Protocol of the Session on October 30, 2003

[Heiterkeit und Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Herr Kollege, wir sind wirklich beim Schluss!

Ich wiederhole deswegen zum Abschluss noch einmal auch die Einladung an SPD und PDS. Der SPD-Parteitag hat sich bereits entsprechend positioniert und will seiner Führung hier nicht folgen. Ich bin dafür dankbar. Wir werden gemeinsam erhebliche Nachbesserungsarbeiten an diesen beiden Vorlagen des Senats vornehmen müssen. Sie sind im Detail höchst kompliziert, kaum lesbar. Aber ich habe versucht, Ihnen den Kern dessen, worüber wir verhandeln, deutlich zu machen.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Vielen Dank, Herr Kollege Eßer! – Herr Kollege Flemming von der Fraktion der SPD folgt und hat das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Teilprivatisierung der Wasserbetriebe war 1999 eine sehr schwierige und umstrittene Entscheidung, auch in meiner Fraktion. Es gab Gegensätze – Privatisierung ja oder nein. Der gewählte Weg der Privatisie

Das vorliegende Gesetz soll diesen Zielen gerecht werden. Dazu wird die Rendite auf mindestens die durchschnittliche Rendite zehnjähriger deutscher Bundesanleihen festgelegt. Die Tarifstruktur soll geändert werden, es wird ein Grundpreis eingeführt – das hat Herr Eßer bereits erwähnt. Die Abschreibungsgrundlage wird auf der Basis von Wiederbeschaffungswerten festgelegt. Die 1999 ge- troffene Grundsatzentscheidung und die geschlossenen Verträge werden wir bei unseren Beratungen dabei nicht in Frage stellen. Insofern sollten wir nicht noch einmal die alten Schlachten schlagen. Wir werden jedoch die vorgeschlagenen Änderungen rechtlich und in ihren finanziellen Auswirkungen sowohl für die Verbraucherinnen und Verbraucher als auch für das Land Berlin und damit die Steuerzahler sehr sorgfältig prüfen und mit Ihnen gemeinsam darüber beraten. – Ich danke!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den letzten Tagen und Wochen mussten wir leider in den Medien viele Horrormeldungen über die Berliner Wasserbetriebe zur Kenntnis nehmen: Wasserbetriebe streichen Arbeitsplätze. Wir mussten viele Meldungen über die Gebühren lesen, und wir mussten auch etwas über viel zu hohe Wasserpreise lesen.

rung wurde im außerparlamentarischen und parlamentarischen Raum mit Zielen und Bedingungen gepflastert. Das Land sollte die Mehrheit halten. Das wurde mit knapp 50 % erreicht. Der Kaufpreis sollte hoch sein. Mit 3,3 Milliarden DM wurde dieses Ziel erreicht, wenn nicht gar überboten. Die Wasserpreise sollten nicht steigen. Es wurde vereinbart, sie bis 2003 konstant zu halten. Kein Arbeitnehmer sollte seinen Arbeitsplatz verlieren. Betriebsbedingte Kündigungen wurden bis 2014 ausgeschlossen. Und natürlich müssen die privaten Investoren den Kaufpreis refinanzieren können und eine Rendite erwirtschaften. Diese Quadratur des Kreises erschien vielen damals als eine sehr gute Lösung. Nicht alle würden das heute noch genauso sehen.

Das Gesetz wurde von der damaligen Opposition aus grundsätzlichen Erwägungen heraus für verfassungswidrig erklärt. Der Verfassungsgerichtshof hat dem widersprochen. Man kann auch staatliche Betriebe, die der Grundversorgung mit lebenswichtigen Gütern dienen, privatisieren. Es hat jedoch zwei Teile für verfassungswidrig und damit nichtig erklärt, die dazu dienten, den marktwirtschaftlich nachvollziehbaren Ansprüchen der Investoren mit gesetzlichen und vertraglichen Mitteln zu entsprechen.

Zunächst zur Effizienzrendite: Dem Investor sollte ein Anreiz dafür gegeben werden, Leistungssteigerungen des Unternehmens herbeizuführen, indem diese Leistungssteigerung erst ab dem vierten Jahr nach der Maßnahme dem Verbraucher zugute kommt. Bis dahin ist der Vorteil Teil der Verzinsung. Der Verfassungsgerichtshof rügte die mangelnde Normenklarheit der gesetzlichen Regelung, die einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip darstellte.

Das Zweite war die Verzinsung des betrieblichen Kapitals. Es sollte eine Rendite geben, die um zwei Prozentpunkte über der durchschnittlichen Rendite zehnjähriger deutscher Bundesanleihen liegt. Der Verfassungsgerichtshof war hinsichtlich dieser Rendite uneins. Vier Richter waren der Meinung, der Zweck der Gewinnerzielung könne bei der Beteiligung privater Unternehmen konsequenterweise einbezogen werden. Vier andere Richter waren der Meinung, wegen der staatlichen Mehrheitsbeteiligung komme es nicht auf den Gewinnerzielungszweck an, sondern die Grundsätze des Gebührenrechts seien zu beachten. Das Gericht kam an dieser Stelle nur deshalb zu einer einheitlichen Haltung, weil es selbst die Entscheidung über den Zeitpunkt und den Grad der Privatisierung noch offen lässt. Es war allen klar, dass nach dem Auslaufen des Verbots von Gebührenerhöhungen Ende 2003 die Berliner Wasserbetriebe das Recht, ja die betriebswirtschaftliche Pflicht haben, 2004 die Gebühren beträchtlich zu erhöhen, wenn es nicht gelingt, im Licht des Verfassungsgerichtsurteils und des bestehenden Vertrages das Teilprivatisierungsgesetz und den Konsortialvertrag zu ändern. Herr Branoner und Herr Kurth haben dieses Problem erfolgreich verdrängt und es diesem Senat überlassen.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Flemming! – Die CDU fährt fort. Das Wort hat der Kollege Kai Wegner. – Bitte schön!

Heute legt uns der SPD-PDS-Senat einen Gesetzentwurf vor, der in den eigenen Reihen große Widerstände auslöst, bis hin zu einer Ablehnung des SPDLandesparteitags am vergangenen Wochenende. Und deshalb, Herr Eßer hat es gesagt, haben wir in der Tat hier im Parlament, in den Ausschüssen, viel vor uns, denn an diesem Gesetz muss in der Tat viel verändert werden.

[Hoff (PDS): Sagen Sie was zu Ihrem Erbe!]

Der Senat plant jetzt eine fünfzehnprozentige Wasserpreiserhöhung. Ihr Staatssekretär Herr Strauch – Sie waren dabei, Herr Hoff – hat erst vor wenigen Wochen im Wirtschaftsausschuss gesagt, dass jegliche weitere Belastung durch Steuern, Abgaben und Gebühren schädlich ist für den Wirtschaftstandort Berlin. Heute handeln Sie anders. Trotzdem wollen Sie den Standort weiter belasten. Statt einer gescheiterten Konzessionsabgabe sollen nun die Ver- und Entsorgungsrohrleitungen die Millionen in Ihre Kasse spülen. Zudem lastet die im Teilprivatisierungsgesetz fixierte Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals der Wasserbetriebe schwer auf dem Wasserpreis. Weiterhin hält der Senat an einem ökologisch nicht begründbaren Grundwasserentnahmenentgelt fest. Dies alles zeigt doch sehr deutlich, dass Sie die Gebührenzahler und auch die Unternehmen der Stadt weiter mit Abgaben belasten wollen. Dies führt zu weniger Kaufkraft und weniger Investitionen, zu mehr Insolvenzen und wird somit wiederum mehr Arbeitslose zur Folge haben.

Danke schön! – Für die Fraktion der PDS hat das Wort der Abgeordnete Hoff!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach diesem völlig geschichtslosen Vortrag des Kollegen Wegner, der die CDU-Verantwortung in der großen Koalition völlig vernachlässigt hat,

möchte ich hier einmal Anmerkungen machen. Die Änderung des Teilprivatisierungsgesetzes der Berliner Wasserbetriebe ist der klassische Fall einer Altlast, die dieser Senat von der großen Koalition geerbt hat und bei der wir als PDS-Fraktion feststellen, dass wir damals mit unseren Warnungen und Kritiken völlig Recht hatten.

Die CDU-Fraktion ist im Gegensatz, glaube ich, zu allen anderen Fraktionen des Hauses aus tiefer ordnungspolitischer Überzeugung für die Privatisierung von Eigenbetrieben bzw. Anstalten des öffentlichen Rechts, und zwar insbesondere im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe und damit auch im Interesse der Arbeitsplätze und im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Auch der Nutzen des Verbrauchers ist für uns ordnungspolitisch ein zentrales Kriterium für die Privatisierung, und bei Verbrauchern schließen wir ausdrücklich mittelständische Wirtschaft und Handwerk mit ein.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Liebich?

Nein! – Die 1999 teilprivatisierten Wasserbetriebe bestehen zum einen aus der BWB Anstalt öffentlichen Rechts, die im Jahr 2002 – man höre und staune – ca. 270 Millionen € Gewinne erwirtschaftet hat, und aus der Berlin Wasser AG, die im gleichen Zeitraum Verluste von 350 Millionen € zu verantworten hat. Man erkennt hieran, dass die Wasserbetriebe in ihrem Kerngeschäft sehr ertragreich arbeiten können. Nun ist es Ihre Verantwortung von der Regierung, zu handeln. Die Wasserbetriebe müssen bei den eingeleiteten Umstrukturierungen unterstützt werden. Auch hier ist eine Identifizierung und Abspaltung des für die öffentliche Daseinsvorsorge erforderlichen Bereichs, also des Kernbereichs, von den übrigen Betätigungsfeldern erforderlich. Alle über diesen Kernbereich hinausgehenden Geschäftsfelder müssen privatisiert und die darüber hinausgehenden wassernahen Dienstleistungen ausgeschrieben werden. Dringend erforderlich ist auch – das haben auch einige von Ihrer Seite begriffen, die Schlussfolgerungen sind noch falsch, aber das werden wir auch noch diskutieren – in der Tat eine transparente und effiziente Aufstellung der Wasserbetriebe. Wir brauchen für alle landeseigenen Betriebe in Berlin endlich ein transparentes Beteiligungsmanagement und ein effizientes Preis- und Kostencontrolling.

[Beifall bei der CDU]

Es war und es ist richtig, frisches Kapital in die Stadt zu holen. Man darf es nur nicht auf Kosten der Steuerzahler machen. Die damalige SPD-Finanzsenatorin Fugmann-Heesing wurde nicht müde, seinerzeit zu beteuern, dass dieses Konstrukt unproblematisch sei. Vielleicht hätte man kritischer sein sollen.

[Zuruf von der PDS: Oh ja!]

Aber das hilft jetzt nicht weiter. Jetzt müssen Entscheidungen her im Sinne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Berliner Wasserbetriebe, aber auch im Sinne der Steuerzahler dieser Stadt. Es reicht nicht aus, sich heute, vier Jahre nach der Entscheidung des Landesverfassungsgerichtshofes, hinzustellen und zu behaupten, der Senat könne nicht anders, als den Bürgern diese weitere Abgabenlast aufzuerlegen. Natürlich können Sie! Sie stellen die Regierung, und Sie haben in diesem Hause eine Mehrheit. Sie müssen Einfluss nehmen auf die Beteiligten und nötige Umstrukturierungen endlich konstruktiv begleiten. Ich appelliere an Sie von der Regierung, Ihre Pläne für weitere finanzielle Belastungen zu verwerfen.

[Beifall bei der CDU]

Kaufkraft geht verloren, weitere Arbeitsplätze geraten in Gefahr. Berlin braucht eine verlässliche Politik und stabile Rahmenbedingungen. Der Senat, aber sicherlich auch die Berliner Wasserbetriebe tragen hier eine große Verantwortung für den Wirtschaftsstandort Berlin. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

[Beifall bei der PDS und der SPD]

[Beifall bei der PDS]

Der damals Noch-nicht- und heute Nicht-mehrFraktionsvorsitzende der CDU verstieg sich in der Debatte um die Teilprivatisierung zu folgender steiler These:

[Beifall bei der CDU – Goetze (CDU): Jawohl!]

Ich wusste, dass Sie da klatschen. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, davon abgesehen, dass dieser kategorische Imperativ heute nur noch dem Steffel von der FDP, Herrn Dr. Lindner, über die Lippen kommt, will ich hier einmal die Antwort von Herrn Wolf zitieren. Der hat damals wie heute 100 % Recht, und deshalb soll Ihnen diese Antwort nicht vorenthalten bleiben.

Dieses Gesetz ist alles andere als eine ordnungspolitische Großtat. Dieses Gesetz beruht auf zwei Dingen, nämlich erstens dem Kompromiss zwischen denjenigen, die gesagt haben, die öffentlichrechtliche Form muss aufrechterhalten bleiben, und zum anderen dem Versuch, aus fiskalischen Gründen den Verkaufspreis zu maximieren. Das Resultat ist ein Gesetz, das alle Nachteile der öffentlich-rechtlichen Organisationsform mit allen Nachteilen der privatrechtlichen Organisationsform kombiniert, ohne einen der Vorteile dieser beiden Organisationsformen aufzuweisen.

Das schreiben Sie von der CDU sich jetzt noch einmal hinter die Ohren: –

Deshalb ist dieses Gesetz eine ordnungspolitische Missgeburt.

Und das gilt bis heute fort.

fend war. Er hat begründet, dass die Wasserpreise damals

Doch zwei Dinge erwähne ich. Erstens: Dieses Gesetz, von dem ich ausgehe, dass es hier im Hause die Mehrheit finden wird, ist eine Altlast der großen Koalition, an der die SPD damals maßgeblich beteiligt war und die bis heute nachhaltige Wirkung hat.

Der heutige Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr Müller, hat damals aus wirtschaftlich-politisch sinnvollen Gründen das Gesetz abgelehnt. Von Ihnen, Herr Kollege H.-G. Lorenz, vermerkt das Protokoll nur Abwesenheit. Die Nachbesserungsvorschläge, die Herr Eßer von den Grünen und andere Fraktionen hier unterbreiten werden, prüfen wir gern. Wir hoffen mit dem Koalitionspartner auf eine gute Diskussion. – Vielen Dank!

Danke schön! – Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Thiel.

[Beifall bei der PDS]

Dem ist auch heute nichts hinzuzufügen als die Feststellung, dass auch die SPD damals nicht bereit war, die richtigen Schlussfolgerungen aus unserer damals wie heute richtigen Analyse zu ziehen. Das Gesetz wurde mit 106 Stimmen der großen Koalition gegen 67 Stimmen der Opposition bei 11 Enthaltungen und 9 nicht abgegebenen Stimmen der Koalition angenommen. Dort, wo PDS und Grüne damals im Parlament nicht weiterkamen, hat dann das Verfassungsgericht nachgeholfen und die in § 6 des Teilprivatisierungsgesetzes festgeschriebene Gewinnerzielungsabsicht festgeschrieben. Hier zitiere ich jetzt frei den Kollegen Liebich, der damals zu dem Teilprivatisierungsgesetz geredet hat. Das sollte sich insbesondere Herr Wegner, der nach dem Prinzip „Gnade der späten Geburt“ heute eine Rede gehalten hat, die von der CDUVerantwortung völlig abweicht, ein bisschen hinter die Ohren schreiben. Mit § 6 und der dort enthaltenen Gewinnerzielungsabsicht wurden den Eigentümern im hoheitlichen Bereich Gewinne garantiert, die über eine angemessene Verzinsung des Eigenkapitals hinausgehen. Eine solche Regelung, garantierte Gewinne bei gleichzeitiger Verhinderung von Kundenflucht, ist in der Marktwirtschaft undenkbar und war nur mit der großen Koalition machbar. Es wurde ein Monopol in private Hände übertragen, doch damit gab es nicht mehr Wettbewerb, sondern eher weniger. Das Landesverfassungsgericht hatte diese Regelung für teilnichtig erklärt und damit die zusätzlichen 2 Prozent bei der R-plus-2-Regelung gekippt. Der vorliegende Gesetzentwurf wird diesem Urteil gerecht und verzichtet auf den Zinssatz im Gesetz, der nunmehr durch Rechtsverordnung jährlich festgelegt und dementsprechend begründet werden muss. Wie dafür die Gutachten erstellt werden und wie viele es sein werden, wollen wir im Gesetzgebungsverfahren debattieren und auch festlegen.

Eine wirklich bittere Regelung im Gesetz ist die Verpflichtung des Landes Berlin, den privaten Eigentümern in vollem Umfang diejenigen Nachteile auszugleichen, die auf Grund der Teilnichtigkeit des Teilprivatisierungsgesetzes entstanden. Das heißt, der Gewinnanteil, der dem Land Berlin allein zusteht, wird um die Differenz zur Gewinnmarge der privaten R plus 2 gemindert. Diese Regelung – und damit der Einnahmeverlust des Landes Berlin – geht ganz auf das Konto der damaligen Regierungsfraktionen CDU und SPD.