Protocol of the Session on January 15, 2004

Aber nicht nur dieses Parlament missbilligt – zumindest in relevanten Teilen –, was Sie hier treiben, sondern auch „draußen“ wird Ihr Verhalten missbilligt. Wir erinnern uns, im Anschluss an unsere letzte Debatte hier im Hause hatten auch die Studenten Ihren Rücktritt gefordert. Und vor kurzer Zeit, am 9. Januar, haben Studenten der TU Ihnen – wiederum missbilligenswerterweise, obwohl es eine gewisse Komik hat – Himbeertorten an den Kopf geschmissen.

[Zurufe von der PDS]

Sahne für den Puddingsenator! Jetzt sind Sie sozusagen ein Sahnepudding geworden.

[Beifall bei der FDP – Zurufe von der PDS]

Wir werden Ihnen keine Sahnetorten auf den Kopf schmeißen – Sahne ist etwas Kostbares, das darf man nicht vergessen –, sondern wir werden zu dem Instrument greifen, das das einzig Gebotene ist – die Missbilligung.

Was ist geschehen? – Ich hatte Sie in der letzten Debatte mit Aussagen konfrontiert, die Sie gemacht haben. Vor Studenten der TU haben Sie gesagt, die vorschnelle Zusage der drei Universitätspräsidenten enge den Handlungsspielraum des Senators ein. Die Zuständigkeit liege ausschließlich bei Ihrem Kollegen Sarrazin. In der Plenardebatte damit konfrontiert, haben Sie gesagt, das sei alles gar nicht gewesen. Das sei „unfalsch“, was ich erzählt habe, ich habe mir etwas erzählen lassen. Das stehe zwar im Protokoll, müsse aber nicht stimmen. Die Dauer

absenkung von 75 Millionen € sei ein außerordentlicher Erfolg, und Ihre Rolle sei dabei gewesen, dieses an der Seite der Präsidenten zu vertreten. – Ich habe mir die Mühe gemacht, dem Ganzen nachzugehen. Relativ schnell habe ich erfahren, das eine ganze Reihe Studenten bestätigen, was ich hier zitiert habe und was auch im Protokoll steht. Die Studenten haben nicht nur der „Berliner Zeitung“ und anderen Blättern gegenüber, sondern auch mir persönlich gesagt, genau so, wie es in dem Protokoll steht, sei es gewesen. Sie seien auch bereit, das an Eides statt zu bekunden.

Das können Sie heute wieder alles abstreiten. Dann werden wir einmal sehen, wie das Ganze weitergeht. Ich sage Ihnen aber ganz klar: Sie haben das Parlament belogen.

[Pewestorff (PDS): Das ist unparlamentarisch!]

Zunächst hatten Sie gegenüber den Studenten nicht das Rückgrat, die Linie des Senats zu vertreten, und dann, darauf angesprochen, hatten Sie nicht das Rückgrat, die Sache wenigstens im Parlament einzugestehen, sondern Sie haben uns genau das Gegenteil von dem erzählt, was Sie den Studenten in der TU berichtet haben. Das ist ein Grund für eine Missbilligung.

Sie würden es nicht zuletzt Ihrem Koalitionspartner einfacher machen, wenn Sie selbst Ihren Hut nähmen. Sie zwingen heute Ihren Koalitionspartner SPD zu dem, was Sie vorher Ihrem Koalitionspartner Sarrazin nicht bereit waren entgegenzubringen – Solidarität. Sie fordern von Ihrem Koalitionspartner das ein, was Sie selbst nicht zu leisten im Stande sind. Es wäre angenehm, es wäre gut für diese Stadt, wenn Sie den Posten als Senator für Wissenschaft und Kultur raschestmöglich verlassen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU und den Grünen – Frau Breitenbach (PDS): So ein Quatsch!]

Danke schön, Herr Dr. Lindner! – Das Wort für die SPD hat nunmehr der Kollege Gaebler! – Bitte schön, Herr Gaebler!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will gar nicht aufzählen, was einem alles zum Namen Lindner einfallen könnte.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Auf jeden Fall würde man dieser Stadt und dem Niveau in diesem Parlament einen großen Gefallen tun, wenn Sie zurücktreten und dieses Parlament verlassen würden.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Sie fangen das neue Jahr genauso an, wie Sie das alte beendet haben: Sie wollen Ihre eigene Konzeptionslosigkeit durch platte Polemik überdecken

[Vereinzelter Beifall bei der PDS]

und ersetzen inhaltliche Auseinandersetzung durch persönliche Diffamierungen.

Dr. Lindner

[Pewestorff (PDS): Mangels anderer Möglichkeiten!]

Herr Dr. Lindner! Das ist schäbig. Wenn Sie hier Charakterwertungen vornehmen, dann sollten Sie sich vielleicht mal über Ihren eigenen Beitrag, insbesondere den ersten Teil, klar werden. Dann hätten Sie genug zu tun, mal über charakterliche Mängel nachzudenken.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Sie entwickeln sich hier nach wie vor zur Dreckschleuder des Berliner Parlaments. Ihr Antrag lohnt die Debatte nicht. Dieser Missbilligungsantrag ist ein billiger Mistantrag, und deshalb werden wir ihn ablehnen. – Danke!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön, Herr Kollege Gaebler! – Das Wort für die Fraktion der CDU hat nunmehr der Kollege Braun.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! – Herr Gaebler! Ich fand Ihren Beitrag unterhalb Ihres intellektuellen Niveaus.

[Beifall bei der CDU – Zurufe von der PDS]

Es ist nicht meine Aufgabe, Herrn Lindner in Schutz zu nehmen, der kriegt auch gleich noch sein Fett ab. Aber ich finde, Herr Gaebler, von charakterlichen Deformationen und Ähnlichem zu sprechen, damit sollten Sie sich sehr zurückhalten.

[Beifall bei der CDU – Beifall des Abg. Wieland (Grüne)]

Als ich diesen Misstrauensantrag gelesen habe, habe ich mir gedacht: Jetzt fällt auch bei der FDP der Groschen! – Noch vor zwei Monaten, als die CDU einen Misstrauensantrag gegen Herrn Flierl einbrachte, hat die liberale Avantgarde in diesem Parlament diesen Antrag mit einer sehr mutigen Enthaltung bestraft. Es gab keine Zustimmung.

[Beifall der Abgn. Frau Paus (Grüne) und Hoff (PDS)]

Nun kommen Sie mit Vorwürfen, die – mit Verlaub – doch eher eine Petitesse sind – und das, nachdem wir in der letzten Parlamentssitzung von der FDP doch starke Sprüche gehört haben. Da war Herr Senator Flierl ein „Puddingsenator“, und noch heftiger wurde formuliert: „Love it or leave it!“ – Man dachte: Was kommt nun? Und dann kam diese kraftlose Enthaltung zum Missbilligungsantrag der Union. Das ist keine zwei Monate her, das war am 13. November. Aber wir freuen uns: Lieber eine späte Einsicht als gar keine Einsicht.

Nun sind wir uns darüber einig, Herr Flierl, dass Sie in Ihrem Amt überfordert sind. Die Tristesse Ihres Amtes sieht man Ihrem Gesicht förmlich an und auch Ihrem Gang, der ein wenig gebeugt ist.

[Heiterkeit bei der CDU]

Insofern sind Sie auch ein gutes Beispiel für diesen Senat. Was immer Sie sagen, richtig ernst nimmt Sie eigentlich keiner. Wir wissen alle: In diesem Senat bestimmen drei

Leute den Ton. Das ist das Trio infernale: Wowereit, Strieder, Sarrazin – ideen- und konzeptionslos, dafür ein wenig gröber. Flierls Stimme für die Wissenschaft und die Kultur dieser Stadt fehlt völlig. Da schwadronieren Wowereit und Sarrazin über die Zukunft des Klinikums Benjamin Franklin, bedrohen die Forschungslandschaft im Südwesten, greifen in laufende Hochschulverträge ein, zerstören das Vertrauen der Hochschulen in die Politik. Und was macht Senator Flierl? – Er duckt sich weg.

Konzeptionslosigkeit herrscht auch in der Kultur: Die Theater sind überschuldet, die Berliner Symphoniker vor dem Aus, der Senator dümpelt herum. Es gibt kein Konzept, nur zur Schau gestellte Betroffenheit. An keiner kulturpolitischen Diskussion der Stadt nimmt er teil, geschweige denn beteiligt er sich mit originellen Ideen.

[Zurufe von der PDS]

Vor keine einzige Einrichtung in dieser Stadt stellt er sich. Brillant ist auch seine Personalauswahl mit besonderem Blick bei der Ernennung von Staatssekretären. Das sind alles Gründe, ihn zu missbilligen – ich meine sogar, ihn abzuwählen.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Der jetzt genannte Grund der FDP für die Missbilligung ist jedoch eher eine Petitesse, selbst wenn die Protokolle des AStA – wir haben alle mal studiert – stimmen sollten. Dennoch: Wir werden dem Antrag zustimmen, denn – wie gesagt – die Wissenschaft, die Forschung und die Kultur brauchen einen Senator, der sie pflegt, schützt und sich um sie kümmert. All dies tut Senator Flierl nicht.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Danke schön, Herr Kollege Braun! – Das Wort für die Fraktion der PDS hat nunmehr der Kollege Hoff! – Bitte schön, Herr Hoff!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als wir vor einigen Wochen den Missbilligungsantrag der CDU hier behandelt haben, hat die FDP noch rechtsstaatliche Haltung bewahrt.

[Heiterkeit bei der CDU]

Das habe ich auch in meiner damaligen Rede anerkannt, das unterschied sie von anderen Fraktionen hier im Haus. Wenn man sich den Missbilligungsantrag der Freidemokraten für die heutige Sitzung anguckt, dann stellt man eins fest: dass liberale Politik heute offensichtlich – zumindest in Berlin – nicht mehr durch Persönlichkeiten wie Hildegard Hamm-Brücher oder Karl-Herrmann Flach repräsentiert wird, sondern durch Spaßparteiakteure in den Farben von Herrn Dr. Lindner.

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Ich halte es – der Sozialismus ist ja Teil liberaler Politik, insofern auch als Liberaler –