Protocol of the Session on November 13, 2003

Mit dem Landespflegegeldgesetz hat Berlin bisher Menschen mit Behinderung unter anderem Blinden, hochgradig Sehbehinderten und Gehörlosen einen Nachteilsausgleich gezahlt. Diese Leistung wird in Berlin bisher unabhängig vom Einkommen und Vermögen gezahlt. Die Blindenhilfe nach dem BSHG diente dabei als Bezugsgröße. Das Leistungsniveau und die Anzahl der Empfän

Es bleibt unser Bemühen, trotz der jetzigen Absenkungen die neu festgelegten Sätze dauerhaft für die Betroffenen

zu sichern und damit für sie die gleichberechtigte Teilhabe an allen gesellschaftlichen Bereichen weiterhin zu fördern. – Vielen Dank!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das so genannte Landespflegegeldgesetz gehört bezüglich des Berliner Haushalts 2004/2005 zu den ganz sensiblen Posten, vielleicht ist es sogar der sensibelste überhaupt. Der Senat hat beschlossen, dass unter anderem beim Blindengeld für Voll- und Minderjährige, beim Pflegegeld für Sehbehinderte und Gehörlose Einsparungen von ca. 8,3 Millionen € vorgenommen werden sollen. Nach dem neuen Gesetz erhalten die Betroffenen von neun Bundesländern ein höheres Blindengeld. Das Blindengeld für Minderjährige bleibt weiterhin auf hohem Niveau.

ger dieser Leistungen sind in den 16 Ländern sehr unterschiedlich. Es gibt neun verschiedene Auszahlungsbeträge allein beim so genannten Blindengeld. Berlin lag bisher mit seinem Leistungspaket an der Spitze aller Bundesländer.

Mit der geplanten Absenkung von bis 585 € auf 468 € – das entspricht einer Kürzung von 20 Prozent – wird Berlin im guten Mittelfeld liegen. In fünf Bundesländern werden auch weiterhin 585 € gezahlt. Sechs weitere Länder zahlen deutlich weniger, so etwa Brandenburg, Bremen und Sachsen mit nur rund 330 €. Das Pflegegeld für hochgradig Sehbehinderte wird außer in Berlin nur in fünf weiteren Ländern gezahlt. Pflegegeld für Gehörlose zahlen neben Berlin nur vier weitere Länder. Damit hält Berlin am Pflegegeld für Gehörlose und hochgradig Sehbehinderte fest, denn das BSHG-Blindengeld beinhaltet lediglich Leistungen für Blinde.

Ich möchte hier ausdrücklich darauf hinweisen, dass auch nach der Absenkung des Blindengelds die sozialen Härten abgefedert werden. Wer im Sinn des Sozialhilferechts bedürftig ist, wird künftig die Differenz in Höhe von zurzeit 117 € über das BSHG erhalten, denn im Bundessozialhilfegesetz gibt es einen Anspruch auf Blindengeld in Höhe von derzeit 585 €. Damit wird das Blindengeld nur zum Teil einkommensabhängig.

Selbstverständlich ist jede Kürzung in diesem Bereich und bei diesen Betroffenen möglichst zu vermeiden. Diese Absenkungen werden für einige Betroffene zu spürbaren Einnahmeverlusten führen. Daher ist für mich die Sorge und der Protest der Betroffenen nachvollziehbar. Insbesondere ist die Sorge der Betroffenen, dass mit dem Beginn der Kürzungen weitere Absenkungen in den folgenden Jahren eingeleitet werden, auch verständlich. Ich will hier ausdrücklich festhalten und muss es auch festhalten, dass diese Absenkungen ausschließlich der Haushaltsnotlage des Landes geschuldet sind. Berlin hat Sanierungshilfen beim Bund und den anderen Ländern beantragt. Daher ist es leider unumgänglich, vorhandene Leistungsvorsprünge so weit wie möglich und auch zumutbar und verträglich auf das Leistungsniveau des Durchschnitts anderer Landesgesetze anzupassen.

Herr Brinsa, Sie sehen, die Sozialpolitik des Senats ist hier nicht dauerhaft von Kälte geprägt,

[Gelächter des Abg. Dr. Lindner (FDP) – Ritzmann (FDP): Nicht dauerhaft!]

denn im Ergebnis können wir Folgendes festhalten: Das Land Berlin wird mit einem geänderten Landespflegegeldgesetz weiterhin für Blinde, Gehörlose, hochgradig Sehbehinderte und Hilflose Leistungen bereitstellen. Dieses Leistungspaket ist im Vergleich zu dem anderer Länder gut vorzeigbar.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Danke, Frau Kollegin Radziwill! – Die FDP folgt nach in der Redeliste. Das Wort hat der Kollege Lehmann. – Bitte schön

Obwohl diese Reduzierung des Blindengelds auf den ersten Blick als moderat gelten kann, bedeutet dies für die Betroffenen einen ziemlich hohen finanziellen Rückschlag. Wir alle wissen, dass Dienstleistungen wie persönliche Begleitung oder Sachleistungen überdurchschnittliche Kosten verursachen. Eine Blindenschriftbogenmaschine kostet ca. 1 100 €, ein Buch in Blindenschrift 350 €, um hier nur einige Beispiele zu nennen. Insofern werden diese Kürzungen erhebliche Einschnitte in das tägliche Leben der Betroffenen verursachen.

Bei den Beratungen zum Landespflegegeldgesetz im Fachausschuss konnte die Senatsverwaltung einige Fragen nicht beantworten, die hier als relevant erscheinen:

[Frau Sen Dr. Knake-Werner: So ein Quatsch!]

Wie viele Blinde erhalten Sozialhilfe? – Antwort Fehlanzeige. – Wie viele Blinde erhalten Pflegeleistungen nach dem SGB XI in der jeweiligen Pflegestufe? – Antwort Fehlanzeige. – Wie viele Minderjährige und Erwachsene erhalten Blindengeld? – Antwort Fehlanzeige. – Wie sieht es mit den Taubblinden in diesem Zusammenhang aus? – Antwort Fehlanzeige.

Das ist mehr als dünn, was uns die Senatsverwaltung hier bietet. Wenn der Senat das Blindengeld kürzt, sollte er das auch gut begründen, und das tut er eben nicht. Es existiert jedoch noch ein anderes Problem. Mit dem Urteil des Berliner Verfassungsgerichts bedarf dieses Gesetz mit einiger Sicherheit der nochmaligen Beratung, kann ergo nicht beschlossen werden.

[Frau Sen Dr. Knake-Werner: Das ist heute die I. Lesung!]

Anhörungen im Ausschuss für Gesundheit und Soziales dienen zwar der Information der Abgeordneten, allerdings werden Politik und Verbände bis Ende Januar im Unklaren gelassen, was von alledem noch übrig bleiben wird.

Lehmann

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Lehmann! Letzte Woche auf einer Podiumsdiskussion zum Rechtsextremismus

Topf haben Sie gefordert, dass man diesen Topf unbedingt besser ausstatten sollte. Heute wollen Sie diese Mittel kürzen.

Es wurde bereits mehrfach gesagt, welche Leistungen das Landespflegegesetz enthält. Wichtig ist mir, dass wir uns auf diese gesamten Leistungen beziehen und nicht nur auf das Blindengeld. Ich für meinen Teil bewerte es als positiv, dass diese Gesamtbreite der Leistungen auch weiterhin erhalten werden soll. Die Höhe habe ich dabei ausgeblendet.

Insofern brauchten wir eigentlich heute darüber gar nicht zu diskutierten.

Selbst wenn sich Kürzungen der Blindenhilfe in nächster Zeit nicht vermeiden lassen, hat sich der Senat nicht sehr geschickt angestellt. Wir fordern den Senat deshalb auf, über mögliche Alternativmodelle nachzudenken, die abgewogener erscheinen. Erstens spielt die psychologische Dimension eine große Rolle. Der Senat sollte sich darüber Gedanken machen, ob die Kürzungen nicht gestaffelt werden können. Sie könnten so innerhalb von zwei oder drei Jahren die Einsparsumme erzielen. Die plötzliche Kürzung der Blindenhilfe kommt für viele Betroffene zu abrupt.

Zweitens gibt es Alternativen, in anderen Haushaltstiteln zu sparen. Allein im Bereich der Arbeitsmarktpolitik oder bei Rechtsextremismusprojekten können noch einige Millionen gespart werden.

[Zurufe von der PDS]

Ja, dass das von Ihrer Seite an dieser Stelle kommt, war klar! –

[Dr. Lindner (FDP): Weil es ihre Klientel ist!]

Aber ich fahre fort: Brauchen wir wirklich jedes Rechtsextremismusprojekt in Berlin? Sind alle Projekte bezüglich der Stadtteilzentren oder des Quartiersmanagements heute wirklich noch als sinnvoll zu betrachten? Müssen die Haushaltsmittel für die Servicegesellschaften in Zeiten von weniger ABM bzw. SAM in gleicher Höhe aufrechterhalten werden? – Wie wir sehen, gäbe es genügend Alternativen, eine abgestufte Kürzung über mehrere Jahre vorzunehmen.

Drittens: Es sollte überprüft werden, ob die Blindenhilfe künftig nicht nach einer Bemessungsgrundlage ausgezahlt werden kann. Ich überspitze einmal an dieser Stelle: Derjenige, der beispielsweise ein Monatseinkommen von 4 000 € netto erzielt, braucht keine Blindenhilfe. Die Kürzung der Blindenhilfe für Sozialhilfeempfänger ist dagegen keine Einsparung, weil der Gang zum Sozialamt unvermeidlich ist.

Die FDP-Fraktion hat bei Einsparungen klare Prioritäten gesetzt und klare Alternativen aufgezeigt. Auch bei der Blindenhilfe gibt es – wie gerade dargestellt – Alternativen, man muss sie nur wollen. Dies sollte dem Senat nochmals ein Denkanstoß sein, differenzierter an das Thema heranzugehen und das Gesetz in vielen Bereichen zu überarbeiten. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Beifall des Abg. Hoffmann (CDU)]

Das Wort hat Frau Breitenbach. – Bitte schön!

[Heiterkeit bei der PDS]

Irgendwann müssen Sie sich einmal festlegen.

[Beifall bei der PDS und der SPD – Lehmann (FDP): Man muss das doch diskutieren dürfen!]

Man darf alles diskutieren, Herr Lehmann! Pausenlos! Aber man kann nicht heute hü! sagen und morgen hott! Irgendwann ist mal fertig diskutiert. Ein bisschen Linie wäre nicht schlecht!

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Hoffmann (CDU): Was Sie machen, ist Hottehü!]

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Es wurde auch schon gesagt, dass wir in Berlin zu den wenigen Bundesländern gehören, die noch Leistungen für hochgradig Sehbehinderte zahlen. Neben Berlin sind das noch fünf weitere Bundesländer. Im Land Berlin werden zudem Leistungen für die Gehörlosen gezahlt. Hier sieht es noch trauriger aus: Neben Berlin geschieht das nur noch in drei weiteren Bundesländern.

Herr Brinsa! Wenn Sie auf die Kürzungen der Pflegeleistungen für hochgradig Sehbehinderte und für Gehörlose eingehen, muss man auch einmal feststellen, dass die Kürzungen in diesem Bereich – sage und schreibe – 2,64 € betragen. Damit kann man sicherlich leben.

Ich möchte noch etwas besonders Positives in Berlin hervorheben: Die minderjährigen Blinden erhalten die Leistungen in gleicher Höhe wie die volljährigen. Das gibt es außer in Berlin nur noch in Bayern. Ansonsten erhalten alle anderen 50 % der Landesleistungen.

Der vorliegende Gesetzentwurf sieht aber auch vor, dass das Landesblindengeld abgesenkt wird. Auch damit müssen wir uns auseinandersetzen, denn die vorgesehene Absenkung bedeutet für die Betroffenen finanzielle Einschnitte und individuelle Härten. Hier braucht man nichts zu beschönigen. Das ist so. Von daher erachte auch ich den Protest der Betroffenen nicht nur als legitim, sondern auch als verständlich.

Ich möchte trotzdem noch einmal den Blick auf die individuellen Härten lenken: Das Blindengeld wird einkommensunabhängig gezahlt. Alle erhalten das Gleiche. Würde nun das Blindengeld in Berlin abgesenkt werden,

Frau Breitenbach

Ja, bitte: Das kann man von Seiten der Koalition nicht machen. – Wieder Ruhe? – Okay! – Mir fallen da unzählige Titel ein, wo ich sagen würde: Das kann man sich in einer Haushaltsnotlage nicht leisten. – Mir fällt dazu im Etat von Herrn Strieder vieles ein – von der Architekturwerkstatt bis zum Abriss des Palastes der Republik, den wir irgendwann bezahlen. All das wird nicht angegangen, sondern mit dem Senatsbeschluss aus dem Juli zum Haushalt war vorgesehen, dass die Einsparsummen zu einem großen Teil bei den Kitas und beim Blindengeld erbracht werden sollen. Das ist unredlich, nämlich so zu tun, als ob das ein Selbstläufer und keine politische Prioritätensetzung des Senats sei.

hätten diejenigen mit einem geringeren Einkommen Anspruch auf Blindenhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz. Sie würden auf Antrag und nach Offenlegung ihrer Einkommensverhältnisse einen Differenzbetrag erhalten, der sich aus Blindenhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz minus der Landesleistung zusammensetzt. Das Bundessozialhilfegesetz kennt übrigens keine Sehbehinderten- oder Gehörlosenhilfe. Ein solcher Nachteilsausgleich ist nur für Blinde vorgesehen. Auch das muss man noch einmal sagen. Das heißt letztlich, dass diejenigen mit geringem Einkommen nicht von der Absenkung in Berlin betroffen werden. Sie würden weiterhin auch die 585 € Blindengeld erhalten. Wir haben hier eine soziale Staffelung.