Protocol of the Session on August 28, 2003

Die Vermutung des Abgeordneten Mutlu, wonach die Lernmittel in den Bezirken nicht auskömmlich seien, kann so auch nicht zutreffen. Richtig ist: Die Finanzverwaltung hat haushaltstechnisch bestimmte Sperren belegt. Diese Sperren werden aber dann aufgelöst und sind aufzulösen, wenn dieser Bedarf nachweisbar da ist. Sie können also sicher sein, dass jede Schülerin und jeder Schüler, deren bzw. dessen Eltern aus den Verordnungsgründen

nicht in der Lage sind, Lernmittel zu kaufen, diese auch weiterhin kostenfrei vom Land Berlin erhält.

Das Rabattgesetz schreibt zwingend vor, dass nur noch Bestellungen der öffentlichen Hand zu rabattieren sind. Diese Vorschrift kann ich nicht beeinflussen. Ich bin auch nicht dafür zuständig, über Fragen von Gemeinnützigkeit zu entscheiden; das machen jeweils die Finanzdirektionen. Da muss man sehr sorgfältig sein. Ich glaube, man kann einen gesetzlich vorgegebenen Eigenkauf von Lernmitteln nicht über einen gemeinnützigen Förderverein absetzen. Aber das prüfen immer die Finanzämter. Wir haben dieses Verfahren auch nicht vorgeschlagen. – So weit zur Beantwortung Ihrer Fragen.

Danke schön, Herr Senator! – Dann hat Frau Abgeordnete Schultze-Berndt eine Nachfrage. – Bitte schön, Frau Schultze-Berndt!

Herr Senator! Wie stellt sich der Senat zur sozialen Stigmatisierung derjenigen Schülerinnen und Schüler, deren Eltern sich um die Schulbuchbeschaffung bzw. um das Erbringen der Bedürftigkeitsnachweise nicht gekümmert haben und die nun ohne Bücher vor der Klasse als Bedürftige entlarvt sind und zudem noch pädagogische Nachteile haben, weil sie mit den Büchern nicht arbeiten können?

Herr Senator Böger – bitte!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Bedürftigkeit im Sinne

Jetzt hat der Kollege Mutlu Nachfragen. – Bitte schön, Herr Mutlu!

Und ist dem Senat bekannt, dass in dieser Stadt auch viele Familien mit mehreren Kindern leben? – Darüber sollten wir uns im Übrigen freuen. – Wie geht der Senat mit diesen Familien um? Ihr Gesetz sieht Familien mit mehreren Kindern scheinbar nicht vor.

(D

Herr Präsident! Herr Abgeordneter Mutlu! Ich freue mich, dass Sie noch vieles erleben können. Ich wünsche Ihnen auch weiterhin gutes Erleben. Vielleicht kann ich persönlich noch dazu beitragen – man weiß ja nie!

unserer Gesetze, wenn sie tatsächlich vorhanden ist, ist weder ein Grund für Schamhaftigkeit noch für Stigmatisierung.

[Beifall der Frau Abg. Jantzen (Grüne)]

Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt: Ihre Frage erstaunt mich. Ihre Fraktion stellt auf der einen Seite Anträge, dass Sozialhilfe gestrichen werden und heruntergefahren werden soll;

[Beifall bei der SPD und der PDS]

auf der anderen Seite werfen Sie mir vor, dass dieser Senat aus guten Gründen sagt: Diejenigen Menschen, die keine finanziellen Mittel zur Verfügung haben und zu Recht Sozialhilfe beziehen, sollen von der Lernmittelbezuschussungspflicht befreit werden. Dabei ist dies ein vernünftiges Verfahren. Es läuft so ab, dass man eine Bescheinigung bekommt und diese einer Person in der Schule zeigt. Dann wird die Ausleihe für diese Kinder automatisch hergestellt. – Das ist kein Stigma – das Wort finde ich in diesem Zusammenhang übrigens auch sprachlich höchst problematisch, aber das sei einmal dahingestellt –, sondern das wird in den Klassen auch so laufen. Es bleibt auch die Ausleihe von Büchern in vielen anderen Fällen. Es hat nicht jedes Kind ein neues Buch über Eigenkauf, sondern es bleibt immer noch die Lernmittelausleihe. – Insofern kann ich bei Ihrer Frage keinen wirklich ernsthaften Hintergrund erkennen, und die Unterstellungen weise ich zurück.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön, Herr Senator! – Eine Nachfrage von Frau Schultze-Berndt? – Bitte!

Eine kleine Anmerkung: Fragen Sie einmal die Eltern, wie sie das empfinden! – Meine Nachfrage lautet: Wie gedenken Sie, Abhilfe zu schaffen für die zahlreichen Kinder, die jetzt ohne Schulbücher dastehen? Werden Sie den Schulen jetzt außerplanmäßige Kopierkosten erstatten? Denn immerhin müssen die Kinder lernen, auch wenn sie keine Bücher haben.

Herr Senator Böger – bitte!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Auch diese Aussage trifft im Hinblick auf die „zahlreichen Kinder“ nicht zu, und darüber hinaus auch unter rechtssystematischem Aspekt nicht. Zu Ihrer Erinnerung: Die Lernmittelzuweisung, die von diesem Senat festgeschrieben wurde – das heißt, die Bezirke können über diese Mittel nicht verfügen –, hat noch einen Puffer von etwa 2 Millionen €. Damit sollen Kopien usw. in den Schulen bezahlt werden. Ich hatte bereits in meiner Antwort auf Ihre erste Frage gesagt: Wo behauptet wird oder es tatsächlich so ist, dass die Lernmitteletats nicht ausreichen, weil wir nicht vorher wussten, wie viele Wohngeldbezieher mit Kindern es in Berlin gibt – die statistische Zahl gibt es nicht –, wird in den Etats entsprechend nachgefordert, so dass niemand Sorge

haben muss, dass er sein Recht auf Bildung dadurch verliert, dass er keine Lernmittel zur Verfügung hat. Wenn das allerdings einmal mit einem vierzehntägigen Verzug geschieht, kann man nicht allen Ernstes sagen, dass die bildungspolitische Welt zusammenbricht.

Dass ich das noch erlebe – die CDU zitiert die GEW, und der Senator räumt Fehler ein! Das ist schön! – Zu meiner Frage: Ist dem Senat bekannt, dass in dieser Stadt zahlreiche Menschen leben, die Arbeitslosenhilfe beziehen und deren Lebensunterhalt leicht über dem Sozialhilfesatz liegt? Wie gedenkt der Senat, hier Abhilfe zu schaffen?

Herr Senator Böger – bitte!

Zu Ihrer Frage: Dem Senat ist sehr wohl bekannt, dass man bei jeder Festsetzung von Grenzen immer diejenigen besonders trifft, die gerade über diesen Grenzen liegen. Das war sehr schwer einzurichten, wenn man zugleich sicherstellen will, dass man mit einer Ausnahme von der Regel nicht eine neue Bürokratie aufbaut. Deswegen haben wir uns an den Sozialhilfebeziehern und den Wohngeldempfängern orientiert. Bei Wohngeld gibt es übrigens – was wir beide begrüßen – eine Steigerung, wenn Familien mehrere Kinder haben – übrigens auch Alleinstehende. Wenn also eine Familie oder alleinstehende Elternteile sechs oder sieben Kinder haben, bekommen sie auch mehr Wohngeld bzw. haben sie Anspruch auf mehr Wohnraum und sind unter Umständen auch bei einem höheren Einkommen wohngeldberechtigt. Ansonsten ist allein der Sachverhalt, mehrere Kinder zu haben, noch kein Anlass für Bedürftigkeit. Ich kenne Familien mit zehn Kindern, die nicht bedürftig sind, weil die Eltern im Beruf erfolgreich sind.

Ich erhalte Briefe – das gebe ich zu –, in denen Grenzfälle beschrieben werden. In diesen Fällen bitte ich darum, dass die Stadträte für Bildung – die haben wir auch noch; es gibt ja keine Automaten in den Bezirken – flexibel Abhilfe schaffen. Das kann man nämlich. Man muss sich diese Einzelfälle anschauen, dann kann man helfen, wo solch ein Grenzfall auftritt. Das halte ich für politisch vernünftig und auch machbar.

Herr Präsident! Frau Abgeordnete Tesch! Zunächst einmal danke ich Ihnen für den richtigen Hinweis, dass die Lernmittelfreiheit nicht aufgehoben, sondern nur zum Teil eingeschränkt und eine Eigenbeteiligung der Eltern, wie in den meisten anderen Bundesländern der Bundesrepublik auch vorgesehen, eingeführt wurde.

Was Ihre nächste Fragestellung betrifft ist das, um mit Fontane zu antworten, ein sehr weites Feld. Ich persönlich würde in meiner Sprache mit der Aussage einer Stigmatisierung und Chaos immer etwas rücksichtsvoller umgehen. Im Übrigen glaube ich, dass wir in unseren Schulen Kennzeichnung haben. Bei Kindern sind sie in der Kleidung vorhanden, die ausdrückt, dass man sehr viel Geld dafür ausgibt. Sie wissen, dass ich mich immer dafür ausgesprochen habe, dass im Wege von Vereinbarungen in den Schulen, auch um das Wort Uniform auszulassen, eine einheitliche schicke Kleidung gewählt wird. Dafür wurde ich schon gerügt. Das ist aber ein anderes Thema. Darüber kann man auch diskutieren. Wir haben im Gesetz nicht vorgeschlagen, dieses als Zwang einzuführen. Das sollten wir nicht tun.

Die zweite Nachfrage des Kollegen Mutlu – bitte!

Ist dem Senat bewusst, dass viele Schulen bedauerlicherweise die Maximalhöhe von 100 € nicht als Obergrenze, sondern als Fixbetrag betrachten und der Meinung sind, die Eltern hätten Bücher in Höhe von 100 € einzukaufen? Ist dem Senat dieses bekannt? Wie will der Senat diesem Verfahren einen Riegel vorschieben und dafür sorgen, dass die Verordnung so, wie sie gedacht war, ausgeführt wird?

Danke, Herr Kollege Mutlu. – Herr Senator Böger, bitte!

Herr Präsident! Herr Kollege Mutlu! Mir sind einige Fälle per Post bekannt, dass Schulen Eltern angewiesen haben, Bücher für 103 € einzukaufen. Die Rechtslage ist dabei ganz einfach: Es ist rechtswidrig. Festgelegt ist, dass bis zu 100 € Neuwert einzukaufen ist. Es kann sein, dass manche Schulen dies auch genutzt haben, den Lernmittelbestand aufzufrischen, und mehr angekauft haben, als unbedingt notwendig ist. In unserem Rundschreiben haben wir darauf hingewiesen.

Aber: Ich höre von dem gesamten Parlament, dass wir zu Recht in unserem neuen Schulgesetz erweiterte Selbständigkeiten und Eigenverantwortung der Schulen formulieren. Auch Sie unterstützen das sehr. Wer das auf der einen Seite will und – wie wir beide und alle – auch Elternmitbestimmung möchte, muss auch diese Spielräume in den Schulen lassen. Man kann nicht immerfort Eigenverantwortung fordern und dann von dem zuständigen Senat erwarten, dass er sich wie ein Unteramtschef in einem Bezirk aufführt und jedes Detail kontrolliert. Das ist wirklich nicht möglich.

[Beifall bei der SPD]

Danke schön, Herr Senator! – Das Wort zu einer Nachfrage hat die Abgeordnete Frau Dr. Tesch von der SPD-Fraktion. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Zunächst möchte ich eine Anmerkung zu den Fragen des Herrn Mutlu machen.

Anmerkungen zumal von Abgeordneten untereinander sollte es wirklich nicht geben!

Herr Senator! Sind Sie mit mir der Meinung, dass es sich hier nicht um eine Streichung der Lernmittelfreiheit, sondern lediglich um eine Einschränkung handelt? Sind Sie weiter mit mir der Meinung, dass soziale Stigmatisierung nicht durch Ausleihe von Schulbüchern erfolgt, sondern eher durch das Tragen von Nike-Schuhen oder Diesel-Jeans und dass man in diesem Zusammenhang doch noch einmal über das Thema Schuluniformen oder einheitliche Schulkleidung nachdenken sollte?

[Brauer (PDS): Ach, nein! – Unruhe]

Herr Senator Böger!

Nebenbei gesagt, Frau Kollegin, halte ich auch nichts davon, wenn jede Woche ein neues Schulfach gefordert wird. Kürzlich war es die Forderung nach BenimmUnterricht. Das können wir in diesem Zusammenhang nennen. Gutes Benehmen kann man sowohl in der Schule als auch im Parlament, dort allerdings mühsam, lernen.

Danke schön! – Es gibt eine weitere Nachfrage der Frau Kollegin Senftleben von der Fraktion der FDP. – Bitte!

Leider darf ich keine Anmerkung machen; des wegen erspare ich sie mir.

Gut so!

Ich habe eine Frage an den Senat: Es trifft zu, dass die Schulen, die die Schulbücher anschaffen, nur ein Viertel des Anschaffungspreises erhalten. Wie wird das letztendlich gehandhabt? Über die Haushaltssperre haben Sie soeben gesprochen. Es ist ein Nachweis zu erbringen. Dann würde die Finanzverwaltung auch überweisen. Halten Sie dieses Verfahren wirklich für sinnvoll, oder muss man sich nicht ein anderes Verfahren überlegen? Wenn nur ein Viertel der Kosten erstattet wird, fällt es den Schulen schon sehr schwer, die erforderliche Anzahl zu kaufen. Welcher sinnvolle Weg für die Schulen erscheint gangbar?

Herr Senator Böger!

1. Wie viele Hortplätze fehlen trotz der vorherigen vollmundigen Zusicherungen des Jugendsenators konkret zu Beginn des neuen Schuljahres, insbesondere für die Schulanfänger, und worin liegen die Ursachen?

2. Warum werden die Eltern zur Kasse gebeten, die versuchen, in Eigeninitiative dieses Defizit zu füllen, anstatt sie bei ihren Bemühungen zur Schaffung dringend benötigter Hortplätze unbürokratisch zu unterstützen?

Danke schön! – Das Wort hat wieder der Bildungssenator, Herr Böger. – Bitte!