Protocol of the Session on November 27, 2003

geführt werden. Die Feuersozietät ist immer wieder ein schönes Beispiel. Sie wird in Kürze veräußert werden. Hier hat übrigens die CDU etwas gesagt. Das will ich Ihnen nicht vorenthalten. Mit Genuss habe ich dieser Tage das Schreiben des Personalrats der Feuersozietät in meinem Fach gefunden. Ich lese Ihnen daraus einmal vor:

Entlassen Sie uns in die Freiheit!

Jetzt legen wir einmal diese Aussage „Entlassen Sie uns in die Freiheit“ neben Ihren Antrag Drucksache 15/1474, sehr verehrte Herren von der CDU, und lesen eine Reihe von Bedingungen für die Veräußerung. Das ist meines Erachtens das richtig Schöne. Das wird an diesem Vergleich auch deutlich. Viele in dieser Stadt, auch der Personalrat der Feuersozietät, haben begriffen, wie Sie es regelmäßig in den letzten 10 Jahren unter dem Deckmantel der Fürsorge geschafft haben, Konstellationen Vorschub zu leisten, bei denen sich einige bereichert haben.

[Beifall bei der SPD]

Ihr Antrag ist ein typisches Beispiel, wie Sie mit Veräußerungen und Beteiligungen umzugehen gedenken. Sie werden Veräußerungen immer nur dann zustimmen wollen, wenn die Quadratur des Kreises stattfindet, die Summe des Status quo letztlich beibehalten werden kann. Sie berücksichtigen dabei nicht, dass diese Stadt in Gedanken und Taten schon weiter ist, dass sie froh ist, dass Dinge anders geregelt werden können und dass ein Personalrat schreibt: „Entlassen Sie uns in die Freiheit.“ Wir sind glücklich, das Land Berlin verlassen zu können, weil es in den momentanen Konstellationen hier für uns keine Perspektiven gibt. Da ändern Ihre entsprechenden Bedingungen nichts daran. Ihre fürsorglichen Beiträge zu den Einzelfällen der Veräußerung nimmt in dieser Stadt keiner mehr ernst. Sie werden den Ruch nicht los, dass Sie damit nur Einzelne entsprechend bevorteilen wollen.

[Beifall bei der SPD – Henkel (CDU): Ist ja lächerlich!]

Kritisieren Sie gern, wir würden nicht in jedem Fall veräußern. Dieser Kritik stellen wir uns gern. Bei jedem Einzelfall werden Sie feststellen müssen, dass es dafür gute Gründe gibt. Behaupten Sie aber nicht, wie Sie es regelmäßig tun, wir wollten nicht veräußern. Wir wollen veräußern, wo es notwendig und geboten ist. Jede andere Behauptung Ihrerseits entbehrt der Grundlage und kann schlichtweg als falsch bezeichnet werden.

[Beifall bei der SPD]

Ich gehe davon aus, dass wir in Kürze eine Vorlage des Senats zu der Problematik Beteiligungsmanagement und Umgang mit unseren Unternehmungen erhalten werden. Wir werden sehen können, inwieweit der Regierungsentwurf diesen an ein Beteiligungsmanagement gesteckten Zielen, die ich in diesen vier Punkten zusammengefasst habe, gerecht wird. Ich freue mich auf eine lebendige Debatte in diesem Haus, fordere Sie allerdings ausdrücklich dazu auf, auf das Thema detailliert und sachlich, so wie ich es getan habe, einzugehen.

[Rabbach (CDU): Das nächste Mal!]

Ihre Begründung, mit der Sie vom Schwabenland zu einer Wowi-Aktie argumentieren,

[Rabbach (CDU): Eine Wowi-Aktie würde ich nicht kaufen!]

lässt mich jedoch vermuten, dass Sie dieser Anforderung nicht gerecht werden, aber wir werden sehen. –Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön, Herr Kollege Zackenfels! – Für die CDU erhält das Wort der Kollege Kai Wegner. – Bitte schön, Sie haben das Wort!

[Beifall bei der CDU]

Herr Zackenfels, ich hätte gern einmal eine Erfolgsbilanz der letzten zwei Jahre der rot-roten Regierung gehört, wie Sie mit den Eigenbetrieben aufräumen.

[Rabbach (CDU): Die gibt es gar nicht!]

Da wären Sie sprachlos gewesen, denn diese Erfolgsbilanz wäre kurz geworden, weil alle Privatisierungen, die Sie angefangen haben oder anfangen wollten – Sie sind ja gar nicht so weit gekommen – abgebrochen wurden. In dieser Stadt ist hinsichtlich Privatisierungen nichts passiert.

[Rabbach (CDU): Gar nichts ist passiert!]

Sie haben keine einzige hinbekommen, Herr Zackenfels!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Harsche Worte fand der Landesrechnungshof für die Beteiligungsverwaltung des Landes Berlin. Landeseigene Unternehmen werden mangelhaft kontrolliert, die Aufgaben nicht ordnungsgemäß wahrgenommen, und die mangelnde Unterrichtung behindert die Kontrolle.

Diese Klage ist nicht neu, aber die Qualität und die Dramatik sind eine andere geworden. Immer neue Horrormeldungen werden bekannt: BVG, BSR, sämtliche Wohnungsbaugesellschaften, Messe Berlin – ich könnte beliebig fortfahren.

Das letzte und aktuellste Beispiel: die Berliner Wasserbetriebe. Der Senat unternimmt hier seit Monaten nichts, kümmert sich nicht um sein Unternehmen, und jetzt – kurz vor Toresschluss –, wo man merkt, dass man bis zum Ende des Jahres noch etwas beschließen muss, bringt der Senat eine schlechte Gesetzesvorlage in dieses

Wegner

Doch der Senat hat derzeit noch nicht einmal den Ansatz eines Controllings. Der Vertrag mit der bisher beauftragten BDO ist ausgelaufen, und Ersatz gibt es

nicht, da sich der Senat ganz offensichtlich noch nicht auf ein Konzept verständigen konnte. Sie, Herr Finanzsenator, sind nach meiner Meinung aufgefordert, Ihr Haus unverzüglich so zu organisieren, dass wir schnellstmöglich ein funktionsfähiges Beteiligungscontrolling bekommen.

Darüber hinaus muss sich Berlin von zahlreichen Beteiligungen trennen. Nicht zuletzt die aktuellen Beispiele, wie die Wohnungsbaugesellschaften aber auch Vivantes oder die KPM, zeigen dies doch sehr deutlich. Sie belasten den Steuerzahler mehr, als sie für die Stadt erwirtschaften.

Der Anteil der öffentlichen Hand am Bruttoinlandsprodukt liegt in Berlin noch weit höher als in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt. Die Staatsquote wird in Berlin auf circa 70 % geschätzt, während sie bundesweit bei etwa 50 % liegt. Selbst dieser Wert ist zweifelsfrei zu hoch und ein Grund für fehlende wirtschaftliche Dynamik in unserem Land. Wenn es uns nicht gelingt, die Staatsquote in Berlin zurückzuführen, wenn die Freiräume für Wirtschaft und Beschäftigung nicht vergrößert werden, dann werden alle Bemühungen für Wachstum und Beschäftigung vergebens sein.

Ein Land wie Berlin, das eine Staatsquote von circa 70 % hat, beziehungsweise eine Volkswirtschaft, in der ein erheblicher Teil des Sozialprodukts durch Steuern absorbiert wird, weil staatliche Institutionen dieses Geld verbrauchen, ist in Wahrheit keine soziale Marktwirtschaft mehr. Sie ist vielmehr eine Staatswirtschaft mit abnehmendem privaten Sektor.

Parlament, um diese dann schnell durchpeitschen zu wollen.

[Lederer (PDS): Sie haben ein verfassungswidriges Gesetz gemacht, und das vier Jahre nicht verhandelt!]

Herr Wolf, so kann man wahrlich nicht mit diesem Parlament umgehen. So kann man im Übrigen auch nicht mit den Wasserbetrieben umgehen und schon gar nicht mit den Investoren.

Das Land Berlin leistet sich immer noch – Herr Kaczmarek hat es gesagt – einen breiten Gemischtwarenhandel von circa 300 Unternehmensbeteiligungen, Staatsbetriebe, die den Steuerzahler ein Vielfaches mehr kosten als sie erwirtschaften. Ein Fass ohne Boden, wenn man noch die ganzen Risiken einberechnet.

Wenn man sich dann den Beteiligungsbericht genau zu Gemüte führt, fällt auf, dass in den meisten Fällen hinter der Position „Dividende und Gewinnabführung der Unternehmen“ eine Null zu finden ist. In der Regel muss das Land Berlin sogar noch ordentlich zuschießen.

[Lederer (PDS): Vergangenheitsverdrängung!]

Man hat den Eindruck, dass der Gesellschafter der Beteiligungen, das Land Berlin, nicht wirklich weiß, was er mit den Beteiligungen will, und die Beteiligungen wiederum nicht wissen, was der Gesellschafter eigentlich von ihnen will. Man bekommt den Eindruck, dass hier das organisierte Chaos herrscht.

[Beifall bei der CDU – Lederer (PDS): Organisiert bei der CDU!]

Das wird an einem Beispiel ganz deutlich: Bei jedem wirtschaftlichen Unternehmen ist es längst üblich, unterjährige Berichte über die Situation der Unternehmen und das Erreichen der Unternehmensziele abzufordern. Nur so kann bei drohenden Problemen effektiv gegengesteuert werden. Planung ohne Kontrolle ist unnötig, Herr Senator. Kontrolle ohne Planung ist aber unmöglich.

Wir brauchen mehr Transparenz. Der Senat muss alle für die Beurteilung des Unternehmenserfolgs notwendigen Kennziffern und Leistungsdaten offenlegen. Auch die Berlinerinnen und Berliner sollen als Steuerzahler sehen können, wie die staatlichen Unternehmen mit ihrem Geld wirtschaften. Dadurch wird die Verwaltung gezwungen, ein effektives Beteiligungscontrolling zu betreiben, beziehungsweise einzuführen.

[Lederer (PDS): Das habt Ihr ja kaputtgemacht!]

Wir brauchen endlich eine kompetente und zentrale Steuerungseinheit in einer Hand, die sich für die strategische Führung von staatlichen Unternehmen verantwortlich zeigt und die das Ziel hat, mehr Transparenz und Effizienz herbeizuführen.

[Beifall bei der CDU]

Alle politischen Entscheidungen in Berlin müssen aber auf Wachstum und nicht auf Umverteilung ausgerichtet werden. Weniger Staat bedeutet weniger Steuerlast für Bürger und Unternehmer und somit mehr Wachstum. Wir müssen Berlin endlich entfesseln.

Die Unternehmensbeteiligungen des Landes sind kein Tafelsilber, sondern in den meisten Fällen ein Überbleibsel der geteilten Stadt Berlin. Der Senat ist ganz offensichtlich mit dem Management dieser Beteiligungen überfordert. In diesen Fällen liegt es im unmittelbarem Interesse der Unternehmen, wie man am offenen Brief des Personalrats der Feuersozietät, der geradezu nach Freiheit schreit, sehen kann, – –

[Lederer (PDS): Weil Ihr es vergeigt habt!]

Sie wollen privatwirtschaftlichen Sachverstand. Sie wollen Know-how, und sie wollen Kapital. Das brauchen wir für die meisten Beteiligungen in unserer Stadt Berlin.

Eine echte Privatisierung des größten Teils der Unternehmen ist die beste Möglichkeit, Kapital und unternehmerischen Sachverstand in die Stadt zu holen.