Protocol of the Session on September 25, 2003

[Over (PDS): Wenn es nicht so plump wäre, wäre es eine Unverschämtheit!]

Das ist nicht plump, sondern die Wahrheit. Es ist leider eine traurige Wahrheit.

Ich bitte sehr herzlich, allen Ernstes ein tragfähiges Sanierungskonzept vorzulegen. Das sind wir den Beschäftigten und den Kunden der BVG schuldig.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Danke schön, Herr Kollege Dietmann! – Für die PDS spricht nicht Herr Hoff, wie hier gemeldet, sondern Frau Matuschek. – Bitte schön!

[Eßer (Grüne): Was ist mit Kostensenkung? Das ist mehr als Kostendisziplin!]

Dieser Senat ist der erste – ich sagte es vorhin schon –, der sich die Pensionsleistungen der alten BVG zur Aufgabe gemacht hat. Sie sind einfach unter den Tisch gewischt worden. Sie betragen etwa 500 Millionen €. Dieser Senat hat eine Finanzierung der U-Bahnsanierung durchgesetzt. Das ist damals einfach unter den Tisch geschoben worden. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Betriebsergebnisse der BVG.

Ich werde es nicht vergessen, dass auf meine damalige Frage an Herrn Niklas, warum es die BVG mitmacht, in die Krankenhausfinanzierung einzusteigen, er antwortete:

Wenn uns das Land um einen Gefallen bittet, werden wir das tun.

Die Ergebnisse, die Herrn Niklas betreffen, kennen wir.

Nun komme ich noch einmal zu den Personalkosten. Das gehört natürlich zu einem Konzept. An diesem Punkt sage ich klipp und klar: Wir als PDS befürworten eindeutig alle Bestrebungen zum Abschluss eines Branchentarifvertrages oder Spartentarifvertrages für den öffentlichen Nahverkehr.

[Beifall bei der PDS]

Frau Matuschek

Viele von diesen Mitarbeitern, die entlassen werden müssen oder irgendwann aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden müssen, werden aber keine Perspektive haben, weil die BVG-Reform seit 1993 verschleppt worden ist. Es sind Illusionen geweckt worden, die einfach gar keinen Bestand haben. Es sind 10 Jahre, in denen die Reform verschleppt wurde. Ich möchte einmal den Wirtschaftssenator ansprechen, weil er vorhin so getan hat, als befände er sich in einer Situation, Beschäftigungsgarantien abgeben zu müssen.

Als Wirtschaftssenator fordere ich Sie auf, dies mit einem Privatunternehmen zu vergleichen. Wie geht es denn in einem Privatunternehmen zu, dass seine dringenden Rationalisierungen vernachlässigt? Dieses Unternehmen geht Pleite. Nun hat die BVG die komfortable Situation, dass ihr das nicht passieren kann, weil dort ein Land dahintersteht, das – so haben wir es bei der Bankgesellschaft gesehen – eine Risikoabschirmung vornimmt. Ich möchte nicht, dass wir noch in die Situation geraten, eine Risikoabschirmung für die BVG vornehmen zu müssen. Gleiches gilt übrigens für die BSR und alle anderen auch, beispielsweise die Wohnungsgesellschaften. Ich denke dabei nur an die landeseigene Wohnungsgesellschaft.

Wir erwarten von beiden Tarifpartnern ein zügigeres Vorgehen auf diesem Weg. Es kann nicht sein, dass in einem Unternehmen unterschiedliche Löhne und Gehälter für die gleiche Arbeit gezahlt werden. Nein, der Grundsatz, dass gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort gezahlt wird, muss gelten.

[Beifall bei der PDS]

Unser Appell richtet sich an alle Beteiligten, auch an die Gewerkschaften, auch an die Personalvertretung und auch an die Arbeitgeber. Sollte es in diesem Prozess zu Einkommenseinschränkungen kommen, bestehen wir natürlich dort, wie auch bei dem Sozialpakt des Landes Berlin, auf einer sozialen Staffelung.

Wir betrachten mit Sorge, dass die unternehmensinterne Kommunikation offenbar erheblich gestört ist. Es reicht eben nicht, auf der einen Seite zu sagen, dass wir 30 % zu viel Leute an Bord haben, die auch noch 30 % zu viel verdienen und die Suche nach der Möglichkeit betriebsbedingter Kündigungen beschleunigt wird. Es reicht auch nicht, darauf zu pochen, die Insel der Glückseligkeit im tariflichen Rahmen der BVG bewahren zu wollen, während alle anderen Bereiche des öffentlichen Dienstes erhebliche Belastungen fortschleppen. Gerade in der unternehmenseigenen Kommunikation müssen einmal vertrauensbildende Maßnahmen greifen. Hier sind beide Seiten gefordert.

Ein Konzept des Vorstandes liegt noch nicht vor. Wir werden es beurteilen, wenn es da ist. Für das Land Berlin steht aber auch noch eine bisher ungelöste Aufgabe an. Wenn 2007 der Unternehmensvertrag ausgelaufen ist, wird es natürlich eine Regelung geben, die auf Vertragsbasis fortläuft. Auch mit der BVG werden dann Verkehrsverträge abzuschließen seien. Dafür werden auch entsprechende Haushaltsvorkehrungen getroffen werden müssen, weil dann genau klar sein muss, was uns der Nahverkehr, den wir wollen, kostet. Was kostet es tatsächlich für den Steuerzahler? Wir haben dann die Aufgabe – wie ich vorhin schon sagte – zu lösen, wie sich die Kunden in diesen Prozess eingebunden fühlen. Denn ohne Kunden hat weder die BVG noch die Verkehrspolitik einen richtigen Sinn. Das sind die Adressaten unseres Tuns. – Vielen Dank!

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Danke schön, Frau Kollegin Matuschek! – Die FDP setzt die Rederunde fort. Das Wort hat der Kollege von Lüdeke. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben im Verlauf dieser Aktuellen Stunde vieles zur Beschäftigungssicherung aus dem Bereich Soziales gehört. Die armen BVG-Mitarbeiter, die hier betroffen sind, gehen uns auch nahe. Das ist gar keine Frage. Es müssen hier Leute aus dem Unternehmen entlassen werden. Die BVG hat aber 13 000 Mitarbeiter, von denen sie etwa 4 000 Mitarbeiter abbauen will und auch

muss. Das wissen wir ziemlich deutlich. Das wissen auch alle Redner, die heute hier gesprochen haben.

[Beifall bei der FDP – Doering (PDS): Was macht man jetzt dagegen?]

Die ausgeschiedenen Vorstandsmitglieder erhalten aber gleichzeitig neben diesen armen Leuten, die durch die Verschleppung in die missliche Lage geraten, ihre vollen Bezüge weiterhin mitsamt Dienstwagen. Auch das ist in der Zeitung zu lesen. Das sind die Zustände, die nicht in Ordnung sind.

Fazit: Nichts ist unsozialer als die Verschleppung notwendiger Strukturreformen. Die BVG-Politik ist nämlich in Wahrheit sozial kalt. Das, was man uns vorwirft, ist Ihre falsche Politik. Die ist sozial kalt.

[Beifall bei der FDP – Doering (PDS): Wo ist die Lösung des Problems?]

Die soziale Kälte besteht darin, dass die Politik mit der Verschleppung von Strukturreformen die Standortbedingungen in der Stadt weiterhin verschlechtert und kommende Generationen darüber hinaus mit diesen Kosten belastet.

Ich komme nun einmal zu den Reformansätzen der BVG. Die BVG, Herr von Arnim hatte es in der Presse bekannt gegeben, hat 30 % zu viel Personal. Die restlichen 70 % haben 30 % zu hohe Löhne verglichen mit der Privatwirtschaft. Das macht in Kosten ausgedrückt einen Betrag von etwa 300 Millionen € aus. Das ist eine ganz erkleckliche Summe, die eingespart werden könnte, wenn man es nur forcieren würde und die im wesentlichen dadurch aufgefangen wird, dass in hohem Maß – nämlich über 400 Millionen € – an Subventionen an die BVG durchgereicht werden. Die BVG will die unternehmeri

Herr Präsident1 Meine Damen und Herren! Das war in der letzten Stunde wie in den schlechten, alten Zeiten der großen Koalition: Die

Sahne des Wohlbefindens, die fehlende Transparenz, keine Klarheit und Offenheit, sondern alles Verschleiern und Vertuschen, was an Problemen vor uns liegt. Dass dieses Mal allerdings die PDS einbezogen ist, macht es auch nicht besser.

Frau Matuschek redet von der neuen Ehrlichkeit, die gefordert ist, und sagt im nächsten Satz, die Verkehrserträge der BVG seien gestiegen, und vergisst dabei zu erwähnen, dass die Erlöse der BVG gesunken sind. Die Subventionen des Landes Berlin für den Schülerverkehr sind aber gestiegen, unter dem Strich also ein Plus, aber auf Kosten des Landes. So kann man zwar sagen, die Erträge seien gestiegen, mit Ehrlichkeit hat das aber nichts zu tun.

anders kann ich das nicht zusammenfassen. Mit dieser Verschleierung ist der BVG nicht geholfen. Herr Gaebler hat als einziges konkretes Beispiel die Gutachten und die ausschweifenden Essen des Vorstands erwähnt.

sche Führung im ÖPNV behalten, so Herr von Arnim. Das ist nicht der richtige Weg. Das führt nicht zur Wettbewerbsfähigkeit, sondern dazu, dass Gedanken darüber angestellt werden, wie man bei gegebener Kostenstruktur das Unternehmen so ausweiten kann, dass man letztlich den gesamten Apparat so aufbläht – als Stichwort nenne ich nur Nahverkehrsholding –, dass die Kosten nicht mehr so stark zu Buche schlagen. Diesen Weg werden wir auf keinen Fall mitgehen.

[Beifall bei der FDP]

Dann gibt es die Flucht nach vorn, es werden neue Geschäftsfelder erschlossen, Expansion über Berlin hinaus. Es sollen Beratungsverträge mit China geschlossen werden, um in diesem Großmonopol irgendwie existenzfähig zu bleiben. Das geht auf keinen Fall. Eine Fortführung des Unternehmensvertrages, Ergänzung durch strategische Runden und Einbindung der politischen Führung, all das hören wir. Aktuelle Sanierung gemäß dem Programm „Lenkrad“ zielt auf eine Holdinglösung. Die Ausweitung auf eine BVG-Gruppe mit einer Anstalt öffentlichen Rechts als Kern, ist eine Lösung, die uns viel zu groß ist und die letztlich darin endet – wie wir es bei Staatsbetrieben ohnehin immer wieder erleben –, dass alles in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wird und die kleinen Leute mit Aktien bedacht werden, wobei jeder weiß, was diese Aktien Wert sind. Die Reformvorschläge der BVG bezwecken den Erhalt des BVG-Monopols, so unsere These. Das machen wir nicht mit.

Kommen wir zu den Maßnahmen des Senats.

Herr Kollege! Darf ich auf die Redezeit hinweisen, die abgelaufen ist.

Dann komme ich zu den FDPVorschlägen,

[Gaebler (SPD): Nein, bitte nicht!]

die weitestgehend bekannt sind, aber ich nehme die Gelegenheit wahr, sie noch einmal zu wiederholen: Vorrang des S- und U-Bahnverkehrs vor dem Busverkehr, Letzterer hat Zubringerfunktion, Neubestimmung des ÖPNVAngebots mit neuem Nahverkehrsplan, den das Abgeordnetenhaus absegnen muss, Auflösung der BVG in unabhängige Gesellschaften für U-Bahn-, Tram- und Busbetrieb – wobei die Infrastruktur landeseigen bleiben soll – und der Bestand der Anstalt öffentlichen Rechts als Personalauffanggesellschaft als Übergangslösung, denn auch Betriebe, die in Wettbewerb treten, brauchen Personal.

[Beifall bei der FDP]

Danke schön, Herr Kollege von Lüdeke! – Die Rederunde schließt sich mit Bündnis 90/Die Grünen. Herr Schruoffeneger hat das Wort – bitte schön!

[Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Doering (PDS)]

Zur Rede von Herrn Gaebler: Wenn das die Mentalität der Koalition bei der Sanierung der BVG ist, dann lautet die Überschrift „BVG – ade“,

[Beifall bei den Grünen]

[Gaebler (SPD): Habe ich überhaupt nicht erwähnt!]

Das war die von ihm genannte konkrete Zahl. Dazu kann ich nur sagen, Herr Cramer war in seiner Rede deutlich konstruktiver, präziser und detaillierter.

Wir reden nicht mehr darüber, was wir politisch wollen, wir reden auch nicht mehr darüber, ob wir etwas für den Landeshaushalt einsparen oder konsolidieren können, sondern wir reden und entscheiden darüber, ob es die BVG im Jahr 2008 noch geben wird. Das wird sich in den nächsten zwölf Monaten entscheiden. Es wird sich daran entscheiden, ob wir die BVG auf eine Schiene setzen können, auf der sie wettbewerbsfähig wird. Der Europäische Gerichtshof hat im Sommer diesen Jahres die entscheidenden Kriterien definiert: Die Kilometerkosten, also die Kosten pro gefahrenem Kilometer müssen vergleichbar sein mit den Kosten anderer Unternehmen. Das heißt, Linienstreichungen und Taktverkürzungen helfen uns fast überhaupt nicht. Sie helfen zwar dem Landeshaushalt, sie verhelfen aber nicht dazu, die Wettbewerbsfähigkeit der BVG in diesem europäischen Rechtsmaßstab herzustellen. Die Diskussion über Taktzeiten und Linienkürzungen lenkt dabei vom eigentlichen Thema ab.

[Bm Wolf: Busspuren auch!]