Herr Flierl, es ist ja nicht so – nun telefonieren Sie, das ist wahrscheinlich wichtiger als die Opern, aber okay –, dass man Ihrem Stiftungsvertrag folgen kann, ohne gleichzeitig ein paar Fragezeichen daran zu malen. Ich will zwei Punkte erwähnen. Nach der tollen Premiere der „Csardasfürstin“ haben Sie mit uns gemeinsam, ich auch, wunderbar noch die Premierenfeier erlebt und gleichzeitig schon die Entlassung des Balletts der Komischen Oper verabredet gehabt. Am anderen Morgen erfahren wir es nicht, wie es sich gehören würde, im Kulturausschuss, sondern wie immer durch die Presse. Im Kulturausschuss haben Sie wunderbar geschauspielert: Die Opern sind jetzt alle in sicherem Fahrwasser, und es wird alles nur noch besser werden. Aber die 28 Kolleginnen und Kollegen des Balletts sitzen ab dem Sommer nächsten Jahres auf der Straße. Das verantworten Sie, Herr Kultursenator, nicht die Opposition.
Auch Ihre Ausführungen zum Personalbereich sind alles andere als zufrieden stellend. Fragen Sie doch mal die Beschäftigten an den Opernhäusern, wie wohl sie sich fühlen! Reden Sie mal mit Verdi, was die sagen, was geschieht mit dem Personal. Da ist nichts geregelt. Aber Sie, Herr Senator, werden dafür die Verantwortung übernehmen müssen. Wir wollen ganz klar bei unserem Modell die Beschäftigten übernehmen in das Stiftungsmodell, wenn Sie so wollen: Das Personal wird in die Stiftung übergeführt. Die Stiftung leiht das Personal aus an die Betreiberstätten, so dass das Personal eine Bestandssicherungswahrung hat. Das ist ganz eindeutig.
Frau Meister, Sie sind sehr geschickt Ihrem eigenen Thema heute ausgewichen. Sie haben sich ausschließlich an den Opern festgehalten. Das können Sie machen, aber ich komme zurück zu Ihrem Thema. Das lasse ich mir nicht nehmen. Sie sagen: „Sammelsurium statt Systematik – Senat hat kein Konzept für die Hauptstadtkultur.“ – Diesem will ich mich einmal zuwenden. Sie sagen, der Senat hat kein Konzept für die Hauptstadtkultur. Sie sagen nicht: Er hat ein schlechtes Konzept, oder: Das Konzept setzt falsche Schwerpunkte. Nein, Sie sagen, der Senat hat kein Konzept, und weigern sich offenkundig, den Prozess der Sicherung der Berliner Kulturvielfalt wahrzunehmen. Ich frage mich, wo Sie in den letzten
beiden Jahren im Ausschuss gesessen haben, Frau Meister. Eine solche Behauptung aufzustellen, ist Ihr gutes Recht. Sie haben es zwar hier nicht wörtlich wiederholt, aber Sie haben das als großes Thema postuliert und in alle Welt hinausgegeben. Diese Behauptung können Sie aufstellen, davon kann Sie niemand abhalten. Aber ich glaube auch, dass nach dem jüngsten Verfassungsgerichtsurteil althergebrachte und nicht weiterhelfende Rituale der Vergangenheit angehören sollten. Die Stadt Berlin hat in diesen schweren Zeiten einen Anspruch auf Ernsthaftigkeit, auch von Seiten der Opposition.
Ob Politik mit oder ohne Konzept agiert, wird an Ergebnissen sichtbar. Nicht bedrucktes Papier, sondern Erfolge sind der Beleg für zielgerichtetes Handeln. So ist es diesem Senat gelungen, für die Sicherung der Berliner Hauptstadtkultur die Unterstützung des Bundes zu gewinnen. Frau Ströver beklagt das zu Teilen, weil der Bund ja die falschen Dinge fördert. Gut, ich teile Ihre Sorge nicht, ich bin da ganz pragmatisch. Aber ich sage: Dies ist ein großer Erfolg. Das Engagement des Bundes für die Akademie der Künste, das Jüdische Museum, das Haus der Kulturen der Welt, die Stiftung Deutsche Kinemathek, die geplante Opernstiftung und nicht zuletzt, aber auch für die Museumsinsel entlastet den Berliner Kulturhaushalt wesentlich. Aus diesem Engagement des Bundes sind finanzielle Handlungsspielräume erwachsen, die den unzähligen kulturellen Einrichtungen und Projekten Berlins zugute kommen. Eine solche Unterstützung stellt sich nicht von selbst ein. Diese für Berlin eingeworben zu haben, ist das Verdienst von Herrn Senator Flierl, und dieser Erfolg ist letztlich der Ausweis für ein konzeptionelles Handeln.
Ihr Modell, Herr Flierl, auch das möchte ich hier ganz deutlich sagen, lässt eine Option zu, gerade wenn man es sich im Kontext mit dem Haushalt anschaut: Ihr Modell bereitet den Weg vor für eine Fusion von Staats- und Deutscher Oper. Und nichts anderes, vermute ich, betreiben Sie durch Ihre Politik. Ich bin sicher, der Wind der Geschichte wird eines Tages über unseren Gräbern wehen. Danach kräht dann kein Hahn mehr. Aber eine Fußnote der Geschichte werden Sie sich verdient haben, in der es heißt: Unter Herrn Senator Thomas Flierl ist die Kulturlandschaft in Berlin nachträglich und nachhaltig beschädigt worden. – Das wird Ihr Erbe sein, und das wird Ihr Verdienst sein.
Nein, Frau Dr. Hiller, beschädigen tut man etwas, indem man auch Handlungen unterlässt und nicht rechtzeitig die Diskussion sucht und jetzt zum Jahresende kommt. So nebenbei haben Sie die kleine Keule ja noch herausgeholt und gesagt: Wenn dieses Stiftungsmodell nicht läuft, dann wird eben eine Fusionierung stattfinden müssen. – Genau das ist es: Wenn ihr nicht so wollt, wie ich will, dann hole ich mein kleines Keulchen, und dann werdet ihr schon sehen, was ihr habt. Herr Flierl, so werden wir nicht miteinander reden können, und so werden wir auch nicht Ihrem Begehren Unterstützung zollen. Wir finden diesen Vertrag, den Sie uns vorgelegt haben, schlampig. – Danke schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Meister! Eine Partei, die erklärt, dass ihr die Existenz dreier eigenständiger Opern in Berlin ungeheuer wichtig ist, aber gleichzeitig diese Stunde nutzt, um das Projekt Reform, mit dem wir in eine Zielgerade einbiegen wollen, zu atomisieren, alles in Frage zu stellen, mit gänzlich neuen Vorstellungen zu kommen, und dies nicht etwa kontinuierlich, sondern heute, der kann ich das nicht abnehmen, dass ihr diese Reform wichtig ist; noch schlimmer, ich nehme Ihnen gar nicht mal mehr ab, dass Sie ernsthaft Partner sind bei der Suche nach einer Lösung, die drei Häuser in Berlin dauerhaft sichert.
Nun noch zu Ihrer Feststellung, die Berliner Kulturlandschaft sei ein „Sammelsurium“, Frau Meister. Ja, die Berliner Kulturlandschaft ist ein Sammelsurium, gewachsen in jüngster Zeit, in Jahrzehnten, in Jahrhunderten; lebendig und virulent, reich und anziehend – ein Organismus, der Neues aufnimmt und Neues entstehen lässt, der über die Stadt hinaus strahlt und das Wahrnehmungsprofil Berlins weit über die Grenzen Deutschlands prägt. Diesem lebendigen und schöpferischen Prozess können Sie keine Systematik überstülpen. Ich sage: Gott sei Dank! Die Formulierung „Sammelsurium“ statt „Systematik“ halte ich für diese Aktuelle Stunde daher auch für etwas unglücklich. Ich nehme an, Frau Meister, Sie wollten dem Senat vorwerfen, er ließe in seiner Arbeit keine Systematik erkennen. Ich teile Ihre Einschätzung nicht. Der Senat hat in den vergangenen beiden Jahren mit seinem Handeln konzeptionell auf die schwierigen Haushaltsbedingungen reagiert. Der Kulturhaushalt hat sich angemessen an der Haushaltskonsolidierung beteiligt. Dieser schwierige Prozess wurde vom Senat so gesteuert, dass es vielen Betroffenen möglich wurde, sich hierbei konzeptionell einzubringen. Sicher, an keinem Bereich, an keiner Einrichtung ging der Spardruck unbemerkt vorüber. Wir dürfen jedoch feststellen: Die Kulturlandschaft Berlins ist das Markensymbol der Stadt geblieben. Trotz einer weniger komfortablen finanziellen Ausstattung haben nicht alle, aber fast alle Einrichtungen, Häu
Aber wir brauchen besseres Nachdenken. Bleiben wir bei der Oper; sie ist der Mittelpunkt heute. Die Oper ist nicht etwas, was wir durch Profilierung und REFA-Pläne reformieren können, es ist ein einzigartiger ehrwürdiger Ort, wo das Unglaubliche passieren kann, und dafür müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Opern sind Monarchien und Selbsterfahrungsgruppen in einem, und wenn man das zerstört, wenn man das falsch anfasst, dann passiert dort nichts mehr. Ich bitte die Regierungskoalition herzlich, die Philosophie, was da passiert, wenn man die Schachteln anders ineinander steckt, noch einmal sehr genau mit den Künstlern zu prüfen. Dazu gehört auch, dass die Oper nicht unabhängig gesehen werden kann von diesem Berlin, Hauptstadt der Musik in der Welt. Auch die Opern beruhen auf Orchestern plus Drama, und die Orchesterfrage muss gelöst werden. Es ist eine Riesenchance, es ist eine einzigartige Position Berlins in der Welt, diese Zusammenballung von Hochschulen, von Orchestern, von Musiktheatern. Davon haben wir zu wenig gehört.
ser, künstlerische Projekte etc. auch in der Zeit der Finanznot eine Perspektive erhalten. Ein solches Ergebnis ist das Produkt äußerst zäher Arbeit.
Ich komme sofort zum Ende. – Wir können nach zwei Jahren extrem angespannter Haushaltslage feststellen: Noch immer ist die Berliner Kulturlandschaft ein Sammelsurium im besten Sinne des Wortes, ein Reichtum, der sich in Berlin angesammelt und angesiedelt hat, der aus der Stadt gewachsen ist. Ich hoffe, es wird uns gelingen, diesen Reichtum an Kultur in Berlin durch die Zeit zu bringen. Dies wird weiterhin sehr, sehr viel Arbeit kosten. Hieran mitzuwirken fordere ich die Opposition auf. – Vielen Dank!
Vielen Dank! – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine Liebesheirat war hier bereits angekündigt – den Polterabend haben wir jetzt.
und zwar zwischen dem Senat, den Parteien und der Kultur, die feste Bindungen ohnehin nicht so gern mag.
Zu einer offenen Dreierbeziehung, Herr Senator Flierl, gehören auch Klarheit, Wahrheit und Verzicht auf Polemik. Jeder weiß, dass die Frühgeschichte der Systemisierung der Verhältnisse zwischen Bund und Berlin alle Parteien seit 1990 beschäftigt hat, besonders die CDU, aber auch den Rat für die Künste, in dem alle vertreten waren, der Sozialdemokrat Weingarten und der Nochnicht-Christdemokrat Christoph Stölzl. Das heißt, Hauptstadtkulturfonds, Jüdisches Museum, Gropiusbau, dieses Ringen um diesen unwilligen Bund, der keine Lust hatte, diese Nation, die etwas eifersüchtig nach Berlin schaute – das geht tief zurück in die 90er Jahre. Dass Sie es fortsetzen, ist richtig, und was Sie tun, ist nicht falsch, bloß weil es eine neue Regierung tut.
Ich bin trotzdem enttäuscht von Senator Flierl, weil er ein Philosoph ist. Ich hatte mir gedacht: Schlimm genug! Rot-Rot kommt, aber immerhin, jetzt gibt es eine heiße Theoriediskussion um die Rolle der Kultur in Berlin. –
Aber ungeachtet des Bannfluches von Theodor Adorno, dass es keine schlimmere Wortverbindung gebe als „Kulturverwaltung“, hat Senator Flierl die Kultur verwaltet
Liebesheirat wünschen wir uns in dieser Stadt Berlin, gerüttelt und geschüttelt von der Geschichte, nicht mehr preußische Residenzstadt, nicht mehr outpost of freedom, nicht mehr Hauptstadt von Sowjetdeutschland, sondern eben etwas, wovon wir gar nicht wissen, was es ist. Es ist eine Stadt des Möglichkeitssinnes; wir müssen sie erfinden. Wenn in diesen Tagen über den Sozialstaat diskutiert wird, über die Werte, die dieses Land zusammenhalten, bewohnt von 80 Millionen Deutschen und Zugewanderten, dann können wir genauso millimetergenau über die Rolle von Kultur diskutieren und die Rolle, die Berlin hat – schon aus Verantwortung, weil es die größte Kulturlandschaft in diesem Land ist, das heißt, einer der großen global landscapes der Kultur auf der ganzen Welt mit einer gewaltigen Verantwortung, die weit darüber hinaus geht, dass wir mit den Betriebsräten einen kleinen Frieden aushandeln.
Berlin ist auch in der Pflicht. Wer, wenn nicht Berlin, sollte Anwalt Preußens sein, dieses untergegangenen Staates? – Ich danke Frau Ströver sehr, dass sie das noch einmal in aller Deutlichkeit gesagt hat. Den Grünen war dies vielleicht nicht an der Wiege gesungen,
aber man geht nicht nach Berlin, ohne ein bisschen prussifiziert zu werden im guten Sinne. Darum halte ich es für falsch, dass wir diesen Hauptstadtkulturvertrag einfach so hinnehmen; denn er ist in Wahrheit eine Abbildung des Verhältnisses von Berlin zum Rest der Nation, die diesen alten Zustand nicht mehr mag, dass Westberlin die Mätresse der Bundesrepublik war,
Frau Ströver! Es ist merkwürdig, was Sie vorhin sagten. Ich muss Sie zitieren. Sie erklärten uns: „Es muss gut begründet werden, weshalb der Bund in Berlin ein Filmmuseum betreibt.“ – Herr Kollege Ratzmann, bereiten Sie jetzt die Verfassungsklage gegen den Bundeshaushalt vor? Ich verstehe das nicht. – Gut! Es ist in Ordnung.
Ihre Auslassung, Frau Kollegin, gegen die vom Bund übernommenen oder zu übernehmenden Einrichtungen sprechen eigentlich für sich, aber auch gegen Sie. Allerdings haben Sie völlig Recht: Solch wirres Handeln muss ein Ende haben.
Hinsichtlich einer optionalen Trägerschaft ehemaliger Einrichtungen des Königreichs Preußen, respektive der DDR, ist allerdings zu bemerken – hier muss man etwas vorsichtiger argumentieren und auch die Folgen bedenken –, dass mit einer einzigen Ausnahme alle Ostberliner Bühnen vom Ministerium für Kultur der Deutschen Demokratischen Republik und nicht vom Magistrat der Stadt Berlin, Ost in diesem Fall, finanziert worden sind. Es waren Staatstheater.
Insofern ist es äußerst halbherzig, wenn Sie versuchen, uns hier zwei Stiftungen gewissermaßen aufzuschwatzen. Die FDP ist konsequenter. Das muss man wirklich feststellen. Sie ist konsequenter und fordert drei Betriebe, drei Institute, die allerdings den einen Nachteil haben, Frau Kollegin Meister, dass sie quasi durch Verbrauch öffentlicher Mittel in eine gegenseitige Konkurrenzsituation geraten. Es ist toll, dass dies aus Richtung der FDP kommt. Sie sind aber ohnehin für eine Überraschung gut. Wenigstens Kollege Thiel – das muss ich feststellen – wirft sich sehr nachhaltig gegen die beabsichtigten Kündigungsorgien eines Abgeordneten Lindner. Das ist respektabel!
die auch noch in die Hand gebissen hat, die das Geld herüberreichte. Ich wünsche mir dringend, dass der Regierende Bürgermeister – heute in anderen Pflichten unterwegs – sein gewaltiges in der Glamourszene erworbenes Prestige – so nenne ich es mal –, in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden, sehr viel deutlicher in den Verhandlungen mit dem Bund einbringt, um die Rolle der Kultur zu verdeutlichen.
Dazu kommt, dass wir in Berlin eine Theoriedebatte über das Verhältnis der Künste untereinander brauchen. Wir schreiben fort, was „immer so war“. Die Aufteilung des Kuchens war so, und jetzt wird er eben um 10 % reduziert. – Das kann es nicht sein. Die Künste ändern sich, sie sind virtuell, sie sind global geworden.
Ich zähle noch ein paar Stichworte auf. Wir haben – Gott sei Dank – billige Wohnungen, aber keine Kunsthalle für die Stadt.
Wir haben kein Konzept für die Kultur mit den Migrantinnen und Migranten in dieser Stadt, kein Konzept für das Dezentrale. Ich zähle die anderen Pannen gar nicht auf; heute soll nicht polemisiert werden.
Ich schließe mit einem Zitat. Es ist auf das Jahr genau 160 Jahre alt. Da hat einer gesagt: „Berlin ist eine Konglomeration aller Weltexistenzen.“ – F. Gustav Kühne – Das ist wahr, und es lädt uns eine große Verantwortung auf, die wir gemeinsam nur tragen können. Ich appelliere sehr an den Senat, dass er alles, was in unseren Köpfen steckt, in Fairness und Offenheit mitdenkt. – Danke schön!