Die Bezirks-CDU hat damals mit der SPD zusammen beschlossen, das Tempodrom nach Kreuzberg zu holen. Programm und Idee des Tempodroms passten gut in die alternative Kulturlandschaft des Bezirks. Und ich sage auch aus heutiger Sicht, dass das Tempodrom tatsächlich für uns, für die Kulturstadt Berlin, eine Bereicherung ist, dass es weit und breit keinen vergleichbaren Veranstaltungsort gibt, schon gar nicht an diesem Platz in der Nähe zum Potsdamer Platz. Das war damals die Einschätzung zahlreicher Landespolitiker. Und trotz aller Kritik muss man heute noch einmal betonen, dass die hier anwesenden Fraktionen von SPD, CDU und Bündnisgrünen zugeben müssen, dass das neue Tempodrom viele Mütter und Väter hatte. Von der großen Koalition, der Übergangskoalition aus Rot-Grün bis zur jetzigen rot-roten Koalition herrschte diese Übereinstimmung, das Projekt für Berlin zu retten. Zwischen Frau Ströver und Herrn Radunski hat
es hier im Plenum einen munteren Wortwechsel gegeben, wo man versucht hat, sich gegenseitig in Bekundungen für das Tempodrom zu überbieten, wie sehr man doch engagiert ist in der Sache und auch helfen will. Ich glaube, das macht die Situation damals ganz gut deutlich. Gerade aus diesem Grund ist es ausgesprochen scheinheilig, so zu tun, als wäre ein Mann alleine schuld an der Entstehungsgeschichte dieses Tempodroms, der völlig alleine auf allen Ebenen, über alle politischen Konstellationen und Koalitionen hinweg über Jahre dieses Projekt durchgekämpft hat, obwohl es offensichtlich niemand anderes wollte. Es wäre scheinheilig, etwas so darzustellen.
Insbesondere in Richtung CDU-Fraktion sage ich: Für meinen Geschmack viel zu lang und viel zu deutlich, aber Sie hatten eine deutliche Mehrheit in der großen Koalition,
und Sie hatten auch eine Verantwortung für solch ein Projekt. Das muss an dieser Stelle gesagt werden. Es kann hier nicht darum gehen, eine Kampagne gegen Einzelne zu inszenieren,
sondern wir müssen im Untersuchungsausschuss gemeinsam herausfinden, wer wann wofür verantwortlich war.
Das werden wir auch im Untersuchungsausschuss klären. Wir haben jetzt einen hervorragenden Auftrag miteinander formuliert. Die Politiker, die Verantwortung getragen haben, sind auch namentlich benannt. Elf Namen sind aufgeführt, zwei darunter auch von der SPD. Wir werden die Untersuchung gemeinsam führen. Die SPD wird auch engagiert mitdiskutieren und genau sehen, wer wofür verantwortlich war.
Eine Sache halte ich schon heute, bevor der Untersuchungsausschuss seine Arbeit aufnimmt, für wichtig. Das halte ich fest, weil das in der öffentlichen Darstellung falsch dokumentiert wurde. Da hat es von den entsprechenden Zeitungen auch Berichtigungen geben müssen. Deswegen ist es mir wichtig, das heute zu betonen. – Mitte der 90er Jahre sollte das Tempodrom umziehen. Am 23. November 1995 wurde die Stiftung Neues Tempodrom gegründet, in breitem politischem Konsens für den Bau. Bei der Baukostenplanung im Jahr 1998 ging man noch von einer Bausumme in Höhe von 16,4 Millionen € aus. Wenig später, im Juli 1999, stellte man fest, dass diese Kosten auf 22,7 Millionen € ansteigen würden. Im April 2000 beantragte die Stiftung Neues Tempodrom daher beim Wirtschaftsausschuss der Landesbank eine 80-prozentige Ausfallbürgschaft, die zur Aufnahme eines weiteren Kredites nötig wurde. Am 21. Juni 2000, auf der Sitzung des Bürgschaftsausschusses, haben dann die Vertreter der Senatsverwaltungen für Wirtschaft und für Finanzen sowie Vertreter der IHK, der Handwerkskammer und auch des Bankenbereichs die
einstimmige Empfehlung an das Land abgegeben, eine Bürgschaft in Höhe von ca. 20 Millionen DM zur Mitfinanzierung des Neubaus zu übernehmen. Nur zur Erinnerung: Die Vertreter der Senatsverwaltungen für Wirtschaft und für Finanzen waren damals Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner und Finanzsenator Peter Kurth. Wir werden genau nachfragen, wie diese beiden Herren agiert haben und vor welchem Hintergrund. – Vielleicht, Herr Zimmer, setzen Sie sich deshalb so vehement für den Untersuchungsausschuss ein – damit Sie noch einmal deutlich machen können, wo Ihre innerparteilichen Gegner Verantwortung getragen haben.
Diese beiden ehemaligen Senatoren haben es zu verantworten, dass die Bürgschaft gegeben wurde, nicht Peter Strieder. Dieser saß damals weder im Aufsichtsrat der Landesbank noch im Bürgschaftsausschuss.
Mit dieser Bürgschaft begann das eigentliche Drama um das Tempodrom. Diese Entscheidung ist es, der wir die ganze Diskussion zu verdanken haben, die uns auch finanziell bis heute belastet. Erst weil er mit dieser Bürgschaft abgesichert wurde, war solch ein teurer Bau überhaupt möglich. Wir sind innerhalb des rot-grünen Übergangssenats 2001 auch zu der Entscheidung gekommen, den Neubau des Tempodroms mit neuen Finanzhilfen fertigzustellen, weil wir an diesem Punkt durch diese Bürgschaft schon einen fast fertigen Bau hatten. Ich zitiere da gern Wolfgang Wieland, der in den letzten Tagen immer deutlich gemacht hat: Wir wollten zu diesem Zeitpunkt auch keine Bauruine mehr, sondern es ging darum, diesen fast fertigen Bau fertigzustellen. Herr Wieland, Sie werden sich daran erinnern, dass über diese Frage lange im Senat diskutiert wurde.
Es gab auch Auseinandersetzungen, ob der Konkurs des Tempodroms angesichts der finanziellen Probleme nicht vielleicht sogar die beste Lösung gewesen wäre. Auch im Sinne des Mentalitätswechsels wäre es vielleicht der richtige Weg, das richtige politische Signal gewesen, den Konkurs des Tempodroms in Kauf zu nehmen.
Nur – auch das darf man nicht außer Acht lassen –, es gab gute wirtschaftliche Gründe, auch anderer Meinung zu sein. Es wäre wahrscheinlich der einfachere Weg gewesen, sich gegen das Tempodrom zu entscheiden, aber es stand dagegen, dass das Tempodrom bereits öffentliche Gelder von Bund und EU in erheblichem Umfang bekommen hatte. Im Falle einer Insolvenz wäre der Bau trotz öffentlicher Mittel und Gelder auch der Lottostiftung nicht abgeschlossen gewesen. Außerdem wäre der Senat für die 80-prozentige Bürgschaft in Anspruch genommen worden. Viele Rechnungen der kleinen und mittleren Handwerksunternehmen, die in dem Bau engagiert und involviert waren, wären nicht mehr bezahlt worden. Auch das hat bei unserer Entscheidung, das Tempodrom fertigzustellen, eine Rolle gespielt.
Wir werden im Untersuchungsausschuss alle Einzelheiten noch einmal beleuchten und darstellen. Ich finde es aber erstaunlich, wie einige der damals Beteiligten – mit unterschiedlicher Eleganz – heute agieren. Der eine sagt, er ist nicht informiert worden, oder er ist schlecht informiert worden. Ein anderer sagt, er war nicht in Berlin und hat deswegen nichts damit zu tun. Gut! Aber es ist eine besondere Qualität, was Wolfgang Wieland heute in den Zeitungen darstellt. Dass ein ehemaliger Justizsenator, Jurist, der nicht nur alle Informationen, alle Protokolle, alle Unterlagen bekommen, sondern sie auch entsprechend bewerten kann, sagt, es sei alles falsch oder unzureichend oder nicht ausführlich genug dargestellt worden, ist eine besondere Qualität. Herr Wieland, gerade weil wir so oft und so lange darüber diskutiert haben, weil es auch Änderungswünsche der Grünen gab, weil es Veränderungen im Stiftungsmodell gegeben hat – es hat dann eine andere Konstruktion gegeben; handelnde Personen mussten ihre Arbeit niederlegen –, ist es zu einfach, jetzt zu sagen, es habe alles nicht gereicht, jetzt, wo man sieht, dass es trotzdem problematisch weitergegangen ist. Die politisch Verantwortlichen müssen sich zu der politischen Verantwortung bekennen, die sie damals getragen haben.
Aber es sollen nicht nur die Probleme um das Tempodrom im Untersuchungsausschuss geklärt werden; ein weiterer Untersuchungsauftrag zielt auch darauf ab zu klären, ob es Zusammenhänge zwischen dem Bau des Tempodroms und des Sponsorings einer SPD-Wahlparty am 21. Oktober 2001 gegeben hat. In den letzten Tagen und Wochen wurde unterstellt, dass es hier mehr als einen zeitlichen Zusammenhang gibt. Wenn es diesen Zusammenhang gab – wer hätte davon eigentlich profitieren sollen? –
Als die Berliner SPD mit Herrn Specker das Sponsoring des Caterings in dem für Journalisten und Ehrengäste abgetrennten Bereich der Wahlparty vereinbart hatte, waren alle Entscheidungen, die irgendjemanden in irgendeiner Weise hätten begünstigen können, längst gefallen. Zum Zeitpunkt des Sponsorings konnten keine Entscheidungen über das Tempodrom zu irgendeinem wirtschaftlichen Vorteil für Herrn Specker werden.
An der Stelle – vielleicht sogar in dem Sinne, wie Herr Dr. Lindner es dargestellt hat – auch ein paar Worte zu diesem Unternehmer, beispielhaft möglicherweise auch für andere Menschen aus der Wirtschaft, die sich für unsere Stadt engagieren. Herr Specker hat Anfang der 90er Jahre, offensichtlich Gewinn bringend, den größten Teil seiner Unternehmen verkauft. Er ist ein Mäzen für viele Projekte und Initiativen in der Berliner Kunst- und Kulturszene, zum Beispiel für die Berlinische Galerie und
das Jüdische Museum. Und Herr Specker war derjenige, der die Reichstagsverhüllung Christos in Berlin möglich gemacht hat. Herr Zimmer, nur zur Erinnerung, falls Sie es vergessen haben sollten: Damals hat ein Regierender Bürgermeister sich ganz besonders feiern lassen. Das ist der, der seit Neuestem Ihr Ehrenvorsitzender ist und der uns nun mit neuen, schönen und teuren Visionen beglückt. Gerade er hat von dem Engagement Herrn Speckers in besonderem Maße profitiert und daran offensichtlich überhaupt nichts gefunden.
Wir brauchen Menschen, die sich mit ihrem Privatvermögen einsetzen. Gerade Berlin ist auf diese Menschen dringend angewiesen. Auch deswegen sollten wir in dieser Debatte mit großer Behutsamkeit vorgehen und genau überlegen, wen man eigentlich wofür angreift. Wir sind uns hoffentlich auch darüber einig, dass es Parteien erlaubt sein muss, Spenden und auch Sponsoring anzunehmen. Wir alle sind darauf angewiesen, dass gespendet wird. Ohne Spenden wäre nicht nur in der Politik, sondern auch in der Kultur viel weniger machbar. Wir wollen vermeiden, dass Parteien allein von öffentlichen Geldern abhängig sind.
Wenn die Zwischenrufe so sind, sage ich an dieser Stelle auch: Es ist für mich überhaupt keine Frage, dass Spenden und jedes Sponsoring korrekt verbucht werden müssen. Sollte es einen Buchungsfehler bei der Berliner SPD gegeben haben – –
Ja, wir untersuchen das. Wir werden das alles darstellen. Das muss korrigiert werden, gegebenenfalls muss auch eine Strafe gezahlt werden.
Nein, die Zeit ist schon zu fortgeschritten! – Das Thema Tempodrom mag aus heutiger Sicht anders zu beurteilen sein, als es noch vor wenigen Jahren der Fall war. Heute würde man mit Sicherheit vieles, was so teuer ist, anders machen. Den Luxus Tempodrom oder einen ähnlichen wird sich Berlin nicht mehr leisten können. Ich sage es deutlich, obwohl ich bekanntermaßen kein großer Fan von Privatisierungen bin: An solch einer Stelle muss sich der Staat zurückziehen, private Bauten im Kulturbereich müssen die Privaten errichten und nicht der Staat.
Wir führen Verkaufsverhandlungen. Diese stehen kurz vor dem Abschluss. Ich glaube, es wird zu vernünftigen Bedingungen zu verkaufen sein, und das muss dann auch
Abschließend noch Folgendes: Ich unterstütze das, was Herr Dr. Lindner gesagt hat. Lassen Sie uns zu mehr Sachlichkeit in der Debatte zurückkommen, lassen Sie uns keine Kampagnen gegen Einzelne führen.
Lassen Sie uns gemeinsam im Untersuchungsausschuss aufklären – an dem wir uns aktiv beteiligen, dem wir heute zustimmen werden –, wer wofür welche Verantwortung getragen hat. Ich glaube, vieles wird sich als völlig anders herausstellen, als es jetzt den Anschein hat. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer bislang an den Fernsehschirmen diese Debatte verfolgt hat, wird nichts verstehen, er wird nicht verstehen, warum sich die ganze Stadt mit dem Tempodrom-Skandal beschäftigt. Eine derartig an der Sache vorbei geführte und unpolitische Diskussion hätte ich an dieser Stelle nicht erwartet.