Da erleben wir Zickigkeiten zwischen FDP und Grüne und lichtvolle Ausführungen zu der Frage, wie man Kultur fördert. Worum es eigentlich geht, ist aber eine Sache von Filz und Korruption.
Jeden Tag, wenn wir die Zeitungen aufschlagen, lesen wir neue Enthüllungen. Enthüllungen über einen Vorgang, den die Medien als „Tempodrom-Skandal“ bezeichnen, einen Skandal, der sich um das Gebäude unweit dieses Hauses dreht, einen Skandal, der eigentlich einen ganz anderen Namen verdient, es ist nämlich ein StriederSkandal.
Er wird jeden Tag, an dem Herr Strieder als Senator in seinem Sessel sitzt, mehr zu einem rot-roten Skandal. „Allen Formen von Filz, Vetternwirtschaft und Korruption den Kampf anzusagen“ – diese Aussage finden Sie in der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und PDS. Offensichtlich hohle Worte, die mit der Realität wenig zu tun haben.
Der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Herr Müller, sagt im Vorfeld: Eine öffentliche Diskussion um das Tempodrom und die politisch-wirtschaftlichen Verwicklungen Strieders schaden dem Ansehen der Politik. – Ja, es ist wahrlich kein Ruhmesblatt der Politik, das Verhalten
Ihres Landesvorsitzenden Strieder. Im Gegenteil, es ist nicht die Debatte, die schädlich ist, es sind Herr Strieder und diejenigen, die versuchen, den Skandal unter den Teppich zu kehren, die dem Ansehen der Politik und unserer Stadt schweren Schaden zufügen.
Herr Strieder! Hochmut kommt vor dem Fall. Für Sie wird es ein sehr tiefer Fall werden, und mit Ihnen trifft es wahrhaftig den Richtigen. Die Grundlagen für die späteren Verstrickungen Peter Strieders in die TempodromAffäre werden im Jahr 1995 gelegt. Peter Strieder betreibt als Bezirksbürgermeister von Kreuzberg mit aller Macht die Entscheidung für den Standort am Anhalter Bahnhof. Wir war er damals zu vernehmen?:
Ich freue mich riesig, diese Entscheidung endlich gegen die Provinzbedenkenträger durchgesetzt zu haben.
[Klemm (PDS): Warum fangen Sie nicht mit Strieders erstem Geburtstag an? Schon seine Geburt scheint das Problem zu sein!]
Provinzbedenkenträger, Strieder denkt schon damals in ganz großen Dimensionen, koste es, was es wolle.
Es ist richtig, viele wollten damals das Tempodrom. Auch die große Koalition unterstützte das Vorhaben mit einer Landesbürgschaft von mehr als 10 Millionen €.
Man kann sich aus heutiger Sicht in der Tat darüber streiten, ob diese Entscheidung klug war. Aber sie ist im Vergleich zu dem, was danach kommen sollte, rechtlich wenigstens nicht zu beanstanden. Der Kern des Skandals, die Ursache für die Empörung der Berliner Öffentlichkeit und der Anlass für die strafrechtlichen Ermittlungen liegt im Jahr 2001 und im Jahr 2002.
Im Oktober 2001 ist erkennbar, dass sich das Bauvorhaben Tempodrom in schweren wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet. Missmanagement und Fehlplanungen sind die Ursache. Der rot-grüne Senat beschließt am 9. Oktober 2001 unter anderem 3,5 Millionen DM als Baukostenzuschuss zu zahlen. Unser Kollege Wieland, damals Justizsenator sagt, es sei Bedingung gewesen, dass die von der Stiftung Tempodrom mit den Betreibern abgeschlossenen Pachtverträge eine wirtschaftliche Grundlage für den späteren Betrieb abgeben sollten. Ein wichtiger Punkt waren die umsatzunabhängigen Pachten und einfachen Kündigungsmöglichkeiten. Nun sagt Wolfgang Wieland, Peter Strieder habe damals behauptet, die Verträge seien entsprechend abgeschlossen worden, sonst hätte es eine Zustimmung zur Rettungsaktion für das Tempodrom niemals gegeben. Tatsache ist aber, dass die Pachtverträge ganz anders aussehen. Gerade die umsatzabhängigen Pachtzahlungen der Pächter gelten heute als eine ganz wesentliche Ursache für die roten Zahlen beim Tempodrom. Strieder wusste schon vor der entscheidenden Senatssitzung, dass die unwirtschaftlichen Verträge
bereits wenige Tage zuvor unterschrieben worden waren. Wenn man Wolfgang Wieland glaubt – und ich tue das –, heißt das im Klartext: Strieder sagt die Unwahrheit und täuscht seine Senatskollegen, um Geld für das Tempodrom zu erschleichen. In Strafrechtbüchern nennt man solch ein Verhalten Betrug.
Doch Peter Strieder streitet ab, schuldig zu sein. Der Regierende Bürgermeister Wowereit nimmt ihn in Schutz. Sowohl im Jahr 2001 als auch ein weiteres Mal im Jahr 2002 veranlasst Peter Strieder, dass über einen so genannten Sponsoringvertrag insgesamt mehr als 5 Millionen € von der Investitionsbank Berlin an das Tempodrom gezahlt werden. Peter Strieder trifft diese Entscheidung als Vorsitzender des so genannten IBB-Ausschusses. Aber Peter Strieder war nicht allein. Im Jahr 2002 stimmen die Senatoren Sarrazin und Wolf und auch Staatssekretär Strauch, als Herr Wolf nicht anwesend ist, ebenfalls diesem Verfahren zu. Es gab zwei Sitzungen zu diesem Thema, weil es Nachfragen gab. Sie erlauben der IBB, diese Zahlung auf den so genannten Bankbeitrag anzurechnen. Das ist der Gewinn der IBB, der an den Landeshaushalt abzuführen ist. Sie verteilen Einnahmen des Landes Berlin, ohne den Haushaltsgesetzgeber zu befragen, ohne Einverständnis des Parlaments, eigenmächtig. Dieses Verhalten nennt man Untreue, Untreue zu Lasten des Landes Berlin.
Doch Peter Strieder streitet ab, schuldig zu sein und der Regierende Bürgermeister Wowereit nimmt ihn in Schutz. Dieser Bankbeitrag sollte übrigens für das Schul- und Sportstättensanierungsprogramm verwendet werden.
Was können Schülerinnen und Schüler dafür, dass die Kosten beim Tempodrom explodiert sind? – Für 25 000 € bis 30 000 € kann ein Klassenraum saniert und mit neuen Computern ausgestattet werden. Über 200 sanierte, zukunftstaugliche Klassenräume, das ist der Gegenwert Ihres IBB-Sponsorings, Herr Strieder, Herr Wolf und Herr Sarrazin.
Wenn Sie einen Blick in die Sponsoring-Verträge werfen, werden Sie überrascht sein. Nehmen wir den Vertrag des Jahres 2002. Was soll 1,47 Millionen € wert sein? – Fünf Freikarten pro Veranstaltung – das ist an jeder Theaterkasse billiger einzukaufen –, zweimalige Raumnutzung im Tempodrom pro Jahr, aber gegen Zahlung der Betriebskosten, und Werberechte. Die Investitionsbank wirbt mit dem Tempodrom. Eine eindrucksvolle Marketingstrategie für eine öffentliche Strukturbank. Nun kommt der eigentliche Clou an der Geschichte, nämlich die Laufzeit. Wir haben bereits einen Sponsoringvertrag aus dem Jahr 2001. Der Vertrag aus dem Jahr schließt sich an, und – halten Sie sich fest – die Laufzeit des neuen Sponsoringvertrages beginnt angeblich erst im Jahr 2031 und endet im Jahr 2035.
Strieder zumindest in politischer Verantwortung nicht mehr. – Das ist so, als würden Sie einen Wagen der S-Klasse gegen einen Gutschein für ein Fahrrad eintauschen und behaupten, das sei ein gutes Geschäft. Solche Verträge schließen nur Geschäftsunfähige oder Betrüger ab. Doch Peter Strieder streitet ab, schuldig zu sein, und der Regierende Bürgermeister Wowereit nimmt ihn in Schutz.
Geld zahlen ohne reale Gegenleistung, diese Form des Sponsoring soll es angeblich nur bei der Berliner SPD geben. Bauunternehmer Specker, der vielfältige wirtschaftliche Interessen am – und wie wir heute gelernt haben – um das Tempodrom herum hat, sponsert der SPD eine Wahlparty, Ende Oktober 2001, wenige Wochen nach der Rettung des ersten Wowereit-Senats – ohne Gegenleistung. Ich weiß nicht, wer Ihnen das glauben soll, ich tute es jedenfalls nicht. Vorbei am Parlament und vorbei an Recht und Gesetz öffentliche Gelder in die eigenen Lieblingsprojekte stecken, das ist das Mentalitätswechsel à la Wowereit und Strieder. Aber jetzt bekommen wir einen Untersuchungsausschuss. Der Rechnungshof hat bereits sein Urteil zu Herrn Strieder gesprochen: Sein Verhalten war rechtswidrig.
Herr Strieder, Sie können alles abstreiten und alles leugnen. Die Wahrheit wird aber im Untersuchungsausschuss ans Licht kommen. Ein Politiker mit einem Mindestmaß an Anstand wäre längst von sich aus zurückgetreten, aber nicht so Herr Strieder. Ein Regierender Bürgermeister mit Verantwortungsbewusstsein für seine Stadt hätte in dieser Situation längst so gehandelt, aber nicht so Herr Wowereit, vermutlich, weil der Spaßfaktor zu gering ist. Er macht lieber Kneipentouren in Hamburg. Nun ist das Parlament am Zug. Untersuchungsausschüsse sollen dazu beitragen, Missständen abzuhelfen. Der größte Missstand im Berliner Senat heißt Peter Strieder. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Zimmer! Sie können heute offensichtlich nur billig und klein! Das, was Sie vorgetragen haben, ist das, was auch andere Kollegen nicht haben wollten, eine kleinkarierte parteipolitische Kampagne gegen den SPD-Landesvorsitzenden angesichts der Gelegenheit, dass dieses Abgeordnetenhaus heute einen Untersuchungsausschuss zum Tempodrom einrichtet und kein Kampagneninstrument zu Ihrer beliebigen Verfügung!
Sie werden schon noch feststellen, dass es zwischen diesen beiden Sachverhalten einen gravierenden Unterschied gibt. Es wird sich am Ende zeigen, wer eigentlich die politische Verantwortung für den Vorgang Tempodrom zu tragen hat und wie die Sache am Ende in der politischen und öffentlichen Wahrnehmung letztlich ausgeht, gerade für Sie von der CDU.
Wir werden den Vorgang Tempodrom jedenfalls so restlos und gründlich aufklären, wie dies einem Untersuchungsausschuss möglich ist. Es muss umfassend auf den Tisch, das ist hier völlig zu Recht festgestellt worden – auch von Ihnen, Herr Kollege Lindner –, wer wann und auf welcher Grundlage über Bau und Finanzierung des Tempodroms entschieden hat und auf welcher Grundlage und durch wen weitere Hilfen beschlossen wurden.
Wir werden intensiv der Frage nachgehen, ob andere Interessen für diese Entscheidung bestimmend waren als die des Landes Berlin. Das ist eine Selbstverpflichtung, die dieses Haus heute abzugeben hat. Diese trägt die PDSFraktion in jeder Hinsicht.
Lassen Sie mich die Feststellung unterstreichen, dass tatsächliche Aufklärung über die Vorgänge zum Tempodrom unseres Erachtens etwas anderes ist als die öffentliche Inszenierung dieses Themas in den letzten Wochen, beginnend mit der obskuren Strafanzeige der CDU gegen Senator Strieder. Da kann man sich vielfach nur wundern, wie schlicht sich manche diesem Thema widmen und aus welch durchsichtigen Motiven sie dies tun. Mit Unterstellungen und unbewiesenen Thesen aufzuräumen und eine schlüssige und sachgerechte Aufarbeitung des Themas Tempodrom sicherzustellen, ist deshalb für meine Fraktion die zentrale inhaltliche Aufgabe des Untersuchungsausschusses, weil wir uns hier zu seriöser Aufklärung und nicht zu kleinkarierter Parteipolitik verpflichten.
Glauben Sie eigentlich allen Ernstes, meine Damen und Herren von der CDU, wir ließen Sie mit einer Darstellung davonkommen, die Ihre unbestreitbare politische Verantwortung für die Skandalgeschichte Tempodrom allein auf Peter Strieder und die rot-grüne oder die rotrote Koalition abwälzt und nach dem Motto verfährt, dass sie selbst nur deshalb nicht getroffen werden, weil sie am fleißigsten mit einseitigen Schuldzuweisungen und Unterstellungen arbeiten? Das ist eine groteske Annahme und eine intellektuelle Zumutung an dieses Haus. Die wird diesen Untersuchungsausschuss ganz sicher nicht überdauern.
Aus diesem Grund haben wir den Auftrag von CDU und FDP für den Untersuchungsausschuss auch umfassend erweitert und werden in diesem Rahmen das Verhalten aller Beteiligten würdigen, auch jenes von Angehörigen der CDU. Hier können Sie ganz sicher sein!
Bereits heute lässt sich feststellen, dass der Versuch, Senator Strieder die Gesamtverantwortung für den Schadensfall Tempodrom anzuhängen, die Wahrheit verbiegt. Da können Sie sich einmal ein Beispiel an der Integrität des Kollegen Kurth von der CDU nehmen, der immerhin das Format besitzt, sich politisch zu der damaligen Entscheidung zu verhalten und Ihrer eindimensionalen Schuldzuweisung, Herr Kollege Zimmer, an Peter Strieder öffentlich zu widersprechen. Das fand ich schon ziemlich bemerkenswert. Es gehört auch dazu, dass man an diesem Punkt einmal Respekt äußert.
Wir sagen unmissverständlich, dass es die große Koalition und nicht Senator Strieder allein war, die die maßgeblichen Beschlüsse gefasst hat, die sich nun massiv zum Schaden des Landes Berlin auswirken. Es waren neben der SPD und Herrn Strieder Angehörige Ihrer Partei und Fraktion, Herr Zimmer, die seinerzeit in maßgeblicher Verantwortung eben diese Beschlüsse herbeigeführt haben, mit denen wir uns heute herumschlagen müssen.
Dazu zählt für mich insbesondere und vor allem die 10 Millionen € Bürgschaft des Landes Berlin für die Kredite der Stiftung Tempodrom, mit denen das Land Berlin in bewährter Weise und in vollem Umfang in die Haftung bestellt worden ist. Diejenigen, die diese Bürgschaft entschieden haben, waren die Herren Kurth und Branoner als Finanz- und Wirtschaftssenatoren und nicht Herr Peter Strieder. Es war auch insgesamt eine von der CDU geführte Landesregierung unter dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen, Herr Kollege Zimmer, die hier entschieden hat. So viel Omnipotenz bringt nicht einmal ein Peter Strieder auf, dass er Ihre politische Verantwortung für die Tempodrom-Pleite in Personalunion auch noch tragen müsste.
Bei dem Tempodrom handelt es sich in der Sache um einen klassischen Fall aus einer Reihe der Sanierungsfälle. Hiervon haben wir reichlich, die der rot-roten Koalition von der großen Koalition hinterlassen worden sind und nun ausgesprochen teuer für das Land Berlin werden. Wir stellen hierzu fest, dass nach dem Umzugsdekret des Altbundeskanzlers Kohl die große Koalition eine Vertrags- und Finanzierungskonstruktion für den Umzug des Tempodroms und seinen Neubau vorgenommen hat, die das Land Berlin auf mehreren Ebenen voll in das Risiko stellte und alles an finanziellen Ressourcen mobilisierte, derer man habhaft werden konnte. Das ist der Grundfehler und der Ausgangspunkt für das weitere Desaster. Es ist auch exakt der Punkt, an dem wir eine Übernahme von politischer Verantwortung durch diejenigen erwarten, die damals gehandelt haben, gerade dann, wenn man heute klüger ist als man es damals war.