Protocol of the Session on January 31, 2002

[Beifall bei der CDU – Beifall des Abg. Wieland (Grüne)]

Aber das muss ja gar nicht mehr sein. Seit heute stellen Sie vertragsbrüchig das ganze Klinikum zur Disposition. Schon die Ankündigung einer solchen Maßnahme hat erhebliche negative Auswirkungen. Sie wissen, dass erste Wissenschaftler von ihrem Ruf nach Berlin zurückgetreten sind; weitere werden folgen. Hinzu kommt, dass gerade die Leistungsmedizin über Drittmittel – wir haben es gehört – jährlich mehrere 1 000 Arbeitsplätze schafft.

Bis heute ist kein objektives, nachvollziehbares Argument für diese Beschlüsse genannt worden. Auch Sie, Herr Flierl, haben lediglich Ihre Behauptungen und Thesen vorgetragen. Ihre Verwaltung, die jahrelang eine andere Politik gemacht hat, tut mir Leid, dass sie heute solche kleinlichen Argumente bringen muss. Die vermeintlichen Einsparungen in Höhe von 99 Millionen Euro jährlich sind ebenfalls unbegründet. Denn Sie wissen ja, welchen Rückzahlungen beim HBFG sie gegenüberstehen – 150 Millionen DM –, und dann kommen die Investitionen der nächsten Jahre hinzu, die Sie mir nichts, dir nichts dann vom Land zu 100 % tragen wollen.

Dass Sie die Kapazitätsverordnung nicht aushebeln können, wissen Sie selbst. Das heißt, Berlin muss auch künftig seine Mindestzahl an Medizinplätzen vorhalten. Verraten Sie doch bitte, warum dies nicht mehr an zwei Standorten, sondern nur noch an einem sein soll – an der Humboldt-Universität. Auch hierfür gibt es keine logische, nachvollziehbare Begründung. Berlin ist – ähnlich wie Paris oder München – genau für das Gegenteil gut.

Eines aber erreichen Sie: Sie nehmen der Freien Universität Berlin den Status der Volluniversität. Ein Hinweis an Ihre Verwaltung, Herr Flierl: Das definiert sich nämlich aus einem Fächerkanon mit der Medizin. Sie können nicht einfach das Gegenteil behaupten, wenn Ihnen die Begründung dafür fehlt.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Wollen Sie nun endlich – das ist der Verdacht – die FU schleifen, und hat die FU das als Ganzes verdient? Leider hat das ja Tradition. 1995 war es die SPD, die die Zahnklinik an der Aßmannshauser Straße schließen wollte, 1999 mussten wir einen Investitionsstopp am UKBF zurücknehmen. Jetzt haben Sie offensichtlich einen Partner gefunden, der die existentielle Infragestellung

der FU hemmungslos mitmacht. Sie – die SPD und die PDS – setzen sich damit dem Verdacht aus, die Stadt mit Ihren Angriffen auf so viele Einrichtungen im Westen spalten zu wollen.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Es ist sicher kein Zufall, dass es nur um Theater und Kliniken in diesem Bereich geht. Die Freie Universität Berlin und ihr Klinikum Benjamin Franklin – beide – tragen ihren Namen zu Recht und mit Stolz. Sie sind die Brücke zu unseren amerikanischen Freunden, und das will in den Jahren 2001 und 2002 etwas heißen. Herr Wowereit, brechen Sie diese Brücken nicht ab! Es spricht nichts, wirklich nichts für diese offenbar mit heißer Nadel gestrickten unbedachten Beschlüsse.

Ihre Kabinettsmitglieder Gysi und Strieder fallen – nebenbei bemerkt – durch unbedachte bis peinliche Äußerungen auf. Herr Gysi hat letzte Woche auf einer Podiumsdiskussion argumentiert, wegen der Finanzknappheit in Berlin werde – unter Ihrer Regierung dann, Herr Gysi – in zwei Jahren eine heute erstklassige Einrichtung dann sowieso zweitklassig, also besser heute schließen als das abwarten.

Frau Kollegin! Ihre Redezeit geht zu Ende!

Ich bin sofort fertig! – Herr Gysi, mit einer solchen Argumentation leisten Sie sich zu Beginn Ihrer Amtszeit gleich einen Offenbarungseid. Überlegen Sie sich das lieber noch einmal.

Und Herr Strieder nennt die Ärzte, die in seine Veranstaltung kommen, eine Karnevalstruppe und droht ihnen: Sie werden schneller abgewickelt, als Sie sich das vorstellen können. Dafür werde ich sorgen! –

[Unerhört! von der CDU]

Ich finde diesen Umgang mit Betroffenen unerträglich.

[Beifall bei der CDU, der FDP und den Grünen]

Ich hoffe, dass es ein Ausrutscher war und vielleicht auch nur ein Ausrutscher wegen der Hilflosigkeit, einen solchen Beschluss sachlich zu begründen. Noch können Sie umschwenken. Das hätte mehr Größe als ein verbissenes Festhalten an Fehlentscheidungen.

Frau Kollegin, Sie müssen schließen.

Ihr Gesichtsverlust, Herr Wowereit, ist größer, wenn Sie später bei der Umsetzung scheitern.

Ein Zitat von Benjamin Franklin zum Schluss. Es war kein Geringerer als er, dessen Namen das Klinikum trägt: Investition in Wissen bringt die höchsten Zinsen. – Das war ein Zitat von Benjamin Franklin. Merken Sie sich das, Herr Wowereit!

[Beifall bei der CDU, der FDP und den Grünen]

Vielen Dank! – Ich habe, wie Herr Momper vorgegeben hat, die Redezeit liberal gesehen. Wir werden es bei den anderen Fraktionen auch so halten. – Das Wort hat jetzt für die PDS Frau Kollegin Simon. – Bitte schön, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe keinen Hehl daraus gemacht, dass ich mit der beschlossenen Koalitionsvereinbarung meine Schwierigkeiten habe.

[Beifall bei der CDU, der FDP und den Grünen]

Ich habe versucht, das zu erklären, und ich tue es hier noch einmal in Kurzform.

(A) (C)

(B) (D)

Ich denke, es ist richtig, dass man in der Koalitionsvereinbarung klare Rahmenbedingungen genannt hat. Diese Rahmenbedingungen sind hauptsächlich durch einen finanziell desaströsen Haushalt diktiert, den im Wesentlichen die CDU zu verantworten hat. [Beifall bei der PDS – Gelächter bei der CDU]

Diesen Rahmenbedingungen haben wir Folge zu leisten. Ich habe kritisiert, dass man versucht hat, in der Koalitionsvereinbarung gleichzeitig Lösungen festzuschreiben, die Alternativdiskussionen sehr schwer bis unmöglich machen. Das ist meine Kritik. Ich hätte es besser gefunden, wenn man darauf verzichtet hätte, Lösungen am Beispiel der Medizinischen Fakultät der FU und am Beispiel UKBF festzuschreiben.

Darum bin ich jetzt sehr froh – ich denke, dazu hat die Diskussion in der Stadt einen ganz wesentlichen Beitrag geleistet –, dass wir heute einen Antrag einbringen, in dem diese Öffnung, diese Weitung und diese Chance, Alternativen einzubringen und zu diskutieren, ermöglicht wird. Ich wundere mich, dass so wenig darauf hingewiesen wird. Ich setze darauf, dass alle, die sich in dieser Stadt bessere und andere Lösungen vorstellen können, um dem Wissenschaftsstandort Berlin und seinem guten Ruf Rechnung zu tragen, jetzt in einem kooperativen Zusammengehen diesen Versuch machen. Das kann nicht dadurch geschehen, dass sich ein Verwaltungsdirektor eines Universitätsklinikums in dieser Stadt hinstellt und nach dem Sankt-Florians-Prinzip versucht, jegliche Form von kooperativem Angebot zu unterdrücken. Ich plädiere hier und an dieser Stelle dafür, diese Alternativdiskussion und diese Chance, die sich heute mit unserem Antrag bietet, zu nutzen, um kooperativ – das heißt mit dem Land Brandenburg und dem Land Berlin, das heißt mit den beiden Uniklinika, mit den beiden medizinischen Fakultäten, das bedeutet mit der Politik und mit den Betroffenen, das bedeutet auch unter Inanspruchnahme der dankenswerterweise angebotenen Hilfe des Wissenschaftsrats – in dem vorgegebenen Zeitrahmen einen Dialog zu eröffnen, um diese besseren Lösungen, von denen einige sich schon in Vorschlägen angedeutet haben, jetzt mit in die Diskussion zu bringen. Noch haben wir die Chance, noch haben wir die Möglichkeit, genau diese Diskussion zu führen, um dem Wissenschaftsstandort mit seiner hohen Qualität, die von keinem bestritten wird, gerecht zu werden. Ich appelliere dafür heute und an dieser Stelle, und ich bin optimistisch genug, zu hoffen, dass uns das gelingen kann – allerdings nur dann, wenn diese Kooperationsbereitschaft wirklich von allen bekundet und auch tatsächlich praktiziert wird. Damit erhalten wir die Gelegenheit, jetzt und sofort damit zu beginnen, die Zeit drängt.

Der Rahmen ist vorgegeben. Finden wir keine Alternative, werden wir die Koalitionsvereinbarung umsetzen müssen. Ich würde mich sehr freuen, wenn uns bessere Alternativen eine neue Chance eröffneten.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Danke schön! – Für die FDP hat nunmehr der Abgeordnete Schmidt das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der heutigen Ausgabe der „Berliner Morgenpost“ ist in einem Beitrag zum UKBF vom Gutsherrenstil des Herrn Wowereit zu lesen. Wohl wahr, wohl wahr! Zu einer gestern durchgeführten Informationsfahrt durch das UKBF waren alle hier vertretenen Fraktionen anwesend,

[Frau Paus (Grüne): Die SPD nicht!]

bis auf die SPD. Wer die Zukunft plant, sollte sich erst einmal mit der Gegenwart vertraut machen.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Nicht nur die heute fehlende Regierungserklärung zeigt, dass es dem neuen Senat an Konzepten mangelt. In den letzten Tagen war auch Herr Dr. Sarrazin sinngemäß mit den Worten zitiert worden: „Wir stehen vor unlösbaren Aufgaben.“ Das Schlimme daran ist, dass man es ihnen sogar anmerkt.

Die Komplexität der Verbindung von Benjamin Franklin zu den Instituten der Freien Universität, den Anstalten des Bundes und nationalen sowie internationalen Forschungsverbünden ist beeindruckend. Viel interessanter ist jedoch die Kooperation von Forschung, Wirtschaft und Lehre, die sich in Form von ersten Unternehmensgründungen auf dem Gelände der Freien Universität und um das UKBF zeigt.

Deshalb möchte ich dies kurz skizzieren. Es mangelt an einer zutreffenden Vision, wie die Wissenschaftslandschaft in Berlin zukünftig aussehen soll. Mit den Universitäten ist ganz eng die universitäre Lehre verbunden. Sie soll das geistige Potential der Studierenden aktivieren. Das ist natürlich auch gut so. Aktuelle Forschungsergebnisse und Erfahrungen aus der wirtschaftlichen Anwendung der Forschung sollen zu Lehrinhalten werden und die Lehre sehr praxisnah gestalten.

Aus wirtschaftlichem Interesse der dort ansässigen Unternehmen an neuen Erkenntnissen und der Bindung an Fachkräfte werden sich diese finanziell und auch logistisch an Forschung und Lehre beteiligen. Die Beteiligung der Studierenden an Forschungsprojekten und der wirtschaftlichen Verwertung dieser Forschung ermöglicht einen ganz praktischen Einblick und legt Grundlagen für neue kreative Ideen. Diese Ideen lassen sich im Umfeld einer Universität gut erforschen. Dabei gewinnt mehr und mehr die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Naturwissenschaften und Technik an Bedeutung.

Durch die von den Studierenden mit ansässigen Unternehmen aufgenommenen Kontakte und gewonnenen Erfahrungen werden die Erforschung neuer Ideen im Interesse der wirtschaftlichen Verwertung vorangetrieben. Diese Erfahrung und ein gutes Umfeld, in dem aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse und genügend Fachkräfte verfügbar sind, machen eine Unternehmensgründung im Umfeld einer Universität sehr attraktiv.

Klar ist natürlich, dass nicht alle so gegründeten Unternehmen erfolgreich sein werden. Doch so zahlreich die Ideen aus diesen Forschungsprojekten sind, so zahlreich werden auch immer wieder die Mutigen sein, die den Schritt in die Selbständigkeit wagen. [Beifall bei der FDP]

Ein solches Klima an den Berliner Universitäten würde ich mir wünschen. Genau solch ein Klima sollte das Leitbild einer zukunftsorientierten Politik sein.

Die Zukunftschancen der Stadt liegen in dem Bereich Wissenschaft. Um Berlin wieder auf den richtigen Weg zu bringen, muss es in den nächsten Jahren gelingen, diesen Sektor, und damit auch den Wirtschaftsstandort Berlin zu stärken.

[Beifall bei der FDP]

Das UKBF hat in den letzten Jahren eine beachtliche Wandlung vollzogen und eine beachtliche Leistungssteigerung erreicht und sollte deshalb neben der Charite´ erhalten werden. Der Wissenschaftsrat als höchste Autorität in Sachen Wissenschaft hat dies mehrfach bestätigt. Beide Universitätsklinika eröffnen wirtschaftliche Chancen für die Stadt, vor allem im Zukunftssektor Biotechnologie.

Gerade die Existenz beider Universitätsklinika macht Berlin als Wissenschaftsstandort attraktiv. Dadurch wird ein Wettbewerb in der Qualität der Forschung angeregt. Die steigenden Leistungen des UKBF sind eindeutiger Beleg dafür. Doch der Wissenschaftsstandort Berlin ist nicht allein dadurch attraktiv, dass es eine Forschungseinrichtung gibt, nur eine, die erstklassige Arbeit leistet. Mindestens genauso wichtig ist, wie das Umfeld dieser Einrichtung aussieht. Dazu zählt natürlich die Vielfältigkeit der Forschungsmöglichkeiten an verschiedensten Instituten, die neue wissenschaftliche Erkenntnisse in einer gewissen Breite und nicht nur in ein paar Spezialdisziplinen liefert.

Durch eine Aufgabe der Universitätsmedizin der Freien Universität leidet die wissenschaftliche Vielfalt in jedem Fall, unabhängig davon, in welcher Form die Charite´ Aufgaben übernehmen wird. Berlin braucht deshalb beide Universitätsklinika.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]