Jeder hier im Saal und auch die Zuschauerinnen und Zuschauer an den Fernsehschirmen merken, dass es in dieser Stadt eine große Not gibt, Entscheidungen zu treffen. Der Druck ist fast physisch spürbar. Klaus Wowereit wird sich in Peking wohlgefühlt haben; denn rund 380 Millionen Menschen glauben dort an den Taoismus, eine Religion, die auf Laotse zurückgeht. Dort gibt es das Prinzip des Wu Wei, das klingt schon ein bisschen nach Wowereit. Dieses verlangt vom Taoisten nur eins, nämlich das Nichtstun.
Nach dieser Philosophie ist die beste Regierung diejenige, die man nicht bemerkt. Und diese Anforderung erfüllt Klaus Wowereit nur zu gut.
Ich glaube aber, ein Regierender Bürgermeister muss sich in Berlin bemerkbar machen. Er muss eingreifen, wenn die Senatsmitglieder über Sinn und Unsinn von Sparmaßnahmen streiten und damit die Reste vom Konsolidierungswillen aufgeben, wobei auch noch die letzten Stützpfeiler der Haushaltsruine des Landes Berlin beiseite geräumt werden. Herr Sarrazin und Frau Knake-Werner treffen sich nämlich nicht mehr zu Chefgesprächen, sondern schreiben sich mit Hilfe der Berliner Presse öffentliche Briefe.
Wir, die Berlinerinnen und Berliner, wollen von Klaus Wowereit wissen, wie sein Plan für die Zukunft unseres Landes aussieht und ob er überhaupt einen hat. Die Bereitschaft zu Reformen ist groß in unserer Stadt, aber nur dann, wenn auch klar ist, welches Ziel erreicht werden
Fünf Minuten zur Begründung einer Aktuellen Stunde sind viel zu kurz, um alle Gründe aufzuzählen, die Herrn Wowereit zum Reden veranlassen sollten. Ich habe die Sorge, dass er sich damit nur in die Sommerpause retten will, um seine Sprachlosigkeit zu verbergen. Dies bedeutet nämlich weitere verlorene Wochen und Monate für Berlin. Und das ist mit Sicherheit viel zu lang.
Herr Wowereit! Nehmen Sie Ihren Mut zusammen, und treten Sie hier an dieses Mikrofon! Bekennen Sie sich endlich zu Ihrem Amt und zu der Aufgabe, die Sie übernommen haben! – Vielen Dank!
Herr Strieder will lieber den Umbau Unter den Linden bezahlen und die Bürgersteige verbreitern, während in der Stadt die Straßen verfallen. Der Regierende Bürgermeister muss erklären, welchen Sinn Streichungen von Mitteln haben sollen, wenn damit funktionierende Strukturen zerstört werden, während überflüssige Lieblingsprojekte von einzelnen Senatsmitgliedern finanziert werden. Er muss sich zu Wort melden, wenn der längst überfällige Stellenpool wegen krasser handwerklicher Fehler seitens des Senats durch die eigene Regierungsfraktion hier im Haus gestoppt werden soll. Er muss aber auch deutlich machen, wie er das verlorene Vertrauen in die Berechenbarkeit von staatlichem Handeln im Umgang mit Institutionen, wie beispielsweise den Berliner Hochschulen, wiederherstellen will. Aber Klaus Wowereit schweigt dazu.
Er meint, er müsse mit dem Parlament und der Stadt nicht reden. Er hält eine Regierungserklärung oder auch nur eine Aktuelle Stunde zu der Zukunft Berlins – und darum geht es, Herr Wechselberg – für überflüssig. Stattdessen dürfen wir heute in einer großformatigen Tageszeitung lesen:
Ufo-Alarm. Klaus Wowereit schaltet Experten ein. Und er will zukünftig die Suche nach Außerirdischen zur Chefsache machen.
[Beifall und Gelächter bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei den Grünen – RBm Wowereit: Aber „Bild“ hat mit mir nicht geredet!]
Herr Wowereit! Das Einzige, was mir daran außerirdisch vorkommt, das sind Sie. Denn Sie sind offensichtlich nicht in dieser Stadt zu Hause, sondern leben in einem Paralleluniversum.
Wir, die Berlinerinnen und Berliner, wollen von Herrn Wowereit wissen, wie er die unbewältigten Aufgaben in unserer Stadt zu lösen gedenkt, vom Großflughafen in Schönefeld bis hin zur nicht verkauften Bankgesellschaft, die To-do-Liste des Regierenden Bürgermeisters ist übervoll. Aber Klaus Wowereit schweigt.
Wir, die Berlinerinnen und Berliner, wollen von Herrn Wowereit wissen, wie er den Haushalt des Landes in den Griff bekommen will. Spardiskussionen ohne sachliche Grundlage oder gar vernünftiges Ziel; Luftbuchungen ohne Substanz; Schulden machen ohne Ende – Berlin trudelt in den Staatsbankrott. Aber Klaus Wowereit schweigt.
Frau Präsidentin! Verehrte Damen, meine Herren! Zum 1. Mai später. Und zum 17. Juni auch. Herr Wechselberg! Da haben wir überhaupt keinen Bedarf an Nachhilfeunterricht. Für die FDP-Fraktion hatte ich bereits mit Schreiben vom 31. Januar den Herrn Präsidenten des Abgeordnetenhauses aufgefordert, sich Gedanken zu machen und mit dem Präsidium und dem Ältestenrat zu erörtern, in welcher Weise das Abgeordnetenhaus von Berlin sich dieses eminent wichtigen Themas 17. Juni annehmen kann. Gestern hat hier eine Veranstaltung des Abgeordnetenhauses stattgefunden. Es finden weitere große Veranstaltungen statt, übrigens mit äußerst geringer Beteiligung der hier anwesenden Protagonisten.
Es wurde gestern schon ein Stück weit sichtbar, worum es Ihnen heute tatsächlich geht. Nämlich um nichts anderes, als dass der Regierende Bürgermeister und sein Senat im 17. Juni einen Vorwand gefunden haben, um sich davor zu drücken, Führung zu zeigen, eine Regierungserklärung abzugeben oder wenigstens in einer Aktuellen Stunde hier zur Perspektive Berlins zu reden.
Das, was Sie hier seit eineinhalb Jahren abgeliefert haben, ist eine Bilanz des Scheiterns und des Unvermögens. Ich zähle einmal drei, vier Sachen auf, selbstverständlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Verkauf der Wohnungsbaugesellschaft – gescheitert; Verkauf der Bankgesellschaft – gescheitert; Flughafenprivatisierung – gescheitert; Haushaltskonsolidierung, stockende Solidarpaktgespräche und Stellenpool – liebe Freunde, das ist das Einzige, was Berlin in den vergangenen Jahrzehnten zu Wege bekommen hat. Zusätzliche Ämter zu bauen – noch nicht einmal das bekommen Sie in der Zwischenzeit noch hin.
Das Schlimmste aber ist: keine Visionen, keine Perspektive für die Berlinerinnen und Berliner. Ich verstehe,
Ich kann die Aufzählung noch fortsetzen: Ladenschluss und Flughafen haben Priorität. Anschließend hat es aber keine Stunden gedauert, dass Frau Knake-Werner und Herr Flierl daherkamen, dieses ablehnten und sagten, Soziales habe Priorität. Die Vorhaben wurden sofort wieder aufgehoben. Was tun Sie hingegen? Mir ist auch nichts Originelleres eingefallen, Herr Zimmer, als hier diesen Artikel aus der „Bild-Zeitung“ von heute auszuschneiden: Ufo-Alarm, Wowereit schaltet Experten ein und erklärt Beobachtungen zur Chefsache. Na gut, ich verstehe. Vielleicht erwarten Sie von einem Ufo eine gewisse Hilfe, dass diese Außerirdischen vielleicht
50 Milliarden € oder vielleicht auch einen neuen Regierungschef mitbringen und gleichzeitig ein paar Ämter von Herrn Wowereit wieder mitnehmen. So wird das aber nicht eintreten! Die Aufgaben, die Berlin zu bewältigen hat, haben wir hier zu lösen und hat die gewählte Regierung zu lösen. Sie haben die Chance hier und heute, das Chaos aufzulösen, Führung und Linie zu zeigen und in einer Aktuellen Stunde, wie sie die FDP und alle anderen Oppositionsfraktionen beantragt haben, den Menschen zu zeigen, wohin die Reise in Berlin geht. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon bemerkenswert, mit wie wenig Souveränität die Regierungsfraktionen die Debatte über die Zukunftsperspektiven der Stadt verweigern. Herr Wechselberg, der Stil fällt auf Sie selbst zurück. Ich glaube nicht, dass wir eine Belehrung in Form von Opportunismusvorwürfen gerade von Ihnen brauchen. Diese haben wir überhaupt nicht nötig. Sie können sich solche beim nächsten Mal sparen, wenigstens das können Sie sich sparen!
dass Sie bei dem Wort „Visionen“ aus der Perspektive von Stadträten aus Tempelhof und Bezirksbürgermeistern aus Kreuzberg ein wenig das Grausen kriegen; aber wenigstens darauf, dass Sie eine Perspektive für die Berlinerinnen und Berliner aufzeigen, haben die Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch; sie wollen wissen, wohin es geht, und zwar nicht nur in der Frage der Haushaltskonsolidierung, aber selbstverständlich dort auch; sie wollen ein schlüssiges Konzept erfahren zu Deregulierung, Verwaltungsreform, Stellenabbau. Sie wollen vor allen Dingen aber auch wissen, wohin die Reise ansonsten geht. Wo liegen die Schwerpunkte? Wohin wird investiert? Was geschieht mit der Bildung? Welche Schlüsse ziehen wir aus PISA? Was ist mit der Wissenschaft? Was Sie bei den Hochschulrektoren und -präsidenten in dieser Stadt hinterlassen haben, ist ein einziges Chaos!
Was wird aus der Kultur, der Wirtschaft? In all diesen Bereichen wollen die Leute einmal hören, was dem Herrn Regierenden Bürgermeister und seinem Senat dazu einfällt. Sie schulden den Bürgern ein Gesamtkonzept. Stattdessen herrscht Ratlosigkeit in den eigenen Reihen vor, bis hin zu Ihrem stellvertretenden Parteivorsitzenden Andrae, der ebenfalls Führung von seinem eigenen Regierungschef einfordert.
Es gibt Konfusion. Das Einzige, was hier geleistet wird, ist, mal die eine oder andere Sau durch das Dorf zu treiben,
beispielsweise Bezirke einzuschleifen, Studiengebühren einzufordern oder 68 Verwaltungsvorschriften abzubauen. Aber alles, was ich gerade aufgezählt habe, wurde binnen weniger Stunden von Ihren Parteien oder Ihrer eigenen Fraktion wieder kassiert. Es gibt Ratlosigkeit und Konfusion, Widerstand und Kakophonie im eigenen Senat.
Der Finanzsenator prescht vor. Anschließend wird er vom eigenen Regierungschef und von seinen Senatskollegen gedeckelt. Herr Sarrazin, wenn die Opposition sagt, dass Sie bis zum Ende des Jahres hier politische Geschichte sind, ist das ein Kompliment, weil wir Ihnen das Rückgrat zutrauen, nicht dauernd auf Ihrem Sessel kleben zu bleiben, sondern wirklich etwas in dieser Stadt erreichen zu wollen.
Noch vor zwei Wochen hat bei einer Ältestenratsitzung die Koalition die Position vertreten, dass eine gemeinsame Erklärung, die der Präsident hier für alle Fraktionen zum 17. Juni 1953 vortragen sollte, nicht notwendig ist. Es wurde vertreten, dass es Veranstaltungen gibt.
Ich bin sehr froh, dass wir trotzdem einen Entschließungsantrag zu Stande bekommen haben, der das Gemeinsame in den Vordergrund stellt und den alle fünf Fraktionen unterzeichnet haben.
Ich ärgere mich darüber, dass Sie mit der Aktuellen Stunde den Konsens in dieser wichtigen Frage wieder aufkündigen. Es ist ein Stück weit schäbig, ausgerechnet die Geschichte des 17. Juni zu instrumentalisieren, damit Sie die Debatte über Zukunftsperspektiven und Haushalt heute hier verhindern können.
[Dr. Lindner (FDP): Reine Drückebergerei! – Doering (PDS): Sie wollten darüber debattieren. Das war Ihr Antrag!]
Stattdessen – das finde ich auch ärgerlich – rückt dieser Regierende Bürgermeister in einem Nebensatz bei einer Senatspressekonferenz so ganz nebenbei vom zentralen Ziel der Koalition – die Sanierung des Primärhaushalts bis 2006 – ab. Herr Wowereit, wer hat denn genau dieses Jahr 2006 zum zentralen Ziel dieser Koalition regelrecht zur Legitimation für diese Senatsbildung er
Um dem Vorwurf zu entgehen, wir würden damit dem Gedenken zum 17. Juni 1953 ausweichen, mache ich jetzt einmal einen ganz unorthodoxen Vorschlag: Es gab schon einmal in diesem Haus die Situation, dass zwei Aktuelle