Protocol of the Session on November 13, 2003

[Zurufe: Der Papst!]

ich glaube, der Papst ist nicht abwählbar, oder General Pinochet, der hat damals dafür gesorgt, dass die Senatoren in Chile nicht abwählbar sind. Aber ansonsten fallen mir keine weiteren Beispiele ein. Die Alternative wäre, eine Amtsenthebung durch einen Verfassungsgerichtshof vorzusehen, das wäre auch ein Möglichkeit. Was Bündnis 90/Die Grünen vorgeschlagen haben, auch was das Quorum betrifft, ist sinnvoll, es geht in die richtige Richtung. Das ist in jedem Fall zustimmungsfähig für die FDP-Fraktion.

Ich eröffne die I. Lesung. Für die Beratung stehen den Fraktionen jeweils fünf Minuten Redezeit zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der CDU.

Das Wort hat der Herr Kollege Brinsa, den wir aber erst noch hier oben durch Frau Kollegin Hämmerling, die das Präsidium zu ergänzen versprochen hat, ersetzen müssen. Kleinen Moment, gleich geht es weiter. – Herr Kollege Brinsa hat das Wort für die Fraktion der CDU – bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich heute früh aus meinem Fenster schaute, sah ich winterlichen Raureif, wie Sie vermutlich auch. Ich ahnte, dass es draußen kalt ist und als ich dann die Gelegenheit nahm und mir die Drucksache 15/2186 ansah, war ich schockiert und stellte nach der Lektüre fest, dass die Sozialpolitik des Senats und der Regierungskoalitionen dauerhaft von winterlicher Kälte geprägt sein wird.

Der zweite Antrag, die Änderung der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses, geht auch in die richtige Richtung. Vernünftig ist, dass man ein Anzeigeverfahren wählt. Aber auch hier haben wir uns die Frage gestellt, warum das nur für Präsidenten, Vizepräsidenten und Fraktionsvorsitzende gelten soll. Vielleicht ist es für den einen oder anderen wesentlich interessanter, sich an einen Koalitionsangehörigen, Vorsitzenden eines Ausschusses zu wenden als an den Fraktionsvorsitzenden einer Oppositionsfraktion. Hier kann man keine Grenzen ziehen. Wir werden in jedem Fall beantragen, dass es, wenn, für alle gilt.

Herr Braun, Sie haben einen Punkt erwähnt, der beachtenswert ist, das ist die Frage der Kollision mit Berufsrechten und Verschwiegenheitspflichten. Das trifft Ärzte, Rechtsanwälte und Notare. Wie wird man das vereinbaren mit diesen Verpflichtungen? Die nächste Frage, die noch zu erörtern sein wird, ist der Vorschlag Rechtsausschuss statt Präsidium. Ich bin mir nicht sicher, ob das richtig ist. Auch die vorgeschlagenen Vertretungsregelungen sind merkwürdig. Weshalb muss man sich durch den Fraktionsvorsitzenden vertreten lassen, weshalb gelten nicht die allgemein gültigen Vertretungsregelungen, das heißt, wenn jemand betroffen ist, wird er durch den jeweils zuständigen Vertreter vertreten. Wir müssen also durchaus noch einige Dinge debattieren.

Lassen Sie mich zum Schluss noch eines bemerken: Wir werden überall dort mitmachen, wo es darum geht, Transparenz bei möglichen Kollisionen herzustellen. Was wir nicht mitmachen werden, sind Versuche, Berufsgruppen, die nicht dem öffentlichen Dienst angehören, bei denen die Bezüge veröffentlicht werden, sondern die selbstständig sind, es schwer oder gar unmöglich zu machen, in ein Parlament einzuziehen.

[Beifall bei der FDP und der SPD]

Da werden wir sehr sensibel sein und werden sehr genau aufpassen, ob das beispielsweise einen Personenkreis betrifft, der mit dem Parlament gar nichts zu tun hat. Beispielsweise einen Kollegen in einer Sozietät oder in einer Praxisgemeinschaft oder ähnlichem und wo über die Regeln, die für den einen Sozius oder den einen Partner gelten, auch auf die anderen Druck ausgeübt wird, in das Parlament gar nicht erst einzutreten. Ich kann das bei den uns vorliegenden Vorschlägen nicht erkennen, aber wir werden das auch bei großen Interesse, hier zu klaren Regelungen zu kommen, im Auge behalten. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Danke schön, Herr Kollege Lindner! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Der Ältestenrat empfiehlt zu beiden Anträgen die Überweisung an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Immunität und Geschäftsordnung. – Ich höre dazu keinen Widerspruch.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 11:

I. Lesung

Landespflegegeldgesetz (LPflGG)

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 15/2186

[Beifall bei der CDU – Heiterkeit bei der FDP]

Worüber sprechen wir heute? – Wir sprechen über das Landespflegegeldgesetz. Davon betroffen sind schwerstbehinderte Personen, Blinde, Sehbehinderte und Gehörlose. Was im Sommer schon ruchbar wurde, dass nämlich die Regierungskoalition Änderungen plane, hat sie nun mit der Vorlage dieser unseligen Drucksache wahr gemacht. Wir hatten es bislang nicht glauben wollen, aber nun liegt es auf dem Tisch. Betroffen sind 5 000 Blinde, 17 000 Sehbehinderte und viele Gehörlose. Schwerwiegende Einschränkungen, Verluste an Lebensqualität werden für die Betroffenen in Zukunft die Folge sein, wenn diese Novellierung Realität wird. Kürzungen der Leistungen zwischen 20 bis 80 % sind vorgesehen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Wer heute noch 239 € monatlich erhält, das sind zusätzliche Leistungen, die wegen besonderer Erschwernisse, Behinderungen oder Pflegebedürftigkeit gewährt werden, bekommt künftig nur noch 117 € für seine Mehraufwendungen. Pflegestufen, wie wir sie bisher hatten, sollen abgeschafft werden. Es gibt auch keine Differenzierung, die notwendig wäre bei vorliegender Hilflosigkeit. Einzelfallprüfungen entfallen künftig, besondere Lebensumstände werden nicht mehr berücksichtigt. Zusätzliche Erschwernisse bleiben gleichfalls unbeachtet. Punkt, Aus, St. Bürokratius lässt grüßen.

[Beifall bei der CDU]

Meine Damen und Herren! Sie werden es kaum glauben, ich spreche immer noch von den Blinden, den Gehörlosen. Ich wundere mich, dass hier Streichungen und Kürzungen vorgesehen sind, die für diesen Personenkreis gravierend sind. Viele, das wissen wir alle, brauchen im

Brinsa

Insoweit gehen wir auch in die bevorstehenden Beratungen des Fachausschusses. Wir sehen der Betroffenenanhörung mit großer Freude entgegen. Wir werden hier offensiv und konstruktiv sein.

Und wir sind gespannt – abgesehen von Ihren unqualifizierten Zwischenrufen –, ob Sie dann bereit sind, neue Argumente ins Gespräch zu bringen. Daran werden wir Sie messen. Wir haben jetzt schon Zweifel, und diese sind begründet, weil Sie die Einsparungen bereits als Summen in den Doppelhaushalt aufgenommen haben. All das, worüber wir heute sprechen, ist also schon beschlossene Sache.

Alltag Hilfsmittel, insbesondere dann, wenn Krankheiten oder Gebrechlichkeiten dazu kommen. Was erreichen Sie von der Regierungskoalition mit Ihrem Vorstoß zur Novellierung des Gesetzes? – Ganz wenig. Sie grenzen die Betroffenen aus, Sie beschneiden sie ihres eigenständigen Lebensstils, den sie bisher pflegen konnten. In der Fraktion eingehende Briefe bestätigen meine Einschätzung.

Ganz erbärmlich und übel ist die Streichung von § 2 a. Sie wollen die Übernahme von Beiträgen zur Alterssicherung von Personen streichen, die Leistungsberechtigte pflegen. Das ist ein falsches Signal, das ist kontraproduktiv. Oftmals wird der in Rede stehende Personenkreis gerade von Angehörigen gepflegt, die ihren Beruf dafür aufgegeben haben. Wo bleibt die Anerkennung für solch ein aufopferungsvolles Handeln? Was wird die Folge davon sein? – Mehr professionelle Pflegekräfte müssen eingesetzt werden, um für diesen Personenkreis tätig zu werden. Dies verursacht erhebliche Mehrkosten, über die keine Auskunft gegeben wird.

Was wird mit den Änderungen des Landespflegegesetzes erreicht? – Sie sind ein Rückschritt, sie sind ein schwerer Schlag gegen die Chancengleichheit und gegen die Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderungen. Dies steht im diametralen Gegensatz zu den Verpflichtungen, die wir in diesem Haus mit der Verabschiedung des Landesgleichberechtigungsgesetzes für Menschen mit und ohne Behinderungen eingegangen sind.

[Beifall bei der CDU]

Ich sehe: Ob ich bei dieser Gelegenheit an dieser Stelle daran erinnere, ist völlig unerheblich, denn die Regierung und die Koalition haben bei dieser Gesetzgebung nur finanzpolitischen Argumenten den Vorrang eingeräumt.

[Doering (PDS): „Nur“ ist gut! – Ich sage nur: Bundesdurchschnitt!]

Mittlerweile sind das aus meiner Sicht so genannte Totschlagsargumente, mit denen soziale Anliegen und Errungenschaften im Land Berlin dauerhaft entsorgt werden.

[Beifall bei der CDU – Doering (PDS): Wer hat den gegen den Haushalt geklagt?]

Ich kann ja Ihre Aufregung verstehen.

[Doering (PDS): Wer hat denn das Kuckucksei gelegt?]

Wir haben, und das wissen wir alle, eine extreme Haushaltsnotlage.

[Doering (PDS): Ach was!]

Nun ist ja der Finanzsenator nicht hier. Er hat einmal gesagt – und er sagt viel –, ihn interessiere es nicht, was hinter den Zahlen stehe. Wir und andere schauen genau hin, was hinter den Zahlen steht,

[Beifall bei der CDU]

denn die Menschen erwarten von uns trotz Haushaltsnotlage soziale Verantwortung und die Aufrechterhaltung der sozialen Balance.

[Beifall bei der CDU]

[Beifall bei der CDU – Doering (PDS): Und wie sieht Ihr qualifizierter Vorschlag aus? – Zuruf des Abg. Klemm (PDS)]

Herr Kollege, bitte kommen Sie zum Schluss!

Ja! Zwei Sätze noch, wenn Sie gestatten. – Wir, die CDU-Fraktion, empfinden eine hohe soziale Verpflichtung für die Blinden, für die Gehörlosen und hochgradig Sehbehinderten. Wir werden für deren Interessen eintreten.

[Beifall bei der CDU]

Ich sage in Richtung der Regierungsbänke, die nicht sehr gefüllt sind, und in Richtung der SPD-Fraktion: Wenn Sie so weiter machen, dann können Sie demnächst das Wort „sozial“ aus Ihrem Parteinamen streichen!

[Beifall bei der CDU – Dr. Steffel (CDU): Jawohl!]

Danke schön, Herr Kollege Brinsa! – Für die SPD hat Frau Kollegin Radziwill das Wort. – Bitte schön, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann die Sorgen und die Enttäuschung der Betroffenen auf Grund der vorliegenden Gesetzesnovellierung verstehen. Das Thema, Herr Brinsa, ist aber zu ernst und zu wichtig, um es für eine Selbstprofilierung, wie Sie es jetzt gemacht haben, zu missbrauchen. Ich fordere Sie daher auf, uns hier konkret einen Deckungsvorschlag über 8,3 Millionen € zu liefern und nicht darum herum zu palavern.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Mit dem Landespflegegeldgesetz hat Berlin bisher Menschen mit Behinderung unter anderem Blinden, hochgradig Sehbehinderten und Gehörlosen einen Nachteilsausgleich gezahlt. Diese Leistung wird in Berlin bisher unabhängig vom Einkommen und Vermögen gezahlt. Die Blindenhilfe nach dem BSHG diente dabei als Bezugsgröße. Das Leistungsniveau und die Anzahl der Empfän