Das ist der Unterschied: Bei Ihnen kann man vielleicht nicht, wenn man aus einfachen Verhältnissen stammt, hier her kommen. Bei uns kommen auch diejenigen in die Hochschulen – das ist eine Form von Durchmischung innerhalb der Gesellschaft –
Das ist eine Form von sozialer Balance, die Sie vielleicht nicht haben. Bei Ihnen muss man offensichtlich mindestens einen Hochschulabschluss haben, um überhaupt in das Parlament zu dürfen.
Wir haben in unserem Wahlprogramm dargelegt, dass wir einen Konsolidierungskurs als Aufgabe von gutem Regieren in Berlin verstehen. Dieses Erbe haben wir angetreten. Ich habe heute mit nicht zu überbietender Deutlichkeit gesagt, dass wir dieses Erbe angenommen haben und diese Konsolidierungspolitik machen wollen, und zwar mit den bestehenden Problemen, weil – und das ist auch ein Satz aus unserem Wahlprogramm – eine weitere Verschuldung dieser Stadt nur einer Gruppe nützt, nämlich den Banken, die die Zinsen erhalten. Das wollen wir
nicht. Deshalb müssen wir für eine soziale Balance in der Stadt Einsparungen vornehmen. Das ist meine Antwort auf die Frage, was Gregor Gysi möglicherweise im Wahlkampf gesagt haben soll.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schauen wir uns die Universitäten in Deutschland an. Sie sind chronisch unterfinanziert, überreguliert und international nicht mehr wettbewerbsfähig. Das war einmal anders. An der Humboldt-Universität kamen 1809 auf einen Professor fünf Studenten. Heute gibt es 500 Studenten pro Professor. Teilweise wird auf den Gängen gesessen.
Ich berichte Ihnen von meinem persönlichen Eindruck, den ich bei einer Diskussion im Auditorium Maximum der Humboldt-Universität hatte. Wenn man sich in diesem Auditorium Maximum befindet, besonders zu abendlicher Stunde, wenn diese komische Beleuchtung angeschaltet wird, dann kommt man sich vor wie in einem schäbigen Wartesaal eines mittelprächtigen Bahnhofs, aber nicht wie im Auditorium Maximum der ehrwürdigen Humboldt-Universität, die Batterien von Nobelpreisträgern hervorgebracht hat.
Eines kann ich Ihnen dennoch versichern, Freke Over hat nicht nur 1995 demonstriert, wir haben es als Fraktion fast geschlossen am 1. November gegen Sozialabbau in der Bundesrepublik gemeinsam gemacht, im Übrigen auch mit Studierenden. Insofern hat er durchaus etwas mit Studierenden gemein.
Frau Grütters, noch ein Punkt: Das Denkmal von Realitätsvergessenheit und Geschichtsvergessenheit haben auch Sie errichtet. Die großen Errungenschaften von Herrn Erhardt, von denen Sie sprechen, womit sind die finanziert worden? – Mit dem Einstieg in die Strukturen, die Berlin heute in eine extreme Haushaltsnotlage gebracht haben. Als Erhardt angefangen hat zu verstehen, dass dieser Kurs möglicherweise nicht mehr ganz so einfach ist, dass man möglicherweise nicht nur Geld ausgeben kann, sondern dass man auch welches einsparen muss, da hat er gesagt: Oh nein! Das will ich lieber nicht. Bevor ich hier meinen Ruf als derjenige, der immer nur Geld ausgeben kann und nichts einsparen muss, verliere, gehe ich weg. – Vielleicht hat er Sie dann ins Parlament geschickt. Und Sie haben angefangen, das Erbe zu verwalten. Die Zahl habe ich bereits genannt: Die Studienplätze wurden von 115 000 auf 85 000 abgebaut. Frau Grütters, das müssen Sie zur Kenntnis nehmen.
Meine Fraktion ist mit 22,6 % gewählt worden. Ich glaube nicht, dass es Herrn Gysi gelungen ist, 22,6 % der Wählerinnen und Wähler vollkommen zu überzeugen und jeden anzusprechen, um ihm seine Position darzulegen. Im Wahlkampf müssen sich die Bürgerinnen und Bürger mit vielen Dingen auseinander setzen, beispielsweise auch mit der Tatsache, dass Sie in Ihrem Wahlprogramm noch versprachen, 100 000 Studienplätze zu sichern. Heute sprechen Sie von 85 000 Studienplätzen.
Frau Klotz, Sie sagten doch kürzlich in einer Podiumsdiskussion in der Humboldt-Universität, sie wollten 85 000 Studienplätze sichern. Ich sehe da eine Differenz von 15 000 Studienplätzen.
Es ist nicht nur interessant, in die Vergangenheit zu blicken, sondern es lohnt sich auch ein Blick ins Ausland, vor allem über den großen Teich ins hier viel gescholtene Amerika. In den Vereinigten Staaten von Amerika gibt es eine Universität in New York, nämlich die Columbia University. An dieser Universität studieren 23 000 Studenten. Es handelt sich um die größte Universität in den USA. Die Columbia University hat einen jährlichen Gesamtetat von 2 Milliarden $. 60 % kommen aus Vermögensverwaltung, Forschungsaufträgen und Ähnlichem. 400 Millionen $ kommen aus Studiengebühren und über 500 Millionen $ aus Zuwendungen des Staates New York an diese private Universität, und zwar jährlich. Das bedeutet, wenn man das mit der FU oder HU vergleicht, dass wir etwa die Hälfte davon für doppelt so viele Studenten ausgeben.
Nein! – New York gibt viermal mehr pro Studienplatz dieser privaten Universität aus. Hinzu kommt, dass die City of New York noch zusätzlich eine eigene Universität unterhält. So viel zu dem Land, das angeblich nur Hochschulen für Reiche macht. Hier besteht ein riesiger Unterschied. Die deutsche Massenuniversität der 70er Jahre einschließlich eines Staates, der sie schlecht finanziert, ist ein Auslaufmodell. Wir müssen uns daran orientieren, was in anderen Ländern und Städten gemacht wird.
Wir unterstützen daher als FDP die Forderungen der Studenten nach Wegfall der Kürzung um 75 Millionen €. Dies tun wir unter der Maßgabe, dass die Universitäten sich ihrerseits so effizient gestalten, dass die 75 Millionen € in Forschung und Lehre fließen können und nicht in eine aufgeblasene Verwaltung, in ein Gebäudemanagement oder Ähnliches. Wir brauchen auch dort mehr Adlershof und weniger Verwaltung.
Die Universitäten müssen noch ein Stück nacharbeiten, bis die 75 Millionen € dort ankommen, wo sie hingehören.
Ich appelliere in diesem Zusammenhang an die Studenten: Konzentrieren Sie sich auf die Forderung „75 Millionen € mehr“ und belassen Sie es bei Ihren witzigen und gewaltfreien Aktionen!
Aus dem Beispiel Columbia University müssen wir drei Schlussfolgerungen ziehen. Erstens: Wir müssen dringend zu einer höheren Beteiligung der Wirtschaft kommen. Stiftungsuniversitäten, Kooperationsmöglichkeiten und Autonomie für die Universitäten sind enorm wichtig, damit sich mehr privates Kapital an den Universitäten engagieren kann.
Zweitens: Studiengebühren. Es ist völlig unsinnig, heute eine Diskussion zu führen, ob es Studiengebühren geben wird oder nicht. Sie werden kommen. Die Frage ist nur, wie wir sie gestalten: nachlaufend, mit Stipendien, so dass es keine soziale Zugangsbarriere gibt. Den Sportsfreunden, die immer sagen, in Deutschland würden nur Kinder von Reichen studieren, sage ich: In Deutschland studieren 19 % aller Absolventen der Oberschulen. In den USA, wo es bereits hohe Studiengebühren gibt, sind es 44 % pro Jahrgang, die den Weg zur Universität finden. Insofern ist es völliger Unfug, dass Studiengebühren soziale Barrieren schaffen. Das Gegenteil ist richtig: Sie spornen an, eine schnelle und gründliche Leistung zu erbringen.
Entscheidend ist, dass die Studiengebühren als zusätzliches Finanzierungsinstrument geschaffen werden. Wir können Studiengebühren nicht dazu haben, dass die Erträge bei Herrn Sarrazin im großen Topf landen. Idealerweise müssen sie den Fakultäten unmittelbar zur Verfügung gestellt werden, damit der Student sehen kann, was aus seinen Studiengebühren wird. Der Student wird Kunde und ist nicht nur noch Partizipient fremder Arbeit. Er bekommt einen ganz anderen Bezug zu seiner Universität und kontrolliert die Professoren und ihre Leistungen in einer ganz anderen Weise als vorher ohne Studiengebühren.
Drittens: Wir brauchen eine ausreichende staatliche Finanzierung der Universitäten. Deswegen stellen wir heute einen Antrag zur namentlichen Abstimmung: 85 000 Studienplätze als Minimum in Berlin.
Ich komme zu den Einwänden der SPD: Wo soll das Geld herkommen? – Die FDP hat Vorschläge zum Abbau der öffentlichen Verwaltung gemacht, angemessene Kürzungen im Sozialbereich und die Veräußerung von Landesvermögen vorgeschlagen. Davon könnten Sie die 75 Millionen € bis zum Jahr 2500 finanzieren. Wir brauchen uns nicht nachsagen lassen, wir hätten keine Finanzierungsvorschläge gemacht.
Der zweite Einwand kommt aus der Richtung von Herrn Flemming und ist – mit allem Respekt – an Schlichtheit nicht zu überbieten. Das ist der Vergleich mit anderen Wirtschaftsstandorten, beispielsweise NordrheinWestfalen und Bayern.
Lieber Herr Flemming, schauen Sie sich mal im Ruhrgebiet oder in München um, was dort bereits an Wirtschaftskraft vorhanden ist, welche weltweiten Unternehmen dort tätig sind und welche Industrielandschaft es dort gibt. Wir brauchen die Universitäten als Keimzelle wirtschaftlicher Betätigung. Wir können dort nichts runterfahren, sondern müssen dort hochfahren, wenn die Stadt eine wirtschaftliche Zukunft haben will.
Verhindern Sie, dass sich bei Ihnen ein radikaler, universitätsferner Pöbel aufsetzt und mitmischt und Ihnen Ihre ganze Aktion verwässert und eintrübt!
Genauso wenig sollten Sie sich dadurch die Veranstaltung verwässern lassen, dass Sie auf abwegige Forderungen zurückgreifen wie allgemeines politisches Mandat oder Viertelparität in den Gremien.
Sie sollten sich nicht vor den Karren einiger Spinner und Schwachmaten in den Studentenvertretungen spannen lassen, sondern Sie sollten sich auf die Forderung „Mehr Geld für die Universitäten!“ konzentrieren.
[Beifall bei der FDP – Wieland (Grüne): Da waren Sie noch im Kindergarten! Das Niveau haben Sie heute noch!]
Vor allen Dingen mit diesen Forderungen – allgemeines politisches Mandat, Vermögensteuer, Viertelparität –