Protocol of the Session on November 27, 2003

Dann rufe ich auf die Mündliche Anfrage Nr. 6 des Abgeordneten Hillenberg über

Tierquälerei in Freilandhaltung?

Bitte schön, Herr Hillenberg!

[Zuruf: Kikeriki!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es scheint bei einigen Belustigung zu erregen, worum sich der Petitionsausschuss alles kümmert! Trotzdem frage ich den Senat:

1. Wie bewertet der Senat den Bericht des ARDMagazins „Panorama“ vom Oktober 2003 über die Auswirkungen der Freilandhaltung, nach dem bis zu 9 000 Hühner im Freiland zusammengepfercht werden, wodurch Tiere verletzt und getötet sowie die Eier stark bakteriell belastet werden sollen?

2. Welche Schlussfolgerungen ergeben sich daraus für den Senat in Bezug auf die Bewertung von Freiland- bzw. Käfighaltung, und in welcher Weise wird der Senat diese Schlussfolgerungen zur Grundlage seines Abstimmungsverhaltens morgen im Bundesrat heranziehen?

Danke schön! – Wer antwortet? – Frau Dr. Knake-Werner, bitte schön!

Danke, Herr Präsident! – Ich räume ein, das ist jetzt ein gewisser Themensprung, der hier stattfindet. – Herr Abgeordneter, ich beantworte Ihre Mündliche Anfrage wie folgt: Grundlage der Diskussion, die am Freitag im Bundesrat stattfinden wird, ist die

Frau Sen Dr. Knake-Werner

Das hat mich schon geärgert, Herr Präsident! Aber ich versuche, es in einer Frage zu formu

lieren. – Mit Ihrer morgigen Entscheidung wird es ab 2007 keine Legebatterien mehr geben. Es gibt ökonomische Zwänge. Jetzt frage ich Sie: Glauben Sie, dass es auf der Grundlage dieser ökonomischen Zwänge – das Halten in Legebatterien hat sicherlich negative Erscheinungen wie Kannibalismus, Salmonellenübertragung etc. – eine andere Alternative geben wird – immer im Bezug auf ökonomische Zwänge –, oder glauben Sie, wenn diese Zustände abgeschafft werden, an das Bild von der Bäuerin, die ihren 15 Hühnern frühmorgens das Futter streut und damit den Eierbedarf in Deutschland deckt?

Herr Abgeordneter! Glaubensfragen muss ich hier hoffentlich nicht beantworten.

Eines ist klar: Natürlich gibt es diese Auseinandersetzung, sonst wäre es nicht umstritten. Dem Tierschutzgedanken würden vermutlich alle folgen, wenn es nicht auf der anderen Seite ökonomische Interessen gäbe. Das ist doch völlig übersichtlich. Wenn zum Beispiel das Land Brandenburg fordert, dass die vorgesehene Frist für die Käfighaltung verlängert wird, sind es ausschließlich wirtschaftliche Interessen und keineswegs Interessen, die auf dem Argument beruhen: Die Hühner töten sich alle gegenseitig, wenn sie in Freilandhaltung untergebracht sind. – Wirtschaftliche Interessen sind hier das Entscheidende. Dafür kann man auch ein gewisses Verständnis haben. Die Bauern in Brandenburg haben sich vor nicht allzu langer Zeit diese neue Käfighaltung finanziert. Sie haben dann auch ein großes Interesse daran, ihre Finanzierung abzuschreiben. Dafür habe ich großes Verständnis. Man muss sich aber hier entscheiden, was bei unserer Entscheidung Vorrang hat. Dazu sage ich noch einmal deutlich: Vorrang hat in diesem Fall der Tierschutz. Genau danach richten wir uns.

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1999, auf der Grundlage von Vorgaben zum Tierschutz auch die Haltung von Legehennen zu verändern. Auf dieser Grundlage ist immerhin schon im Jahr 2002 eine Rechtsvorschrift zur Haltung von Legehennen in Kraft getreten. Mit dieser Rechtsvorschrift ist festgelegt worden, dass tierschutzwidrige Haltung von Legehennen, in Käfigen zum Beispiel, untersagt sein soll. Natürlich ist ein Übergangszeitraum festgelegt worden, aber mit dieser Rechtsverordnung ist dem Staatsziel Tierschutz – es steht seit geraumer Zeit im Grundgesetz – Rechnung getragen worden.

Jetzt zu Ihrer Frage zu der ARD-Sendung: Ich habe sie selbst nicht gesehen, sondern habe mir nur davon erzählen lassen. Natürlich ist es denkbar, dass unabhängig davon, wie man Käfigtierhaltung beurteilt, auch in anderen, alternativen Haltungssystemen Haltungsprobleme auftauchen, auch sicherlich in Freiland- und Bodenhaltung. Das ist in dieser ARD-Sendung ausführlich dargestellt worden. Das kann mit unterschiedlichen Problemen zusammenhängen – mit fehlerhaftem Management, aber auch damit, dass zu viele freilaufende Tiergruppen auf zu geringer Freifläche gehalten werden. Auch dann entsteht eine Reihe von Problemen.

Ich glaube, dass Alternativen zur Käfighaltung mit allen Problemen, mit denen sie behaftet sein können, immer noch besser sind als eine Haltung in Käfigen. Insofern ist es wichtig, dass jetzt dieser Schritt gemacht wird. Es ist sicherlich nicht der letzte Schritt. Die Bundesregierung ist auch dabei, ein Prüfungs- und Zulassungsverfahren zu entwickeln, um nicht alle Alternativen der Legehennenhaltung ohne weiteres zu akzeptieren.

Der Senat wird sich gegen eine Wiedereinführung der Käfighaltung aussprechen.

[Beifall bei der PDS und den Grünen]

In unseren Überlegungen hatte der Tierschutzgedanke Priorität. Entsprechend werden wir morgen im Bundesrat votieren und uns gegen die Wiederzulassung der Käfighaltung und auch gegen die Verlängerung der Käfighaltung über die bisher festgelegten Übergangszeiten hinaus aussprechen.

[Beifall bei der PDS und den Grünen]

Danke schön! – Eine Nachfrage des Kollegen Hillenberg. – Bitte, Herr Hillenberg!

Ich glaube, die Claqueure an dieser Stelle hätten sich den Bericht ansehen sollen, dann hätten sie nicht geklatscht, weil es in dem Bericht um Tierquälerei in höchster Form ging..

Es muss bitte eine Frage gestellt werden, auch wenn der Vorsitzende des Petitionsausschusses spricht.

Das war alles in eine Frage eingepackt. – Bitte schön, Frau Dr. Knake-Werner!

[Hoffmann (CDU): Das ist ja wieder eine klare Aussage!]

[Beifall bei der PDS und den Grünen]

Danke schön, Frau KnakeWerner! – Eine weitere Nachfrage des Kollegen Hillenberg – bitte schön!

Genau wegen des Tierschutzgedankens will ich den Senat fragen, ob Sie sich bewusst sind – Tierkäfighaltung findet hier überhaupt niemand lustig –, dass das, was in der ARD-Sendung als Folge ökonomischer Zwänge aufgezeigt wurde – das wird die Zukunft sein –, Tierquälerei in höchster Form ist und dass wir dem mit der morgigen Entscheidung im Bundesrat Vorschub leisten.

Frau Senatorin Dr. KnakeWerner – bitte schön!

Bevor ich meine Frage stelle, verspreche ich dem Kollegen Hillenberg, das noch einmal unter vier Augen zu erklären.

Frau Senatorin! Können Sie sich erklären, warum ausgerechnet Hessen, dessen Ministerpräsident Koch sich noch vor kurzem mit dem Verbot von Wildtieren in Zirkussen als größter Tierschützer hervorgetan hat, die Initiative ergriffen hat, die Käfighaltung bis 2010 zu verlängern? Und können die Tierschützer, die durch die Maßnahme der CDU kurz irritiert waren, die CDU jetzt wieder richtig einordnen, und zwar unter dem Slogan: „Profit geht vor Tierschutz“?

Vielen Dank! – Frau Abgeordnete! Ich habe schon gesagt, dass bei solchen Entscheidungen der Konflikt zwischen ökonomischen Interessen und Tierschutzinteressen entsteht. Offensichtlich hat der Ministerpräsident Koch sich nun für die ökonomischen Interessen entschieden. Das liegt auch bei der CDU ziemlich nahe.

Herr Hillenberg! Ich finde es, wenn ich es so sagen darf, ein bisschen verwegen, aus einer ARD-Sendung eine Philosophie zu machen. Das geht nun auch nicht.

[Beifall bei der PDS und den Grünen – Hoffmann (CDU): Ist doch Quatsch!]

Sie sind sich doch wohl auch im Klaren darüber, dass der Rechtsverordnung und den neuen Vorschriften, die die Bundesregierung erlassen hat, eine Fülle an wissenschaftlichen Erkenntnissen zu Grunde liegen. Die machen das nicht auf der Grundlage von gar nichts. Genau diese wissenschaftlichen Erkenntnisse sagen, dass Freitierhaltung – das ist leicht nachvollziehbar – allemal besser als Käfighaltung ist. Wenn Sie sogar von Legehennenbatterien sprechen – es tut mir Leid, das ist schon ziemlich lange out. Jetzt gibt es eine Käfighaltung, über die man noch streiten kann, nämlich die Legehennen in Großkäfigen unterzubringen. Das ist durchaus noch ein Streitpunkt, über den man sich auseinander setzen kann. Aber über Legehennenbatterien möchte ich auch unter den Gesichtspunkten von Tierschutz überhaupt nicht mehr diskutieren.

[Beifall bei der PDS und den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Frau Hämmerling hat die nächste Nachfrage. – Bitte schön, Frau Hämmerling!

Schönen Dank, Herr Präsident! Ich frage auch Frau Knake-Werner: Ist Ihnen bekannt, dass die Studie, die dieser ARD-Sendung zu Grunde lag, ein Auftragswerk der niedersächsischen Batteriehaltungsindustrie gewesen ist, der keine repräsentative Befragung aller Eierproduzenten zu Grunde gelegen hat, sondern eine Studie, die nur bestimmte Teile der Klientel befragt hat? Wie werten Sie dann die Aussagekraft solcher Gefälligkeitsgutachten, wenn es um die Frage geht: Ist die Batteriehaltung, wo die Hühner sich selbst verstümmeln, weiterzuführen, oder soll man die Tiere wenigstens ein Stückchen gesitteter in diesen Bodenhaltungen halten dürfen?

[Beifall bei den Grünen]

Frau Dr. Knake-Werner!

Auch das ist mir natürlich berichtet worden. Insofern bin ich auch der Auffassung, dass man nach einer ARD-Sendung nicht eine Entwicklung, die immerhin seit vielen Jahren vorbereitet wurde, umkippen kann. Deshalb bin ich auch der Meinung, dass wir uns morgen im Bundesrat richtig und verantwortungsbewusst verhalten werden.

[Dr. Lindner (FDP): Da bekommen Sie aber keine Mehrheit!]

Danke schön! – Frau Weißbecker hat das Wort zu einer Nachfrage – bitte!

[Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den Grünen]

Das war keine Frage. Aber wenn es eine sachdienliche Bemerkung ist, sei das akzeptiert.

[Beifall bei der SPD]

Frau Dr. Knake-Werner, bitte!

[Hoffmann (CDU): Für die Menschen, nicht für die Hühner!]

Danke schön, Frau Senatorin!

Die Fragestunde ist damit beendet. Die heute nicht beantworteten Anfragen werden entsprechend § 51 Absatz 5 der Geschäftsordnung mit einer Beantwortungsfrist von bis zu 3 Wochen schriftlich beantwortet.