Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Matz! Wir haben das Thema hier bereits einige Male diskutiert. Es gibt ein Unternehmenskonzept vom Dezember 2002 – das ist jetzt gut ein Jahr alt –, das Sie kennen und das allen Abgeordnetenhausfraktionen vorgestellt wurde. Das Konzept ist auch das im Augenblick tragende. Es hat sich während des Jahres 2003 gezeigt, dass es hier sowohl bei den Personalkosten als auch beim Umsatz als auch bei gewissen Sachkosten Abweichungen gibt. Diese Abweichungen bedeuten, dass der tatsächliche Jahresverlust des vergangenen Jahres um etwa 18 Millionen € höher sein wird als geplant. Was daran bedenklich ist, ist nicht die einmalige Abweichung, sondern dass sich ein gewisser Trend anzeigt, nach dem Einnahmen und Ausgaben, Kosten und Ertrag, in den nächsten Jahren scherenförmig auseinander gehen.
Dazu hat sich der Aufsichtsrat, insbesondere der Wirtschaftsausschuss, mit der Unternehmensgeschäftsführung in den vergangenen Monaten ausführlich auseinander gesetzt. Die Geschäftsführung ist beauftragt, für die Aufsichtsratssitzung im März eine angepasste mittelfristige Planung vorzulegen. Weil dabei alle Annahmen, die bisher als ehern galten, mit überprüft und notfalls angepasst werden müssen, hat sich dazu die Geschäftsführung mehr als die sonst übliche Zeit ausgebeten. Sie ist auch vom Aufsichtsrat gewährt worden.
Gleichzeitig und unabhängig davon liegt aber das Auge des Anteilseigners eng auf dem Unternehmen. Wir lassen uns in diesen Punkten fortlaufend unterrichten, was nicht immer für alle Beteiligten angenehm ist. Wir werden sehen, was sich dabei ergibt.
Am Ende muss dabei herauskommen, dass wir uns auf der Basis einer verlässlichen betriebswirtschaftlichen Planung insbesondere die Personalkosten anschauen. Es wird hier zu überlegen sein, ob die Beschäftigten nicht auch einen gewissen Beitrag leisten müssen. Aber dies ist einzupassen in ein Unternehmenskonzept insgesamt.
Herr Senator! Finden Sie es denn fair gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dass man ihnen jetzt bei einer morgen beginnenden Tagung mit dem Betriebsrat bereits Gehaltsverzichte abpressen möchte mit Hinweis auf die schlechte Lage des Unternehmens, dass aber über die eigentliche Zukunft, die Frage, in welche Richtung sich das Unternehmen entwickeln soll, erst – wie Sie gerade gesagt haben – im März auf einer Aufsichtsratssitzung beschlossen werden kann? Das heißt doch, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Zugeständnisse machen sollen, bevor sie erfahren dürfen, wohin es geht.
Es geht darum, dass alles zusammenpasst. Wenn wir erkennen – und es ist so, dass sich das andeutet –, dass die Personalkosten des Unternehmens aus unterschiedlichen Gründen über dem liegen, was der Markt dauerhaft zulässt, dann wird es hier auch einen Beitrag geben müssen. Das hängt mit dem Thema der betriebsbedingten Kündigungen zusammen, ob man sie nun hat oder nicht hat. Insgesamt geht es um ein Paket. Dazu gehört auch, dass man die unterschiedlichen dazu gehörenden Elemente vorher abklopft und sieht, was dort unter Umständen machbar ist. Und es muss am Ende alles zusammenpassen. Wenn es bei Vivantes einen derartigen Solidarpakt gibt, dann um die Unternehmenszukunft zu sichern, dann auch so, dass es wirklich von allen Elementen her hält.
Als Sie sich die Zustimmung des Parlaments für eine Landesbürgschaft zu Gunsten der Vivantes GmbH geholt haben, haben Sie wiederholt gesagt, dass Sie nicht planen würden, darüber hinaus weitere Mittel aus Steuergeldern zur Verfügung zu stellen, sondern dass das dann auch ausreichend sein solle. Sind Sie sich dessen bewusst, dass, wenn Sie jetzt die Kreditlinie bei der Landeshauptkasse erhöhen würden, wie es das Unternehmen offensichtlich gerne möchte, was Sie ohne das Parlament tun könnten, dies aber dem Sinn dieser Beratung damals entgegenstehen würde? Würden Sie sich deswegen hier zu der Aussage verleiten lassen, dass Sie die Kreditlinie bei der Landeshauptkasse nicht erhöhen werden, ohne sich noch einmal mit dem Parlament über das Gesamtkonzept zu unterhalten und die Zustimmung des Parlaments für zusätzliche Steuergelder einzuholen?
Das ist in diesem Fall einfach zu beantworten, Herr Matz. Ehe nicht alles auf dem Tisch liegt und das Unternehmen sagt, was es will und was es kann, werde ich dazu überhaupt nichts sagen und schon überhaupt kein Geld geben. Das weiß
auch die Geschäftsführung, dass jedwede Hoffnung, von uns Geld zu bekommen, ohne dass alles Übrige aufgeklärt ist und alle Beteiligten Beiträge leisten, fehl am Platz ist. Dass das nicht geht, haben wir deutlich durchgestellt.
Herr Senator Sarrazin, ich bin froh, dass Sie zu diesem Thema antworten, denn Sie scheinen etwas tiefer im Detail zu stecken. – Meine Frage, Herr Senator: Ist es richtig, dass die Defizite in den Tochtergesellschaften – der fehlende Nettolohnausgleich durch die Kassen und die sinkenden Fallzahlen – strukturelle Defizite bei Vivantes sind und man deswegen in Ihrer Verwaltung derzeit darüber nachdenkt, eine gezielte Insolvenz vorzunehmen, um das Unternehmen wieder in ein vernünftigeres Fahrwasser zu bringen? Halten Sie das für einen sinnvollen Weg?
Herr Czaja! Das waren zwei unterschiedliche Dinge, die Sie miteinander vermischt haben. Es ist richtig – und das ist auch das, was uns als Anteilseigner besorgt macht: Wir haben die begründete Vermutung, dass es nicht um einmalige Abweichungen geht, sondern um solche, die tiefer gehen, denn die Zahlen des vergangenen Jahres sind nicht schön, aber als solche bei einem Unternehmen dieses Umfangs noch nicht besorgniserregend.
Das muss untersucht werden, und das betrifft sowohl die Möglichkeit, im augenblicklichen Rahmen Kosten im erhofften Umfang senken zu können, wie auch die Möglichkeiten, Umsätze, wie man sie erhofft hat, erzielen zu können – gerade auch in den so genannten Nebenaktivitäten. Das muss alles zusammen überprüft werden.
Selbstverständlich muss man mit der Frage umgehen, wie man dann dem Unternehmen am besten helfen kann. Das Thema Insolvenz stellt sich überhaupt nicht, und auch ich habe es bisher noch in keiner Weise aufgeworfen. Aber für alle Unternehmen gilt abstrakt immer, dass eine Insolvenz geeignet ist, Kosten abzubauen. Das ist selbstverständlich hier auch der Fall. Trotzdem ist eine Insolvenz im Augenblick nicht geplant.
1. Warum streicht der Senat das Programm 501/301, das benachteiligte Jugendliche direkt in Betriebe vermit
2. Wie erklärt der Senat die Streichung von Arbeitsplätzen für Jugendliche auf dem ersten Arbeitsmarkt angesichts von fast 30 000 arbeitslosen Jugendlichen in Berlin?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Pop! Weil das sicherlich nicht alle hier im Hause genau wissen, möchte ich zunächst noch einmal deutlich machen, um welches Programm es bei Ihrer Frage geht. Es handelt sich um ein vom Land Berlin seit vielen Jahren finanziertes Programm mit dem Kurztitel 501/301. Mit Hilfe der Finanzmittel des Landes Berlin konnte der Beschäftigungsträger BBJ in den vergangenen 15 Jahren langzeitarbeitslose junge Erwachsene zwischen 18 und 27 Jahren auf Arbeitsplätze des ersten Arbeitsmarktes vermitteln. Das Programm ist in der Größenordnung, wie es in Berlin gefahren worden ist, und auch in der konzeptionellen Ausrichtung relativ einmalig im Bundesgebiet. Insbesondere den immer noch bestehenden dreijährigen Förderungszeitraum mit einer damit verbundenen Qualifizierungspflicht gibt es in Berlin sonst nirgendwo, und auch in anderen Ländern ist das die absolute Ausnahme.
Wir hatten mit dem Haushaltsplanentwurf 2004/2005 die Förderung dieses Programms für die nächsten vier Jahre vorgesehen. Nach dem Verfassungsgerichtsurteil und der erneuten Prüfung in den Zuwendungsbereichen wird nunmehr vorgeschlagen, die Finanzierung dieses Programms aus Landesmitteln nur noch bis Ende 2006 vorzusehen. Das bedeutet – um das ganz klar zu sagen –, dass in diesem Jahr keine neuen Förderverträge abgeschlossen werden sollen. Das bedeutet aber auch, dass die Jugendlichen, die jetzt durch das BBJ in das Programm aufgenommen worden sind, ihren Arbeitsplatz für die vertraglich vereinbarte Zeit von drei Jahren gesichert haben. Das ist erst einmal eine wichtige Aussage für diejenigen, die mit diesem Problem befasst sind, und zwar insbesondere für die Betroffenen.
Der Senat – um das gleich zu Ihrer zweiten Frage zu sagen – streicht also hier keine Arbeitsplätze im ersten Arbeitsmarkt. Ich weiß auch gar nicht, wie der Senat das tun sollte. Vielmehr sorgt der Senat mit Lohnkostenzuschüssen in Millionenhöhe dafür, dass Unternehmen jungen Langzeitarbeitslosen in ihrem Unternehmen Arbeitsplätze anbieten. Darunter sind viele Migrantinnen und Migranten. Es ist wichtig, auch das zu betonen. Es wird ihnen die Möglichkeit zu qualifizierten Abschlüssen geboten. Damit soll auch erreicht werden, dass nach dem staatlichen Förderzeitraum von drei Jahren die Arbeitsplätze für die Jugendlichen in den Unternehmen mög
lichst weiter angeboten werden. Das hat sich – Sie haben darauf hingewiesen – in der Praxis gut bewährt.
Genau aus diesem Grund bedauere ich es, dass dieses Programm aus Landesmitteln über den genannten Zeitraum hinaus nicht länger finanziert werden kann. Wir haben diese Entscheidung aber im Vertrauen darauf getroffen, dass die Bundesregierung mit den „HartzGesetzen“ und mit dem SGB II zukünftig auch für die Finanzierung von Maßnahmen für langzeitarbeitslose junge Erwachsene die Zuständigkeit übernommen hat und diese Maßnahmen über Bundesmittel finanziert werden müssen. Im Blick auf die Berliner Situation und im Interesse aller Träger im Bereich der kommunalen Beschäftigungspolitik, aber insbesondere auch aller Betroffenen hoffe ich sehr, dass über Bundesmittel die qualifizierte Arbeit, die hierbei vor Ort geleistet wird, weiter geleistet werden kann.
Frau Knake-Werner! Wie ist dann zu erklären, dass dieses Programm bereits in diesem Jahr ausläuft, während die Hartz-Gesetze erst im nächsten Jahr in Kraft treten? Damit entsteht doch ein Lücke von einem Jahr. Das müssen Sie mir noch einmal erklären, bitte!
Liebe Frau Pop! Das will ich Ihnen gern erklären, wenn ich auch dachte, dass Sie sich die Erklärung selber hätten geben können, da Sie mit der Bundesregierung, die diese Entscheidung getroffen hat, verbandelt sind. Wir sind in der Situation, dass die Hartz-Gesetze – anders als ursprünglich immer wieder angekündigt – ein halbes Jahr später eintreten und dadurch Probleme entstehen, die wir im Lande abfangen müssen. Das haben wir am 19. Dezember erfahren, worauf ich noch einmal hinweisen möchte.
Die Bundesregierung war nicht ganz allein verantwortlich. Daran waren wohl alle Parteien, die hier sitzen, über den Bundesrat beteiligt – über die eine oder andere Ecke. Die Frage lautet: Gibt es eine Überbrückung für die Lücke, die in diesem Jahr – 2004 – entsteht? Planen Sie eine Überbrückung, oder fällt das komplett aus?
Ich habe ja sehr deutlich gesagt: Wir haben entschieden, dass neue Förderverträge nur bis Ende des Jahres 2003 abgeschlossen werden konn
ten und dass für die nächsten drei Jahre die Finanzierung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Rahmen dieser Förderverträge gesichert ist.
Frau Knake-Werner! Weil Sie unter Hinweis auf das Landesverfassungsgerichtsurteil betont haben, dass dieses Programm im Vergleich mit anderen Bundesländern relativ einmalig ist, frage ich Sie: Haben Sie einmal durchgerechnet, was es das Land Berlin gekostet hätte, wenn die vielen Tausend Jugendlichen, die in den vergangenen Jahren an diesem Programm teilgenommen haben, nicht auf eine Arbeitsstelle im ersten Arbeitsmarkt vermittelt worden wären, sondern weiterhin Bezieherinnen und Bezieher von Sozialhilfe geblieben wären?
Vielen Dank! – Frau Klotz! Ich kann Ihnen relativ genau sagen, was es gekostet hätte, wenn sie Sozialhilfe bezogen hätten: Das wäre weniger gewesen, weil dieses Programm zu denen gehört, die enorm teuer sind. Das hat sich das Land Berlin immerhin über 15 Jahre lang geleistet. Wichtig wäre es, über gesellschaftliche Kosten und individuelle Probleme von Jugendarbeitslosigkeit zu reden.