieren, sollen sich an der Finanzierung beteiligen.
gestern lag sie auch noch bei 4,7 %. Eine Steigerung um über 2 % innerhalb eines Tages, das finde ich hervorragend, Herr Wolf!
Ich hoffe, dass in Zukunft die Mehrzahl der Betriebe selbst ausbildet. Wenn sie das nicht tun, müssen sie dafür zahlen. Das ist durchaus eine faire Lastenverteilung, von der alle profitieren können. Wir sichern Ausbildungsplätze mit der Umlagefinanzierung und machen das Angebot unabhängig von der Konjunktur. Ausbildung ist eine berufliche Bildung, eine Qualifizierung, und die kann nicht konjunkturell abhängig sein. Außerdem bauen wir die Wettbewerbsnachteile von Ausbildungsbetrieben ab.
Es gibt noch einige Probleme, beispielsweise die regionale Umverteilung. Herr Kurth hat es bereits angesprochen. Es kann tatsächlich nicht sein, dass die östlichen Bundesländer die Ausbildungsplätze in den reicheren, westlichen Bundesländern finanzieren. Ich fände eine regionale Lösung passgenauer und besser. Wenn sich die CDU der im Bundesrat nicht verschließt, würden wir sie gern umsetzen. Branchenspezifische Lösungen gibt es im Übrigen schon, beispielsweise im Baubereich. In der Gesundheitsbranche kommt die Umlagefinanzierung, sie ist gewollt, auch von den Arbeitgebern. Weder das
Ich rufe Sie deshalb auf: Lassen Sie es uns gemeinsam beschließen! Eine Umlagefinanzierung könnte das peinliche Trauerspiel in jedem Sommer, spätestens diesen Herbst endlich beenden und den Jugendlichen eine Chance geben. In deren Sinne sollten wir miteinander und nicht gegeneinander arbeiten. – Danke!
Nein, Herr Lindner! Es ist kein dummes Zeug, aber Sie kennen sich offensichtlich nicht besonders gut aus.
Die CDU hingegen erzählt uns immer wieder, dass Jugendliche selbst schuld seien, wenn sie keine Ausbildungsplätze bekommen, weil sie keinen guten Schulabschluss haben. Dass unsere Schulabgänger nicht besonders qualifiziert sind, wissen wir seit PISA leider alle nur zu genau. Aber ich glaube, dass das unser aller Problem ist, Herr Kurth, und nicht das persönliche Problem der Jugendlichen, die dann anschließend auch noch dadurch abgestraft werden, dass sie keinen Ausbildungsplatz bekommen.
Eine gute Schulbildung ist natürlich die beste Garantie für einen Ausbildungsplatz. Anders herum können sich jedoch nicht die Betriebe jeglicher Verantwortung für die Ausbildung entziehen und die Jugendlichen einfach auf der Straße stehen lassen. Diese Jugendlichen müssen alle versorgt werden. Das ist ein gesellschaftliches Problem, dafür müssen wir eine Lösung finden.
Noch einmal zum angeblich bevorstehenden Untergang des Abendlandes, den Herr Lehmann vorausgesagt hat, sollte das Umlagemodell kommen: Es gibt zahlreiche europäische Länder, die eine Umlagefinanzierung in der Ausbildung und der Weiterbildung haben. Dazu gehören, Frankreich, Belgien und Dänemark, um nur drei zu nennen. Diese Länder funktionieren sowohl als Land gut, und auch die Umlagefinanzierung klappt. Sie sind nicht untergegangen, soweit ich es mitbekommen habe. In der Schweiz – um ein weiteres Land zu nennen – gibt es ein ähnliches System wie in Deutschland, ein duales System der Berufsausbildung. Dort wurde eine Umlagefinanzierung eingeführt und zeitgleich auch eine Modernisierung des Berufsausbildungssystems vorgenommen, mit Ideen, die heute schon benannt worden sind und die wir gut finden. Dazu gehören die Modularisierung, Ausbildungsverbünde, neue Ausbildung und Teilzeitausbildungen, alles Ideen, die Sinn haben, die man aber nicht als Alternative zu einer Umlagefinanzierung ansehen darf. Es muss beides passieren: Diejenigen, die nicht ausbilden, müssen zahlen, und diejenigen, die ausbilden, sollen möglichst innovative Ausbildungsmodelle nutzen. In diese Richtung müssen wir uns bewegen: eine faire Finanzierung auf der einen, Modernisierung auf der anderen Seite.
Vielen Dank, Frau Kollegin Pop! – Herr Kollege Lindner erhält das Wort für eine Kurzintervention – bitte schön!
Frau Pop! Eine Sache sollten Sie uns genauer erklären. Sie haben gerade gesagt, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dass durch die Ausbildungsplatzabgabe verhindert würde, dass Ausbildung von Konjunkturschwankungen abhängig ist. Das sagten Sie gerade, Sie nicken jetzt auch. Ich verstehe das nicht. Gleichzeitig haben Sie gesagt, es bezahlten nur die Unternehmen die Ausbildungsplatzabgabe, die von ihrer wirtschaftlichen Potenz her dazu in der Lage sind.
Das haben Sie doch gerade gesagt. – Denjenigen Unternehmen, denen das Wasser bis zum Hals steht, die gar keine Erträge machen, denen können Sie doch keine Abgabe abknöpfen. Woher denn? Wovon sollen sie das bezahlen? – Das heißt, es wird auch bei einer Ausbildungsplatzabgabe nach wie vor konjunkturabhängig sein, ob ein Unternehmen überhaupt in der Lage ist, Ihre Abgabe zu entrichten oder nicht.
Diesen Wiederspruch müssen Sie mir erklären. Wenn die Konjunktur nach unten geht oder wir uns in einer strukturpolitischen Krise befinden, so wie gerade jetzt, dann haben Sie den Effekt, dass es nur wenige Unternehmen gibt, die überhaupt in der Lage sind, so etwas zu bezahlen. Deswegen ist es immer konjunkturabhängig, außer Sie regulieren dort hinein. Ich weiß allerdings nicht, wie. Sie sollten es uns erklären.
Frau Pop! Vielleicht versuchen Sie wenigstens – bei Ihrer Fraktion habe ich noch eine gewisse Hoffnung, links neben Ihnen hat es gar keinen Sinn –, sich mit dem Gedanken vertraut zu machen, dass zu der Zeit, in der es in Deutschland noch genügend Ausbildungsplätze gab, es nicht so war, dass es eine Ausbildungsabgabe gab, die in der Zwischenzeit von irgendwelchen Neoliberalen abgeschafft worden ist, sondern, dass die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft so vernünftig waren, dass die Unternehmen expandierten und deshalb für den eigenen Bedarf ausbildeten. Vielleicht lohnt es sich, einen Gedanken daran zu verschwenden, wie die Entwicklung zumindest wieder ein Stück in diese Richtung gehen kann. Das be