Protocol of the Session on June 26, 2003

Mit den technischen Entwicklungen im Medienbereich wird auch die duale Ordnung in Deutschland vor eine Bewährungsprobe gestellt. Wenn es mehr Angebote an TV-Programmen, mehr Spartenkanäle geben wird, werden mehr Zuschauer von ARD und ZDF abgezogen, damit werden Werbeeinnahmen weiter geschmälert. Somit bleibt dem öffentlich-rechtlichen System, wenn es denn überhaupt zu halten ist, nur die Chance, mit einem hochwertigen, qualifiziertem Programm dafür zu werben, eventuelle Gebührenerhöhungen zu erreichen. Hierbei erhalten Veränderungen zusätzlich besondere Bedeutung, die sich aus dem europäischen Einigungsprozess ergeben

und die in den 7. Rundfunkänderungsstaatsvertrag mit eingearbeitet werden sollen.

Die bereits auf dem Papier dargestellte Selbstverpflichtung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bietet die Chance, negative Auswirkungen der Brüsseler Aktivitäten abzuwehren. Ich hoffe, dass die Ministerpräsidenten in diesem Sinn einstimmig aktiv und agieren werden. Damit könnten diese Rahmenbedingungen die Chance bieten, auch im europäischen Maßstab den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu erhalten und innerhalb der nächsten drei Jahre zu überprüfen.

Mit dem europäischen Binnenmarkt verbunden ist das Ende der medienpolitischen Kleinstaaterei. Die Auseinandersetzung um die Endfassung der Europäischen Verfassung betreffen auch die Medienpolitik, ähnlich wie bei der Kulturpolitik. Dabei ist ein Bekenntnis zur Wahrung und Stärkung der kulturellen Vielfalt unverzichtbar, ebenso wie die Anerkennung der elektronischen Medien als bedeutender Faktor der demokratischen und gesellschaftlichen Meinungsbildung. Die damit verbundenen Erwartungen zur Konzentrationsbegrenzung einerseits und zur Trennung von politischer und medialer Macht andererseits werden hoffentlich auch in den europäischen Gesetzen Eingang finden. Ein System Berlusconi für Europa muss aus meiner Sicht verhindert werden.

(D

Die Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“, die für 2003 für Europa diskutiert und an der noch gearbeitet wird, soll aktuelle technische Entwicklungen im Medienrecht stärker berücksichtigen. Dabei sollte – so wünsche ich es mir – Berlin als Medienstandort davon profitieren. Die Diskussionen zur Filmförderung sind dabei von besonderer Bedeutung. Wichtig erscheint mir an dieser Stelle der Hinweis, dass Filmförderung Bestandteil öffentlich-rechtlicher Daseinsfürsorge bleiben wird, gerade auch für den Medienstandort Berlin. Die Unterstützung, wie sie das Land Berlin gemeinsam mit dem Land Brandenburg für das Filmboard leistet, sollte qualifiziert werden. Das ist eine Aufgabe, der wir uns als Parlament stellen sollten.

holt. Wenn man fragt, wem es nützt, wären es vor allem die privaten Rundfunkstationen, für die Sie sich einsetzen.

Zum Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks: Das ist eine historische Errungenschaft. Es ist mir unverständlich, dass ich Ihnen das erklären muss. Ich verteidige allerdings diese Errungenschaften des öffentlich-rechtlichen Systems, die aus Erfahrungen der Weimarer Republik resultieren und sich abgrenzen von den zentralistischen Strukturen des Naziregimes und sich an die Strukturen der britischen BBC anlehnen, anders als das amerikanische Modell, das nur abhängig ist von Werbung und Sponsoring sehr gern gegenüber der FDP. Ich glaube deshalb, dass wir mit dem Gebührenmodell ein gutes System in Deutschland haben. Während unserer Ausschussreise hatten wir im Baltikum die Chance, Debatten über die Finanzierung von Rundfunk zu verfolgen. Dabei war ein großes Wohlwollen, in gewissem Sinne auch Neid, beim Blick auf das deutsche Modell festzustellen. Es ist bedauerlich, dass gerade ich Ihnen das erklären und Ihnen gegenüber verteidigen muss.

[Ritzmann (FDP): Das ist wirklich bedauerlich, das stimmt!]

Grundversorgung bedeutet – dabei beziehe ich mich auf ein Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts – weder eine Mindestversorgung, noch beschränkt sie sich auf den informierenden und bildenden Teil des Programms, sie ist vielmehr die Versorgung mit Programmen, die dem klassischen Rundfunkauftrag entsprechen und die technisch für alle empfangbar sind. An diesem Grundsatzurteil hat sich in den letzten zehn Jahren nichts verändert, auch wenn es, wie im 7. Rundfunkänderungs- staatsvertrag angestrebt, Aktualisierungen geben wird. Es ist abzuleiten, dass Unterhaltung und Sport durchaus zur Grundversorgung gehören und das – darüber sind wir uns hoffentlich einig – auf hohem Niveau.

Die Veränderungen, die der 7. Rundfunkänderungsstaatsvertrag wahrscheinlich einstimmig treffen wird – also auch mit CDU-Stimmen, wenn ich das richtig sehe –, engen den Funktionsbegriff nicht ein, sie konkretisieren ihn an einigen Stellen und grenzen stärker vom Privatrundfunk ab. Veränderungen sollen die Zukunftsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sichern und seine Konkurrenzfähigkeit gegenüber privaten Anbietern erhalten.

Ich komme zu einem weiteren Stichpunkt, der Diskussion über die Gebührenerhöhungen, wobei die FDP den Antrag stellt, auf diese zu verzichten. Es ist erstaunlich, dass in Ihrer Rede nicht einmal das Wort „KEF“ gefallen ist. Das zeigt, wie lax Sie damit umgehen. Das ist eine Bauchdiskussion, die Sie, Herr Lindner, hier geführt haben.

Ich würde gern – da kann ich mich Herrn Zimmermann und Herrn Braun anschließen – die Ergebnisse der KEF abwarten. Diese sollen zum Jahresende vorliegen. Dann werden sie weitergereicht an die Ministerpräsidentenkonferenz, und möglicherweise wird es dann notwendig, sich noch einmal damit zu beschäftigen. Vorher scheint mir eine solche Diskussion etwas unqualifiziert zu sein, es sei denn, Herr Lindner, Sie haben Einblick in die Haushaltsbücher der Sender und haben sich, was die Ab

Es wäre eine Erleichterung, wenn alle Leute, die nicht für die Gebührenerhöhung zuständig sind, nicht andauernd darüber reden würden.

Ich kann Herrn Conrad sehr gut verstehen. Sie von der FDP verwickeln uns nämlich in eine verfassungspolitisch höchst bedenkliche Diskussion – Herr Braun hat darauf hingewiesen.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil von 1994 mit gutem Grund vorgeschrieben, dass die Rundfunkgebühren in strikter Staatsferne allein von der KEF und allein nach kostenkritischen Kriterien festzulegen sind. Die Politiker dürfen nach unserer Verfassung gerade eben nicht nach Lust, Laune und politischer Meinung über das Entgelt bestimmen, das ARD und ZDF für ihre Leistungen zusteht.

Wir Landespolitiker sind an die Entscheidungen der KEF gebunden und können davon nur abweichen, wenn eine Gebührenerhöhung nicht mehr sozial verträglich ist. So ist die Rechtslage, so ist der Verfahrensweg, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, und das hat seinen guten Grund.

rechnungen der öffentlich-rechtlichen Anstalten angeht, stark eingearbeitet.

Die Erwartungen, dass mit Gebühren effektiv und sorgsam umgegangen wird, haben wir alle im Haus. Und ich bin mir sicher, dass wir dort eine kritische Sicht haben. Das wurde auch bereits von verschiedenen Rednern dargestellt. Fragen zum Umgang mit den Gehältern in den oberen Regionen der Anstalten, zur Programmgestaltung, zum Kauf von Fernsehrechten von Privaten, auch zum Kauf der Fernsehrechte der Fußballbundesliga, das alles erfordert eine Stärkung der Aufsichtsgremien, der Rundfunk- und Verwaltungsräte, und eine breite öffentliche Diskussion. Deshalb bin ich auch der Presse dankbar, wenn sie Themen, wie gerade jetzt zum Fußball, aufnimmt.

Der Aufbau der Medienanstalt des RBB bietet uns in der Hauptstadtregion die Chance, den Aufbau einer öffentlich-rechtlichen Medienanstalt zu begleiten. Ich kann die Meinung von Herrn Braun nicht teilen; ich denke, dass der RBB, der erst seit wenigen Wochen arbeitet, auch eine Chance haben muss, sich einzuarbeiten, bevor wir uns als Politiker mit dem erhobenen Zeigefinger einmischen. Das Prinzip der politischen Neutralität sollten wir in jedem Fall wahren. Also: Wir werden uns durchaus mit dem RBB weiterhin beschäftigen – und der Senat tut dies vielleicht stärker als wir im Parlament –, aber eine gewisse Einarbeitungszeit sollte man insbesondere der neuen Intendantin auch zugestehen.

Noch ein Wort zu den Millionen verdienenden Fußballprofis: Ich glaube – Herr Lindner wies darauf hin –, dass es sicher nicht der richtige Weg sein kann, über den Umweg des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, also über Gebühren, diese Profis zu finanzieren. Im Gegenteil: Ich wünschte mir, dass andere Sportarten neben dem Fußball verstärkt gezeigt würden. Ich denke, das gehört zum Versorgungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

[Doering (PDS): Zum Beispiel Sumo Ringen!]

Manche Sportarten erscheinen überhaupt nicht mehr, die durchaus attraktiv sind. Ich erlaube mir an dieser Stelle, einen sehr kritischen Blick auf diese Entwicklung zu werfen. – Zu den anderen Anträgen komme ich in der zweiten Runde.

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Für die Fraktion der Grünen hat nun das Wort der Abgeordnete Herr Eßer. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich speziell für Sie, Herr Lindner, mit einem Zitat von Rainer Conrad beginnen. Herr Conrad ist Vorsitzender der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs, kurz KEF genannt, also jener Kommission, die nach unserer Verfassung die Höhe der Rundfunkgebühren festlegt.

Herr Conrad sagte kürzlich leicht entnervt über Leute wie Herrn Lindner:

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Kein Politiker soll die Möglichkeit haben, sich die Berichterstattung bei ARD und ZDF gefügig zu machen, indem er zum Beispiel die Programmverantwortlichen mit Gebührenentzug bedroht, weil ihm die Berichterstattung etwa in der „Tagesschau“ nicht passt. Ich finde es schade, dass man ausgerechnet einer liberalen Partei immer wieder Hinweise in Sachen Freiheit, heute in Sachen journalistischer Freiheit und Unabhängigkeit, erteilen muss.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der PDS – Ritzmann (FDP): Sie geben immer Hinweise!]

Es ist doch schon schlimm genug, dass die Parteien über Rundfunkräte, die Bestellung von Intendanten usw. sehr stark in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk hinein regieren. Viel zu stark für meinen Geschmack. Da brauchen wir nicht auch noch Politiker, die uns dazu auffordern, als weiteres Herrschaftsinstrument den Geldhahn einzusetzen und ihn je nach Bedarf auf- oder zuzudrehen. Mich werden Sie deshalb jedenfalls nicht dazu verleiten, mich heute über die angemessene Höhe der Rundfunkgebühren auszulassen.

Ich schlage vor, wir warten alle gemeinsam den Spruch der KEF, der im Oktober vorliegen wird, ab. Dann werde ich Ihnen sagen, was ich von der Entscheidung der KEF halte. Ich glaube dabei im Übrigen nicht, dass alle Träume von ARD und ZDF und Deutschlandradio in Erfüllung gehen werden.

Wenn wir auch nicht für die Gebührenhöhe verantwortlich sind, so sind wir als Landesparlamentarier aber

)

und dieses Wort heißt Unterhaltung. Wenn man dieses Wort streicht, hat man aus ARD und ZDF ein Minderheitenprogramm für Kulturbeflissene gemacht und die lästige Konkurrenz beseitigt. Dann sitzen bei den ÖffentlichRechtlichen noch ein paar stark an Politik interessierte Leute vor der Mattscheibe und vielleicht noch ein paar zart besaitete Menschen wie ich, die sich gerne Tierfilme anschauen,

(D falls das nicht auch unter das Unterhaltungsedikt von Privatfunkern und FDP fällt. Fußball aber – darum geht es doch zurzeit im Kern, wenn wir ehrlich sind – gäbe es dann nur noch bei den Privaten und da am besten im PayTV, also nur noch beim Insolvenzverwalter von Leo Kirch auf Premiere. Da wird in mir nicht der Tierfreund, aber der Fußballfan rebellisch. Was habe ich auf dem Höhepunkt der Fußballhysterie bei SAT 1 gelitten, als ich mich für die samstägliche Bundesligazusammenfassung zwei Stunden vor die Glotze klemmen musste, um dabei eine Stunde Werbung über mich ergehen zu lassen. Was habe ich darunter gelitten, als man mich für dumm verkaufen wollte und noch jedes grottenschlechte Spiel zu einem Premiumprodukt aufgeblasen hat

doch für die Rundfunkordnung als Ganzes verantwortlich. Diese besteht bekanntlich aus zwei Säulen, den Privaten und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Der öffentlichrechtliche Rundfunk ist Herr Lindner offenbar ein Dorn im Auge, weil das Freiheitsverständnis seiner Partei inzwischen auf die Interessensvertretung von Privatfunkern heruntergekommen ist.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der PDS]

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat in der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik aber seinen guten Sinn. Den werden Sie sogleich erkennen können, wenn ich Ihnen den Funktionsauftrag für ARD und ZDF, wie er im neuen Rundfunkstaatsvertrag lautet, vorlese:

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat in seinen Angeboten und Programmen einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Er soll hierdurch die internationale Verständigung, die europäische Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bund und Ländern fördern. Sein Programm hat der Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung zu dienen. Er hat Beiträge insbesondere zur Kultur anzubieten.

Dazu noch:

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat bei der Erfüllung seines Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, der Meinungsvielfalt sowie der Ausgewogenheit der Angebote und Programme zu berücksichtigen.

Das alles können Sie keinem Privatsender der Welt vorschreiben. Dem können Sie keinen Kultur- und Bildungsauftrag verpassen. Der darf von morgens bis abends „BigBrother-Container“ mit und ohne Guido Westerwelle über die Mattscheibe flimmern lassen, wenn die werbende Wirtschaft das bezahlen sollte, woran ich in diesem Fall meine Zweifel habe.

Ein Privatsender kann auch nicht zur Überparteilichkeit verpflichtet werden. Er darf in seinen Nachrichtensendungen gnadenlos die Stimme seines Herrn verkünden. Wenn Sie Pech haben, haben Sie am Ende wie in Italien einen Regierungschef, der wie Silvio Berlusconi in der Tagesschau die politische Situation so darstellen lässt, wie es ihm passt.

Ja, auch Nachrichten sind eine Ware, die man verkaufen kann. Ja, auch Fernsehen ist Bigbusiness, aber eben nicht nur. Rundfunkanstalten sind keine Schraubenfabrik. Hier wird auch die demokratische Öffentlichkeit produziert, ohne die ein freies Gemeinwesen nicht auskommen kann.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der PDS]

Deswegen haben wir in der Bundesrepublik unser Rundfunksystem auf zwei Säulen gestellt, um die demokratische Kultur unseres Landes nicht völlig davon abhängig zu machen, was die Firma Bertelsmann und der Insolvenzverwalter von Leo Kirch für gut und richtig halten. Mehr Wettbewerb haben wir im Privatfernsehen ja nicht.

Ich glaube auch gar nicht, dass Herrn Lindner und der gesamten FDP-Fraktion der zitierte Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt ein Dorn im Auge ist.

[Ritzmann (FDP): So ist es, Herr Kollege!]

Sie stört als verlängerter Arm der Privatsender an diesem Auftrag nur ein einziges Wort,

[Ritzmann (FDP): Wir sind der Büttel des Großkapitals!]