Protocol of the Session on November 27, 2003

Eine echte Privatisierung des größten Teils der Unternehmen ist die beste Möglichkeit, Kapital und unternehmerischen Sachverstand in die Stadt zu holen.

[Hoff (PDS): Ich möchte dich bei der nächsten Personalversammlung stehen sehen!]

Wegner

Ja. – Nehmen Sie endlich die Staatsbetriebe, die für die öffentliche Daseinsvorsorge – in dieser Frage bin ich bei Ihnen, Herr Zackenfels – unabdingbar sind, an die Leine. Aber auch hier muss Transparenz einziehen und müssen klare Zielvorgaben und insbesondere, Herr Senator, endlich ein Unternehmensziel formuliert werden.

Im Übrigen – Herr Hoff, Sie müssen nicht so schreien: Auch nach der Landeshaushaltsordnung dürfen öffentliche Beteiligungen nur dann gehalten werden, wenn es erstens ein zwingendes öffentliches Interesse gibt und zweitens Private diesem Zweck nicht entsprechen können. Bei den Beteiligungen, bei denen ein öffentliches Interesse bejaht werden muss, ist sicherzustellen, dass sich die Geschäftstätigkeit der Unternehmen und Anstalten ausnahmslos auf das öffentliche Kerngeschäft beschränkt. Eine bewusste Konkurrenz des öffentlichen Sektors mit der Privatwirtschaft ist auszuschließen.

[Brauer (PDS): Haha!]

Berlin muss alle Möglichkeiten zur Erzielung von Einnahmen nutzen, wenn sie geeignet sind, den Kreditbedarf zu senken.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Zackenfels?

Nein! – Bislang ist der Senat mit seinen Privatisierungsvorhaben, Herr Zackenfels, kläglichst gescheitert. Kein Vorhaben ist gelungen. Es gab einige Scheinprivatisierungen, Rechtsformen wurden geändert, aber das Land ist immer noch in der Verantwortung. Stattdessen wurden aber viele Millionen Euro zur Aufrechterhaltung bestehender Strukturen ausgegeben.

Der Verzicht des Senats auf Privatisierung ist völlig unverständlich und falsch. Der Staat hat weder das notwendige Kapital noch das Know-how, diese Unternehmen in eine gute Zukunft zu führen.

[Liebich (PDS): Sagen Sie das mal den Beschäftigten!]

Der Senat ist jetzt aufgefordert – und Sie auch, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition -, eine ernsthafte und nachhaltige Privatisierungsoffensive zu starten. Unternehmen wie zum Beispiel die Bankgesellschaft, die Wohnungsbaugesellschaften,

[Gelächter bei der PDS]

Vivantes, aber auch die Königliche Porzellanmanufaktur müssen nicht im öffentlichen Eigentum stehen. Deshalb müssen sie unverzüglich und vollständig veräußert werden.

[Beifall bei der CDU – Brauer (PDS): Sie werden noch nicht einmal rot dabei! Das ist peinlich bis zum geht nicht mehr!]

Alle Unternehmen, für die eine Nachfrage und für deren Angebot ein Markt besteht, gehören privatisiert oder zumindest teilprivatisiert. Dass der Staat kein guter Unternehmer ist, hat er in der Vergangenheit deutlich bewiesen.

[Gelächter bei der PDS – Lederer (PDS): Das hat die Bank gezeigt!]

Ziehen Sie doch auch einmal die Konsequenzen! Weshalb halten Sie denn an der Bankgesellschaft fest?

[Zackenfels (SPD): Der Preis!]

Weshalb versuchen Sie denn nicht ernsthaft, die Privatisierung voran zu treiben. Sie schreien und reden von Ihren Erfolgen und Ihre Bilanz ist vernichtend!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Herr Kollege! Bitte bedenken Sie die Redezeit!

[Lederer (PDS): Das ist nicht zu ertragen!]

Fangen Sie endlich damit an, Berlin nicht nur unter fiskalischen oder technokratischen Gesichtspunkten zu regieren. Politik in Berlin braucht dringend einen unternehmerischen Ansatz, wie er in anderen, erfolgreichen Bundesländern weitgehend realisiert wird.

[Brauer (PDS): Genau!]

Machen Sie endlich den Weg frei zu einer transparenten und effizienten Berlin AG.

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Kollege Wegner! – Nun erhält das Wort für die Fraktion der PDS der Kollege Hoff – bitte!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Wegner! Sie waren Vorsitzender der Jungen Union als Herr Landowsky noch Fraktionsvorsitzender im Abgeordnetenhaus gewesen ist. Herr Landowsky war ein großer Demagoge und vielfach hat man seine Doppelzüngigkeit nicht sofort festgestellt. Er hat hier im Haus für Privatisierung gesprochen und bei den öffentlichen Unternehmen dagegen. – Lieber Kollege Wegner! Dieses demagogische Geschick haben Sie nicht. Bei Ihnen erscheint es einfach nur fadenscheinig und doppelzüngig. Ich glaube, dass fällt auch den Menschen auf, die diese Debatte verfolgen.

[Beifall bei der PDS und der SPD – Zuruf des Abg. Wegner (CDU)]

Es ist insbesondere durch meinen Kollegen Zackenfels ein realistisches Bild der Berliner Beteiligungen gezeichnet worden. Ich möchte diesen Faden aufgreifen, weil er für die Verständigung im Parlament notwendig ist, wenn wir eine gemeinsame Ausgangsgrundlage schaffen wollen, auf der wir über Beteiligungspolitik sprechen. Die Risikoabschirmung bei der Bankgesellschaft, der Kapitalnachschuss bei der Feuersozietät/Öffentliche Leben, selbstschuldnerische Bürgschaften bei der Wasserholding, die Situation der Wohnungsbaugesellschaften und Anstalten öffentlichen Rechts machen deutlich, dass die Beteiligungen des Landes Berlin vielfach ein Risiko für den Landeshaushalt und ein Investitionsrisiko sind. Das ist die Ausgangsbasis, auf die wir uns hier im Parlament ohne

Gesellschaftlich sinnvolle Steuerungsaufgaben für öffentliche Unternehmen sind etwas völlig anderes als beispielsweise der Vorgang Wasserbetriebe, über den wir in der vorletzten Plenarsitzung gesprochen haben. Dabei

geht es im Prinzip darum, Gewinninteressen privater Investoren – oder ein anderes Beispiel: die Immobilienspekulationen der Bankgesellschaft – auf Kosten öffentlicher Haushalte zu realisieren. Das ist nicht das, was ich mir unter der sinnvollen Steuerungsfunktion über öffentliche Unternehmen vorstelle. Diese Aktuelle Stunde soll dazu dienen, einer interessierten Öffentlichkeit darzulegen, dass diese Koalition die Probleme der öffentlichen Beteiligungen erkannt hat, dass wir eine Trendwende im Umgang mit diesen Unternehmen wollen – im Sinne einer nachhaltigen Finanzpolitik und einer sozialstaatsorientierten öffentlichen Daseinsvorsorge. Ein Umsteuern setzt voraus, ein ganzes Bündel von Aufgaben zu lösen. Dazu gehört eine hinreichende Aufarbeitung betriebswirtschaftlicher Sachverhalte, die Schaffung eines ausreichenden Informationsaustauschs auf der Arbeits- sowie der politischen Ebene, widersprüchliche Handlungsanweisungen gegenüber den Unternehmen zu beenden und eine einheitliche und konsistente Beteiligungspolitik durchzusetzen, was ein Beteiligungsmanagement aus einer Hand – nach meiner Auffassung – voraussetzt, die strikte Trennung zwischen hoheitlichen und operativen Aufgaben, die Durchsetzung unternehmens- beziehungsweise branchenspezifischer Leitlinien und ihre Umsetzung in Form von Zielvereinbarungen, Optimierung des Berichtswesens, Verbesserung der Verfahren zur Unterrichtung des Abgeordnetenhauses und eine Bereinigung des Beteiligungsportfolios. Lassen Sie mich auf einzelne dieser Aspekte konkreter eingehen, um auch darzustellen, was in der Koalition zu diesem Thema diskutiert wird.

größere Streitigkeiten verständigen können – so glaube ich zumindest. Deshalb gibt es unter anderem heute auch diese Aktuelle Stunde, und deshalb diskutieren wir seit längerer Zeit die Frage der öffentlichen Beteiligungen.

Wir müssen aber auch selbstkritisch feststellen, dass sich das Abgeordnetenhaus mit den Beteiligungen des Landes in den zurückliegenden 13 Jahren überwiegend in Feuerwehrmanier beschäftigt hat: Wenn alles schon in Flammen stand, wurde ein Löschzug geschickt und geguckt, was noch zu retten ist. – Es gibt keine Fraktion, die sich von dieser parlamentarischen Selbstkritik in allen Fällen ausnehmen kann, wie das Beispiel Feuersozietät gezeigt hat. Auf die erheblichen Risiken bei der Feuersozietät sind wir durch den Senat und die Aufsichtsgremien der Feuersozietät hingewiesen worden, in anderen Fällen hat sich der Rechnungshof – der Präsident des Rechnungshofes verfolgt die Debatte – als ein unverzichtbares Frühwarnsystem für das Parlament bestätigt.

[Eßer (Grüne): Was?]

In dieser Diskussion ist eine gewisse Form von Selbstkritik bei allen Fraktionen im Haus angebracht. Ich nehme meine Fraktion davon ausdrücklich nicht aus. Diese Selbstkritik betrifft uns alle, und deshalb ist es notwendig, dass wir uns im Haus über ein entsprechendes Beteiligungscontrolling und Risikosystem verständigen. Die Erkenntnisse über die wirtschaftliche Situation der Beteiligungen hat das Land in der Vergangenheit zumeist erst dann gewonnen, wenn Privatisierungsverfahren betrieben wurden und wenn der Zwang zum Handeln durch die staatliche Überwachung – beispielsweise durch das Bundesamt für Finanzdienstleistungsaufsicht – ausgelöst worden ist. Dabei können nicht alle Defizite den öffentlichen Unternehmen oder ihren Aufsichts- und Kontrollorganen zugerechnet werden.

Wenn wir uns die öffentlichen Unternehmen insbesondere im ehemaligen Westberlin anschauen, stellen wir fest: Beteiligungsgesellschaften dienten seit Jahrzehnten immer auch der Umsetzung politisch gewollter Vorhaben, oder sie wurden mit den Hypotheken früheren Verwaltungshandelns belastet. Diese Hypotheken waren vielfach auf Grund veränderter politischer oder haushalterischer Situationen nicht mehr haltbar. Daraus will ich allerdings nicht schlussfolgern, dass es nur falsch ist, bei öffentlichen Unternehmen, insbesondere solchen der öffentlichen Daseinsvorsorge, eine bestimmte politische Steuerung wahrzunehmen, denn hier gibt es – wie Sie wissen – eine Trennlinie im Parlament. Ich stehe für meine Fraktion und diese Koalition für eine Politik, die sich für öffentliche Unternehmen der gesellschaftlichen Daseinsvorsorge ausspricht und deshalb eine gesellschaftlich sinnvolle Steuerung über diese Unternehmen wahrnehmen möchte.

[Beifall bei der PDS – Beifall des Abg. Krug (SPD)]

Erstens: Schaffung klarer Strukturen und Zuständigkeiten. In den Medien wird berichtet, dass innerhalb der Koalition ein Wettstreit der guten Ideen über das operative Beteiligungsmanagement bestehe. Andere nennen das: Die Koalition kann sich nicht einigen. Da ich in meiner Fraktion als normativer Optimist gelte, nenne ich es den Wettstreit guter Ideen. Ich vertrete die Auffassung, dass der betriebswirtschaftliche Teil der Beteiligungsführung an einer Stelle zusammengefasst werden kann. Diese Institution kann ich mir – im Sinne des Leipziger Beteiligungsmanagements – als GmbH vorstellen. Sie würde folgende Ziele erreichbar machen: Formulierung betriebswirtschaftlicher und fachpolitischer Ziele, einheitliche und gründliche Vorbereitung der Aufsichtsratmitglieder – etwas, woran es in den letzten Jahren gemangelt hat –, uneingeschränkten und erleichterten Informationszugang der Senatsverwaltungen sowie die Information des Parlaments über die betriebswirtschaftliche Situation der Landesbeteiligungen.

Neben diesem Modell sind innerhalb der Koalition verwaltungsintern Modelle vorgestellt worden. Aus diesen überzeugenden Modellen müssen wir nun die beste Variante auswählen. Aber gemeinsames Ziel der Koalition ist es, eine klare und langfristige Eigentümerstrategie zu schaffen. Sie muss den Gesellschaften und ihren Überwachungsorganen an die Hand gegeben und kontrolliert werden. Was wir erreichen wollen, ist ein geschlossenes Bild in den Aufsichtsräten und ein einheitliches

Darin unterscheiden wir uns von den beiden liberalen Parteien im Haus, nämlich von den Ökoliberalen und der FDP. Wir werden Beteiligungen nicht aus ideologischen

Gründen aufgeben, sondern dann, wenn wir meinen, dass wir es mit Blick auf unseren Haushalt verantworten können und weil wir eine ganze Reihe von Unternehmen nicht als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge verstehen. Darin unterscheiden wir uns: PDS und SPD, die mit Verstand veräußern und öffentliche Daseinsvorsorge sichern, auf der einen Seite und eine ziemlich hemmungslose Privatisierungsstrategie bei der FDP und seit dem letzten Landesparteitag auch bei den Ökoliberalen auf der anderen Seite. Dann gibt es noch eine CDU, die weder Fisch noch Fleisch ist und ihre Verantwortung für die Krise der Landesunternehmen verleugnet, obwohl sie mehr als zehn Jahre lang den Wirtschaftssenator gestellt hat. In diesem Sinn treten wir als Koalition selbstbewusst in den Wettbewerb der besseren Ideen ein. – Zum Abschluss noch einmal zu Herrn Wegner: Sie haben in diesem Wettbewerb mit Ihrer Partei nichts beizutragen. Das haben Sie heute in Ihrer Rede gezeigt.

Auftreten der Landesvertreter in den Aufsichtsgremien. Das meint etwas anderes als das, was wir in der letzten Sitzung des Charité-Aufsichtsrats erlebt haben. Aus unserer Sicht müssen Landesvertreter einheitlich in diesen Gremien auftreten, eine einheitliche Position vertreten. Anders kann es nicht sein, wenn wir solch ein Unternehmen steuern wollen. Durch eine einheitliche Vorbereitung und entsprechende Unterrichtung – mit Hilfe verwertbarer Daten und Kennzahlen über die wirtschaftliche Situation der betreffenden Gesellschaften – kann dies auch gewährleistet werden.

Zweitens: Einrichtung eines Zielsystems für die Unternehmen. Es ist bekannt, dass wir als PDS-Fraktion nach langen Diskussionen und der Erarbeitung von Modellen anhand einer eigenen Studie Vorschläge für einen Corporate-Government-Kodex und ein verbessertes Zielsystem für die Unternehmen unterbreitet haben. Mein Kollege Lederer – er wird in der zweiten Runde sprechen – wird darauf näher eingehen. Aber um es kurz zu machen: Wir wollen Schluss machen mit Verantwortungslosigkeit, bei der Manager, ohne individuellen Verlust zu erleiden, öffentliche Unternehmen in die Pleite reiten können. Wir wollen strikte Zielvereinbarungen, Leistungskriterien und eine an die Erfüllung dieser Leistungsvereinbarungen gebundene Managerfinanzierung.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Drittens: Sicherung der parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns im Bereich der Landesbeteiligungen durch eine Verbesserung des Beteiligungsberichtssystems. Der jährliche Beteiligungsbericht kommt oft zu spät, und deshalb ist sein Informationsgehalt vielfach überholt. Wir wissen und kritisieren das seit langer Zeit. Wir wollen stattdessen eine neue Berichterstattung über die Landesunternehmen, in der wesentliche Unternehmenskennzahlen und Angaben über die Gehälter der Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder enthalten sind. Ganz entscheidend für dieses Berichtssystem ist, dass es einen Risikoreport beinhaltet.

Viertens: Bereinigung des Beteiligungsportfolios. An dieser Stelle kann ich mich kurz fassen, denn wir haben dieses Thema im Parlament schon vielfach diskutiert. Es gibt im Parlament hierzu unüberbrückbare Differenzen. Der Kollege Zackenfels sprach das Thema bereits an. Ich ging auch schon darauf ein, welche Anstrengung dieser Senat und die Koalition unternimmt, um Beteiligungen zu veräußern, die nicht zur unmittelbaren Daseinsvorsorge gehören, wie die Stadtgüter und KPM, beziehungsweise welche Rechtsformänderungen wir beispielsweise bei den Hafenbetrieben vorgenommen haben. Aber – ich wiederhole, was Herr Zackenfels sagte – wir werden nicht um jeden Preis – auch nicht um den des Verlustes – Unternehmen veräußern. Das ist das, was wir uns unter nachhaltiger Finanzpolitik vorstellen.

[Beifall bei der PDS und der SPD]